Ein Rückblick auf das FDJ-Pfingsttreffen 1950

Am Pfingstsonntag, dem 21. Mai 1950, strömten über eine halbe Million junger Menschen nach Ost-Berlin, um am großen Pfingsttreffen der Freien Deutschen Jugend (FDJ) teilzunehmen. In einer beispiellosen Inszenierung orchestrierte die neugegründete DDR-Führung ein Spektakel politischen Massenzusammenhalts – und ließ die DEFA unter Regisseur Kurt Maetzig den offiziellen Propagandafilm „Immer bereit“ drehen.

Aufmarsch in Blau
Bereits in den frühen Morgenstunden sammelten sich Jugendliche in den Straßen West- und Ost-Berlins. Das charakteristische Dunkelblau der FDJ-Hemden, die wehenden Fahnen im SED-typischen Rot-Blau und die stummen Reihen der Versammelten wirkten wie eine Choreografie des neuen Staates. Maetzig setzte auf weite Totalen und dynamische Kamerafahrten: Man sieht Fackelzüge durch die Nacht, marschierende Kolonnen auf der Straße des 17. Juni und Fahnenappelle vor dem Brandenburger Tor. Die Bildmontagen verbinden feierliche Feierlichkeit mit fast heroischer Pathos-Musik – ein Musterbeispiel frühen DDR-Kino-Stils.

Zwischen Dokumentation und Inszenierung
Obwohl „Immer bereit“ als Dokumentarfilm etikettiert ist, bewegt sich Maetzigs Werk konsequent im Spannungsfeld von authentischer Berichterstattung und politischer Inszenierung. Gesprochene O-Ton-Einblendungen von SED-Funktionären wechseln sich mit Jubelrufen der Jugendlichen ab, gefolgt von Kommentaren, die den Aufbau der „neuen sozialistischen Ordnung“ preisen. Die Montage macht deutlich: Hier sollen nicht nur Ereignisse festgehalten, sondern Gefühle erzeugt werden – Stolz, Gemeinschaftsgefühl und die Identifikation mit Partei und Jugendverband.

Ein Spiegel politischer Ambitionen
Das Pfingsttreffen der FDJ war mehr als ein Jugendcamp: Es war ein Machtdemonstration der SED und Teil ihrer Strategie, die junge Generation fest an sich zu binden. Die DDR-Führung verstand, dass filmische Bilder stärker wirken als jede Parteisitzung. Mit „Immer bereit“ sollte ein modernes, selbstbewusstes Bild der DDR-Jugend nach außen getragen werden – auch im Westen, wo die US-Zeitschrift LIFE die ostdeutschen Aufmärsche mit der Hitlerjugend verglich und damit mahnende Ähnlichkeiten aufzeigte.

Langfristige Wirkung und heutige Perspektive
Heute gilt „Immer bereit“ nicht nur als historisches Zeitdokument, sondern auch als Lehrstück über die Mechanismen politischer Propaganda im Film. Filmwissenschaftler heben hervor, wie Maetzig und sein Kameramann mit Licht und Ton arbeiteten, um eine emotionale Radikalisierung zu erzeugen und den Zuschauer aktiv ein- statt zuzuschauend zu machen. Gleichzeitig steht die Dokumentation in der DEFA-Historie als eines der ersten Großprojekte überhaupt, das massenmediales Potenzial mit Ideologie verband.

Die Auseinandersetzung mit „Immer bereit“ eröffnet heute einen Zugang zur gesellschaftlichen Stimmungslage der frühen DDR: die Sehnsucht nach Gemeinschaft, die Faszination von Masseninszenierungen und die Frage nach individueller Freiheit in einem System, das auf Kollektivgebot setzt. Für Historiker und Kulturwissenschaftler bleibt der Film ein Schlüsselwerk – nicht nur für die Filmgeschichte, sondern auch für das Verständnis der politischen Instrumentalisierung von Kunst.

Der Film ist in der DEFA-Sammlung des Bundesarchivs einsehbar und wird gelegentlich auf retrospektiven Filmfestivals gezeigt. Wer sich für das Verhältnis von Jugendbewegung, Politik und Film interessiert, findet in „Immer bereit“ ein faszinierendes Beispiel für frühe DDR-Propaganda.



Beitrag finden? Einfach die Suche nutzen!