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Veronika Fischer: Eine Künstlerin zwischen Mauern, Musik und Meinungen

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Seit über 50 Jahren prägt Veronika Fischer die deutsche Musiklandschaft, eine Sängerin, die sowohl auf nationalen als auch internationalen Bühnen zu Hause ist und dabei Ost und West, Erfolg und Widerstände hautnah miterlebt hat. In einem aktuellen Gespräch blickt die Künstlerin auf ein bewegtes Leben zurück, das weit über die reinen Bühnenjahre hinausgeht.

Vom Kind zur Künstlerin: Die frühen Jahre
Veronika Fischers musikalische Reise begann lange vor ihrem offiziellen Bühnenjubiläum. Als dritte Tochter in einer Familie, in der Hausmusik großgeschrieben wurde, entdeckte sie früh ihre Liebe zur Musik – angeregt von ihrer Mutter. Schon mit neun Jahren sang sie bei Auftritten der „Geschwister Fischer“ und spielte zunächst kein Instrument, da sie die „kräftigste Stimme“ hatte. Ihre musikalische Ausbildung begann im Alter von 16 Jahren, als sie zur Aufnahmeprüfung an die Musikschule nach Dresden reiste. Mit 17 Jahren begann sie ihr Musikstudium und kam so auch mit der Klassik in Berührung.

Der kometenhafte Aufstieg und die Schattenseiten des DDR-Systems
Ein kometenhafter Aufstieg begann für Veronika Fischer im Jahr 1975, als ihre erste Platte über 500.000 Exemplare verkaufte – eine Zahl, die sich im Laufe der Jahre noch erhöhte. Auszeichnungen, ausverkaufte Konzerte und unzählige Tourneen prägten diese Zeit. Die Band spielte bis zu 250 Konzerte im Jahr, ein immenses Pensum, das als „sehr erschöpfend“ beschrieben wird.

Doch der Erfolg hatte seine Schattenseiten, besonders im Kontext der DDR. Die „Generaldirektion für Unterhaltungskunst“, Anfang der 70er Jahre gegründet, sollte Künstler politisch führen. Musiker hatten zwar keine Probleme mit Ost und West, da es nur um Können ging, doch das System versuchte, Einfluss zu nehmen. Angebote für politisch geprägte Songs wurden abgelehnt, was das Gefühl des „Eingesperrtseins“ verstärkte. Künstler wie Fischer wurden nicht an Plattenverkäufen beteiligt, obwohl ihre Promotion die Verkaufszahlen ankurbelte.

Ein einschneidendes Ereignis war der Weggang ihres Pianisten Franz Josef Teichmüller am 16. Juni 1980 in West-Berlin, bei einem Konzert, von dem „nicht alle wieder in die DDR zurückkamen“. Dies führte dazu, dass Veronika Fischers Repertoire in Frage gestellt und viele Songs auf den Index gesetzt wurden. Sie fühlte sich „arbeitslos“ und vermutet, dass man sie „loswerden wollte“. Das System der DDR nutzte zwar die „Unternehmen“ der Künstler gerne finanziell, verbot aber gleichzeitig „kapitalistische Methoden“.

Der Höhepunkt der Repression war ein sogenanntes Abschiedskonzert am 24. März 1981 im Ost-Berliner Kino Kosmos. Die Stasi erfuhr erst kurz vorher davon und versuchte, Provokationen zu verhindern, indem sie Hunderte von Menschen aus der Mongolischen Volksrepublik in den Saal setzte, während ein großer Teil ihres eigentlichen Publikums draußen bleiben musste. Nach diesem Erlebnis wurde die Situation für Veronika Fischer „unerträglich“, und sie verließ das Land.

Brücken bauen und neue Herausforderungen im Westen
Der Übergang in den Westen war nicht ohne Schwierigkeiten. Veronika Fischer unterschrieb einen Vertrag mit WEA, was ihr jedoch das Visum für den Westen nicht erlaubte und die Verbindungen zu den DDR-Kulturbehörden endgültig kappen musste. Im Westen fühlte sie sich oft als „zweite Garde“, da deutschsprachige Künstler hinter internationalen Stars wie Madonna zurückstehen mussten. Alben wie „Staunen“ entsprachen nicht ihrer „Herzenssache“, und sie hatte Probleme mit den kommerziell ausgerichteten Texten. Sie suchte bewusst die Zusammenarbeit mit „nicht angepassten“ Musikern wie Christian Kunert von Renft und Gerulf Pannach, die ihre Meinung sagten und „der Wahrheit näher waren“.

Der Mauerfall als Freiheitssymbol
Der Fall der Mauer am 9. November 1989 war ein „historischer Moment“ für Fischer. Kurz darauf kehrte sie nach Dresden zurück und erlebte eine emotionale Wiederbegegnung mit ihrem Publikum in der Semperoper. Minutenlange stehende Ovationen empfingen sie, die von vielen als „verlorene Tochter“ und „Freiheitssymbol“ wahrgenommen wurde – als erste Künstlerin, die nach ihrem Weggang wieder einreisen durfte.

Kritik an der modernen Musikindustrie und Gesellschaft
Veronika Fischer blickt kritisch auf die heutige Musikszene. Sie schaltet kaum noch Radio ein, weil der „Einheitsbrei“ ihr in den Ohren wehtut. Sie beklagt, dass Stars heute „künstlich erstellt“ und finanziert werden, und dass Qualität in den Medien kaum noch eine Rolle spielt. In Deutschland gebe es kaum noch Differenzierung, stattdessen nur eine „Schlagerwelt“. Auch die Corona-Pandemie war für die Kulturbranche ein „großer Bruch“, ein „Berufsverbot“ für Künstler, das viele an den Rand der Existenz oder sogar darüber hinaus trieb. Sie spricht von einer politischen Haltung, die besagt: „Kultur interessiert nicht“.

Persönliche Überzeugungen und Zukunftspläne
Veronika Fischer äußert sich auch zu persönlichen Überzeugungen, insbesondere zur Corona-Pandemie. Sie bezeichnet die Impfung als „Verbrechen“ und ist entsetzt über die Auswirkungen auf viele Menschen, die seither ständig krank seien. Diese Haltung führte auch zu „schmerzlichen Trennungen“ in ihrer Familie und im Freundeskreis.

In den letzten zehn Jahren hat sich Fischer nach eigener Aussage auch stark spirituell weiterentwickelt. Ihr jüngstes Album „Woher Wohin“ hat einen stark spirituellen Hintergrund, bei dem „nur die Liebe heilt“. Nach einer gesundheitlichen Krise fand sie durch geistiges Heilen und die Unterstützung ihres Partners Mario, der sich damit beschäftigt, wieder zu Kräften.

Obwohl sie sich langsam aus dem Rampenlicht zurückzieht und nicht mehr 25 bis 30 Lieder pro Konzert singen möchte, plant Veronika Fischer weiterhin aktiv zu bleiben. Sie möchte in kleineren Formaten, etwa mit Lesungen und Musik zusammen mit Andreas Bicking, nah an ihrem Publikum bleiben und weiterhin ihre Botschaften teilen. Ihr Leben ist ein Zeugnis von Anpassungsfähigkeit, Stärke und der unerschütterlichen Kraft der Musik.

Das tragische Schicksal von DDR-Größen nach der Wende

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Wenn wir heute auf die glänzende Leinwand des deutschen Films zurückblicken, sehen wir Gesichter, die einst Millionen Menschen bewegten, Namen, die in großen Lettern auf Plakaten prangten und Stars, die als Stolz einer Nation galten. Doch hinter dem Scheinwerferlicht lauerte oft ein Abgrund, den nur wenige wahrhaben wollten: Viele dieser einst geliebten und gefeierten Schauspieler, Musiker und Kulturschaffenden endeten in Armut, Krankheit oder Vergessenheit. Es ist ein bitterer Kontrast zwischen dem Ruhm der Jugend und der trostlosen Einsamkeit des Alters, der uns mahnt, genauer hinzuschauen. Die Wende, die Hoffnung versprach, wurde für viele zum Bruch – beruflich, seelisch, menschlich.

Einer dieser Namen ist Rolf Römer (1935-2000), einst einer der markantesten Köpfe des DEFA-Kinos und Symbolfigur des ostdeutschen Films, bekannt aus Klassikern wie „Die Söhne der Großen Bärin“. Nach seiner offenen Kritik an der Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann wurde er systematisch aus dem Kulturbetrieb ausgeschlossen. Engagements blieben aus, seine Karriere kam abrupt zum Stillstand, und der einst gefeierte Schauspieler wurde zum Außenseiter. Rückzug und Frustration bestimmten seine letzten Jahre, bis er im Jahr 2000 unter tragischen Umständen bei einem Unfall mit Chemikalien in seinem Haus starb – ohne große Presse, ohne letztes Rampenlicht.

Auch Heinz Drewniok litt unter den Folgen der Wende. Als vielseitiger Künstler, Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor und Journalist galt er in der DDR als kreativer Kopf mit politischem Gespür. Doch mit der Wende kam der Bruch: Die Bühnen verschwanden, die Nachfrage erlosch. Drewniok suchte Zuflucht im Journalismus, schrieb für kleinere Zeitungen und kämpfte mit prekären Verhältnissen und der Unsicherheit eines Neuanfangs. Ruhm wich Unsichtbarkeit. Er verstarb 2011 nach einer Krebserkrankung zurückgezogen, fern von Kameras und Scheinwerfern, ohne mediale Aufmerksamkeit oder Nachrufe in den großen Zeitungen.

Ein Ausnahmetalent auf den Bühnen der DDR war Dieter Franke (1935-1982). Ob als Mephisto oder Adam Kowalski, er brillierte mit einer Präsenz, die Publikum wie Kritik gleichermaßen in ihren Bann zog. Doch Krankheit kennt kein Mitleid mit Ruhm. In seinen letzten Lebensjahren zog sich Franke geplagt von schwerer Krankheit und innerer Erschöpfung zunehmend in Isolation zurück. 1982 starb er allein, fernab der Bühnen, die er einst mit Leben füllte, ohne großes Gedenken.

Dean Reed (1938-1986) war eine schillernde Figur – ein Amerikaner, der freiwillig in die DDR zog und dort zum Popstar, Schauspieler und politischen Symbol wurde. Er sang Lieder über Frieden und wurde sowohl im Osten als auch im Westen bestaunt und misstraut. Doch hinter dem lächelnden Charmeur verbarg sich eine tief zerrissene Seele. Seine politischen Überzeugungen isolierten ihn, seine Ehe zerbrach, und sein Stern verblasste. Am 13. Juni 1986 wurde seine Leiche im Zeuthener See gefunden. Offiziell ein Unfall, doch viele sprachen von Suizid oder einem politischen Komplott. Dean Reed starb als gebrochene Figur zwischen den Fronten der Systeme, sein Mythos verschluckte ihn.

Holger Biege war mit gefühlvollen Liedern wie „Sagte mal ein Dichter“ die Stimme einer Generation und prägte die Musikkultur der DDR. Nach dem Fall der Mauer versuchte er im Westen Fuß zu fassen, doch die Musiklandschaft hatte sich gewandelt, die große Bühne blieb ihm verwehrt. Ein schwerer Schlaganfall raubte ihm seine Sprache und Ausdruckskraft, sein wichtigstes Instrument. Er lebte fortan körperlich eingeschränkt und auf Hilfe angewiesen. Am 25. April 2018 starb er beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit; sein Name verblasste, seine Musik wurde leiser.

Ähnlich erging es Thomas Lück (1943-2019), einem der populärsten Schlagersänger der DDR, dessen Stimme, Charisma und verschmitztes Lächeln ihn zum Liebling eines Millionenpublikums machten. Nach der Wende wurde es still um ihn; Engagements wurden seltener, das Interesse der Medien versiegte. Lück zog sich zurück, lebte bescheiden in Lebus. Als Hautkrebs diagnostiziert wurde, kämpfte er tapfer, doch die Krankheit ließ ihm wenig Raum. Am 22. Oktober 2019 verstarb Thomas Lück im Schatten der Erinnerung, sein Tod ging in der Öffentlichkeit nahezu unter.

Auch wenn Gert Poppe (1936-2025) kein Schauspieler im klassischen Sinn war, war seine Rolle im „Theater der deutschen Geschichte“ bedeutend. Als Bürgerrechtler und Politiker gehörte er zu den lautesten Stimmen gegen das SED-Regime, wurde überwacht, schikaniert und gesellschaftlich geächtet. Nach der Wende zog er für Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag ein, doch der Glanz politischer Anerkennung blieb ihm versagt. Er arbeitete weiter im Stillen für Menschenrechte, abseits der Öffentlichkeit. Als er verstarb, gab es zwar wohlwollende Nachrufe, doch sein jahrzehntelanger Einsatz war vielen längst entglitten.

Fred Delmare war das Gesicht zahlloser DEFA-Produktionen, mit über 200 Filmrollen einer der meistbeschäftigten Schauspieler der DDR, stets präsent und markant. Doch auch sein Ruhm verging schnell. Im Alter erkrankte er an Alzheimer, verlor nach und nach sein Gedächtnis und damit die Erinnerung an ein ganzes Künstlerleben. Seine letzten Jahre verbrachte er in einem Pflegeheim. Als er 2009 starb, war er längst vergessen von der Welt, der er einst so viele Gesichter geschenkt hatte – kein Aufschrei, kein großes Gedenken.

Eberhard Esche (1923-2006), ein Gigant des DDR-Theaters und Mitglied des legendären Berliner Ensembles, verkörperte Figuren mit einer Wucht und Intelligenz, die ihn zur moralischen Instanz seiner Zeit machten. Esche war unbequem, sprach unbequeme Wahrheiten aus. Doch mit dem Systemwechsel kam die Stille. Die neuen Bühnen interessierten sich wenig für alte Gesichter, seine Auftritte wurden seltener, seine Stimme leiser. Er zog sich zurück, lebte von Lesungen und kleinen Auftritten. Als er 2006 an Krebs starb, würdigten ihn nur wenige Medien. Der einst gefeierte Intellektuelle war in einem Land, das sich neu erfand, ohne Platz geblieben.

Schließlich Erwin Geschonneck (1906-2008), eine lebende Legende des ostdeutschen Films, der mit über 100 Filmrollen das DEFA-Kino über Jahrzehnte prägte. Seine Lebensgeschichte war geprägt von Widerstand, Verfolgung durch die Nazis, Exil und schließlich einer Karriere in der DDR. Doch das lange Leben trug auch das Gewicht des Vergessens. In den letzten Jahren zog sich Geschonneck aus der Öffentlichkeit zurück; sein Name verschwand aus den Schlagzeilen, seine Filme wurden selten gezeigt. Am 12. März 2008 starb er mit 101 Jahren fast unbemerkt von einer Gesellschaft, die sich längst anderen Helden zugewandt hatte.

Zehn Schicksale, zehn stille Abschiede. Diese Künstler prägten Generationen, doch starben im Schatten. Ruhm verflog, Rollen blieben aus, und am Ende blieb oft nur das Vergessen. Es ist ein stiller Nachruf und der Versuch, die Erinnerung wachzuhalten – nicht aus Nostalgie, sondern aus Respekt. Denn wer uns einst bewegte, verdient nicht, in Vergessenheit zu geraten.

Leipzig, 7. Oktober 1989: Der Tag, an dem die Stasi die Knüppel schwang

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Während sich die Staatsführung in Ostberlin am 7. Oktober 1989 in Feierlaune zum 40. Geburtstag der DDR präsentierte, bot sich in der Leipziger Innenstadt ein düsteres Bild. Was als angespannte Ansammlung von Menschen nach dem Friedensgebet begann, eskalierte schnell in eine bis dahin ungesehene Brutalität der Staatsorgane, die als verzweifeltes letztes Aufbäumen eines untergehenden Regimes in die Geschichte eingehen sollte.

Die Atmosphäre in Leipzig war bereits vor dem offiziellen Demonstrationsgeschehen aufgeladen. Menschen strömten zusammen, „die hinter der Nikolaikirche auf dem eingeengten Platz sich sammelten und eigentlich auch nicht richtig wussten, was sie dort machen sollen, außer da sein und sich angespannt fühlen“. Für die Volkspolizei und Stasi reichte jedoch schon die bloße Anwesenheit, um einzugreifen. Einzelne Personen wurden willkürlich aus der Menge gezogen und auf Polizeilastwagen verfrachtet. Familien mit Kindern gerieten in das Chaos, rannten um ihr Leben, wurden „über den Platz getrieben, auch geschlagen, fielen, stürzten, waren entsetzt“.

Die Brutalität erreichte ein noch nie dagewesenes Ausmaß für den „normalen DDR-Bürger“. Der originale Polizeifunk, teilweise erhalten geblieben, zeugt von der gnadenlosen Anweisung: „Schlagstock frei, nach unten alle Fallbrücken… setzen sie jetzt den langen Schlagstock ein. Die Vierbeiner dazu, das geht dann Leine lang hier“. Mit „Zeug“ meinte die Volkspolizei die Menschen auf der Straße, die in Laufschritt „in Richtung Dömaskirche“ geräumt werden sollten.

Selbst Frauen wurden zu Boden geschlagen. Martina Gruse erinnert sich, wie sie von der Polizei mit Gummiknüppeln und Schilden attackiert wurde, als sie sich nach Polizisten mit Hunden umdrehte. Nur durch das Eingreifen ihrer Tochter konnte sie gerettet werden, erlitt Schmerzen und musste krankgeschrieben werden.

Doch die Gewalt ging über das bloße Prügeln hinaus. Peter Römer, damals Wehrpflichtiger bei der Bereitschaftspolizei, weigerte sich, mit dem Knüppel zuzuschlagen. Er beschrieb, wie aus den Demonstranten herausgerissene Personen „zusammengeschlagen, an den Füßen gepackt und übers Pflaster gezerrt wurden und auf den LKW geworfen wurden“, wie „Mehlsäcke“. Die Stasi-Akten bestätigen diese Rohheit, dokumentieren einen gebrochenen Zeigefinger eines Demonstranten. Der Schriftsteller Michael Schameit, ebenfalls grundlos festgenommen, bezeugte in seiner Strafanzeige die brutalen Übergriffe im Volkspolizeikreis. Er sah einen blutüberströmten jungen Mann mit einer riesigen Beule am Schädel und einer stark blutenden Platzwunde. Später wurde ein weiterer Mann mit identischen Verletzungen und blutgetränkter Kleidung gesehen.

Die Festgenommenen, darunter auch Schameit, wurden über Nacht in die Pferdeställe der DDR-Landwirtschaftsmesse Agrar gesperrt. Frank Adler, ein weiterer Inhaftierter, schildert, wie sie von einem großen Lkw rückwärts an die Ställe gefahren und dann „hinuntergestoßen“ wurden, wobei „Tritte verteilt oder Ausschläge mit dem Gummiknüppel“ stattfanden. Die Anweisung lautete: „immer neun Stück in eine Box“. Die entmenschlichende Sprache, von „Stück“ statt von Personen zu sprechen, lässt tief blicken, was dort geschah.

Die Inhaftierten mussten die ganze Nacht „schlaflos und stehend auf dem kalten Beton“ verbringen, schlechter als ein Pferd, das zumindest Strom und einen Liegeplatz gehabt hätte. Kälte war ein großes Problem, da niemand auf diese Situation vorbereitet war und sich warm genug angezogen hatte, was bei Frank Adler später zu Nierenproblemen führte. Doch das Schlimmste waren oft nicht die körperlichen Misshandlungen.

Frank Adler erinnert sich an eine junge Frau in der Nachbarbox, die die ganze Nacht flehte, man möge ihr zuhören, sie habe ein kleines Baby zu Hause und sei willkürlich beim Einkaufen verhaftet worden. „Nicht einer dieser Polizisten hat sich dieser Frau erbarmt. Keiner fühlte sich verpflichtet, weder dienstlich noch moralisch noch menschlich. Nichts.“. Was aus ihr und ihrem Baby wurde, konnte bis heute nicht aufgeklärt werden.

Der Großteil der über 200 Eingesperrten wurde am nächsten Tag freigelassen. Doch die Bilder und Erfahrungen des 7. Oktobers hatten sich eingebrannt. Der Bundesbeauftragte Roland Jahn bewundert den Mut der Leipziger Demonstranten. Denn wo am 7. Oktober noch 7.000 Menschen auf der Straße waren, trotzten nur zwei Tage später, am 9. Oktober, bereits 70.000 Menschen der demonstrativen Brutalität der Staatsorgane. Der Einsatz in Leipzig war „das letzte Aufbäumen des DDR-Staatsapparates, hier die Menschen zu unterdrücken“.

Es wurde versucht, Angst zu erzeugen – der „Kitt der Diktatur“. Doch die Menschen ließen sich nicht einschüchtern. Dass sie trotzdem den Weg auf die Straße wagten, ist bis heute bewundernswert und „der Wegbereiter der deutschen Einheit gewesen“. Angesichts der zehnfachen Menschenmenge fehlte den Machthabern in der DDR dann doch die Skrupellosigkeit zu einem Massaker. Der 7. Oktober 1989 bleibt ein mahnendes Zeugnis der Brutalität eines Regimes und des unerschütterlichen Mutes der Menschen, die es zum Fall brachten.

Leipzig im Fokus des Sports: Das VI. Turn- und Sportfest der DDR 1977

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Leipzig, DDR. In der zweitgrößten Stadt der Deutschen Demokratischen Republik, die weltweit als Messestadt und Zentrum der sozialistischen Sportbewegung bekannt ist, fand im Jahr 1977 ein herausragendes Ereignis statt: Das VI. Deutsche Turn- und Sportfest, das gleichzeitig die VI. Kinder- und Jugendspartakiade der DDR umfasste. Eine Woche lang vereinte dieses Großereignis Zehntausende von Wettkämpfern und Hunderttausende von Gästen zu einer beeindruckenden Sport- und Leistungsshow, die als Höhepunkt der Verwirklichung des Sportprogramms des Deutschen Turn- und Sportbundes der DDR, der Gewerkschaften und des Sozialistischen Jugendverbandes galt.

Sport als Lebensgrundlage und politisches Bekenntnis
Das Fest unterstrich die tiefe Verankerung des Sports im Alltag der DDR-Bürger. Die sozialistische Verfassung garantierte das Recht auf Sport, auf regelmäßige Gesundheitsvorsorge und sinnvolle Freizeitgestaltung, was für viele Menschen zu einem echten Bedürfnis geworden war. Körperkultur und Sport genossen die volle, umfassende Förderung und Unterstützung durch die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) und die Regierung der DDR. Diese Veranstaltung demonstrierte eindrucksvoll, wie anerkannte Weltbestleistungen aus einer breiten sportlichen Massenbeteiligung im ganzen Land resultierten und wie sportliche Höchstleistungen zum Vorbild für die junge Generation werden konnten.

Von Vorschulkindern bis zur Nationalen Volksarmee: Vielfalt der Teilnehmer
Die Eröffnung des Sportreigens im Stadion der Hunderttausend war den Jüngsten gewidmet: Über 1105 fünf- bis sechsjährige Vorschulkinder, zumeist aus Leipziger Kindergärten, zeigten spielerisch ihre Freude an der Bewegung. Der tägliche Sport, schon in frühester Jugend, gehörte zu den sozialistischen Bildungs- und Erziehungszielen in der DDR. Mädchen und Jungen im Alter von sieben bis zehn Jahren präsentierten ihre im Sportunterricht erlernten Fähigkeiten unter dem olympischen Motto „Citius-Altius-Fortius“ (schneller, höher, stärker). Der Übungsverband der Jugend, bestehend aus zehn- bis sechzehnjährigen Sportlern, verwandelte das Stadion in einen Schauplatz großer Handball- und Volleyballturniere. Auch 2000 Mädchen und Frauen beteiligten sich unter dem Motto „treib alle Sport“, und Mitglieder der Sportvereinigung der Nationalen Volksarmee (NVA) demonstrierten ihre Bereitschaft zum Schutz des Friedens und zur Verteidigung der sozialistischen Heimat. Den krönenden Abschluss der Sportschau bildeten die Sportler der Sportvereinigung Dynamo, aus der viele der besten Athleten der DDR stammten.

Umfassende Vorbereitungen und beeindruckende Darbietungen
Den monatelangen Vorbereitungen für dieses Großereignis ging das Ausrollen eines riesigen Kunststoffteppichs im Stadion der Hunderttausend voraus. Tausende von Übungsstunden lagen hinter den zwölftausend Sportlern aus Leipzig und den umliegenden Orten, die mit farbigen Tüchern wechselnde Bilder, Symbole und Schriftzeichen auf den Tribünen erzeugten. Diese Sportshow, die in Leipzig Premiere hatte, war das Ergebnis einer gemeinsamen Idee, die in unzähligen Sportgruppen und Vereinigungen umgesetzt wurde.

Volkssport und Talentschmiede Spartakiade
Neben den beeindruckenden Darbietungen umfasste das Fest auch sportliche Wettbewerbe für jedermann. Die sogenannte Turnfestmeile, ein Ausdauerlauf, an dem nur teilnehmen durften, wer im vergangenen Jahr hundertmal oder öfter diese Strecke absolviert hatte, war nur ein Beispiel dafür. Volkssportturniere, denen Qualifizierungswettkämpfe in Stadt und Land vorausgingen, fanden ebenfalls statt, darunter die Finalwettbewerbe der tausend besten Tischtennisspieler der DDR und Kegelmeisterschaften. Auch im Volleyball traten Mannschaften aus Betrieben, Wohngebieten und ländlichen Gemeinden an, wobei auch nicht-organisierte Mitglieder zugelassen waren – entscheidend war die Teilnahme, um Gesundheit, Wohlergehen, Lebensfreude und Leistungsfähigkeit der Menschen zu fördern.

Ein zentraler Bestandteil des Festes war die Kinder- und Jugendspartakiade, die in fast sämtlichen olympischen Sportarten stattfand und 10.000 Teilnehmer vereinte. Wettbewerbe begannen in den Schulen und setzten sich in Kreisen und Bezirken fort, wobei Millionen von Schülern und Lehrlingen teilnahmen. Die besten von ihnen trafen sich in Leipzig, um Talente zu entfalten und zu entdecken. Viele international anerkannte DDR-Sportler und Medaillengewinner, wie zum Beispiel Cornelia Ender oder der Kugelstoß-Olympiasieger Udo Beyer, begannen ihre erfolgreiche Laufbahn bei solchen Spartakiaden.

Internationale Begegnungen und Solidarität
Die freundschaftliche Verbundenheit des DDR-Sports mit Sportorganisationen vieler Länder zeigte sich in Leipzig deutlich. Weltklassesportler aus Japan, wie der dreifache Weltmeister Shigeru Kazama, und aus der Sowjetunion, wie der mehrfache Olympiasieger Nikolai Andrejanov, zeigten ihr Können. Auch Sportlerinnen aus Kuba waren anwesend, und Leichtathletik-Wettkämpfe im abendlichen Stadion der Hunderttausend lockten mit starker internationaler Beteiligung. Besonders enge und brüderliche Beziehungen verbanden die DDR und die UdSSR, was sich in gemeinsamen Wettkämpfen und Begegnungen wie einem Fußballspiel beider Ländermannschaften zeigte. Sowjetische Sportler und Trainer hatten nach der Befreiung vom Faschismus als Erste ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit den Sportlern der DDR geteilt, deren Erfolge ohne diese enge Zusammenarbeit undenkbar gewesen wären.

Fast 500 Repräsentanten aus 53 Ländern, darunter elf Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees sowie zahlreiche Präsidenten von Weltföderationen und Sportminister, zählten zu den fachkundigsten Zuschauern. Sie besuchten auch die Hochschule für Körperkultur und Sport der DDR, um die gesellschaftspolitischen Zusammenhänge und die Struktur der sozialistischen Sportbewegung kennenzulernen. Schirmherr des Sportfestes war Erich Honecker, Generalsekretär des Zentralkomitees der SED und Vorsitzender des Staatsrates der DDR, der die Gäste zu einem Empfang lud. Dabei wurde betont, dass die Förderung von Körperkultur und Sport in der DDR zur „Hauptaufgabe“ gehörte: das Leben der Bürger sozial sicherer, reicher und schöner zu gestalten. Das Fest war auch ein Bekenntnis zur internationalen Solidarität, insbesondere mit denen, die die Folgen imperialistischer Aggressionen überwinden oder um nationale und soziale Befreiung kämpfen.

Kunst, Kultur und das Vermächtnis
Eine Ausstellung „Kunst und Sport“ vereinte Karikaturen, Grafiken, Plastiken und Gemälde und bestätigte das Wort von Coubertin, wonach der Sport als Hervorbringer und Gelegenheit für die Kunst gelten könne. Der Abschluss des Festes wurde durch einen Umzug von 60.000 Sportlern durch die Straßen Leipzigs und eine große Abschlussveranstaltung im Stadion mit einem künstlerisch-sportlichen Programm gestaltet. Hunderte von Musikern, Tänzern und Turnern, darunter Schüler und Studenten von Musik- und Ballettschulen sowie Turnerinnen und Turner des Deutschen Turn- und Sportbundes der DDR, zeigten ihr Können.

Das VI. Deutsche Turn- und Sportfest 1977 in Leipzig, das Fest der sozialistischen Körperkultur und des Sports, ging zu Ende. Doch die Begeisterung und die Bereitschaft von Millionen Menschen in der DDR, Sport und Körperkultur zu einem festen Bestandteil ihres Lebens zu machen, sollte bleiben. Es war eine eindrucksvolle Demonstration von Leistungsfähigkeit, Lebensfreude und dem untrennbaren Zusammenhang von Sport und der Friedenspolitik der Regierung der DDR und der sozialistischen Staatengemeinschaft.

Die Verborgenen Wahrheiten der DDR: Zwischen Glanz und Geheimnis

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BERLIN/ZITTAU/LEUNA – Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) präsentierte sich der Welt als „blühendes Land“, das „bessere Deutschland dank Sozialismus“. Doch hinter dieser glänzenden Fassade verbarg sich eine Realität, in der Anspruch und Wirklichkeit oft weit auseinanderklafften und viele Wahrheiten erst Jahre nach dem Mauerfall ans Licht kamen. Eine genaue Betrachtung der Geschichte dieses verschwundenen Landes offenbart eine Vielzahl von Geheimnissen, die die Menschen bis heute prägen.

Die Ikone und der Widerstand: Frieda Hockaufs verborgene Geschichte
Ein Paradebeispiel für die Diskrepanz zwischen Propaganda und Alltag ist die Weberin Frieda Hockauf aus Zittau. 1953 stieg sie zu einer Ikone der DDR auf, als es ihr gelang, in nur drei Monaten 45 Meter mehr Stoff zu weben als die Norm verlangte. Die SED ehrte sie als „Held der Arbeit“, machte sie zum Vorbild einer Aktivistenbewegung und nutzte sie, um die wirtschaftliche Überlegenheit der DDR zu demonstrieren und insbesondere Frauen zu höherer Produktivität anzuspornen. Frauen galten als die einzige Arbeitskräftereserve der DDR, ähnlich wie Gastarbeiter im Westen eingesetzt wurden.

Doch die wahre Geschichte Hockaufs wurde der Bevölkerung verschwiegen. Längst nicht alle Kolleginnen folgten ihrem Beispiel; im Gegenteil, sie wurde als „Normbrecherin“ und „Verräterin“ beschimpft. Eier und Steine flogen, ihr Mann musste sie abends von der Schicht abholen, und ihr Webstuhl wurde sabotiert. Menschen, die doppelt so viel in der gleichen Zeit schaffen, erregen oft Widerspruch. Als Hockauf schwer herzkrank wurde, konnte die Partei sie nicht länger auf das Podest stellen, denn wer nicht funktioniert, wird fallengelassen. Ihre Nachbarin fasste es treffend zusammen: „Arm geboren und arm gestorben“.

Wirtschaftliche Krisen und der Widerhall der Arbeiterwut
Die DDR-Wirtschaft kämpfte kontinuierlich mit Problemen. Trotz der Abschaffung von Lebensmittelkarten Ende der 50er Jahre blieb die Wirtschaftsleistung ein Drittel hinter der Bundesrepublik zurück. Die Verantwortlichen waren sich der suboptimalen Situation bewusst, sahen dies aber als „Kinderkrankheiten“. Eine folgenschwere Entscheidung war die Zwangskollektivierung der Kleinbauernhöfe im Jahr 1960, die statt Modernisierung zunächst eine Missernte zur Folge hatte und die Lebensmittelknappheit verschärfte. Investitionen flossen hauptsächlich in die Schwerindustrie, wo es ebenfalls an Mitteln und Arbeitskräften mangelte – ein „Teufelskreislauf“, der 1961 zum Mauerbau führte, um die Volkswirtschaft „planbar zu machen“.

Inmitten dieser Krise, Anfang der 1960er Jahre, kam es in der DDR zu Hunderten „Wilder Streikes“, insbesondere in den industriestarken Bezirken wie Halle, wo sich die Leunawerke befanden. Ein Vorfall im Mai 1962 in Leuna, bei dem ein Maler aus Leipzig wegen fehlenden Essens eine Verkäuferin über die Theke ziehen wollte und Arbeiter mit Streik drohten, ist symptomatisch für die angespannte Lage. Obwohl die DDR-Zeitungen über solche Streiks schwiegen, kursierten Gerüchte, die im Westen, etwa in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, aufgegriffen und teils dramatisiert wurden. Die vielen echten Streiks setzten die DDR-Führung unter Druck und führten kurzzeitig zu Überlegungen über Wirtschaftsreformen mit mehr Eigenständigkeit für Betriebe, die jedoch aus Angst vor Kontrollverlust wieder gestoppt wurden.

Die „Wochengrippenkinder“: Eine Kindheit im Heim und ihre Spätfolgen
Um die Frauen als Arbeitskräfte in die Berufstätigkeit zu integrieren, bot der Staat Kinderbetreuung an, insbesondere für Alleinstehende ohne familiäres Hinterland. Ab der sechsten Lebenswoche konnten Kinder in sogenannten „Wochengrippen“ untergebracht werden, wo sie die Eltern nur am Wochenende sahen. Obwohl als „gute Versorgung“ propagiert, waren diese Einrichtungen in der Realität eher Kinderheime.

Die Ärztin Eva Schmidtkolmer untersuchte Anfang der 1950er Jahre den Gesundheitszustand von Krippenkindern. Ihre dramatischen Befunde, die nur in Fachkreisen bekannt wurden, zeigten, dass Wochengrippenkinder in allen Bereichen hinter Altersgenossen zurückblieben und Zeichen von Hospitalismus aufwiesen: Ausdruckslosigkeit, Schaukeln des Oberkörpers, Kopfschütteln im Gitterbett, verzögerte Sprachentwicklung und auffälliges Verhalten. Trotz Warnungen vieler Kinderärzte wurden diese Erkenntnisse der Öffentlichkeit vorenthalten und Schmidtkolmer mundtot gemacht.

Heike Liebsch, die für ihre Doktorarbeit 60 ehemalige Wochengrippenkinder interviewte, berichtet von gestörten Elternbeziehungen, Partnerschaftsschwierigkeiten, Problemen mit den eigenen Kindern und immer wieder von Ängsten. Sie selbst erfuhr erst im Erwachsenenalter, dass sie vier Jahre lang fixiert worden war, was ihr geholfen hat, ihre eigenen Ängste zu verstehen. Die Studien über die negativen Auswirkungen der Wochengrippen wurden bis zum Ende der DDR behindert und erst 1992 veröffentlicht, da sie den Mythos einer sich steigernden Produktion ohne menschliche Kosten beschädigten.

Die „Waffenbrüderschaft“: Schutzmacht, Geheimnisse und menschliche Dramen
Ein zentraler Gründungsmythos der DDR war die Freundschaft mit der Sowjetunion, den „Befreiern vom Nationalsozialismus“. Doch auch hier herrschte ein Ungleichgewicht. Karl Wilhelm Wichmann, der 1946 Kritik an der sowjetischen Besatzungsmacht übte, etwa an der Bodenreform oder der Wegnahme von Radios, wurde vor ein sowjetisches Militärtribunal gestellt und zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Torgau und Sachsenhausen waren einige der zehn Speziallager, die die Sowjets betrieben und in denen ein Drittel der über 122.000 Insassen Hunger, Krankheiten und brutale Behandlung nicht überlebte – im Prinzip eine Übertragung des sowjetischen Gulag-Systems auf Deutschland. Wichmann wurde erst 1954 freigelassen und durfte über seine Haftzeit nicht sprechen.

Die in der DDR stationierten sowjetischen Truppen schotteten sich hermetisch ab. Was hinter den Sperrzonen geschah, war Staatsgeheimnis. Gerüchte kursierten, nicht zuletzt wegen Vorfällen wie dem Absturz eines sowjetischen Militärflugzeugs 1966 im sächsischen Vollbahn, bei dem die deutschen Behörden von der Löschung abgehalten wurden und das Ereignis vertuscht wurde. Das Sperrgebiet um den Militärflugplatz Großenhain bei Dresden, wo 6.000 Soldaten stationiert waren, beinhaltete ein Sonderwaffenlager namens „Granit“. Gerüchte über die Lagerung von Atomwaffen kursierten, die sich 1973 durch die Flucht eines russischen Flugzeugtechnikers mit einer Suchoi 7 BM und die Funde der westlichen Geheimdienste erhärteten. Historiker Matthias Ul fand 2020 in russischen Archiven Beweise dafür, dass Nuklearwaffen seit 1963 in Großenhain stationiert waren. Die DDR-Führung selbst wusste zwar von Nuklearwaffen auf ihrem Territorium, aber nicht, wo genau.

Die „Waffenbrüderschaft“ war kein Verhältnis auf Augenhöhe. Die Lebensverhältnisse der sowjetischen Soldaten waren ärmlich und von Gewalt geprägt, es gab keine Privatsphäre und ein brutales Regime unter den Generationen, das zu Verzweiflungstaten, Kriminalität und tausenden Desertationen führte. Die Schicksale von Deserteuren, die teils gewaltsam zu Tode kamen, wurden vor der DDR-Bevölkerung verborgen. Auch persönliche Beziehungen zwischen sowjetischen Soldaten und ostdeutschen Frauen waren meist untersagt, da Offiziere Geheimnisträger waren und die Frauen als Spione diffamiert wurden. Renate Walter, ein sogenanntes „Russenkind“, erfuhr erst als Rentnerin die tragische Geschichte ihres Vaters, eines sowjetischen Soldaten, der wegen seiner Beziehung unehrenhaft entlassen und schließlich an den Spätfolgen einer Schussverletzung starb.

Antifaschismus als Staatsdoktrin: Der Umgang mit der braunen Vergangenheit
Die Bekämpfung des Nationalsozialismus, von der DDR „Faschismus“ genannt, war der zentrale Gründungsmythos des Staates. Nach der offiziellen „Entnazifizierung“ 1950, mit Schnellverfahren gegen rund 3300 NS-Verdächtige, hieß es, Nazis gäbe es nur noch im Westen. Doch auch hier gab es dunkle Flecken. Ernst Grossmann, ein ehemaliger Angehöriger eines SS-Totenkopfverbandes und Wachmann im KZ Sachsenhausen, wurde als „Held der Arbeit“ und Musterbeispiel der Propaganda gefeiert. Obwohl die Stasi Hinweise auf seine Vergangenheit hatte, saß er jahrelang für die SED im Rat des Bezirkes Erfurt. Die DDR verfolgte zwar Nazi- und Kriegsverbrecher, lud aber die breite Mehrheit zur Integration ein, nach dem Motto: Wer sich für den demokratischen Aufbau einsetzt, muss nicht über seine Sünden der Vergangenheit sprechen.

Ein späterer Propagandaerfolg war der Prozess gegen den Kriegsverbrecher Heinz Barth 1983, der am Massaker von Oradour beteiligt war. Obwohl der Prozess weltweit Beachtung fand, wurden zwei weitere Mörder von Oradour, die ebenfalls beteiligt waren, nicht angeklagt. Barth wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und knüpfte im Gefängnis Freundschaften mit jungen Neonazis, darunter Ingo Hasselbach. Barth vermittelte den Jugendlichen sein rechtsextremes Weltbild, ohne Reue oder Mitgefühl zu zeigen.

Der Aufstieg des Rechtsradikalismus: Eine unbequeme Wahrheit
Die rechten Jugendlichen wurden zu einem sichtbaren Problem in der DDR. Eine geheime Studie der Humboldt-Universität Berlin zeigte, dass junge Neonazis zu 80 Prozent aus „soliden“ Elternhäusern stammten und nicht aus gestörten Familienverhältnissen. Mit dem Autoritätsverlust der Elterngeneration und dem Fehlen neuer Autoritäten verfielen viele Jugendliche gewalttätigen rechtsradikalen Bewegungen.

Das Benutzen von Nazi-Symbolen und die Negierung des Antifaschismus waren die stärkste Provokation für den antifaschistischen Staat. Gleichzeitig verkörperten diese Strömungen Werte wie Ordnungs- und Sicherheitsdenken sowie eine gewisse Fremdheit gegenüber anderen Kulturen, die durchaus in der DDR-Gesellschaft verbreitet waren. So entstand eine „stillschweigende Übereinkunft“ zwischen den radikalen Szenen und größeren Teilen der Bevölkerung, die bis heute wirkt.

Die Geheimnisse, die die DDR vor ihren Bürgern verbarg – sei es über die wahre Lage der Wirtschaft, die Auswirkungen der Kinderbetreuung, die Realität der sowjetischen Präsenz oder den widersprüchlichen Umgang mit der NS-Vergangenheit – trugen maßgeblich zum Autoritätsverlust der Führung bei. Als die Menschen 1989 die Mauer zu Fall brachten und 1990 die Stasi-Zentrale stürmten, wurde klar: Die DDR barg noch viele weitere Geheimnisse.

Die Zwangskollektivierung der DDR-Landwirtschaft

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Berlin – Vor genau einem Jahr meldete der letzte Bezirk in der damaligen Sowjetzone, dem heutigen Mitteldeutschland, den Abschluss der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft. Was die Staatspartei, die SED, als „spontanen, freiwilligen Drang der Massen nach einer gemeinsamen Bewirtschaftung des Bodens“ darstellte, entpuppte sich für viele als eine totale Umwälzung ihres Lebensgefühls und als eine zwangsweise sozialistische Umgestaltung. Helmut Reinhardt und der Landwirtschaftsexperte Friedrich Hoppe ziehen in einer aktuellen Betrachtung Bilanz über die Ereignisse, die vor einem Jahr im Schatten von Major Gagarins Weltraumflug und dem Eichmann-Prozess stattfanden.

Der „große Schritt vom Ich zum Wir“ – Eine Maskerade fällt
Unter der pathetischen Parole „Der große Schritt vom Ich zum Wir“ trieben die deutschen Kommunisten in ihrem Herrschaftsbereich eine gesellschaftliche Umwälzung voran. Bereits 1952 entstanden die ersten Kolchosen, doch im vergangenen Jahr, 1960, fiel endgültig die Maske. Agitationstrupps der Einheitspartei drangen im Stil militärischer Sonderkommandos bis in die guten Stuben der Bauern vor. Versammlungen und Lautsprecherpropaganda wechselten sich ab, und Funktionäre der SED ließen die noch selbstständigen Landwirte wochenlang nicht aus den Klammern der Ideologie. Die Polemik gipfelte in dem gefährlich primitiven Schlagwort: „Wer für die LPG ist, ist für den Frieden, wer gegen die LPG ist, ist für den Krieg“.

SED-Sekretär Ulbricht wischte die schwere seelische Bedrängnis einzelner Bauern einfach vom Tisch und sprach von „einzelnen Fällen von Überspitzungen“. Vor der Ostberliner Volkskammer wurde die zwar unblutige, aber dennoch dramatische Kollektivierungskampagne als „Erfolg für ganz Deutschland“ inszeniert. Ulbricht versprach, die genossenschaftliche Arbeit würde eine höhere Arbeitsorganisation, die Anwendung landwirtschaftswissenschaftlicher Erfahrungen und moderner Technik ermöglichen, den Wohlstand des Volkes erhöhen, die Arbeit erleichtern und ein kulturvolles Leben ermöglichen.

Die harte Realität: Leid, Flucht und wirtschaftliche Probleme
Die Realität sah anders aus. Gab es am 1. Januar 1960 noch rund 300.000 selbstständige Bauern und Gärtner, die 46,9% der landwirtschaftlichen Nutzfläche bewirtschafteten, so zählte man ein Jahr später bereits 19.000 Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPGs), die 86% der Fläche bewirtschafteten. Von 608.000 landwirtschaftlichen Privatbetrieben im Jahr 1946 waren am 31. März 1960 nur noch 140.000 übrig, und über 90% aller Privatbetriebe wurden liquidiert. „Das hat mit gerechter und sinnvoller Bodenreform nichts zu tun, das ist ihre Vernichtung,“ kommentierte Carlo Schmidt von der Bundesregierung.

Das Ergebnis dieser Maßnahme des Ulbricht-Staates war viel menschliches Leid, erschütternde Einzelschicksale und tausende von Flüchtlingen. Im vergangenen Jahr flohen über 14.000 Bauern und Landwirte, in den ersten drei Monaten dieses Jahres fast 3.000 weitere.

Typen von LPGs: Unterschiedliche Belastungen
Die SED ging den Bauern taktisch entgegen, indem sie nicht nur eine einheitliche Form der Kollektivierung schuf. Es gab zwei Haupttypen von LPGs:

• LPG Typ 1: Eine mildere Form, bei der der Bauer nur seinen Acker einbrachte, das Vieh aber noch selbst behielt. Diese Bauern standen ihren Arbeiten noch relativ besser da.

• LPG Typ 3: Die „Vollkolchose“, in der Acker, Vieh, Wald – alles gemeinsam und kollektiv bewirtschaftet wurde. Der Bauer hatte kaum noch entscheidenden Einfluss auf die Produktion. Die Verhältnisse hier waren oft „geradezu trostlos“. Ein befragter Bauer, nun Rinderpfleger in einer Typ-3-Genossenschaft, schilderte zwar eine Arbeitserleichterung für Frauen, betonte aber auch die ursprüngliche Überlastung und die nun mangelnde Einflussnahme auf die Produktion.

Erntekampf und Versorgungsmängel
Als die Ernte heranrückte, fehlten in den neu gegründeten Genossenschaften Maschinen, Geräte und Ersatzteile. Ulbrichts Prognose, alles würde leichter gehen, erfüllte sich nicht. Eine umfassende Mobilisierung städtischer Arbeitskräfte wurde notwendig; Hunderttausende Arbeiter, Angestellte, Soldaten, Hausfrauen und Jugendbrigaden halfen zumeist unentgeltlich und „freiwillig“ bei der Ernte. Sowjetische Soldaten und Einheiten der Nationalen Volksarmee leisteten ebenfalls Erntehilfe. Trotz dieser Anstrengungen und der offiziellen Losung „Stadt und Land Hand in Hand“, schrieb die Ostberliner Zeitschrift „Neue Justiz“ von einer „tiefen verbrecherischen Gleichgültigkeit und Interessenlosigkeit“ in vielen LPGs zur Erntezeit.

Die Futterwirtschaft erwies sich als „Schmerzenskind des Regimes“. Die Planwirtschaft führte dazu, dass Viehbestände erhöht wurden, ohne dass genügend Futter vorhanden war. Dies führte zu abmagerndem Vieh und sinkender Milch- und Fleischproduktion. Ein „DDR-Futtermeister“ wurde ernannt, um dieses Dilemma zu lösen. Auch der Mangel an Arbeitskräften war gravierend, und die Mechanisierung der Landwirtschaft hinkte hinterher. Der volkswirtschaftliche Plan sah 1961 nur die Zufuhr von 13.000 Traktoren für die gesamte Landwirtschaft vor – im Vergleich dazu wurden in Westdeutschland im Februar desselben Jahres 7.000 bis 8.000 Schlepper zugelassen.

Die Löhne der Genossenschaftsbauern waren, gemessen an der sogenannten „Arbeitseinheit“, gering. Durchschnittsverdienste von 180 bis 230 Mark im Monat führten zu großer Unzufriedenheit.

Kirche und Propaganda im Spannungsfeld
Die evangelischen Landeskirchen Mitteldeutschlands verurteilten die bei der Kollektivierung angewandten Methoden und Übergriffe scharf. Landesbischof Krummacher warnte die Menschen vor Resignation, mahnte aber auch, dass die Kirche die Verantwortung habe, für die Einbringung der Ernte zu sorgen – um der Mitmenschen und des täglichen Brotes willen.

Um von den eigenen Schwierigkeiten abzulenken, konstruierte die kommunistische Propaganda ein trostloses Bild der Lage in der Bundesrepublik Deutschland, berichtete von Bauernlegen und Strukturwandel. Gleichzeitig erfand man „muster-kuh Flora“ und „musterschwein Jolante“, die komisch und zugleich produktionsfördernd wirken sollten – eine Maßnahme, die an die NS-Zwangswirtschaft erinnerte.

Die Bundesregierung protestierte schärfstens gegen die Rechtsverletzungen und die Unmenschlichkeit der Kollektivierung. Eine internationale Juristenkommission stellte fest, dass Grundrechte der Bevölkerung, die in der Verfassung der DDR garantiert waren, verletzt worden waren.

Die „Vernichtung der Bauernschaft“ in der DDR wurde vollzogen. Ein Jahr danach bleibt die Bilanz ernüchternd: Der „Schritt vom Ich zum Wir“ war für viele Bauern ein erzwungener Weg, der von persönlichem Leid, wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der Aufgabe ihrer Eigenständigkeit geprägt war.

Warum die DDR selten „kommunistisch“ genannt wird

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Die Bezeichnung der DDR als „kommunistisch“ ist in Deutschland bis heute ein umstrittenes Thema, obwohl die Begriffe „sozialistisch“ und „kommunistisch“ in der Praxis oft synonym verwendet wurden, sowohl in der DDR als auch in der Sowjetunion und anderen Staaten des Ostblocks. Dr. Stefan Wolle, Wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums, beleuchtet die komplexen Gründe für diese sprachliche Zurückhaltung und die historischen Hintergründe.

Die Vermeidungsstrategie der SED
Einer der Hauptgründe, warum die herrschende Partei in der DDR – die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) – sich nicht explizit als „kommunistische Partei“ bezeichnete, liegt in ihrer Gründungsgeschichte. Am 21. April 1946 schlossen sich in der sowjetischen Besatzungszone die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) zur SED zusammen. Um die Interessen beider Seiten zu wahren, wurde der Begriff „Kommunismus“ oder „Kommunistische Partei“ streng vermieden. Dieser Zusammenschluss von Sozialdemokraten und Kommunisten und die daraus resultierende Benennung als „Sozialistische Einheitspartei“ blieb bis zur Umbenennung in „Partei des demokratischen Sozialismus“ im Januar 1990 bestehen.

Auch wenn die Parteien in der Tschechoslowakei oder der Sowjetunion sich offen als „kommunistische Partei“ bezeichneten, war dies in den meisten anderen Ländern des Ostblocks, wie Polen, Ungarn, Rumänien oder Albanien, nicht der Fall. Dort wurden stattdessen oft Bezeichnungen wie „Arbeiterpartei“ verwendet, wie etwa die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (PVAP).

Kommunismus – eine Frage der Definition
Die Schwierigkeit im Umgang mit dem Begriff „Kommunismus“ liegt auch in seiner Doppeldeutigkeit. Zum einen bezeichnet er eine politische Bewegung, Parteien und ein Weltsystem, das in Resten noch heute in Ländern wie Nordkorea und Kuba existiert. Zum anderen steht „Kommunismus“ in der marxistisch-leninistischen Terminologie für eine Zukunftsvision: eine klassenlose Gesellschaft, die nach dem Sozialismus kommen und keine entfremdete Arbeit mehr kennen würde, sondern Arbeit aus Spaß und zur Selbstverwirklichung. Diese Vision wurde jedoch nie erreicht.
Trotzdem kann man vom Gesamtsystem als Kommunismus sprechen und beispielsweise die Sowjetunion als kommunistisch bezeichnen, zumal sie eine „Kommunistische Partei der Sowjetunion“ hatte. Dr. Wolle betont, dass die Begriffe „sozialistisch“ und „kommunistisch“ sehr oft synonym gebraucht und stark durcheinandergegangen sind.

Der positive Beiklang des Begriffs in Deutschland
In anderen ehemaligen Ostblockländern, wie Polen, Ungarn oder der Tschechischen und Slowakischen Republik, gibt es keinerlei Hemmungen, von einer „kommunistischen Diktatur“ zu sprechen. Dort ist es allgemeiner Sprachgebrauch, die Herrschenden als Kommunisten zu bezeichnen.
Im vereinigten Deutschland hingegen tut man sich schwer, von einer „kommunistischen Diktatur“ in der DDR zu sprechen. Stattdessen wird meist der Begriff „SED-Diktatur“ verwendet, und jeder weiß, was damit gemeint ist. Ein psychologischer Faktor spielt dabei eine Rolle: Im deutschen Sprachgebrauch gilt der Begriff „Kommunist“ oft immer noch als etwas Positives, Heldenhaftes, Fortschrittliches oder Gutes. Viele Menschen stolpern daher über den Begriff „kommunistische Diktatur“ und sprechen lieber vom „SED-System“ oder „SED-Regime“.

Diese Sprachregelung ist auch für die Nachfolgerparteien der SED, wie die PDS und die heutige Linkspartei, sehr bequem. Sie können problemlos von der „SED-Diktatur“ sprechen, da die SED als Partei nicht mehr existiert, und so eine tiefere Auseinandersetzung mit der Ideologie vermeiden, in deren Namen bis 1989 gehandelt wurde. Die Konzentration auf die SED als Organisation, statt auf die dahinterstehende kommunistische Ideologie, ermöglicht es, sich von der Vergangenheit abzugrenzen, ohne die ideologischen Wurzeln offen ansprechen zu müssen.

Die Debatte um die Bezeichnung der DDR bleibt somit ein Spiegel der deutschen Erinnerungskultur und des komplexen Verhältnisses zu ihrer kommunistischen Vergangenheit.

Boxlegende Henry Maske ehrt Max Schmeling und fördert den Nachwuchs in Sewekow

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Sewekow bei Wittstock – Großer Andrang herrschte am 9. August in der kleinen Ortschaft Sewekow, als die deutsche Boxlegende Henry Maske die „Max-Schmeling-Halle“ besuchte. Anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Heimatvereins Sewekow erfüllte sich ein langgehegter Wunsch vieler Anwesender: Maske, bekannt als „Gentleman-Boxer“ und Darsteller Max Schmelings im Film „Max Schmeling – eine deutsche Legende“, gab sich die Ehre. Der Besuch war eine Hommage an Schmeling und bot Maske die Gelegenheit, tiefe Einblicke in seine Karriere, seine Rolle im Film und seine Verbundenheit zum Boxsport zu geben, gekrönt von einer bemerkenswerten Spende an die lokale Jugendarbeit.

Die Max-Schmeling-Halle, deren Grundsteinlegung 2005 erfolgte und die 2007 offiziell in Betrieb ging, trägt den Namen der Boxikone mit dessen Zustimmung aus dem Jahr 2003. Max Schmeling verstarb leider im selben Jahr, noch vor der Grundsteinlegung, im Alter von 99 Jahren. Großformatige Schwarz-Weiß-Fotos in der Halle zeigen Max Schmeling, darunter auch eines im freundschaftlichen Gespräch mit Henry Maske, was die enge Verbindung der beiden Boxer unterstreicht.

Max Schmeling als Filmfigur und Vermächtnis
Der Höhepunkt der Veranstaltung war die Vorführung des Films „Max Schmeling – eine deutsche Legende“, in dem Henry Maske die Hauptrolle spielte. Die Entscheidung, Maske als Schmeling zu besetzen, ging auf einen persönlichen Wunsch Max Schmelings selbst zurück, der bereits 2002 geäußert hatte: „Wenn mich einer spielt, dann spielt mich der Henry“. Diese Empfehlung empfand Maske als Vermächtnis und lehnte die Rolle trotz anfänglicher Zweifel an seinen schauspielerischen Fähigkeiten nicht ab.

Maske bereitete sich acht Monate intensiv auf die Rolle vor, auch wenn er zugab, nicht annähernd die schauspielerische Begabung eines Profis zu besitzen. Für ihn war es entscheidend, den Menschen Max Schmeling authentisch darzustellen und dessen Ernsthaftigkeit zu vermitteln.

Besonders herausfordernd war für den Linkshänder Maske die Darstellung des rechtshändigen Schmeling, doch mit professionellen Boxern als Partner im Ring und angepassten Kampfstilen der 30er Jahre gelang es, die Kämpfe überzeugend darzustellen. Maske gestand jedoch auch, dass die Darstellung der innigen Beziehung Schmelings zu seiner Frau Anni Ondra für ihn der schwierigste Teil des Films war, obwohl es nur einen Kuss gab.

Henry Maskes Blick auf den Boxsport
Im Gespräch mit Heidi Schäfer teilte Maske auch seine persönlichen Erfahrungen und Ansichten zum Boxsport. Er erläuterte, dass ein Boxer vor einem Wettkampf nicht die Angst im herkömmlichen Sinne empfindet, sondern „großen Respekt vor dem, worauf man sich eingelassen hat“. Er beschrieb den Weg vom Umkleideraum zum Ring als einen „Weg zum Schafott“, der jedoch mit dem Gongschlag alle Zweifel vergessen lässt. Die wichtigste Aufgabe eines Boxers sei es, sich selbst zu verteidigen und sicher zu sein.

Maske, der bereits mit sechs Jahren zum Boxen kam, obwohl er mit neun Jahren aufhören wollte, hatte das Glück, stets hervorragende Trainer zu haben, darunter Hans Hörnlein. Diese Trainer erkannten sein Potenzial, obwohl er sich selbst nicht als Naturtalent beschrieb und weder über den idealen Körperbau noch über perfekte Koordination verfügte. Sein Stil, der weniger auf harte Schläge als auf Technik und Verteidigungsbereitschaft setzte, polarisierte anfangs, wurde aber durch seinen Erfolg und die hohe Zuschauerquote bei seinen Profikämpfen schließlich akzeptiert und respektiert.

Überraschend für viele war Maskes Entscheidung, zehn Jahre nach seinem Rücktritt, 2007, erneut gegen seinen einstigen Rivalen Virgil Hill anzutreten. Maske erklärte, dass Hills erneuter Weltmeistertitel im Cruisergewicht 2006 ihn motivierte, da er die Chance sah, einen amtierenden Weltmeister zu schlagen und so die Ernsthaftigkeit seines Comebacks zu untermauern. Seine Frau erkannte dabei seine besonderen „Boxeraugen“, die eine tiefe Entschlossenheit signalisierten. Trotz der Herausforderung und der langen Vorbereitung von 45 Wochen und 6 Tagen vertraute ihm seine Familie voll und ganz, was für Maske entscheidend war. Der schwierigste Kampf seiner Karriere sei der erste gegen Graciano Rocchigiani gewesen, der ihn körperlich und mental an seine Grenzen brachte.

Engagement für den Nachwuchs und die Zukunft des Boxens
Henry Maske setzt sich seit 1999 mit seiner Stiftung „Ein Platz für Kinder“ für benachteiligte Kinder und Jugendliche ein. Im Rahmen seines Besuchs in Sewekow verzichtete er auf sein Honorar und spendete die Einnahmen dem Projekt „Kampfsport ohne Grenzen – Inklusion und Integration“ der SG Einheit Wittstock. Das Projekt, das Jiu-Jitsu in Wittstock und Pritzwald anbietet, wird von Trainer Frank Kallis geleitet. Maske betonte die Bedeutung von Sportangeboten für Kinder und Jugendliche, insbesondere in Kampfsportarten, die Verteidigungsbereitschaft und Selbstkontrolle lehren.

Auf die Frage nach dem aktuellen Zustand des deutschen Profiboxens zeigte sich Maske kritisch. Er bedauerte, dass vieles in der Vergangenheit nicht optimal gelaufen sei, um international an der Spitze zu bleiben. Er schloss jedoch eine Tätigkeit als Trainer für sich selbst aus, da er es nicht verkraften könnte, talentierte Nachwuchsboxer an andere abgeben zu müssen. Dennoch lobte er die Fairness und den Charakter der Boxer und die positiven Resonanzen des Sports in den letzten Jahren.

Henry Maskes Besuch in Sewekow war mehr als nur eine Stippvisite; es war ein bewegendes Zeugnis der Verbundenheit zweier Boxlegenden und ein inspirierender Appell an die Bedeutung von Sport und Engagement für die nächste Generation. Die Veranstaltung endete mit herzlichem Dank an Maske für seine Großzügigkeit und an das Publikum für seine Teilnahme.

Carmen Maja Antoni: Eine Königin der Bühne und des Lebens

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Usedom/Berlin. Wenn Carmen Maja Antoni heute auf Usedum aufs Meer blickt, wo sie seit vielen Jahren ihre Heimat gefunden hat, schließt sich ein Kreis eines Lebens, das von großer Leidenschaft für die Kunst, aber auch von tiefen persönlichen Einschnitten geprägt ist. Die malerische Insel entdeckte sie einst bei Dreharbeiten, doch ihr Weg zur Schauspielikone begann weit entfernt von den ruhigen Küsten Usedoms – in einem Nachkriegs-Berlin voller Trümmer und Entbehrungen.

Der erste Funke in Trümmern und auf der Bühne Carmen Maja Antonis Kindheit war von Sorgen und dem Mangel an Vater und Geld geprägt. Doch schon früh zeigte sich ihr Talent: Im Pionierkabarett des Deutschen Fernsehfunks sammelte die kleine Maja erste Bühnenerfahrungen. Ihre rührenden Auftritte waren der erste Schritt zu ihrem späteren Beruf. Ein Schlüsselerlebnis war, als die Regisseurin einer Kindersendung ihr Talent erkannte und sie ermutigte, die Filmhochschule zu besuchen. Mit gerade einmal 16 Jahren stellte sie sich der Aufnahmekommission der Babelsberger Filmhochschule, damals mitten im Grenzgebiet. Ihre Aufnahmeprüfung war legendär: Sie spielte Lieschen und Grätchen aus Goethes „Faust“, rannte „wie ein Torpedo“ über die Bühne, entriss einem Dozenten die Kaffeetasse und behauptete, es sei der Ziehbrunnen. Das Publikum lachte Tränen, während sie sich über deren vermeintliche Respektlosigkeit ärgerte – und wurde dennoch angenommen.

Vom Potsdamer Hans Otto Theater zur Berliner Volksbühne Bereits während ihres Studiums spielte Antoni ihre ersten Hauptrollen am Potsdamer Hans Otto Theater, darunter die Grusche im „Kaukasischen Kreidekreis“. Für ihre Arbeit erhielt sie erste Ovationen – ein überwältigendes Gefühl der Anerkennung, das sie in ihrer Kindheit oft vermisst hatte. Ihr späterer Kollege Hermann Beer erinnerte sich verblüfft an die junge Darstellerin. In den 60er-Jahren führte ihr Weg von Potsdam an die Berliner Volksbühne, wo sie auf den Schweizer Theaterregisseur Benno Besson traf. Seine fantasievollen und frechen Inszenierungen führten das Ensemble auf abenteuerliche Weltreisen, die sich wie eine „Klassenfahrt“ anfühlten und unvergessliche Begegnungen mit Menschen und Kulturschaffenden brachten. In dieser Zeit entwickelte Antoni auch eines ihrer Markenzeichen im Film: den trockenen Humor.

Eine „Antoni“ am Berliner Ensemble und der Kampf um die Kunst Immer wieder zog es sie jedoch zum berühmten Berliner Ensemble (BE). Helene Weigel hatte ihr einst prophezeit: „Du kommst schon noch, Puppal“. Dort wurde sie endgültig zur „Antoni“, erarbeitete mit dem Theatermann Manfred Karge viele Brecht-Rollen und feierte Erfolge mit seinem Solostück „Jacke wie Hose“, das um die halbe Welt tourte. Ihre charakterstarke Durchsetzungskraft wurde schon damals bewundert.

Das Ende der 80er-Jahre brachte jedoch auch das Ende der DDR. Obwohl Antoni es nicht herbeigesehnt hatte, empfand sie es als unausweichlich. Eine Zeit großer Hoffnungen und Enttäuschungen begann, begleitet von einem „tiefen, traurigen, bluesmäßigen“ Sound. Auch das einst so renommierte Berliner Ensemble geriet in eine Krise: Interne Streitigkeiten und die Auseinandersetzung zwischen alter Leitung und Kultursenat lähmten das Haus, und sogar die Schließung des Theaters wurde öffentlich diskutiert. Der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen erinnerte sich an Berlins enorme wirtschaftliche und finanzielle Probleme nach dem Mauerfall, betonte jedoch den Wunsch, Berlins Stärken in Ost und West als kulturelle Hauptstadt zu erhalten. Antoni appellierte in dieser Zeit an die Verantwortung für das Haus und für Brecht.

Triumph im Film und persönlicher Verlust Mitten in diesen Turbulenzen gelang Carmen Maja Antoni ein kleines Wunder: Die ARD verfilmte Erwin Strittmatters Roman „Der Laden“, und sie erhielt eine „wunderbare Rolle“ als anderthalb Meter große Großmutter. Ihre geringe Körpergröße wurde plötzlich zum Vorteil, und sie spielte eine 25-jährige Familiengeschichte vom 60. bis zum 86. Lebensjahr der Figur, obwohl sie selbst erst 50 war. Die Rolle der Großmutter verlangte ihr viel ab – die Aggression und Wut, die sie darstellte, fielen ihr jedoch „relativ leicht“, da sie aus einem Elternhaus kam, in dem es „heiß herging“.

In dieser erfolgreichen Zeit traf die Familie jedoch ein schwerer Schlag: Ihr Mann Malte, ein sensibler und gebildeter Journalist, verlor seine Arbeit und verstarb mit Mitte 50 im Jahr 1999. Für Tochter Jenny, ebenfalls Schauspielerin, war es der „schlimmste Moment“ ihres Lebens. Die Familie saß „gelähmt“ da, und nur der Zusammenhalt half, diese unermessliche Wunde zu überwinden.

Die Ära Peymann und der Abschied vom Welttheater Im selben Jahr übernahm der legendäre Klaus Peymann die Leitung des Berliner Ensembles. Die erste Begegnung zwischen Peymann und Antoni war nicht „Liebe auf den ersten Blick“, doch sie arbeiteten 19 Jahre zusammen. Antoni beschrieb Peymann als „wilden Kerl, einen König, einen Schreier, einen Brüller, einen Rebellen, einen verrückten Kerl“. Sie aber war auch „verrückt“, und beide brannten „besessen von der Idee, Theater zu machen“. Peymann schätzte ihren Humor und ihre Disziplin, während sie seine „unglaubliche Klugheit“ bewunderte. Unter seiner Leitung wurde das Berliner Ensemble wieder zu einem Welttheater. Antoni sah sich selbst nie als Untertan, sondern als „Königin“. Peymann gab ihr die Hauptrolle in seiner Brecht-Inszenierung „Die Mutter“, womit sie in bester Tradition des Hauses stand. Es folgten zahlreiche weitere Erfolge, darunter „Die Präsidentinnen“, „Emmanuel Kant“, „Der gute Mensch von Sezuan“ und schließlich die legendäre „Mutter Courage und ihre Kinder“. Sie wurde Publikumsliebling und erhielt zweimal den renommierten Berliner Kritikerpreis. Nach 40 Jahren stand Carmen Maja Antoni zum letzten Mal auf den berühmten Brettern des BE. Intendant Peymann bereitete ihr einen grandiosen Abschied von der Bühne, und das Publikum entließ sie erst nach einer halben Stunde Standing Ovations.

Authentizität vor der Kamera und familiäres Erbe Auch im Fernsehen ist Carmen Maja Antoni nicht mehr wegzudenken. Iris Berben wollte sie aufgrund ihres „authentischen Spiels“ unbedingt für ihre ZDF-Reihe „Rosa Roth“ gewinnen. Berben bewundert Antoni zutiefst: „Sie spielt nicht, sie ist dieser Mensch“, eine „genaue, tiefgründige Schauspielerin“, deren Überzeugungskraft im Spiel sie einzigartig macht. Schließlich erfüllte sich auch ein lang gehegter Wunsch: Carmen Maja Antoni spielte gemeinsam mit ihrer Tochter Jenny in einem der beliebten Krause-Filme. Jenny Antoni, die selbst Schauspielerin wurde, erinnert sich lebendig an ihre Kindheit im künstlerischen Haushalt, die vielen Künstler und Musiker am BE und die Sommer an der Ostsee mit dem Ensemble. Ihre Entscheidung, Schauspielerin zu werden, traf sie mit 13 Jahren ganz bewusst, als sie sich die Haare grün färben ließ und zum Casting ging.

Heute bilden Tochter Jenny, Sohn Jakob (der in Kanada lebt) und ihre Kinder eine kleine, verschworene Gemeinschaft. Carmen Maja Antoni blickt auf ihr Leben zurück und stellt fest: „Eigentlich hatte ich immer Glück im Leben. Ich konnte das tun und kann es immer noch tun, worauf ich Lust habe und was ich kann“. Ob Theater spielen, Filme drehen, lesen, mit Freunden lachen, große Feste feiern, essen oder fröhlich sein – sie hofft, dies noch eine ganze Weile tun zu können, „wenn uns die Welt nicht im Stich lässt“. Nach solchen Erlebnissen braucht es den Blick aufs Meer und den Wind im Gesicht, um innezuhalten – ein Moment der Ruhe für eine Künstlerin, die die deutsche Bühnen- und Fernsehlandschaft nachhaltig geprägt hat.

Historischer 1.1 Pickup kehrt ins August Horch Museum Zwickau zurück

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Zwickau – Der lang ersehnte 1.1 Pickup, von den Mitarbeitern des Fördervereins August Horch Museum e.V. liebevoll als „Schmückstück“ und „herrliches Auto“ bezeichnet, ist in die museumseigene Werkstatt in Zwickau zurückgekehrt. Nach umfangreichen Vorarbeiten steht nun die Endmontage an, mit dem ambitionierten Ziel, das Fahrzeug ab dem kommenden Jahr als offiziellen Dienstwagen des Fördervereins bei Veranstaltungen einzusetzen.

Die Ankunft des „Goldstecks“ war ein Ereignis, das Präzision und Teamarbeit erforderte. Der Pickup wurde von einem Transporter entladen und musste vorsichtig in die Werkstatt manövriert werden. „Die Lenkung ist nicht gerade“, bemerkte einer der Helfer während des komplizierten Rangiervorgangs, bei dem auch die Handbremse eine Rolle spielte. Wolfgang, ein Mitarbeiter, nahm die „ganze Last“ des noch innenlebenlosen Fahrzeugs auf.

Trotz des fehlenden Interieurs hat das Fahrzeug bereits eine beeindruckende Transformation durchlaufen. Die Stoßstangen und Lampenringe sind „wieder hübsch gemacht“ und sehen aus „wie neu“. Auch Motor und Getriebe sind bereits eingebaut, wobei diese Arbeiten voraussichtlich im Autohaus Floss in Hüdelsgrün durchgeführt wurden. Achsen sind ebenfalls verbaut, wobei Teile davon vom Verein selbst bearbeitet wurden.

Besonderheiten des Pickups
Der 1.1 Pickup birgt einige historische Details. Auffällig ist das „Blech, was den Rüssel dann abdeckt“, ein spezielles Abdeckblech für einen bestimmten Bauteil, den sogenannten „Rüssel“. Eine weitere Besonderheit ist die Heckklappe: Es war tatsächlich möglich, den 1.1 Pickup mit geöffneter Heckklappe zu fahren. Hierfür konnte das Kennzeichen abgeklappt werden, sodass es inklusive Beleuchtung weiterhin lesbar war – eine Einzigartigkeit, die nur der originale, in der Sachsenring-Werbung genutzte Pickup besaß.

Ein weiteres interessantes Detail liefert Falk Wanhof, der probeweise ein schwarzes Blech aus V4A nachproduzieren ließ, das ursprünglich aus Sachsenringzeiten stammt. Wer Interesse an solchen Teilen hat, kann sich über die Kommentare des begleitenden Videos mit Herrn Wanhof vernetzen.

Zukunftspläne im Förderverein
Die Werkstatt des Fördervereins ist bereit für das Projekt. Um Platz zu schaffen, wird der aktuell dort stehende P70 bald zum Lackierer überführt, um ebenfalls fertiggestellt zu werden. Der 1.1 Pickup wird nun „komplettiert“, was bedeutet, dass „das ganze Innenleben“ eingesetzt wird.

Die Vorfreude auf das fertiggestellte Fahrzeug ist groß. „Da können wir uns schon mal freuen für nächstes Jahr, da werden wir schon echt die ersten Auftritte machen mit dem Auto“, heißt es aus dem Förderverein. Der 1.1 Pickup ist als „Dienstwagen“ vorgesehen, der es dem Förderverein ermöglichen soll, zu Treffen zu fahren und ein „eigenes Auto“ zu präsentieren. Die Fertigstellung ist ein weiterer Meilenstein in der Bewahrung der automobilen Geschichte des August Horch Museums.