Mehr als nur Sattmacher: Die unvergessliche Küche der DDR

Wenn Sie dachten, Soljanka sei nur Suppe und Jägerschnitzel echtes Schnitzel, dann haben Sie die Küche der DDR nicht wirklich kennengelernt. Diese Gerichte erzählten Geschichten und weckten Erinnerungen. Es war eine Küche, die aus dem Nichts ein Fest machen konnte, geboren aus Mangel, aber geliebt wegen ihres Charakters.

Die „Königin der Resteküche“ und andere Helden des Alltags
Ein Paradebeispiel dafür ist die Soljanka. Sie war scharf, sauer, rauchig und die „Königin der Resteküche“. In ihr landete, was da war: Jagdwurst, Salami, saure Gurken, Tomatenmark, ein Schuss Brühe. Das Aroma war würzig-herzhaft, roch nach Werkskantine, Familienfeier, nach Zuhause. Manche verfeinerten sie mit Zitrone oder Sahne; jeder hatte sein Geheimnis, jede Familie ihr eigenes Rezept. Soljanka war kein Gericht, sie war ein Erlebnis.

Ein weiterer Klassiker war das Jägerschnitzel, das nach Wurst schmeckte statt nach Wild. Eine dicke Scheibe panierter Jagdwurst, goldgelb gebraten, außen kross, innen saftig, daneben Spirelli und eine süßlich duftende Tomatensoße. Es schmeckte nach „warmem Zuhause“ und war oft ein „Feiertag auf dem Tablett“ in der Schulkantine. Es gab nichts vor zu sein und fehlte genau deshalb so vielen.

Mutige kannten die „Tote Oma“, deren Name nach Horrorfilm klang, auf dem Teller aber „pure Kindheit“ war. Dahinter verbarg sich gebratene, zerdrückte Blutwurst mit Sauerkraut und Salzkartoffeln. Es war kein Gourmetgericht, aber es machte satt und lieferte Eisen, Fett und Geschmack. Der Name war „makaber wie aufrichtig“, typisch für die ehrliche Küche der DDR, in der nichts beschönigt oder versteckt wurde. Auch wenn es heute langsam verschwindet, lebt es in Erinnerungen weiter – die dunkle, würzige Masse, die wie ein Abschied schmeckte und doch auch wie Zuhause.

Die Königsberger Klopse, zartes Hack, gerollt und in Brühe gegart, schwammen oft in einer hellen, samtigen Mehlschwitze. Kapern fehlten oft, aber das Gericht schmeckte trotzdem nach Zuhause. Es wanderte mit den Menschen aus Ostpreußen in die Küchen der DDR und sorgte beim ersten Bissen für ein „warmes Gefühl zwischen Kindheit und Geborgenheit“.

Als „feine Note im grauen Alltag“ galt Würzfleisch. Serviert in kleinen Schälchen, dampfend, mit zartem Fleisch in cremiger Soße, darüber geschmolzener Käse. Ursprünglich Ragout fin, wurde es mangels Kalbsbries und Luxuszutaten aus Schwein, Hähnchen oder Resten Kasseler zubereitet. Es war ein Gericht, das Stil hatte, ob in der Gaststätte oder zu Hause, ein Moment, in dem man sich etwas gönnte.

Einfach, Ehrlich, Unvergesslich
Viele Gerichte zeigten, wie wenig man brauchte, um satt und glücklich zu sein. Eier in Senfsoße zum Beispiel. Drei hartgekochte Eier in einer sämigen, leicht scharfen Mehlschwitze mit Senf, Essig und Zucker, dazu Salzkartoffeln. Günstig, verfügbar und funktionell. Es stand oft wöchentlich auf dem Tisch und wurde später vermisst, „weil es nicht nur scharf war, sondern auch ehrlich“. Ähnlich pragmatisch war das Bauernfrühstück aus gebratenen Kartoffeln vom Vortag mit Zwiebeln, Jagdwurst und einem Ei. Es roch nach Röstaromen und Zuhause, war „DDR pur – pragmatisch, rustikal und sattmachend“.

Auch Desserts und Kuchen zeigten diese Mischung aus Einfachheit und Kreativität. Der „Kalter Hund“ war ein Muss auf Kindergeburtstagen. Ein Kuchen ohne Backen, schichtweise aus Butterkeksen und Kakaomasse/Kokosfett gebaut, der kalt werden musste. Er war ein „Versprechen auf Kindergeburtstage“ und gehörte zum Fest wie Luftballons. Auch die Quarkkeulchen, eine Mischung aus gekochten Kartoffeln und Quark, gebraten und süß, oft mit Apfelmus, waren ein „süßes Hauptgericht für fleischfreie Tage“. Sie zeigten, dass gute Küche keine Show braucht, nur Herz.

Der Dresdner Eierschecke war eine Komposition aus Hefeteig, Quarkmasse und Eierscheckenmasse, ein kleines Kunstwerk, oft vom Bäcker geholt. Er signalisierte Feier und schmeckte nach Heimat. Der Selterskuchen, ein einfacher Rührteig mit Sprudelwasser für die Lockerheit, war das „leise Rückgrad der DDR-Backkultur“. Unspektakulär, verlässlich und immer schnell aufgegessen. Der knallgrüne Mooskuchen, oft mit Spinat gefärbt, war ein Hingucker und Gesprächsthema, ein „süßer Gruß aus der Kindheit“.

Gerichte mit Gefühl und Erinnerung
Viele dieser Gerichte waren mit starken Gefühlen verbunden. Schmorgurken, aus dem Garten geerntet und geschmort mit Zwiebeln und etwas Speck oder Hack, rochen nach Dill und Sommerregen und erinnerten an Sommerferien bei Oma. Letcho, eingekochte Paprika, Tomate und Zwiebel, oft aus dem Vorratsschrank geholt, brachte Farbe auf den Teller und schmeckte nach Urlaub in der Datsche. Das Steak au four, ein Schweinesteak mit Würzfleisch und Käse überbacken, galt als Luxus und roch nach Sonntagnachmittag. Der Bräuler, ein ganzes Brathähnchen, war mehr als ein Imbissgericht; er war ein Ereignis, das „Fastfood der Herzen“.

Gerichte wie Schichtkraut oder Kassler mit Sauerkraut waren Hausmannskost für viele Tage oder standen für Sonntag und Besuch. Sie rochen nach Ofenwärme, Winter oder einfach nach einem guten Tag.

Die DDR-Küche war vielleicht nie perfekt, aber sie war immer echt. Sie machte satt, wärmte das Herz und erzählte Geschichten von Pragmatismus, Kreativität und dem Gefühl von Zuhause. Wer diese Gerichte einmal gegessen hat, weiß, dass Geschmack manchmal eben doch besser ist als jedes Dreigängemenü und dass Erinnerung oft durch den Magen geht.