Ein kürzlich entdecktes Dokument aus den Akten der Bezirksverwaltung Magdeburg des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) offenbart ein bedrückendes Kapitel der DDR-Geschichte. Es zeigt, wie psychisch kranke Menschen in die sicherheitspolitischen Maßnahmen des Staates einbezogen und als potenzielle Gefahrenquellen behandelt wurden. Insbesondere im Umfeld des X. Parteitags der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) im Jahr 1981 griff das MfS zu drastischen Maßnahmen.
Repressive Maßnahmen zur Parteitagsabsicherung
Das Ministerium für Staatssicherheit verstand sich als „Schild und Schwert“ der Partei und überwachte die Bevölkerung mit akribischer Präzision. In den Magdeburger Akten fanden sich zunächst vermeintlich belanglose Dokumente – etwa zur Absicherung eines Fußballspiels oder einer Modellbau-Weltmeisterschaft. Doch ein Schreiben des Bezirksleiters vom 7. April 1981 sticht besonders heraus: Es befahl, dass psychisch kranke Menschen während des Parteitags unter besondere Kontrolle gestellt werden sollten.
Demnach durften Personen, die sich in stationärer Behandlung befanden, die psychiatrischen Einrichtungen nicht ohne Aufsicht verlassen. Gleichzeitig sollten Urlaubs- und Ausgangsmöglichkeiten massiv eingeschränkt werden. Besonders brisant war die Anweisung, dass psychisch Kranke in ambulanter Behandlung, die möglicherweise eine „Gefährdung der öffentlichen Ordnung“ darstellen könnten, präventiv in Kliniken eingewiesen werden sollten. Diese Maßnahmen wurden in enger Absprache mit der Volkspolizei durchgeführt und basierten auf einer Direktive von Erich Mielke, dem damaligen Minister für Staatssicherheit.
Politisches Kalkül statt medizinischer Fürsorge
Die Anordnung offenbart die menschenverachtende Logik, nach der die DDR-Führung agierte. Anstatt psychisch Kranke als schutzbedürftig zu betrachten, wurden sie als Störfaktoren angesehen, die es zu kontrollieren galt. Die genauen Zahlen der betroffenen Personen sind unklar, doch das Dokument belegt, dass die Stasi bereit war, auch die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft in ihre Kontrollmechanismen einzubeziehen.
Diese Praxis wirft ein Schlaglicht auf den repressiven Umgang der DDR mit gesellschaftlichen Randgruppen. Nicht medizinische Notwendigkeit, sondern politisches Sicherheitsdenken stand im Vordergrund. Die Internierung psychisch Kranker war keine Maßnahme zur Gesundheitsfürsorge, sondern ein weiteres Instrument der präventiven Repression. Wer nicht ins staatliche Raster passte oder potenziell „unberechenbar“ erschien, wurde ausgeschlossen – selbst wenn es keinerlei Hinweise auf eine tatsächliche Gefährdung gab.
Ein totalitäres Kontrollsystem ohne Grenzen
Der Umgang mit psychisch Kranken in der DDR zeigt die tiefgehende Durchdringung der Gesellschaft durch das MfS. Die Sicherung des Parteitags wurde mit einer umfassenden Überwachung und präventiven Internierung durchgesetzt – ein Vorgehen, das aus heutiger Sicht klare Menschenrechtsverletzungen darstellt. Die Methoden der Stasi machten keinen Unterschied zwischen politischen Gegnern und Menschen, die aufgrund ihrer gesundheitlichen Verfassung von der staatlichen Norm abwichen.
Das aufgetauchte Dokument verdeutlicht, dass in der DDR selbst die Schutzbedürftigsten unter repressiven Maßnahmen zu leiden hatten. Die Angst der Staatsführung vor Kontrollverlust reichte so weit, dass selbst kranke Menschen als Sicherheitsrisiko betrachtet und ihrer Grundrechte beraubt wurden. Die Geschichte zeigt einmal mehr, wie totalitäre Systeme jeden Bereich des Lebens regulieren und selbst die Schwächsten nicht vor politischer Willkür schützen.