Im Juni 1989 drehte Peter Wensierski einen Film, der das düstere Kapitel der Umweltpolitik in der DDR eindrucksvoll beleuchtet. Unter dem Titel „DDR 1989: Geheimhaltung von Umweltdaten“ wird ein System offengelegt, in dem essenzielle Informationen über Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzungen systematisch unter Verschluss gehalten wurden – zum Nachteil von Wissenschaft, Bevölkerung und letztlich der Umwelt selbst.
Geheime Daten als Staatsgut
Bereits seit 1982 wurden Umweltmesswerte in der DDR als Staatsgeheimnis deklariert. Der Film zeigt, wie konkrete Zahlen zu Schadstoffbelastungen, die normalerweise Aufschluss über Umweltprobleme geben würden, nicht nur der Öffentlichkeit verwehrt blieben, sondern auch den Forschern selbst den Zugang zu notwendigen Daten verwehrten. Um den Ernst der Lage zu verdeutlichen, werden Landkreise in verschiedene Geheimhaltungskategorien eingeteilt – in besonders belasteten Regionen, die als Kategorie 3 klassifiziert wurden, galten Messwerte für ganze 15 Jahre als streng geheim. Über zwei Drittel des Landes fielen in diesen Bereich, was nicht nur das Wissen über Umweltprobleme massiv einschränkte, sondern auch den Diskurs über notwendige Gegenmaßnahmen lähmte.
Wissenschaft im Blindflug
Die Folgen dieser Politik waren verheerend: Ohne verlässliche Daten waren selbst Fachleute und Wissenschaftler gezwungen, sich auf Vermutungen und indirekte Hinweise zu stützen. Statt fundierter Diskussionen dominierten allgemeine Erklärungen und Unsicherheiten, was letztlich dazu führte, dass die tatsächliche Dimension der Umweltkatastrophen weitgehend im Dunkeln blieb. Wensierskis Film dokumentiert exemplarisch, wie die fehlende Transparenz nicht nur das wissenschaftliche Arbeiten behindert, sondern auch das Vertrauen der Bürger in staatliche Umweltmaßnahmen untergräbt.
Stimmen des Widerstands
Im Film tritt unter anderem der oppositionelle Aktivist Carlo Jordan aus Ost-Berlin zu Wort. Mit heimlichen Videointerviews, aufgenommen mit den Geräten der Opposition, gelingt es ihm, das Schweigen der offiziellen Stellen zu durchbrechen. Jordan kritisiert scharf, dass selbst bei akut gefährlichen Smog-Situationen – wie sie immer wieder in Ostberlin auftraten – keine Warnungen ausgesprochen wurden. Vielmehr blieb das Umweltministerium trotz offensichtlicher Bedrohungen stumm, um den Status quo der staatlichen Geheimniskrämerei zu wahren. Diese Konfrontation zwischen offizieller Diskretion und dem Drängen nach Information zeichnet ein bedrückendes Bild der politischen Realität jener Zeit.
Konkrete Beispiele und weitreichende Folgen
Der Film liefert handfeste Beispiele: In Bitterfeld, dem Zentrum der chemischen Großindustrie, wurden regelmäßig Grenzwerte bei Schadstoffen um ein Vielfaches überschritten. An der Mulde, einem Zufluss der Elbe, wies eine Messung einen Quecksilbergehalt aus, der das Hunderttausendfache des Zulässigen betrug. Auch in anderen Regionen wie Hedstedt und in den landwirtschaftlich geprägten Gebieten fanden sich alarmierende Werte, die auf giftige Belastungen von Boden und Wasser hinwiesen. Doch anstatt diese Missstände offen zu legen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen, schützte der Staat seine Daten wie militärische Geheimnisse – was nicht selten auch den Eindruck erweckte, dass offizielle Aussagen mehr auf Wunschdenken als auf Fakten beruhten.
Ein Appell an Transparenz
Peter Wensierskis Film richtet damit nicht nur ein scharfes Licht auf ein Kapitel der DDR-Vergangenheit, sondern stellt auch eine grundlegende Frage: Wie kann Umweltschutz funktionieren, wenn die Faktenlage systematisch unterdrückt wird? Der Beitrag fordert eindringlich dazu auf, die Informationspolitik zu überdenken – denn erst durch Transparenz und offene Diskussion können Umweltprobleme wirklich erkannt und nachhaltig bekämpft werden.
Mit seiner dokumentarischen Herangehensweise liefert „DDR 1989: Geheimhaltung von Umweltdaten“ einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Umweltpolitik in der DDR und zeigt auf, dass der Kampf um Informationen oftmals der erste Schritt zu einer nachhaltigen Veränderung sein muss.