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Sahra Wagenknecht: Die unbequeme Stimme – Eine Dissidentin im Wandel der deutschen Politik

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Sahra Wagenknecht, geboren 1969 in Jena (damals DDR), ist seit Langem eine der umstrittensten Figuren in der deutschen Politik. Als führendes Mitglied der Kommunistischen Plattform innerhalb der PDS (heute Die Linke) und mit einer intellektuellen Schärfe, die sie von vielen ihrer Kollegen abhebt, hat sie sich immer wieder als Stimme des Widerspruchs positioniert. In einem tiefgehenden Interview mit Günter Gaus aus dem Jahr 2004 gewährte sie Einblicke in ihre politische Philosophie, ihre Kritik an der Gesellschaft und ihre persönliche Rolle als „Dissidentin“.

Wagenknecht, die im Frühjahr 1989 in die SED eintrat und später in den Vorstand der PDS gewählt wurde, wurde oft als „Dissidentin“ innerhalb ihrer eigenen Partei und der breiteren deutschen Politiklandschaft beschrieben. Ein Attribut, mit dem sie leben kann, da sie das Gefühl hat, nicht nur eine winzige Minderheit zu repräsentieren. „Ich habe sowohl von dem was ich an Post bekomme als auch an ganz direkten Reaktionen tagsüber in der S-Bahn […] das Gefühl, dass eigentlich gar nicht so wenige Leute ähnlich denken“, so Wagenknecht. Besonders in den letzten Jahren vor dem Interview, so beobachtete sie, habe sich die Resonanz verstärkt, insbesondere von jungen Leuten und Schülern. Diese jungen Menschen suchten nicht nach kleinen Steuerkorrekturen, sondern nach „grundsätzlich andere[n] Visionen, andere[n] Alternativen, andere[n] Gesellschaftsvorstellungen“. Ein ungewöhnliches Terrain für die PDS, wie ihre Einladung an ein katholisches Mädchengymnasium in Hessen zeigte, wo sie trotz anfänglicher Skepsis eine gemeinsame Basis im Gefühl fand, „dass es so wie es jetzt läuft nicht weitergeht“.

Die Notwendigkeit des Widerspruchs und die Lehren der Geschichte
Für Wagenknecht nimmt eine Gesellschaft Schaden, wenn sie zu wenig Dissidenten hat. Während die Wirtschaftselite und Lobbys zufrieden sein mögen, dass sie wenig Widerspruch erfahren, so Maaz, leide die große Mehrheit materiell und geistig. „Wenn ich mir die gängigen politischen Diskussionen angucke, es ist ja nicht nur, dass ich die Ansicht nicht teile, sondern es ist ja einfach auch vom Niveau unsäglich“, beklagt sie und sieht darin eine „Leere“ und „Ödnis“.

Sie selbst sieht sich nicht als „geborene Dissidentin“, wünscht sich sogar, in einer Gesellschaft zu leben, in der sie keine sein müsste. Doch betont sie: „ich würde mich nie verbiegen“. Ihre Einschätzung der DDR-Geschichte ist nuanciert. Sie sieht den Prager Frühling als Versuch einer ökonomischen Reform innerhalb eines sozialistischen Rahmens. Sie kritisiert die DDR, da sie mit Kritikern nicht umgehen konnte, was sie als „Zeichen von Schwäche“ und „Angst, nicht mehr argumentieren zu können“ deutet. Im Gegensatz zu vielen sieht sie den DDR-Staatschef Walter Ulbricht als den weitaus bedeutenderen Anführer im Vergleich zu Erich Honecker. Ulbricht habe frühzeitig die Notwendigkeit von Veränderungen im Wirtschaftssystem erkannt, etwa durch das Neue Ökonomische System und die Einbeziehung der Menschen, was später leider abgewürgt wurde.

Jenseits des Profits: Ein anderes Menschenbild und Wirtschaftsmodell
Wagenknecht glaubt nicht an einen „neuen Menschen“, sondern daran, dass der Mensch „immer sehr sehr unterschiedlich [war], je nachdem auch wie Verhältnisse waren“. Die heutige Gesellschaft fördere durch ihre Struktur das Egoistische und Ignorante im Menschen, weil der Einzelne ums Überleben kämpfen müsse. Sie lehnt die Vorstellung ab, dass Profit der einzige oder wichtigste Motor für Motivation sei, kritisiert den Shareholder Value, der zu kurzfristiger Renditemaximierung und Entlassungen führt. Ein sozialistisches Wirtschaftssystem müsse Anreize schaffen, um Menschen zu belohnen, die sich engagieren, ohne sie den „Wolfsgesetzen“ eines entfesselten Kapitalismus auszusetzen, der viele Menschen „kaputt macht“.

Ein ungelöstes Problem der sozialistischen Idee war für Gaus die Kontrolle und Ablösung von Macht. Wagenknecht entgegnet, Macht müsse so strukturiert sein, dass sie „immer von Basisbewegung von von direkten demokratischen Institutionen kontrollierbar bleibt“. Sie verweist auf Venezuela, wo starke basisdemokratische Elemente neben dem Parlament die alte Oligarchie erfolgreich ausgebremst hätten. Sie stimmt Rudi Dutschke zu, dass es langfristig um die Schwächung der Parteiapparate zugunsten von Basisdemokratie gehen müsse und Parteien selbst demokratischer kontrollierbar sein müssen.

Die PDS in der Zerreißprobe und die Zukunft der Gesellschaft
Für Wagenknecht ist die wesentliche Funktion der PDS „Fundamentalopposition“, die in den sozialen Auseinandersetzungen auf der richtigen Seite steht und eine Perspektive jenseits des Kapitalismus vertritt. Kompromissfähigkeit gehöre zur Politik, doch müsse man in den Grundsätzen erkennbar bleiben. Die Beteiligung der PDS an der Berliner Regierungskoalition mit der SPD sieht sie kritisch. Sie war nicht überzeugt, dass die SPD wirklich eine sozialere Politik umsetzen wollte, sondern eher, „eine Partei die im Ostteil Berlins fast 50% hatte dadurch dass man sie in die Regierung hineinnimmt im Grunde als Opposition als Protest Partei als auch mobilisierungsfaktor von Protest auszuschalten“. Dies habe der PDS in ihrer Glaubwürdigkeit zutiefst geschadet.

Die deutsche Gesellschaft stehe an einem Scheideweg, so ihre Prognose. Es gäbe zwei Wege: Entweder ein „viel stärker repressives System“, ein „amerikanisierter entfesselter Kapitalismus“, der Demokratie abbaut und rechte Populisten fördert. Oder, die von ihr erhoffte Variante, in der „starke Gegenbewegungen entwickeln auf der linken“, soziale Rechte erkämpft werden durch Straßenproteste, kämpfende Gewerkschaften und europaweite Bewegungen. Sie glaubt, dass linke Parteien hier eine entscheidende Rolle spielen müssen, und die PDS müsse sich entscheiden, ob sie beides sein wolle: in außerparlamentarischen Bewegungen aktiv und gleichzeitig in einer Regierung, die ihre Glaubwürdigkeit beschädigt.

Trotz aller politischen Kämpfe findet Sahra Wagenknecht Entspannung und Abstand beim Wandern und Lesen. Sie liebt es, Shakespeare oder Goethe zu lesen, da dies hilft, „mit all dem gelassener um[zugehen], weil man weiß natürlich auch, dass es nicht so ganz neu, solche Auseinandersetzung zu führen“. Eine Haltung, die vielleicht auch ihre Fähigkeit erklärt, über Jahrzehnte hinweg eine der lautesten und intellektuell schärfsten Kritikerinnen der herrschenden Verhältnisse in Deutschland zu bleiben.

Pastor Uwe Holmer: Glaube, Widerstand und die Kraft der Vergebung in der DDR

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Ein bewegendes Interview mit dem 96-jährigen Pastor Uwe Holmer auf dem YouTube-Kanal „Markus Ermert“ gewährt tiefe Einblicke in das Leben eines Pfarrers in der DDR, den Kampf um Glaubensfreiheit und die außergewöhnliche Entscheidung, Erich und Margot Honecker nach der Wende Obdach zu gewähren. Holmer, der seine Arbeit trotz staatlicher Repressionen als frei empfand, teilt seine Perspektive auf Freiheit, Vergebung und die befreiende Wirkung christlicher Werte.

Markus Ermert, der Interviewer, betont zu Beginn, dass Uwe Holmer mit 96 Jahren fast doppelt so alt ist wie er selbst und erinnert an die lange Zeit Holmers als Pastor in der DDR. Die Kirchenarbeit unter dem SED-Staat war bekanntermaßen nicht einfach, doch Holmer erzählt von einer besonderen Situation: Die Kirche erhielt aufgrund ihrer Geschichte als „Bekennende Kirche“ das Recht, in allen vier Sektoren zu arbeiten und ihr Eigentum zu behalten.

Der Kampf um den öffentlichen Raum und freie Glaubensausübung
Dennoch gab es ständige Auseinandersetzungen mit den Behörden, die der Kirche vorschrieben, ihre Arbeit auf den Kirchenraum zu beschränken. Holmer und seine Gemeinden ließen sich davon nicht beirren: „Wir wollten natürlich gerade raus“, erinnert er sich. So stellten sie missionarische Schaukästen an Bushaltestellen auf, verteilten Autogramme in Gärten und führten Hausbesuche sowie Bibelwochen durch. Als die Räumlichkeiten für Bibelwochen zu klein wurden und der Konsum die Nutzung verweigerte, weil „Kirche nicht rein darf“, nutzten sie einfach Scheunen von Bauern.

Holmer betont, dass sie ihre Arbeit als Pfarrer im Großen und Ganzen frei ausüben konnten, da ihr Fokus nicht auf Politik, sondern auf der Verkündigung des Evangeliums lag. Dieses Evangelium, so seine Überzeugung, verändere Menschen zum Guten und sei somit eine Form von „Politik“, die dem Staat dienlich war, indem sie „Ordnung schaffte“. Gleichzeitig gab es Spannungen, wo der Staat „atheistische Dinge“ verhängte, etwa bei der Jugendweihe, einem atheistisch geprägten Übergangsritus für Jugendliche.

Persönliche Opfer und Bildungshürden
Diese Spannungen hatten auch konkrete Auswirkungen auf Holmers zehn Kinder. Trotz guter und sehr guter Schulleistungen wurde keinem seiner Kinder der Besuch der oberen Schulstufe (Abitur) gestattet, weil sie nicht an der Jugendweihe teilgenommen hatten. „Das wollte die SED und zur Jugendweihe nicht zur Kooperation“, erklärt Holmer. Dies schränkte die freie Berufswahl erheblich ein. Holmers Kinder besuchten stattdessen eine Bibelschule, wo sie Sprachen wie Griechisch und Hebräisch lernen konnten. Zwei Jahre dieser Bibelschule wurden später von der Kirchlichen Hochschule in Leipzig für das Theologiestudium anerkannt.

Holmer beschreibt die Atmosphäre in der DDR als eine Mischung aus Vorsicht – man legte zum Beispiel Telefone in den Schrank, um Gespräche nicht abhören zu lassen – und der normalen Ausführung der eigenen Arbeit. Reisebeschränkungen waren eine Realität, doch Holmer und seine Familie blieben oft zu Hause und lernten, „dass man auch in der eigenen Schönheit leben kann“.

Die Aufnahme der Honeckers: Ein Akt der Vergebung
Nach dem Fall der Mauer leitete Holmer die Bodelschwinghschen Anstalten in Lobetal, eine Einrichtung für Obdachlose und Menschen in Not. Eine Anfrage aus Berlin im Januar 1990 sollte sein Leben und das seiner Einrichtung auf eine außergewöhnliche Probe stellen: Die Kirchenleitung fragte, ob er Erich und Margot Honecker aufnehmen könne.

Die Anfrage war eine Überraschung, zumal die Honeckers nach der Auflösung ihrer Funktionärssiedlung in Wandlitz keine andere Unterkunft fanden, da Erich Honecker fürchtete, seine Wohnung könnte von „aufgebrachten Bürgern gestürmt“ werden. Die Idee, die Honeckers in einer christlichen Siedlung mit Altenheimen unterzubringen, schien als Schutz vor dem öffentlichen Hass sinnvoll.

Holmer diskutierte drei Stunden lang mit seinen Mitarbeitern. Es gab Bedenken wegen der fragilen Bewohner (Kranke, geistig Behinderte, psychisch Schwache) und der erwarteten Proteste. Doch dann erinnerte sich das Team an das sonntägliche Gebet: „Vergeben uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern“. Diese Frage – können wir das weiterhin beten, wenn wir es nicht tun? – überzeugte schließlich alle neun Direktionsmitglieder. Trotz Raummangels – es gab 60 Vorausanmeldungen für Altenheimplätze – fand Holmers Frau eine Lösung, indem sie zwei Zimmer im eigenen Haus freimachten.

Die Kinder Holmers, die selbst unter dem Regime gelitten hatten, reagierten erstaunlich. Statt Rebellion herrschte in der Familie eine „Grundstimmung der Dankbarkeit“ und Freude über die Wende und den Mauerfall, was die Vergebung erleichterte. Holmer selbst empfand keinen inneren Groll.

Die befreiende Kraft der Vergebung
Holmer erläutert seine Motivation zur Vergebung: „Wer selbst aus Gottes Vergebung gelebt hat, der kann vergeben und der muss vergeben“. Diese Überzeugung teilte er auch einem Fernsehteam mit. Daraufhin stürmte ein Mann voller Wut auf ihn zu und behauptete, Holmer habe kein Recht zur Vergebung, da er selbst nichts durchgemacht habe. Der Mann, der in Bautzen, einem der schlimmsten DDR-Gefängnisse, inhaftiert gewesen war, war zutiefst verbittert.

Holmer konfrontierte ihn mit seinen eigenen Erfahrungen: die verwehrte Oberschulausbildung seiner Kinder, Behinderungen im Kirchendienst und sogar Gefängnisandrohungen. Doch seine wichtigste Botschaft war: „Wenn Sie nicht vergeben, frisst Ihre Bitterkeit Sie auf“. Die Verbitterung würde ihn innerlich zerstören und ihm den Schlaf rauben. Diese Worte ließen den Mann nachdenken, bis er schließlich sagte: „Sie haben Recht, ich muss vergeben und ich will vergeben“.

Für Holmer ist dies der Kern der „Freiheit eines Christenmenschen“: die eigene Schuld zu erkennen und zu vergeben sowie anderen zu vergeben. Er praktiziert dies auch in seiner Ehe, indem er Ärger nicht über Nacht stehen lässt, sondern Konflikte „gleich vor der Sonne“ klärt, um das Herz nicht zu verhärten.

Erich Honecker selbst zeigte keine Dankbarkeit oder eine innere Wandlung. Er blieb ein überzeugter Marxist. Margot Honecker hingegen war überrascht und vielleicht auch nachdenklich, als Holmers Frau erwähnte, dass ihre Kinder wegen der Jugendweihe nicht auf die Oberschule durften – eine Anordnung, die Margot Honecker selbst zu verantworten hatte. Holmer betont, dass sie ihre Entscheidung zur Aufnahme der Honeckers nicht aus politischer oder geistlicher Übereinstimmung, sondern aus dem Willen zur Vergebung trafen.

Die bewusste Entscheidung „Ich vergebe“ ist laut Holmer eine Tat, die befreit. Vergebung ist nicht nur ein Wunsch, sondern ein aktiver Akt des Loslassens, der das eigene Herz von Bitterkeit befreit und zu wahrer Freiheit führt.

Greifswalds verlorene Schönheit: Ein fotografisches Vermächtnis des Abrisses

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Greifswald in den 1980er Jahren war Schauplatz einer radikalen Umgestaltung, die das mittelalterliche Antlitz der Hansestadt für immer veränderte. Während die DDR mit dem größten Kernkraftwerk des Landes auf Modernität setzte, zerfiel die Altstadt unter den Augen ihrer Bewohner und wurde schließlich systematisch abgerissen. Der Fotograf Robert Konrad hielt das „Sterben der Altstadt“ mit seiner Kamera fest und wurde dafür von der Stasi verfolgt.

Die Altstadt von Greifswald sah in den frühen 80er Jahren aus „wie nach dem Krieg, verkommen in der Mangelwirtschaft“. Paradoxerweise war Greifswald 1945 unversehrt geblieben, da Stadtkommandant Petershagen die Stadt kampflos an die Sowjets übergeben und sie somit vor der Zerstörung gerettet hatte. Doch der anschließende Zerfall während der DDR-Zeit war für viele nicht minder tragisch. Petershagens Witwe warnte 1980 in einem Brief an Erich Honecker vor dem „endgültigen Untergang der alten Stadt“ und einer „nicht wiedergutzumachenden Zerstörung“.

Greifswald wurde neben Gotha und Bernau zur „Teststadt für die sozialistische Umgestaltung von Altstädten“. Über 300 historische Gebäude, darunter viele denkmalgeschützte, wurden abgerissen. An die Stelle von Patrizierhäusern trat die moderne Platte. Dabei wurde keine einzige archäologische Grabung durchgeführt; stattdessen erfolgte der Abriss im Akkord.

Die Beweggründe waren vielfältig. Es herrschte großer Wohnungsmangel, und die alten Häuser waren oft in einem erbärmlichen Zustand: „feuchte Wohnungen, kaputte Dächer, Kachelöfen, Außentoiletten“ – ein Bild von „grau in grau“. Sabine Rotcher und Petra Prei, die seit 1956 in Greifswald lebten, erlebten den Abriss bewusst und empfinden heute noch eine gewisse Traurigkeit, können ihn aber auch verstehen. Sie erinnern sich an den Ausspruch „Ruinen schaffen ohne Waffen“.

Die Lebensbedingungen waren schwierig. Ganze Viertel waren „total von Ratten besetzt“, was zu Geschichten führte, bei denen selbst Kinder die Gefahren erkannten. Aus reinem Selbstschutz nahmen die Bewohner ihre sterbende Stadt im Alltag kaum noch wahr. Doch bei Besuch, insbesondere aus der Bundesrepublik, wurde ihnen schmerzlich bewusst, wie die Stadt aussah, und sie empfanden Scham.

Der Abriss zog sich sieben Jahre lang hin. Mitten in diesem Klima des Untergangs versuchten Studenten, die alten Gebäude zu retten, indem sie einfach einzogen. Robert Konrad, der ebenfalls dort lebte, konnte nur dokumentieren. Die Ideologie der DDR, die Privateigentum ablehnte, und der chronische Mangel an Baumaterial erschwerten jegliche Rettungsversuche zusätzlich. Immerhin konstruierte die DDR-Bauakademie eine spezielle Platte mit Backsteinelementen, eine „hilflose Hommage an die Hansestadt“.

Ursprünglich sollten bis auf wenige alte Häuser und die Kirchen fast alle Gebäude abgerissen werden. Doch kurz vor dem Mauerfall ging der DDR das Geld aus, und so blieb es bei einem Teil dieses Viertels im Plattenbau-Stil. Die beiden Greifswalderinnen haben sich an das Verschwinden der alten Häuser gewöhnt.

Für Robert Konrad leben die alten Häuser nur noch auf seinen Fotos weiter. Er ist heute als Architekturfotograf weltweit unterwegs, doch die Wehmut bleibt. An den „tragischen Abriss“ wird er sich wohl nie gewöhnen. Seine Ausstellung wird als umso wichtiger erachtet, da sie das festgehalten hat, was sonst in Vergessenheit geraten würde. Die Fotos sind ein unschätzbares historisches Dokument einer verlorenen Zeit und einer radikal veränderten Stadt.

Magdeburgs 800. Stolperstein: Ein Denkmal gegen das Vergessen

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Magdeburg setzt ein weiteres Zeichen gegen das Vergessen: In diesen Tagen wird der 800. Stolperstein in der Stadt verlegt. Diese kleinen, glänzenden Gedenksteine, die vor den letzten selbstgewählten Wohnorten der Opfer des Nationalsozialismus in das Pflaster eingelassen werden, erinnern an Schicksale, die niemals in Vergessenheit geraten dürfen. Das Netzwerk der „Stolpersteinpaten“ wächst stetig und sorgt dafür, dass die Erinnerung an die Namen auf den mittlerweile 16 Jahre lang verlegten Stolpersteinen lebendig bleibt.

Wilhelm Kronheim: Ein angesehener Kaufmann und sein tragisches Ende
Der 800. Stolperstein, der am 3. April um 10:30 Uhr in der Sternstraße 22 verlegt wird, erinnert an Wilhelm Kronheim, einen angesehenen und für die Magdeburger Wirtschaft wichtigen jüdischen Kaufmann. Wilhelm Kronheim, geboren 1875, heiratete am 7. Oktober 1908 Anna Stern aus Paderborn. Seine Hochzeit war auch der Anlass für seinen Einstieg in den Getreidehandel, zunächst in der Firma seines Schwagers Julius Hesse.

Schon bald wollte er sich selbstständig machen und gründete eine Getreideagentur, bevor er am 27. Juni 1913 seine eigene Firma „Willem Kronheim für Getreide, Futtermittel und Sämereien“ in der Otto-von-Guericke-Straße gründete. Dies war auch das Jahr, in dem sein Sohn Heinz geboren wurde.

Die Familie Kronheim lebte in einem repräsentativen Wohnhaus in der Otto-von-Guericke-Straße 65, was zeigte, dass man mit dem Getreidehandel durchaus erfolgreich sein konnte. Wilhelm Kronheim engagierte sich auch in der jüdischen Gemeinde als Repräsentant der Synagogengemeinde und Vorsitzender der Ortsgruppe der Vereinigung für das liberale Judentum. Eine prägende Rolle spielte er im Oktober 1929, als er als einziger Magdeburger die „Erklärung deutscher Juden“ unterzeichnete. Diese Erklärung war eine Reaktion auf ein Massaker an der jüdischen Gemeinde in Hebron, bei dem 60 Menschen ums Leben kamen. Kronheim rief zur Mäßigung auf und vertrat die Ansicht, dass die Stabilisierung jüdischen Lebens in Deutschland Vorrang haben sollte, anstatt Palästina als jüdische Heimstätte zu betrachten.

Doch seine Hoffnungen erwiesen sich als trügerisch. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 wurde das Geschäft seines Vaters in Guben von SA-Angehörigen überfallen und schwer beschädigt. Die Familie Kronheim verließ Magdeburg und zog 1936 zunächst nach Miran, 1938 dann weiter nach Amsterdam in der Hoffnung auf Sicherheit. Doch die Nazis überfielen im Mai 1940 auch Holland. Wilhelm Kronheim wurde festgesetzt und sollte deportiert werden. Ihm wurde vorgeworfen, 97.101 Reichsmark Reichsfluchtsteuer hinterzogen zu haben, wofür er 1937 vom Landgericht Berlin zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus und einer Geldstrafe von 30.000 Reichsmark verurteilt worden war. Auf dem Transport in ein Konzentrationslager nahm sich Wilhelm Kronheim in Kleve im Gefängnis das Leben, um der Deportation zu entgehen. Sein Sohn Heinz konnte nach Australien gebracht werden und überlebte, ebenso wie seine Frau Anna, die später in Australien verstarb.

Herz Baruch und Gertrud Beibus: Zwischen Deportation und stiller Güte
Ein weiteres Schicksal, an das die Stolpersteine erinnern, ist das von Herz Baruch und Gertrud Beibus. Gertrud Beibus, geborene Ebe, wurde 1892 in Magdeburg geboren und war Schneiderin. Sie heiratete 1919 Herz Baruch, der aus Polen stammte. Das Ehepaar eröffnete 1921 in der Bahnhofstraße 49a ein Geschäft für Imkereibedarfsartikel unter dem Namen „Grete Ebe“, dem Mädchennamen von Gertrud. Diese Namenswahl erwies sich als Schutz, da der Name Beibus in den von den Nazis angelegten Listen jüdischer Geschäfte nicht auftauchte und sie so einiges an Verleumdung erspart blieb.

Herz Baruch wurde jedoch Ende Oktober 1938 im Rahmen der sogenannten „Polenaktion“ verhaftet und nach Polen abgeschoben. Es gelang ihm unter dramatischen, unbekannten Umständen, nach Magdeburg zurückzukehren. Auf der Volkszählungsliste vom 17. Mai 1939 findet sich sein Name wieder an der Adresse Bahnhofstraße 49a. Doch kurz nach Kriegsbeginn, am 9. September 1939, wurde er erneut als „feindlicher Ausländer“ verhaftet und am 3. Oktober 1939 in das Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert. Nur zehn Tage später, am 13. Oktober 1939, wurde Herz Baruch dort ermordet.

Seine Frau Gertrud überlebte die NS-Zeit und verstarb am 12. November 1973 in Magdeburg. Sie war zeitlebens von den Erlebnissen traumatisiert, wie ihre Angst vor dem Knallen und Blitzen von Silvesterfeuerwerk zeigte, das sie an den Krieg erinnerte. Trotz ihres eigenen Leidens zeigte sie eine bemerkenswerte Güte: Sie verschenkte Wechselgeld vom Einkauf und sorgte dafür, dass Kinder in ihrem Haus zu Ostern und Weihnachten Schokolade oder Geschenke bekamen.

Die Familie Koh: Ein Textilhandel und vielfältige Verfolgung
Auch die Geschwister Koh – Jenny, Max, Alfred, Willi und Meta – lebten in Magdeburg, an der ehemaligen Adresse Stefansbrücke 24-25. Ihr Haus hatte sogar einen Namen: „Zu den zwei Tauben“, dessen Gedenkstein bis heute erhalten und im Museum aufbewahrt wird. Der Vater, Louis Koh, war zunächst Klempnermeister, wechselte dann aber zum Kohlenhandel, indem er als Vertreter für die günstigen, wenn auch qualitativ minderwertigen Maria-Schin-Kohlen tätig wurde. Später begründete die Familie einen Textilhandel in der Stefansbrücke, einer Straße, die für ihre Kleidermacher bekannt war.

Die Verfolgung traf auch die Familie Koh auf unterschiedliche Weise. Alfred Koh und Willi Koh wurden 1938 bei der „Polenaktion“ nach Buchenwald verschleppt, dort gequält und misshandelt. Man nahm ihnen das Versprechen ab, Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen. Alfred und seine Frau Friede Rapsch wanderten daraufhin nach Shanghai aus, wo sie unter schwierigen Bedingungen in einem Ghetto leben mussten.

Alfred verstarb dort am 4. August 1945. Friede konnte sich retten und kehrte nach Deutschland zurück, wo sie 1961 in Berlin verstarb. Über das Schicksal von Willi und Elise Koh, die ebenfalls nach Shanghai gingen, ist leider nichts bekannt.

Meta Koh, die ledig geblieben war, blieb in Magdeburg. Sie wurde in eines der Judenhäuser in der Westendstraße gebracht und von dort am 18. November 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert, bevor sie in Auschwitz ermordet wurde. Max Koh wurde von Berlin aus nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Jenny Koh und ihr Mann Heinrich Boldes entzogen sich der Verfolgung, indem sie sich am 10. März 1943 gemeinsam in ihrer Wohnung in Berlin das Leben nahmen.

Diese Geschichten, die durch die Stolpersteine und die Erinnerungsarbeit erzählt werden, sind ein wichtiger Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Nachfahren von Überlebenden aus den USA und Israel werden am 4. April erneut die Gelegenheit nutzen, über die Lebenswege ihrer Angehörigen zu berichten und so die lebenslangen Schmerzen, die durch die Naziverbrechen zugefügt wurden, ins Bewusstsein zu rufen. Die Verlegung jedes einzelnen Stolpersteins ist ein Akt der Erinnerung und des Gedenkens, der sicherstellt, dass die Opfer des NS-Regimes nicht vergessen werden.

Das tragische Schicksal der DDR-Ikonen nach dem Mauerfall

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Es sind Geschichten, die wie ein unsichtbarer Schatten über unserer gemeinsamen Vergangenheit liegen. Geschichten von Menschen, die einst Millionen zum Lachen brachten, gefeierte Helden auf Leinwand und Bühne, die die Herzen in festlichen Fernsehabenden berührten. Sie waren das Gesicht der Deutschen Demokratischen Republik, Ikonen einer Epoche. Doch nach dem Fall der Berliner Mauer verloren sie alles, was ihr Leben getragen hatte: das Publikum, die Anerkennung, die Sicherheit. Was blieb, war oft die bittere Realität von Vergessenheit, Armut und Einsamkeit.

Dieses Phänomen betraf nicht nur Künstler, sondern auch politische Persönlichkeiten, die vom Umbruch gnadenlos erfasst wurden. Die Geschichten dieser einst gefeierten Stars und wichtigen Persönlichkeiten der DDR mahnen uns, wie unbarmherzig die Geschichte sein kann.

Vom Rampenlicht in die Isolation: Einzelne Schicksale
Ein prominentes Beispiel ist Eberhard Esche (geb. 1933), einer der markantesten Schauspieler des Berliner Ensembles. Mit seiner eindringlichen Stimme und seinem unverwechselbaren Spiel verkörperte er die großen Heldenfiguren der DDR-Bühne. Doch nach der Wende zeigten die westdeutschen Bühnen wenig Interesse an den Stars des Ostens. Esche fand sich in einer Welt wieder, die seine Vergangenheit kaum noch gelten ließ, spielte nur noch kleinere Rollen und starb 2006 an Krebs, in materieller Unsicherheit und mit dem Gefühl, dass seine Kunst im vereinten Deutschland keinen Platz mehr hatte.

Auch der leidenschaftliche Regisseur und Intendant Hannes Fischer (geb. 1925), der in Dresden das Theater prägte, erlebte einen dramatischen Absturz. Mit dem Fall der Mauer zerbrach sein Lebenswerk, seine künstlerische Stimme galt plötzlich als überholt. Fischer starb noch im Dezember 1989, einsam, erschöpft und gebrochen, kaum beachtet von der westdeutschen Presse.

Die visionäre Regisseurin Ruth Berghaus (geb. 1927), bekannt für ihre avantgardistischen Inszenierungen, sah ihre Ästhetik im Westen als „überholt“ und „politisch belastet“ bezeichnet. Aus der gefeierten Künstlerin wurde eine Randfigur, und sie starb 1996 fast vergessen.

Ein besonders tragisches Ende fand Margo Ebert (geb. 1926), über Jahrzehnte das vertraute Gesicht des DDR-Fernsehens und ein Star der Weihnachtsprogramme. Nach der Wiedervereinigung verschwanden ihre Sendungen, und ihre Popularität fand im Westen keinen Wiederhall. Ebert lebte zurückgezogen, die Einsamkeit lastete schwer auf ihr, und sie setzte 2009 ihrem Leben selbst ein Ende – ein tragisches Finale, das zeigt, wie gnadenlos Ruhm vergehen kann.

Selbst mächtige Persönlichkeiten wie Peter Sindermann (geb. 1915), einst Vorsitzender des Ministerrates der DDR, verloren nach der Wende alles. Entkleidet seiner Macht, verfolgt von Vorwürfen und Ermittlungen, starb er 1990 in tiefer Isolation in Ostberlin, begleitet von keinen großen Nachrufen.

Der Glanz erlosch: Schauspieler im Abseits
Viele Schauspieler, die einst im Rampenlicht standen, mussten ebenfalls einen bitteren Preis zahlen. Hans-Peter Minetti (geb. 1926), ein prägender Schauspieler der DDR-Kinowelt und Darsteller idealistischer Helden, fand nach 1990 kaum noch Rollenangebote. Er lebte zurückgezogen in Berlin und starb 2006 nahezu unbeachtet in bedrückender Stille.

Der beliebte Nebendarsteller Fred Delmare (geb. 1922), bekannt für sein schelmisches Lächeln in unzähligen Komödien, erlebte ein ähnliches Schicksal. Für Schauspieler, die eng mit dem System verbunden waren, gab es plötzlich keinen Platz mehr. Delmare lebte von einer bescheidenen Rente und starb 2009 in einem Pflegeheim, ohne große Schlagzeilen.

Doris Abeser (geb. 1935), eine populäre Fernsehschauspielerin der 60er und 70er Jahre, geriet wie viele Kollegen ins Abseits. Von Ruhm und Anerkennung blieb kaum mehr als eine ferne Erinnerung, und sie starb 2016 nach langen Jahren der Vergessenheit.

Selbst der renommierte Charakterdarsteller Erwin Geschonek (geb. 1906), mehrfach ausgezeichnet und verehrt, verlor im vereinten Deutschland an Bedeutung. Trotz seiner Lebensleistung zählte seine Größe in der neuen Gesellschaft kaum noch, und er starb 2008 hochbetagt, aber einsam und weitgehend vergessen.

Ein weiteres tragisches Beispiel ist Günther Simon (geb. 1925), das Gesicht des DDR-Kinos der 50er und 60er Jahre, der als Ernst Thälmann zum Staatshelden wurde. Hinter der glänzenden Fassade litt er unter enormem Druck, stürzte in eine tiefe persönliche Krise und starb 1972 mit nur 47 Jahren, ausgelaugt und vergessen.

Ein Vermächtnis, das nicht verstummen darf
Die Geschichten dieser Persönlichkeiten offenbaren eine bittere Wahrheit: Sie waren einst gefeierte Stars, Helden der DDR-Kultur, verehrt von Millionen. Doch mit dem Fall der Mauer zerbrach ihr Fundament. Aus Idolen wurden Menschen, die in der neuen Gesellschaft keinen Platz mehr fanden. Ruhm verwandelte sich in Vergessenheit, Anerkennung in Spott, Sicherheit in Armut.

Die Frage bleibt: Hätte man ihre Lebensleistung stärker würdigen müssen? Ihr Ende mahnt uns, wie gnadenlos Geschichte sein kann. Doch die Erinnerung darf nicht verstummen. Indem wir ihre Schicksale erzählen, geben wir ihnen ein Stück Würde zurück und bewahren ihr Vermächtnis als Teil unserer gemeinsamen Vergangenheit.

Der Ruf nach Freiheit: Wie die DDR am eigenen Anspruch zerbrach

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Berlin, Deutschland – Das Ende der Deutschen Demokratischen Republik im Spätherbst 1989 wird von vielen als „Wunder“ empfunden. Es war das Ergebnis eines langen politischen Prozesses, der nicht vom Westen initiiert oder unterstützt wurde, sondern allein von den Menschen der ehemaligen DDR getragen wurde. Dieses Wunder hatte jedoch eine lange Vorgeschichte, geprägt von einem unlösbaren Konflikt zwischen dem Versprechen von Sicherheit und der Unterdrückung von Freiheit.

Helsinki 1975: Hoffnung und Keim des Zerfalls
Die Teilnahme an der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki 1975 wurde von der DDR-Führung als Höhepunkt ihrer Außenpolitik betrachtet. Man hoffte, damit die Spaltung Europas und Deutschlands zu überwinden. Für andere war die Schlussakte von Helsinki der Anfang vom Ende der DDR. Denn mit ihr wurden erstmals die Werte von Freiheit, Demokratie und Menschenwürde auch für den sowjetischen Machtbereich zum Gegenstand internationaler Verhandlungen. Erich Honecker garantierte seinen Bürgern die Reisefreiheit, die Familienzusammenführung und den Austausch von Kultur und Informationen. Als die Parteizeitung die Schlussakte veröffentlichte, war sie sofort ausverkauft. Viele erkannten: „wenn das verwirklicht wird, was in Korb 3 steht, dann bekommen wir einen ganz anderen Staat, ein ganz anderes Land“.

Die Führung der DDR erkannte zwar, dass viele Menschen das Recht auf Ausreise für sich einfordern würden. Doch die Hoffnung einiger, das Land von innen zu verändern, war ebenfalls groß.

Zwischen Zufriedenheit und Zensur: Die innere Zerrissenheit
1976 erhielten westliche Journalisten erstmals die Möglichkeit, „Man-on-the-Street-Opinion“ in der DDR einzufangen. Während einige Bürger angaben, „sehr zufrieden“ mit ihrem Staat zu sein, weil dieser eine „Friedenspolitik“ betreibe und für die Werktätigen alles tue, äußerten andere den Wunsch nach „Klamotten“ und Reisen in die Bundesrepublik. Manch einer konnte sich bereits damals eine Wiedervereinigung vorstellen: „Das sind alle deutsche Menschen. Warum sollte das nicht anders sein?“.

Doch die Hoffnung auf Reform und Pluralismus wurde schnell zerschlagen. Der SED-Parteitag 1976 verkündete, die „Diktatur des Proletariats ist die höchste Form der Demokratie“. Alternative Ideen, besonders innerhalb der Partei, wurden nicht toleriert. Regimekritiker wie Robert Havemann wurden unter Hausarrest gestellt, und der Ökonom Rudolf Bahro wurde nach der Veröffentlichung seines Buches „Die Alternative“ im Westen zu acht Jahren Haft verurteilt und später ausgewiesen. Auch Künstler wie Wolf Biermann wurden nach Konzerten ausgewiesen, da sie mit ihren Liedern das Regime herausforderten und dessen Schwäche und Angst vor dem eigenen Volk entlarvten. In den ersten drei Jahren nach den Helsinki-Verträgen verließen über 80.000 Menschen die DDR, legal und illegal.

Polnische Solidarität und die Geburt der Friedensbewegung
Die „Panik“ brach 1980 aus, als in Polen die unabhängige Gewerkschaft Solidarność gegründet wurde. Honecker trug sich mit dem Gedanken einer militärischen Intervention, erhielt jedoch keine Unterstützung, da die sowjetische Führung jede militärische Einmischung ausschloss.
Die polnischen Ereignisse inspirierten auch Bürger in der DDR zu zivilem Ungehorsam. Ein Mann befestigte eine polnische Fahne mit der Aufschrift „Solidarität mit dem polnischen Volk“ an seinem Fahrrad, was zu seiner Verhaftung und Verurteilung führte. Während in Westdeutschland Menschen offen ihre Angst vor einem Krieg auf die Straßen trugen, waren in der DDR nur offizielle Proteste erlaubt, die die staatlich verordnete Friedenspolitik unterstützten. Doch die SED fürchtete Ideen, die ihre eigene Definition von Frieden in Frage stellten.

Die Friedensbewegung der DDR forderte ab Anfang der 80er Jahre nicht nur nukleare Abrüstung, sondern klagte auch „innenpolitisch“ fehlende „Freiräume“ ein, was vom Staat „scharf bekämpft“ wurde. Die Jena-Friedensinitiative von 1980 war eine der ersten, die das Prinzip der Öffentlichkeit nutzte, um sich nicht „in kleinen Gruppen zu Hause oder in der Kirche“ zurückzuziehen. Sie arbeiteten eng mit Freunden in West-Berlin zusammen, um über westliche Medien die „Öffentlichkeit“ zu erreichen. Dies führte zu Verhaftungen und Ausweisungen, doch eine „ganz starke Welle von Solidarität im eigenen Land“, besonders aus den Kirchen und Frauengruppen, und auch aus Westdeutschland (z.B. Petra Kelly), trug die Bewegung. Trotz der Angst vor beruflichen Konsequenzen oder der Diskriminierung ihrer Kinder sahen viele den Kampf um Veränderungen als „wichtig“ an.

Wirtschaftlicher Kollaps und Gorbatschows Schatten
Die DDR-Wirtschaft wurde nicht nur durch hohe Militärausgaben, sondern auch durch die Abhängigkeit von sowjetischen Rohstoffen, eine ineffiziente Subventionspolitik und den Verkauf von Qualitätsprodukten zu Schleuderpreisen an den Westen geschädigt. In den frühen 1980er Jahren stand das Land „auf der Brücke der finanziellen Ruine“. Westliche Kredite halfen kurzfristig, doch eine dauerhafte Stabilisierung war nicht mehr möglich. Diese Kredite waren aus westdeutscher Sicht „der erste Schritt, die Abhängigkeit der DDR politisch zur Bundesrepublik bedeutend zu erheben“.

Die wachsende Kluft zwischen der privilegierten Führung und der Bevölkerung zeigte sich immer deutlicher. Massenveranstaltungen wie die Mai-Parade konnten den „riesigen Wandel zwischen den oberen und den unteren nicht verstecken“. In diesem Klima trat Michail Gorbatschow auf die weltpolitische Bühne, um den ökonomischen Verfall im Ostblock durch „Perestroika“ (Umgestaltung) zu reorganisieren. Seine Forderung nach Selbstkritik löste im Politbüro Verwirrung und Unmut aus. Während die SED „Sozialismus in DDR-Farben“ als Antwort propagierte, verdächtigten sie Gorbatschows reformfreudigere Politik. Westliche Staatsmänner wie Helmut Kohl erkannten jedoch die „historische Chance“ in Gorbatschows Politik zur Überwindung der Teilung Europas und Deutschlands.

Im Hintergrund begannen bereits die Vorbereitungen für eine Ära nach Honecker, wobei Moskau mögliche Nachfolger sondierte. Der spätere Putschist Krutschkow, damals stellvertretender Vorsitzender des KGB in der DDR, traf sich mit Hans Modrow, der von Stasi-General Markus Wolf als Gesprächspartner empfohlen wurde.

Der verzweifelte Ruf nach Veränderung
Trotz Honeckers extensiver Auslandsreisen und seines Besuchs in der Bundesrepublik 1987 wuchs der Druck im eigenen Land. Bei Rockkonzerten in West-Berlin, die von Fans im Osten besucht wurden, reagierte die Polizei aggressiv. Die jungen Leute antworteten mit „Gorbi“-Rufen. Die Versuche, der „schmerzhaften Präsenz der Allmächtigen SED zu fliehen“, wurden „immer desperater“.

Etwa 500 Rechtsgruppen veröffentlichten trotz staatlicher Repression ihre Meinungen und schufen eine „Gegenöffentlichkeit“ mit „bescheidenen Mitteln und kleinen Auflagen“, die „von Hand zu Hand“ ging und „Ermutigung“ spendete. Die Entscheidung, das sowjetische Magazin „Sputnik“ zu verbieten, das kritische Debatten über den Stalinismus führte, stieß selbst in SED-Gruppen auf Unverständnis.

Die Idee eines „demokratischen Aufbruchs“ gewann an Fahrt, inspiriert von Polen. Bürgerrechtler forderten geheime Wahlen, um das „von unten“ zu probieren. Bei den Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 wurden die Ergebnisse massiv gefälscht. Viele Bürger, die „auf keinen Fall mit Ja gestimmt“ hatten, wussten: „das wusste jeder, dass das gefälscht sein musste. Da war es dann schon explosiv“.

Tausende flohen über Ungarn und Österreich in den Westen. Das Gefühl, „der Letzte“ zu sein, der in der DDR geblieben war, breitete sich aus.

Die Revolution der Kerzen und der Fall der Mauer
In Leipzig wurde die Nikolaikirche ab 1988 zu einem entscheidenden Treffpunkt für Bürgerrechtler und Ausreisewillige. Jeden Montag um 17 Uhr versammelten sich die Menschen zum Friedensgebet. Trotz der Kenntnis des Massakers auf dem Tiananmen-Platz in China, das die Brutalität staatlicher Gewalt demonstrierte und die Volkskammer als „Bereitschaft zur Gewalt“ interpretierte, ließen sich die Demonstranten nicht einschüchtern. Viele junge Menschen hielten Woche für Woche „ihren Rücken“ hin, wurden verhaftet und gaben nicht auf. Die Informationen über die steigende Zahl der Demonstranten wurden über Westmedien verbreitet und wirkten „ermutigend“. Das „Licht der Kerzen“ wurde zu einem Symbol des Widerstands.

Bürgerrechtsbewegungen wie das Neue Forum und Demokratie Jetzt! entstanden, und in Schwante wurde eine SDP (Sozialdemokratische Partei) gegründet. Im September 1989 einigten sich die beiden deutschen Staaten auf die Ausreise der Flüchtlinge aus den Botschaften in Prag und Warschau. Als die Züge durch die DDR fuhren, versuchten Tausende an den Bahnhöfen aufzuspringen, und in Dresden kam es zu Straßenschlachten.

Am 9. Oktober 1989 fand in Leipzig die größte Demonstration in der Geschichte der DDR statt. Trotz der Angst vor Gewalt, die so groß war, dass manche „eine Beruhigungstablette“ nahmen, zeigten die Menschen „großen Mut“. Es gab keine Befehle, die Truppen des Warschauer Paktes einzusetzen, da dieser „nicht mehr als Mechanismus existierte“. Die Rufe „Wir sind das Volk!“ hallten durch die Straßen.

Die Ereignisse überschlugen sich. Erich Honecker wurde aus gesundheitlichen Gründen von seinen Funktionen entbunden. Am 4. November 1989 konfrontierten Hunderttausende bei der größten Demonstration in der Geschichte der DDR auf dem Berliner Alexanderplatz die „diejenigen oben“. Die Menschen waren sich ihrer eigenen Stärke bewusst: „Wir finden zu uns selbst. Wir werden aus Objekten zu Subjekten des politischen Handelns“.

Die entscheidende Wende kam am 9. November 1989. Das Politbüro entschloss sich, eine Reiseregelung zu treffen, die es „jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen“. Als ein Journalist fragte, ob dies auch für West-Berlin gelte, zögerte Günter Schabowski einen Augenblick, sagte dann aber: „Also Ohren angelegt und durch“. Dieser Moment öffnete die Grenzen und löste eine unvergleichliche Welle der Freude und des Zusammenkommens aus.

Das Erbe: Ein „schizophrener Staat der blanken Gegensätze“
Die Revolution, oft als „Revolution der 20-Jährigen“ bezeichnet, führte zur Wiedervereinigung, bei der das westdeutsche System teilweise unhinterfragt übernommen wurde. Für viele blieb die DDR „mein Vaterland“, ein „schizophrener Staat der blanken Gegensätze“. Doch auch in diesem „Gebilde“ war „menschliches Miteinander möglich“. Die DDR war eine „Reibefläche“ für die Identität vieler und bleibt „meine Geschichte“.

Die DDR war der Versuch der Alliierten, Deutschland durch Teilung zu bändigen, und ein stalinistischer Versuch, die sozialistische Idee in die Realität umzusetzen. Sie zerbrach jedoch an ihrer eigenen „Lüge über sich selbst“ (aus vorheriger Konversation) und der Unfähigkeit, den Ruf nach Freiheit und Demokratie zu ignorieren.

Die Stasi als „Schild und Schwert“ der SED-Diktatur

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Berlin, Deutschland – Als die Deutsche Demokratische Republik vor fast 35 Jahren kollabierte, offenbarte sich das volle Ausmaß eines der furchteinflößendsten Instrumente ihrer Herrschaft: das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), bekannt als Stasi. Als „Schild und Schwert der Partei“ konzipiert, verkörperte die Stasi die „irre Sicherheitsdoktrin eines totalitären Staates“, in der „Sicherheit vor Recht“ ging und jeder Bürger als „potenzielles Sicherheitsrisiko“ galt. Ihre Geschichte ist ein dunkles Kapitel der Überwachung, Repression und psychologischen Kriegsführung, das bis heute nachwirkt.

Geburt und Entwicklung eines Überwachungsstaates
Die Wurzeln der Stasi reichen bis in die frühen Jahre der DDR zurück. Bereits 1950 wurde Wilhelm Zeisser zum ersten Staatssekretär ernannt. Die Partei hatte ihn beauftragt, eine politische Geheimpolizei aufzubauen. Doch erst der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 markierte eine dramatische Zäsur. Zeisser wurde entfernt, weil seine Agenten die Rebellion nicht schnell genug unterdrücken konnten. Der Aufstand bestärkte die Führung in der Notwendigkeit einer umfassenden Polizeigewalt.

Unter Erich Mielke, der 1957 an die Spitze des MfS trat, und mit der Hilfe von Markus Wolf, entwickelte sich die Stasi zu einer „perfekten Überwachungskraft“. Sie war nach dem Vorbild des sowjetischen KGB aufgebaut, wobei sowjetische Instruktoren bei wichtigen Entscheidungen das letzte Wort hatten. Mielkes Mantra lautete: „Wir müssen alles erfahren. Es darf nichts an uns vorbeigehen“. Bis Mitte der 1950er Jahre beschäftigte die Stasi bereits über 9.000 Mitarbeiter und wurde 1967 nach Felix Dzerzhinsky, dem Gründer der bolschewistischen Geheimpolizei (Tscheka), benannt.

Ein Netz aus Angst und Kontrolle: Die Methoden der Stasi
Die Stasi bündelte ihre Kompetenzen als politische Geheimpolizei, Untersuchungsorgan in politischen Strafsachen und geheimer Nachrichtendienst. Ihre Methoden, die als „klassenneutral“ und vergleichbar mit denen des BND oder der CIA beschrieben wurden, zielten darauf ab, jede Form von Opposition zu unterdrücken:

Geheime Informanten (IMs): Eine „ganze Armee geheimer Informanten“ wurde rekrutiert, die bis in den kreativen Sektor, in kirchliche Organisationen und sogar in die engsten Familienkreise reichte. So berichtete etwa der Autor Sascha Anderson regelmäßig an seinen Stasi-Führer.

Totalüberwachung: Die Stasi lauschte an Telefonen – allein in der Berliner Zentrale in Johannesthal konnten 400 bis 600 Anrufe gleichzeitig abgehört und von bis zu 200 Mitarbeitern ausgewertet werden. Rund 5.000 Abhörzentren waren republikweit in Betrieb. Wohnungen wurden mit Glasfasertechnik überwacht, Straßen und Häuser fotografiert und skizziert. Sogar die täglichen Fahrten Honeckers und anderer Politbüro-Mitglieder von Wandlitz nach Berlin wurden von 2.000 Mitarbeitern überwacht.

Zersetzung – Psychologische Kriegsführung: Eine der perfidesten Methoden war die „Zersetzung“, die auf die psychische Zerstörung politischer Gegner abzielte. Der Stasi verbreitete Gerüchte, um Menschen zu diffamieren, wie im Fall von Manfred Leistikow, der fälschlicherweise als Faschist und Verantwortlicher für Nazi-Graffiti dargestellt wurde. Andere Betroffene erhielten anonym pornografische Post oder erlebten, wie ungebeten Schädlingsbekämpfer oder Abschleppdienste vor ihrer Tür standen. Bei Verhören wechselten die Vernehmer zwischen „freundlich, nicht freundlich, drohend, schreiend, leise, kumpelhaft“, um die Psyche der Gefangenen zu manipulieren.

Verhaftungen und Einzelhaft: Wer ins Visier der Stasi geriet, riskierte lange Haftstrafen unter menschenunwürdigen Bedingungen. Das Schicksal von Captain Trehner, der 1962 in Österreich entführt und nach Prag verschleppt wurde, ist ein Beispiel für die Reichweite der Stasi. In den Untersuchungsgefängnissen, die der Stasi unterstanden und nicht kontrollierbar waren, wurden Untersuchungsergebnisse manipuliert und Urteile oft vorweggenommen. Ein Häftling verbrachte 10,5 Jahre in Einzelhaft, isoliert und regelmäßig in dunkle Arrestzellen („U-Boot“) gesperrt. Nach der Entlassung wurden Schweigeerklärungen erzwungen.

Gegner und Opfer: Von Intellektuellen bis zu Demonstranten
Das allsehende Auge der Stasi richtete sich gegen jeden, der das System in Frage stellte. Dazu gehörten:

Intellektuelle und Künstler: Wolf Biermann und Robert Havemann standen unter ständiger Beobachtung, Biermanns Ausbürgerung 1976 war ein klares Signal. Gegen den Autor Jürgen Fuchs, der die Konformität und den Militarismus der DDR kritisierte, wurde eine Verleumdungskampagne orchestriert.

Kirchen und Bürgerrechtler: Die Stasi verfolgte ideologische Unterdrückung in Kirchenorganisationen. In der Berliner Zionskirche, einem Symbol der politischen Opposition, wurde 1987 eine Bibliothek für Umweltprobleme gestürmt und Bürgerrechtler wie Wolfgang Templin verhaftet. Templin bemerkte später, die Stasi habe sie „völlig richtig eingeschätzt“, da sie mit der Frage nach Demokratie und Menschenrechten das Herrschaftsmonopol infrage stellten.

Demonstranten: Bei den lokalen Wahlen am 7. Mai 1989 sammelten Bürgerrechtler Beweise für Wahlmanipulationen. Die folgenden Montagsdemonstrationen, wie am 7. September 1989 auf dem Alexanderplatz, wurden brutal unterdrückt. Stasi-Mitarbeiter gingen aggressiv gegen Demonstranten vor, zerrten sie aus einem Springbrunnen und brachen einem Freund von Evelin Zupka den Arm. Solche Aktionen wurden von Stasi-Kameras gefilmt und direkt an das Ministerium übermittelt.

Der Fall und das Vermächtnis der Akten
Als die DDR im Herbst 1989 dem Ende zuging, versuchte die Stasi, ihre Spuren zu verwischen. Es gab systematische Täuschungen, bei denen Eigentum und Ausrüstung über dubiose Kanäle verkauft wurden. LKWs voller Akten wurden zum KGB oder westlichen Geheimdiensten gebracht, andere wurden geschreddert. Die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), der Auslandsgeheimdienst der Stasi, löste sich auf und überzeugte den Runden Tisch, dass Material vernichtet werden müsse, um Agenten im Ausland zu schützen – ein „schwerer Fehler“, wie nachträglich festgestellt wurde.

Bürgerrechtler kämpften verzweifelt um den Erhalt der Dokumente und besetzten die Stasi-Archive. Joachim Gauck, der den parlamentarischen Ausschuss zur Auflösung der Stasi leitete, spielte eine entscheidende Rolle. Das Ergebnis war ein riesiges Vermächtnis: „über 100 Meilen von Denunziationen“, darunter vier Millionen Berichte über DDR-Bürger und zwei Millionen über Westdeutsche. Diese Akten sind heute ein Zeugnis menschlicher Tragödien und der „Sammelwut einer außer Kontrolle geratenen Bürokratie“.

Die Stasi konnte den „Marsch der Geschichte nicht aufhalten“. Ihr Erbe bleibt eine mahnende Erinnerung an die Gefahren eines Staates, der die Freiheit seiner Bürger opferte, um die Macht einer Partei zu sichern. Das „Grüne Haus“ der sozialen Sicherheit, das die DDR zu sein vorgab (aus vorheriger Konversation), war in Wahrheit unterminiert von den dunklen Kellern der Stasi-Zellen und dem allgegenwärtigen Gefühl der Überwachung.

Zwischen Traum und Zensur: Der ewige Kampf von „Geist und Macht“ in der DDR

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Berlin, Deutschland – Die kulturelle Landschaft der Deutschen Demokratischen Republik war ein ständiges Spannungsfeld zwischen der schöpferischen Freiheit des „Geistes“ und dem dirigistischen Anspruch der „Macht“. Von den Ruinen des Zweiten Weltkriegs bis zum Fall der Mauer spiegelte sich in Kunst und Kultur die komplexe Geschichte eines Staates wider, der zwar soziale Sicherheit versprach, aber auf Kosten individueller Entfaltung und kritischer Reflexion ging.

Neuanfang unter sowjetischem Einfluss: „Brot und Spiele“
Unmittelbar nach der Kapitulation 1945 erwachte in Deutschland ein neues kulturelles Leben, maßgeblich angestoßen durch die sowjetische Besatzungsmacht. Russische Kulturfunktionäre, viele davon Deutsch sprechend und aus Zentren wie Leningrad oder Moskau stammend, förderten den Wiederaufbau kultureller Einrichtungen. Die Motivation war klar: Um Aufstände der hungernden Bevölkerung zu verhindern, brauchte es „Brot und Spiele“ – Ablenkung und die Möglichkeit zur kulturellen Entfaltung. Professor Dimschitz, ein hoher Kulturfunktionär, war für Institutionen wie die DEFA verantwortlich und hatte die Aufgabe, die deutschen Ressourcen zu „demokratisieren“.

Die ersten Kabaretts, wie im „Möwe“, spiegelten den Alltag der Nachkriegszeit wider, und Theater, darunter auch von den Nazis verbotene Stücke, öffneten ihre Türen. Als die Westmächte später in Berlin eintrafen, zeigten sie sich fassungslos über die Intensität des kulturellen Lebens, das die Sowjets initiiert hatten, zogen aber schnell nach. Dieser Wettbewerb zwischen den Alliierten beschleunigte das kulturelle Wachstum.

Viele Emigranten, darunter auch aus westlichen Ländern, kehrten mit der Hoffnung zurück, am demokratischen Wiederaufbau ihres Heimatlandes mitzuwirken. Einige ließen sich bewusst im „östlichen demokratischen Teil“ nieder, überzeugt, eine neue Kultur aufzubauen. Doch die Illusion von Demokratie wich schnell der Realität.

Der ideologische Griff: Sozialistischer Realismus und Formalismus-Debatte
Bereits 1950 zeigte sich eine neue Haltung: Die SED folgte der sowjetischen Linie und strebte „ideologische Klarheit in der Kunst“ an, indem sie den Sozialistischen Realismus einführte. Die „Formalismus-Debatte“ breitete sich über alle Kunstsektoren aus, mit dem Slogan, dass jede Kunstform nicht-formalistisch sei, „wenn sie der Nation und der Gesellschaft dient, wenn sie Schönheit, positives Denken und Entwicklung kultiviert“. Die Sprengung des Berliner Stadtschlosses im Jahr 1950, trotz breiter Proteste, kann als ein frühes Signal für die neue kulturpolitische Richtung gewertet werden.

Der 17. Juni 1953: Mutige Stimmen und die Reaktion des Staates
Der Volksaufstand am 17. Juni 1953, als Menschen gegen steigende Arbeitsnormen demonstrierten und Freiheit und Einheit forderten, offenbarte die Grenzen der Meinungsfreiheit. Der Schriftstellerverband konnte keine eigene Stellungnahme abgeben, da die von ihm vorgeschlagene Resolution bereits vom Zentralkomitee gebilligt worden war – eine „vom Zentralkomitee bestellte Resolution“.

Nur wenige wagten es, die Obrigkeit zu dieser Zeit öffentlich herauszufordern. Einer von ihnen war Bertolt Brecht. Er soll nach dem Aufstand zynisch gefragt haben, ob es nicht einfacher wäre, für das Regime „die Nation zu entsorgen und eine neue zu wählen“. Trotz seiner kontroversen Haltung erhielt Brecht weiterhin Unterstützung der SED für sein Berliner Ensemble. Er passte sich den Parteivorschlägen an und verurteilte die Arbeiterproteste als faschistische Konterrevolution. Der als „liberal“ geltende Kulturminister Johannes R. Becher konnte seine Reputation nicht aufrechterhalten; die Forderungen nach Reformen und Diskussionen wurden schnell begraben. Die Intellektuellen, so erklärte die Führung, hätten die Politik der DDR am 17. Juni unterstützt, trotz ihrer anfänglich kritischen Kommentare. Auch intellektuelle Zirkel um Ernst Bloch und Hans Meyer in Leipzig wurden schließlich zerschlagen.

Der Bitterfelder Weg: Die Illusion einer Symbiose
Mitte der 1950er Jahre, nach den Versprechungen an Künstler und Autoren, ihre Arbeit mit weniger Restriktionen ausüben zu können – ein Versprechen, das die SED nicht hielt – mündete die Kulturpolitik im sogenannten Bitterfelder Weg. 1959 rief Walter Ulbricht dazu auf, den „Typ des sozialistischen Arbeiters“ zu schaffen, der sich stetig weiterbildet. In Bitterfeld sollten Künstler und Arbeiter zusammenkommen, um eine „Symbiose zwischen Arbeit und Geist“ zu schaffen. Künstler wurden in Betriebe und landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften delegiert, um das „Neue zu begreifen, zu erkennen, aufzuspüren und künstlerisch zu gestalten“. Der Maler Hannes Burghardt schuf in der LPG Spartacus Blätter aus dem Leben der Genossenschaftsbauern.

Die Idee war, dass Schriftsteller „wie Arbeiter werden“ sollten, und Arbeiter „sich erheben aus ihrer Klasse heraus“. Doch was in den Wochenschauen als erfolgreich dargestellt wurde, geriet in der Realität in eine Sackgasse. Die propagierten Leistungen fanden meist „nur auf dem Papier statt“ [aus vorheriger Konversation].

Das 11. Plenum (1965): Die Rückkehr der Repression
Trotz einer statistisch gesehen beeindruckenden Dichte an kulturellen Einrichtungen und einer hohen Anzahl von Theatern, Kinos, Museen und Bibliotheken, wurde das kulturelle Leben der DDR immer wieder von staatlicher Zensur und Kontrolle überschattet. Ein dramatischer Höhepunkt war das 11. Plenum des ZK der SED im Jahr 1965. Hier wurden Kulturschaffende zu Sündenböcken gemacht, beschuldigt, „Skeptizismus und Pessimismus“ in der Gesellschaft zu verbreiten – Formulierungen, die direkt aus Chruschtschows Kulturdiskussionen von 1963 in der Sowjetunion übernommen wurden.

Künstler wie Wolf Biermann, Stephan Hermlin und Robert Havemann wurden öffentlich diffamiert. Der Film „Spur der Steine“ von Frank Beyer, basierend auf einem bedeutenden sozialistischen Roman, wurde nach der Premiere abgesetzt, und Beyer erhielt Berufs- und Arbeitsverbot. Die kritische Haltung wurde als „parteischädigend“ abgestempelt. Bemerkenswert ist der Mut von Christa Wolf, die sich als „sehr sensibles Mädchen“ vor dem Zentralkomitee entgegenstellte. Nach diesem „tiefen Verbrechen“ des 11. Plenums zogen sich viele Künstler in eine Art „innere Emigration“ zurück.

Honeckers „Keine Tabus“ und der Untergrund
Anfang der 1970er Jahre, nach der Ablösung Ulbrichts durch Honecker, gab es einen kurzzeitigen Kurswechsel. Honecker proklamierte, er sehe „keine Gründe für Tabus in den Feldern der Kunst und Literatur“, wenn der Sozialismus unbestreitbar sei. Doch diese Öffnung war begrenzt. Die Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 zeigte die Grenzen dieser „Tauwetterperiode“ auf. Solche Entscheidungen wurden von einer kleinen Gruppe von Funktionären getroffen, oft ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, und führten dazu, dass viele Protestierende das Land verließen – was der Regierung willkommen war, um Opposition zu beseitigen. Die Partei verfolgte stets das Ziel, ihre Macht zu festigen und demokratische Einmischung zu verhindern.

In den frühen 1980er Jahren entwickelte sich eine tolerierte, aber vom Staat misstrauisch beäugte musikalische Subkultur, die der jungen Generation als Ventil diente. Insbesondere im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg entstand eine neue Szene für „romantische Dissidenten“, die Künstlern, Autoren und Musikern ein intellektuelles Umfeld außerhalb staatlich kontrollierter Institutionen bot. Der Staat reagierte auf diese Untergrundkultur „sehr pragmatisch“ und setzte die Staatssicherheit (Stasi) ein, um die Szene zu überwachen und durch inoffizielle Mitarbeiter (IMs) zu steuern. Dies führte zu einer Künstlichkeit in der Szene, die unabhängige Kommunikation und Artikulation behinderte.

Die „Illusion“ vom abgeschafften Widerspruch
Letztlich war der „Widerspruch zwischen Geist und Macht“ in der DDR „unlösbar“. Die Behauptung Walter Ulbrichts, dieser Widerspruch sei in der DDR abgeschafft worden, war ein „typisches Beispiel“ für die Realitätsverzerrung der Führung. Sie verkündeten stets, „was sie meinten, dass es sein sollte“, doch die Realität war eine andere. Die DDR zerfiel, als sie zum „Opfer ihrer eigenen Fabrikationen“ wurde, die „Lüge über sich selbst“ [aus vorheriger Konversation] war nicht länger aufrechtzuerhalten.

Die Geschichte der Kultur in der DDR ist somit eine Mahnung: Die Möglichkeit des Machtmissbrauchs besteht immer dann, „wenn ich jemanden zu einer bestimmten Haltung zwingen will“. Der „schöpferische und produktive Widerspruch zwischen Geist und Macht“ darf „nie aufzuheben“ sein.

Das „Grüne Haus“ der DDR: Soziale Sicherheit als fragwürdiges Versprechen

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Berlin, Deutschland – Die Deutsche Demokratische Republik, die vor fast 35 Jahren von der Bildfläche verschwand, versprach ihren Bürgern soziale Sicherheit „wie in einem Grünhaus“. Der Staat, das Sozialwesen, Handelsbündnisse und Betriebe kontrollierten weite Teile des Lebens der Menschen. Doch hinter den Garantien eines sozial sicheren Lebens verbargen sich auch massive wirtschaftliche Probleme, fehlende Korrekturfähigkeit und eine „Illusion des Plans“, die das System letztlich zum Scheitern verurteilte.

Das Versprechen der umfassenden Fürsorge
Die Sozialpolitik der DDR durchzog nach eigener Auffassung „alle gesellschaftlichen Bereiche“. Sie beruhte auf dem Verfassungsanspruch von 1968, wonach „der Mensch im Mittelpunkt aller Bemühungen“ stand und jeder Bürger das „Recht auf Schutz seiner Gesundheit und Arbeitskraft“ sowie auf „Fürsorge der Gesellschaft im Alter und bei Invalidität“ hatte. Für viele ehemalige Bürger gehörten dazu der sichere Arbeitsplatz, ein starkes Arbeitskollektiv, kulturelle Beziehungen und ein sozial sicheres Leben.

Einige der konkreten Vorteile waren:

• Bezahlbarer Wohnraum und Wohnungsbauprogramm: Die DDR setzte sich zum Ziel, bis 1990 die Wohnungsfrage als soziale Frage zu lösen. Das Wohnungsbauprogramm wurde als „Kernstück des sozialpolitischen Programms“ betrachtet, da es zutiefst die Familie berührte und auf ein glückliches Familienleben abzielte. Obwohl 3 Millionen neue Wohnungen geplant waren, wurden nur 2 Millionen gebaut, die aber als 3 Millionen abgerechnet wurden.

• Kinderbetreuung und Bildung: Kostenlose Kindergärten und Krippen waren Standard, und der Ausbildungsplatz war sicher. Die Kinder waren in Betriebskindergärten und wurden in Betriebsferienlagern betreut, oft lernten sie später im Betrieb ihrer Eltern.

• Subventionierte Lebensmittel und Dienstleistungen: Essen im Betrieb kostete nur 1,20 Mark pro Tag, der Rest wurde gestützt. Ferienlagerplätze an der Ostsee kosteten für zwölf Tage nur zwölf Mark, bei mehreren Kindern reduzierte sich der Preis weiter, ab fünf Kindern war der Aufenthalt kostenlos. Lebensmittel wie Brot waren „viel zu billig“.

• Gesundheitswesen: Bürger hatten das Recht auf Schutz ihrer Gesundheit und Arbeitskraft. Man konnte mit dem Versicherungsausweis „ohne große Umwege tatsächlich gleich bis in die Facharztbereiche vordringen“ und bekam dort kostenlos Rat und Hilfe. Medikamente und regelmäßige Untersuchungen inklusive Röntgen und Impfungen waren ebenfalls kostenlos. Das Engagement des Personals war trotz materiell-technischer Begrenzungen sehr hoch.

• Kredite für junge Eheleute: Es gab zinslose Kredite von 5.000 Mark, die bei jedem Kind weiter reduziert wurden und ab drei Kindern komplett erlassen wurden. Dies sollte Anreize für Kinder schaffen.

Der allgegenwärtige Einfluss der Betriebe
Die Betriebe spielten eine zentrale Rolle im Leben der Menschen und waren „von der Wiege bis zur Bahre für alles verantwortlich“. Sie halfen bei Familienproblemen, der Wohnungssuche, der Pflege von Angehörigen, der Erfüllung von Wünschen bis hin zum „Trabant“. Wenn es Eheprobleme oder Alkoholprobleme gab, sollte das Kollektiv helfen, „zusammenzuhalten“ oder zu „erziehen“. Wohnungsbaugenossenschaften waren meist betrieblich organisiert.

Schattenseiten der Utopie: Mangel, Kontrolle und Ungleichheit
Trotz der umfassenden sozialen Leistungen stieß das System an seine Grenzen und offenbarte tiefgreifende Widersprüche:

Wirtschaftliche Unsicherheiten: Die Frage, ob die Ökonomie den großen Wohlfahrtsbedarf halten konnte, stand immer im Raum. Die „Einheit von Wirtschaft und Sozialpolitik“ unter Honecker, die auf die Lösung der Wohnungsfrage abzielte, passte nachher nicht mehr mit der Produktion überein. Die Sozialpolitik wurde „immer mehr zulasten der Sozialpolitik“ betrieben, da die Wirtschaftspolitik nicht mehr die Voraussetzungen schuf. Die Verschuldung stieg in den Jahren 1972 bis 1978 um über 10 Milliarden und brachte das Land in den Ruin.

Mangel und Subventionierung: Trotz offiziell verkündeter Planerfüllung und Übererfüllung gab es oft „nichts zu kaufen oder dann schwer was zu beschaffen“. Die Preisstabilität wurde durch massive Subventionen erkauft, was dazu führte, dass Güter wie Gurken billiger verkauft wurden, als sie vom Bauern eingekauft wurden. Diese Subventionspolitik war auf Dauer nicht tragbar; die Zuschüsse für den Wohnungsbau stiegen von 8 Milliarden Anfang der 70er Jahre auf 38 Milliarden zum Ende hin. Viele erkannten die Unlogik dieses Systems.

Fehler und fehlende Korrektur: Trotz des Anspruchs, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, gab es „Fehler, die nicht korrigiert wurden“, auch in der Medizin und anderen gesellschaftlichen Bereichen.

Geringe Renten und Altenpflege: Die Renten waren „sehr niedrig“ und „viel zu niedrig“ für Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet hatten. Rentner arbeiteten oft länger als bis 65 Jahre. Die Plätze in Altersheimen waren extrem begrenzt; für 130.000 Plätze kämpften 3 Millionen Rentner. Oft handelte es sich um alte Kasernen, Schlösser oder Schulen, die umfunktioniert wurden. Ein Großteil der Rente der Bewohner wurde einbehalten, um die Plätze zu finanzieren. Rentner, die in den Westen reisen durften, wurden von der Regierung als Entlastung der eigenen Finanzen betrachtet.

Indoktrination und fehlende Wahlfreiheit: Der „Ausschließlichkeitsanspruch dieser Gesellschaft“ stieß auf Ablehnung. Die gesellschaftliche Einordnung von Frauen, die „nur Kinder großziehen“ wollten, als weniger wertvoll als berufstätige Frauen, wurde rückblickend als „Dummheit“ bezeichnet. Die Pille wurde als „glücksbringend“ angepriesen, was zu einer Überbetonung der weiblichen Sexualität führte, die heute kritisch gesehen wird. Die Arbeit im Gesundheits- und Sozialbereich für Menschen mit Behinderung war völlig neu für die Diakone nach dem Krieg.

Privilegien und ungleiche Behandlung: Entgegen dem propagierten Gleichheitsprinzip gab es im Gesundheitswesen deutliche Bevorzugungen. Mitglieder des Politbüros, hohe Parteifunktionäre, aber auch Opfer des Faschismus genossen „alle erdenklichen Behandlungsvorzüge“. Auch ehemalige Polizisten oder Staatsanwälte sowie Künstler hatten bessere Renten.

Der Preis der Sicherheit
Die soziale Sicherheit in der DDR führte bei vielen zu dem Gefühl, dass Leistungen „geschenkt“ wurden, unabhängig von der eigenen Leistung, was zu einer geringeren Wertschätzung führte. Die „harten Arbeit von Millionen von Menschen“ konnte das System nicht aufrechterhalten, das letztendlich bankrottging [aus vorheriger Konversation]. Der Staat musste sich „woanders wiedererholen“, indem er hohe Preise für Luxusartikel wie Autos und Fernseher verlangte.

Das Erbe der DDR-Sozialpolitik ist komplex. Während viele die Vorteile der sozialen Absicherung schätzten, wurde der Preis – der Mangel, die Kontrolle und die fehlende Nachhaltigkeit – von anderen als unerträglich empfunden. Die „Illusion des Plans“ und die „Lüge über sich selbst“ (aus vorheriger Konversation) führten dazu, dass die umfassenden sozialen Versprechungen auf einem Fundament gebaut wurden, das dem Druck der Realität nicht standhalten konnte.

Die Illusion des Plans: Warum die DDR-Wirtschaft eine „gescheiterte Utopie“ war

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Berlin, Deutschland – Fast 35 Jahre nach dem Ende der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bleibt die Erinnerung an ihre Planwirtschaft ein komplexes und oft schmerzhaftes Kapitel. Was in den Köpfen vieler ehemaliger Bürger haften geblieben ist, lässt sich mit einem einzigen Wort zusammenfassen: „Scheiße“. Die ehrgeizige Vision einer sozialistischen Wirtschaft, die das Individuum vom „Lohnsklaven“ zum „Kern seines eigenen Schicksals“ machen sollte, scheiterte letztlich an ihrer mangelnden Realitätstauglichkeit und ideologischer Verblendung. Es war der Versuch einer „Utopie“, die nicht „geklappt hat“.

Die Geburt einer Zwangswirtschaft im Schatten Moskaus
Die Weichen für die ökonomische Sonderentwicklung der DDR wurden unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gestellt. Obwohl die Potsdamer Konferenz 1945 Deutschland als einen „einzigen ökonomischen Bereich“ definierte, zerstörte der Kalte Krieg schnell diese Ansätze einer gesamtdeutschen Wirtschaftsverbindung. Im Osten wurden Privatbanken, Sicherheitsfirmen und die Großindustrie verstaatlicht, und die Agrarreform führte zur Enteignung großer Landwirte. Dies war der entscheidende Schritt zur Übernahme des sowjetischen Wirtschaftssystems.

Die DDR wurde gezwungen, eine Schwerindustrie ohne die traditionellen Zugänge zu Rohstoffen und Energieressourcen aufzubauen. Stattdessen musste sie sich auf die „ökonomisch schwächeren Partner“ des 1949 gegründeten Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW/COMECON) stützen.

Bis 1953 hemmten drastische Konfiskationen von Werkzeugen und hohe Reparationszahlungen den wirtschaftlichen Aufschwung erheblich. Die Abhängigkeit von der Sowjetunion war allgegenwärtig: Wirtschaftspläne mussten zur Genehmigung nach Moskau geflogen werden, und die „Sowjetische Kontrollkommission“ gab „Unterweisungen“, wie sich die DDR in Zukunft entwickeln sollte. Die Wismut AG, die Uran für die sowjetische Atomindustrie förderte, blieb vollständig in sowjetischer Hand. Die DDR hatte weder eine eigene „externe noch interne Wirtschaftspolitik“, sondern war von Anfang an ein „vollständig integrierter Teil des Sowjetischen Imperiums“.

Der Plan als Dogma: Mangelwirtschaft und Realitätsverlust
Das Herzstück der DDR-Wirtschaft war die zentrale Planwirtschaft mit staatlich festgelegten Preisen. Diese Preise spiegelten jedoch nicht den tatsächlichen Wert der Produkte wider und führten zu massiven Verzerrungen. Die Ost-Mark war außerhalb der Landesgrenzen wertlos, und es herrschte ein chronischer Mangel an Devisen.

Der Alltag war geprägt von „Bückware“ und der Schwierigkeit, begehrte Güter zu erhalten. Produktivität und Leistung sollten durch Vorbilder wie den Bergarbeiter Adolf Hinniker, der die Erfolge des sowjetischen Stachanow übertraf, gesteigert werden. Doch die Realität sah anders aus: Fritz Schenk, ein späterer Staatssekretär für Wirtschaft, erlebte 1952 in der Staatlichen Plankommission, wie Minister und Behördenchefs täglich über Materialmangel und fehlende Investitionen klagten. Bruno Leuschner, der Leiter der Plankommission, erklärte ihm, dass diese Briefe nur dazu dienten, die Minister „zu decken“. Er selbst wisse, dass weder Material noch Geld vorhanden sei, aber der Plan sei „Gesetz“, und er werde nicht geändert. Viele dieser schwerwiegenden Sorgen blieben unbeantwortet oder landeten im Reißwolf.

Die kollektive Landwirtschaft, die 1960 abgeschlossen wurde, wurde in den Wochenschauen als Erfolg dargestellt, während Tausende von Bauern in den Westen flohen und die Ernteausfälle des Folgejahres verschwiegen wurden. Die Produktion orientierte sich an den Planvorgaben statt an den Bedürfnissen der Menschen: So wurden Miniröcke weiter produziert, auch wenn längere Säume gefragt waren, weil man aus einer gegebenen Stoffmenge mehr Miniröcke herstellen konnte. Dies zeigt, wie ideologisierte Planung dazu führte, dass die Verantwortlichen lediglich „aufgeschrieben“ haben, „was zu tun ist“, aber niemand sagte, „wie es zu tun ist“.

Gescheiterte Reformen und die Ära Honecker
In den 1960er Jahren, nach dem Bau der Berliner Mauer und der Stabilisierung der Wirtschaft, gab es unter Walter Ulbricht überraschende Reformversuche. Das „Neue Ökonomische System der Planung und Leitung“ (NÖSPL), dessen Architekt Professor Herbert Wolf war, sollte die Planwirtschaft „demokratisieren“ und „Regulatoren des Marktmechanismus“ einbeziehen. Ulbricht, bekannt als „alter Bolschewik“ und „Stalinist“, begann Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre selbst zu zweifeln, ob das bestehende System zum Ziel führen konnte, und war „durchaus fähig zur Veränderung“, um sein sozialistisches Ziel zu erreichen.

Doch diese Öffnung war nur von kurzer Dauer. Mit dem Machtwechsel von Ulbricht zu Erich Honecker im Jahr 1971 war die Losung „keine Experimente“. Professor Wolf wurde von seinen Aufgaben entbunden und zum Schweigen gebracht. Das „Prager Frühling“ hatte die politischen Konsequenzen von Wirtschaftsreformen aufgezeigt, und die Partei wollte eine solche Entwicklung in der DDR verhindern. Gunther Mittag, ursprünglich ein Reformer, wurde zum „Diktator einer nunmehr streng zentralisierten Wirtschaft“.

Die Honecker-Ära sah 1972 die Nationalisierung der letzten 11.000 privaten und semiprivaten Industriefirmen sowie 1.500 Handelskooperativen. Werbetreibende wie Werner Muck, dessen Polstermöbelfabrik 200 Mitarbeiter hatte und erfolgreich war, erlebten die Nationalisierung als persönlichen Verlust. Honecker wollte aus ideologischen Gründen, im Einklang mit Lenins These, dass Kleinwarenproduktion immer wieder Neukapitalismus hervorbringe, einen „reinen Sozialismus“ erreichen. Doch die Nationalisierung führte nicht zu einer schnelleren Entwicklung, sondern im Gegenteil zum Stillstand. 1976 wurden Industrieunternehmen zu riesigen „Kombinaten“ zusammengefasst, was die zentrale Planung zwar erleichterte, aber Wettbewerbsfähigkeit und die Bekämpfung des Devisenmangels nicht verbesserte.

Der Abstieg: Ölkrise, Umweltzerstörung und die Lügen der Führung
In den 1980er Jahren verschärften sich die Probleme dramatisch. 1981 kürzte die Sowjetunion unerwartet ihre jährlichen Öllieferungen von 19 auf 17 Millionen Tonnen. Honecker sah die Existenz der DDR in Gefahr. Die Sowjetunion brauchte dringend Devisen und verkaufte Öl an den Westen. Die DDR musste schnell auf Braunkohle umstellen, was zu enormen Umweltbelastungen und der höchsten Schwefeldioxidproduktion Europas führte.

Ein zweiter Schock folgte 1981, als internationale Banken aufgrund der polnischen und rumänischen Insolvenz alle DDR-Vermögen einfroren. Um Devisen zu sparen, wurden westliche Importe „unter die Schmerzgrenze“ reduziert. Eine wichtige Lebensader war der Handel zwischen den beiden deutschen Staaten, der ohne Devisen verrechnet wurde und durch Millionenzahlungen der Bundesrepublik ab den 70er Jahren ergänzt wurde. Franz Josef Strauß vermittelte in den Jahren 1983 und 1984 sogar Kredite in Höhe von 2 Milliarden Mark, die die DDR vor einem drastischen Absinken des Lebensstandards bewahrten und ihre internationale Kreditwürdigkeit wiederherstellten.

Die Arbeitsproduktivität sank rapide und erreichte 1983 nur noch 50 % des Westniveaus. Wirtschaftsdaten wurden zunehmend als Verschlusssache behandelt. Als 1986 der Ölpreis auf dem Weltmarkt abstürzte, verlor die DDR ein Drittel ihrer wichtigsten Deviseneinnahmen aus Erdölprodukten. Trotzdem hielt die Führung an einer „extravaganten Subventionspolitik“ für Prestigezwecke fest, die über 40 % des Staatshaushalts verschlang. Dazu kamen die Kosten für Militär und die „absurde Überwachung der Menschen und die Mauer“.

Konsumenten hatten Geld, aber kaum etwas Lohnenswertes zu kaufen. Der Intershop entwickelte sich zum „Abfluss- und Entsorgungssystem“ für Westwährung. Absurde Projekte wie ein nicht funktionierendes Warmbandwalzwerk in Eisenhüttenstadt, das 600 Millionen Mark verschlang, oder ein teures, aber letztlich erfolgloses Mikroelektronikprogramm, das durch Spionage gestützt wurde, demonstrierten das Scheitern.

Die „Lüge über sich selbst“ war das Kernproblem [Quelle aus vorheriger Konversation]. Führungspersönlichkeiten wie Gunther Mittag glaubten seit Mitte der 1960er Jahre nicht mehr an den Sieg des Sozialismus, verkündeten aber noch Wochen vor dem Mauerfall dessen Fortschritt. Dieses „betrügerische“ und „kriminelle Verhalten“ gegenüber den Bedürfnissen der Bevölkerung ist „unerhört“.

Die DDR, das „Kind des Kalten Krieges“, brach zusammen, als der „Kampf der Systeme“ entschieden war. Trotz der „harten Arbeit von Millionen von Menschen“ ging die Planwirtschaft bankrott, und ihre „laut verkündeten Leistungen fanden meist nur auf dem Papier statt“. Das Erbe ist das einer Nation, die mit „zwei Seelen“ in der Brust die Erinnerung an eine „gescheiterte Utopie“ weiterträgt.