In den Pausenräumen der Volkseigenen Betriebe roch es an Freitagnachmittagen oft nach Zigarettenrauch, Bohnenkaffee und dem süßlichen Duft von „Rotkäppchen“-Sekt. Was auf den ersten Blick wie eine spontane Flucht aus dem grauen Arbeitsalltag wirkte, folgte einer strengen Choreografie, die staatliche Vorgaben und privates Vergnügen untrennbar miteinander verwob. Die Brigadefeier war in der DDR weit mehr als nur Geselligkeit; sie war ein politisch gewolltes Ritual.
Der staatliche Anspruch lautete „Sozialistisch arbeiten, lernen und leben“. Diese Losung aus dem Jahr 1959 machte den Arbeitsplatz zum zentralen Sozialisationsort. Wer den begehrten Titel „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ und die damit verbundene Geldprämie ergattern wollte, musste nicht nur den Plan erfüllen, sondern auch gemeinsam ins Theater gehen oder wandern. Die Feier wurde so zur ökonomischen Notwendigkeit für den Geldbeutel jedes Einzelnen.
Ein einzigartiges Zeugnis dieser Zeit sind die Brigadetagebücher, die heute in Museen lagern. In akkurater Schönschrift und mit eingeklebten Urkunden dokumentierten sie das vermeintlich perfekte kollektive Leben. Doch zwischen den Zeilen der ideologischen Phrasen klaffte oft eine Lücke zur Realität. Während der Text brav von politischer Weiterbildung berichtete, zeigten die eingeklebten Fotos ausgelassene Schnappschüsse, die wenig mit Parteidisziplin zu tun hatten.
Innerhalb dieser staatlichen Strukturen bildete sich das, was der Soziologe Günter Gaus als „Nischengesellschaft“ bezeichnete. Die Brigade fungierte als Tauschnetzwerk in der Mangelwirtschaft. Auf den Feiern wurden keine politischen Parolen diskutiert, sondern Autoteile organisiert und Handwerkerleistungen vermittelt. Der Alkohol löste hierbei die Zungen und schuf eine vertraute Intimität, die Kritik an der Obrigkeit im geschützten Raum zuließ.
Besonders der Internationale Frauentag am 8. März stach im Jahreskalender hervor. In einer Art karnevalesker Umkehrung der Verhältnisse bedienten die Männer an diesem Tag ihre Kolleginnen, kochten Kaffee und schenkten Alkohol aus. Diese ritualisierten Exzesse, oft begleitet von reichlich „Goldbrand“, waren ein Ventil für den Druck der Doppelbelastung, unter dem viele Frauen in der DDR-Arbeitswelt standen, und stärkten den internen Zusammenhalt enorm.
Wie brisant diese Feierkultur war, zeigte der Skandal um Sighard Gilles Gemälde „Brigadefeier – Gerüstbauer“ im Jahr 1977. Statt heroischer Arbeiter malte er eine chaotische Partygesellschaft mit geröteten Gesichtern und schief hängenden Lampions. Die Funktionäre waren empört über diese Darstellung des „Dampfablassens“, doch das Bild fing genau jene ungeschminkte Realität ein, die in den offiziellen Berichten der Brigadebücher meist verschwiegen wurde.
Mit dem Mauerfall 1989 endete diese Ära abrupt. Die Kombinate wurden zerschlagen, die soziale Sicherheit wich der Konkurrenz, und die Brigadebücher brachen oft mitten im Satz ab. Was bleibt, ist die ambivalente Erinnerung an eine Zwangsgemeinschaft, die vielen dennoch als soziale Heimat diente. Die Brigadefeier war der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Diktatur und Alltag, ein Ort, an dem die große Politik oft einfach im Alkohol ertränkt wurde.