Potsdam – In einer Podiumsdiskussion der Berliner Zeitung in der Potsdamer Reithalle wurde jüngst über „Die Schwierigkeit mit der Freiheit“ debattiert. Die Runde, bestehend aus der ehemaligen Vorständin und Autorin Simona Stutkowa, dem Unternehmer und Verleger Holger Friedrich und dem Musiker Hans Eckardt Wenzel, beleuchtete die Facetten eines komplexen Begriffs, der in Deutschland trotz rechtlicher Garantien für viele mit einem wachsenden Gefühl der Einschränkung verbunden ist.
Holger Friedrich eröffnete die Debatte mit der Beobachtung, dass Zahlen, die ein zunehmendes Gefühl zeigen, die eigene Meinung in Deutschland nicht frei äußern zu können, „nie lügen“. Zwar lande man dafür nicht im Gefängnis – der Entzug der Freiheit im äußersten Sinn – doch es gebe einen Preis: soziale Ausgrenzung, Diffamierung, Kontaktschuld, Beschimpfung. Dies schaffe eine strukturelle Unsicherheit im Umgang mit diskreditierten Personen. Friedrich zitierte einen internationalen Experten, der in Deutschland nicht mehr sage, was er denke, da die Konsequenzen für seine Familie zu groß seien. Dies zeige einen Zustand der Intoleranz und einer „freiwilligen Selbstverzwergung“.
Ein weiterer zentraler Punkt, besonders im Osten Deutschlands, ist das Misstrauen gegenüber den Medien. Simona Stutkowa, die in ihrem Buch das Bild des Ostens in den Medien thematisiert, erklärte dies mit der Darstellung von Klischees, die nicht die Wahrheit spiegeln und oft von Journalisten geschrieben werden, die nie im Osten waren. Hans Eckardt Wenzel, als „gelernter Ostdeutscher“, führte das Misstrauen auf das Aufwachsen mit zwei Informationssystemen zurück, die beide nicht „hinreichend“ waren und dazu zwangen, sich eine eigene Weltsicht aufzubauen. Dieses Misstrauen werde durch aktuelle „politische Katastrophen“ verschärft.
Die Runde sprach über eine wahrgenommene „Verschärfung eines Kriegszustandes“ und die Kriminalisierung Andersdenkender. Wenzel berichtete, dass er an vielen Orten nicht mehr auftreten dürfe – eine Erfahrung, die er auch aus der DDR kenne, aber heute aus anderen Gründen (z. B. als „Putin Versteher“). Er beklagte „Denkverbote“ und ein ideologisches Muster, das sofort „Erzählungen parat“ habe, um Personen zu diskreditieren, etwa durch das Label „Verschwörungstheoretiker“, das es ermögliche, Argumente zu ignorieren. Dies führe zu mangelnder Durchlässigkeit in der Gesellschaft und der Schwierigkeit, anzunehmen, dass der andere vielleicht auch recht haben könnte.
Holger Friedrich, der 2019 die Berliner Zeitung kaufte, schilderte seine Erfahrungen als Unternehmer. Die Medien zeichneten oft ein stereotypes Bild vom Unternehmer als Steuerverkürzer oder Ausbeuter, das nicht mit seiner Lebenswirklichkeit korrelierte, die von Risiko, schwierigen Entscheidungen und Kundenorientierung geprägt sei. Auch die Berichterstattung über den Osten habe nichts mit seiner Realität zu tun gehabt. Bei der Übernahme der Berliner Zeitung traf er auf Mitarbeiter, deren vorherrschendes Gefühl Angst vor der Wirklichkeit war, gepaart mit einer Art „kognitiver Autosuggestion“ und struktureller Unwilligkeit, sich mit der Realität auseinanderzusetzen. Der Transformationsprozess, der darauf abzielte, den Markt und die Kunden in den Mittelpunkt zu stellen und den Debattenraum zu erweitern, sei „brutale Gewalt“ gewesen, da viele Mitarbeiter nicht willig waren. Für diesen Kurs erhalte die Berliner Zeitung nun Lob von den Lesern, aber auch „schwerste Beschimpfungen“ von der Konkurrenz. Friedrich merkte an, dass die Reputation und persönliche Chancen darunter gelitten hätten, und er würde die Entscheidung mit heutigem Wissen nicht wieder treffen.
Die Diskussion berührte auch die Frage, wie erfolgreich Ostdeutsche in Deutschland wahrgenommen werden. Simona Stutkowa berichtete von ihren Erfahrungen, als sie sich in der Bank als Ostdeutsche outete. Viele Reaktionen zeigten Erstaunen und Misstrauen, nach dem Motto: „Du siehst gar nicht so aus“, „wirkt nicht so“, „ist es wirklich die Wahrheit?“. Sie führte ihren Erfolg auf Vorbilder, Pragmatismus, Resilienz und eine „Transformationskompetenz“ zurück, die sie in ihrer ostdeutschen Erziehung erworben habe. Diese Fähigkeit, Menschen durch Wandel zu führen, sei im Osten durch die Wende stark ausgeprägt. Interessanterweise werde diese Eigenschaft international eher als Pluspunkt gesehen („kriegen wir schon irgendwie hin“), während man in Deutschland immer noch als „Ossi“ wahrgenommen werde.
Holger Friedrich widersprach der Vorstellung, dass es für Ostdeutsche per se schwerer sei als für andere Minderheiten. Er forderte dazu auf, sich nicht in einer Opferrolle einzurichten, sondern die Rahmenbedingungen zu akzeptieren, die Regeln zu lernen und die „extra Meile“ zu gehen. Chancengleichheit sei das Ziel, nicht Ergebnisgleichheit. Er betonte, dass Erfolg primär auf Mindset, Kreativität und Zähigkeit beruhe, nicht auf Geld.
Die Podiumsmitglieder und das Publikum reflektierten über die Bedeutung der Freiheit im Alltag. Hans Eckardt Wenzel sprach über die künstlerische Freiheit und ihre schwindende Bedeutung in einem Kunstbetrieb, der zum „Wellnisbetrieb“ werde. Er erinnerte an die subversive Kraft der Kunst in der DDR und die Gefahr der Überpolitisierung. Ein Zuschauer berichtete, dass die Corona-Zeit für ihn ein „Trauma“ sei, da sie gezeigt habe, wie schnell Freiheit eingeschränkt werden könne und wie passiv die Mehrheit der Bevölkerung dies hingenommen habe. Ostdeutsche hätten diese Muster oft wiedererkannt.
Holger Friedrich bestätigte, dass er als Techniker während Corona die schnelle Einführung neuer Technologien ohne ausreichende Risikobetrachtung kritisch sah. Er beobachtete eine gesellschaftliche „Normierung“ und Ängstlichkeit in der eigenen Redaktion. Simona Stutkowa stimmte zu, dass die Corona-Zeit gezeigt habe, wie schnell selbstverständlich geglaubte Rechte weg sein können. Sie verbinde Freiheit mit Demokratie und sorge sich um deren Zukunft in Deutschland und Europa.
Wenzel betonte die Notwendigkeit, sinnlose Begrenzungen der Freiheit „kenntlich zu machen“ und sprachlich zu formulieren. Er verwies auf „Denkverbote“ in aktuellen Debatten (z. B. bei Themen wie Gaza, Waffenlieferungen, Russland) und die sprachlichen Barrieren, die uns unserer Freiheit beraubten. Es sei Freiheit, dagegen vorgehen zu können und zu müssen. Freiheit existiere nur unter radikal demokratischen Strukturen, was auch die Legitimation von Macht in Frage stelle.
Abschließend klang an, dass Freiheit kein Zustand, sondern etwas ist, wovon man frei ist (Freiheit von) oder wozu man die Möglichkeit hat (Freiheit zu). Sie sei wie ein Muskel, der trainiert werden müsse. Die Diskussion zeigte, dass Freiheit viele Dimensionen hat – von der persönlichen Meinungsäußerung und wirtschaftlichen Betätigung bis hin zur künstlerischen Entfaltung und der Verantwortung für die Gemeinschaft. Die Suche nach einem Kompass in dieser Freiheit bleibe eine ständige Herausforderung.
Der Beitrag basiert ausschließlich auf den Informationen des bereitgestellten YouTube-Transkripts.