Einst ein Ort lebendigen Treibens, heute eine stille Wiese mit Geschichte: Das Sommerbad Zeisigwald in Chemnitz war über Jahrzehnte hinweg eine beliebte Freizeiteinrichtung. Seine Geschichte spiegelt die Entwicklung der Stadt und die Freibadkultur wider, bis hin zu seinem endgültigen Verschwinden.
Die Anfänge des Bades reichen bis ins Jahr 1908 zurück. Damals wurde im Zeisigwald an der Fürstenstraße, neben dem bereits bestehenden Waldspielplatz, das erste städtische Freibad in Chemnitz errichtet. Es trug den Namen Luft- und Lichtbad und wurde 1909 eröffnet. Zunächst herrschte noch strikte Geschlechtertrennung, mit separaten Bereichen für Männer und Frauen, getrennt durch einen Zwischenbau für Umkleiden und Sichtschutz. Die ursprünglichen Becken waren mit 8 x 15 Metern und einer Tiefe von bis zu 1,40 Metern vergleichsweise klein. Jährlich zog das Bad in dieser Zeit rund 50.000 Besucher an.
Ein bedeutender Wandel vollzog sich 1928 mit einer kompletten Neugestaltung. Das Areal wurde Richtung Norden auf insgesamt 10.000 Quadratmeter erweitert. Durch den Auftrag von Mutterboden entstand eine ebene Liegewiese mit altem Baumbestand, die bis heute erhalten ist. Das Herzstück der Erweiterung war ein neues, großes Becken in einer sumpfigen Schlucht, das beeindruckende 20 x 50 Meter maß und eine Tiefe von 90 cm bis zu 3,20 Metern aufwies. Es war von einer 1,4 Meter breiten Fußspülrinne und einem mehrere Meter breiten Sandstreifen umgeben. Ein 3-Meter-Sprungturm und ein 1-Meter-Brett ergänzten das Angebot. Das umgebaute Bad verfügte zudem über einen 500 m² großen Spielplatz, eine Gaststätte und in den 1930er Jahren sogar einen bewachten Parkplatz. Mit einer Kapazität von 2000 Besuchern pro Tag und der Aufhebung der Geschlechtertrennung stiegen die Besucherzahlen rasant. 1931 wurden über 130.000 Besucher gezählt. In den 1930er Jahren erlangte das Freibad Zeisigwald durch seine idyllische Lage und die Annehmlichkeiten Sachsenweit Bekanntheit.
Das Ende dieser Blütezeit kam mit dem Zweiten Weltkrieg. 1945 war das Bad durch Bomben und Plünderungen nicht mehr betriebsfähig. Die Gebäude waren zerstört, nur die Becken noch intakt. Doch der Bedarf an Sport- und Freizeitstätten ebnete den Weg für einen Wiederaufbau. Anfang der 1950er Jahre wurde die Anlage durch freiwillige Arbeitseinsätze und städtische Mittel neu errichtet. Am 9. August 1953 konnte das Bad unter dem neuen Namen Sommerbad Zeisigwald wiedereröffnet werden. Das Wasser, teilweise aus dem Blauern bezogen, war mit durchschnittlich 18°C ohne Heizung eher kühl.
Anfang der 1980er Jahre begann der schleichende Niedergang. Die hygienischen Bedingungen verschlechterten sich rapide, und die technischen Anlagen bedurften einer Erneuerung. Die Mangelwirtschaft in der DDR und fehlende Geldmittel besiegelten das Schicksal des Bades. Mit der Badesaison 1983 erfolgte die Schließung.
Der Komplettabriss der Freibadanlage folgte schließlich 1987. Das einzige erhaltene Gebäude ist ein Pavillon, der vermutlich in den 1970er Jahren gebaut wurde. Er diente einst als Zugang und Ausgang zum Bad, heute als Wetterschutz auf dem Spielplatz. Nach kurzzeitigen Rummelveranstaltungen um 1990 verwilderte das Gelände zunehmend. Das Freibad wurde restlos abgerissen.
Heute erinnern nur noch wenige greifbare Spuren an das einstige Badeparadies: kleinere Löcher, eine große Senke, die den Standort des 50-Meter-Beckens markiert, sowie vereinzelte Ziegel- und Betonplattenreste. Die heutige Gestaltung des Areals, die den Zugang zum ehemaligen Gelände ermöglicht, erfolgte 2011. Was bleibt, sind der ehemalige Eingangspavillon und vor allem die große Liegewiese mit ihren hohen alten Bäumen. Das Zeisigwaldbad ist Geschichte, doch auf der Wiese, so scheint es, lässt sich der einstige Badbetrieb noch nachspüren.