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Zwei Seelen in einem Land: Ein Blick auf das Erbe der DDR

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Berlin, Deutschland – Fast 35 Jahre nach ihrem Ende ringt die ehemalige Deutsche Demokratische Republik (DDR) weiterhin mit ihrer komplexen und oft widersprüchlichen Geschichte, die in den Herzen vieler ihrer ehemaligen Bürger nachlebt. Das Gefühl, in sich „zwei Seelen“ zu tragen – eine tiefe Verbundenheit mit dem einstigen Vaterland und gleichzeitig die Erkenntnis seiner Schattenseiten – prägt das Gedächtnis einer ganzen Generation.

Die Geburt einer Nation im Schatten der Besatzung
Die Gründung der DDR im Jahr 1949 war die Folge eines verlorenen Zweiten Weltkriegs, der Deutschland in Ruinen hinterließ. Nach der Zerstörung Nazideutschlands und der Besetzung durch die Siegermächte – insbesondere die Sowjetunion, die einen hohen Preis bezahlt hatte – entstand auf ostdeutschem Boden ein sozialistischer Staat. Anfänglich hegten viele große Hoffnungen, Teil einer Weltbewegung zu sein, die eine gerechtere Gesellschaft anstrebte. Doch von Anfang an war die DDR tief in sowjetische Strukturen eingebunden; Entscheidungen wurden oft in Moskau getroffen, und die Wirtschaft war eng an die Bedürfnisse der Sowjetunion geknüpft.

Wirtschaftliche Zwänge und politische Repression
Die Vision eines planmäßigen Aufbaus des Sozialismus stieß schnell an Grenzen. Trotz der Bemühungen, eine Schwerindustrie aufzubauen, wie in Eisenhüttenstadt, war die DDR wirtschaftlich nicht selbstständig lebensfähig und litt unter geringer Arbeitsproduktivität und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland. Der forcierte Gigantismus und die Missachtung ökonomischer Gesetze führten zu gefälschten Bilanzen und einem wachsenden Schuldenberg.

Parallel zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten entwickelte sich ein System der politischen Unterdrückung. Die Hochphase des Stalinismus prägte die frühen 1950er Jahre. Der 17. Juni 1953, als Unzufriedenheit in Aufstände mündete und sowjetische Panzer intervenierten, zeigte die Grenzen der Toleranz des Regimes auf. Kritische Stimmen, selbst aus den eigenen Reihen wie die Anhänger des reformorientierten Karl Schirdevan und Industrieminister Selbmann, wurden als „Revolutionisten politischer Unkultur“ oder „Kontra-Revolutionäre“ abgestempelt und verfolgt.

Ein markantes Beispiel ist der Fall Richard Bayer, der 1955 in einem Schauprozess wegen angeblicher Spionage für den amerikanischen Radiosender RIAS zu 13 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Die Urteile wurden dabei oft bereits vor dem Prozess festgelegt, bis hin zu Todesurteilen, die in politischen Prozessen gefällt und ausnahmslos vollstreckt wurden. Die Staatssicherheit, unter anderem repräsentiert durch Hilde Benjamin, spielte eine zentrale Rolle bei der Überwachung und Disziplinierung der Bevölkerung.

Der „Antifaschistische Schutzwall“ und seine Folgen
Der Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 war für viele ein Wendepunkt und das „Anfang von einem Leben in einer Gefängnisgesellschaft“. Aus Sicht der DDR-Führung war die Mauer eine „Notwendigkeit“, um den Abfluss von „Leitern, Intelligenz, Ingenieure, Ärzte, Wissenschaftler“ zu stoppen und die Wirtschaft zu stabilisieren. Für Familien wie die von Thorsten, dessen lebensnotwendige Medikamente aus West-Berlin plötzlich unerreichbar wurden, bedeutete sie eine brutale Trennung und die Zerstörung von Existenzen. Wer zu fliehen versuchte, riskierte Gefängnisstrafen oder den Freikauf durch die Bundesrepublik.

Dennoch empfanden viele, die in der DDR aufwuchsen, die Mauer als Normalität und hinterfragten sie nicht immer direkt. Der Stolz auf das eigene Land zeigte sich bei sportlichen Erfolgen, wenn die DDR-Flagge gehisst und die Nationalhymne gespielt wurde. Ein NVA-Offizier bekräftigte, er hätte im Ernstfall für seinen Staat gekämpft und „den Finger krumm gemacht“, da er von der Feindseligkeit der Systeme überzeugt war.

Alltagsleben und versteckte Kritik
Das Leben in der DDR war von einer Mischung aus sozialer Absicherung und Mangelwirtschaft geprägt. Billiges Wohnen, kostenlose Kindergärten und Schulen sowie eine gute medizinische Versorgung wurden von vielen als Vorzüge empfunden. Doch es fehlte an Gütern. „Bückware“ wie Schweinefilet oder bestimmte Wurstsorten waren begehrt und nur mit „Beziehungen“ oder viel Glück erhältlich.

Künstler fanden Wege, innerhalb der strengen Grenzen Kritik zu äußern. Die Bildende Kunst genoss oft größere Freiheiten, und auch in der Musik wurden „verschlüsselte Botschaften“ in die Werke gelegt, die vom Publikum verstanden wurden. Der satirische „Ziegenbart“-Spruch in einem Verlagskalender, der Walter Ulbricht verspottete, führte jedoch zu Druckgenehmigungsentzug und damit zur praktischen Einstellung der Produktion.

Die offizielle Jugendpolitik verlangte Solidarität mit Partei und Regierung. Doch die jungen Leute sehnten sich nach Demokratie, Meinungs- und Reisefreiheit.

Der Fall der Mauer und das Ende einer Ära
In den 1980er Jahren verschärften sich die Probleme. Die Rohöllieferungen aus der Sowjetunion wurden gekürzt, und immense Umweltschäden durch die Verbrennung schlechter Kohle trugen zur Krise bei. Gleichzeitig genossen die Politprominenz in Orten wie der Waldsiedlung Wandlitz Privilegien, die für die normale Bevölkerung unerreichbar waren – von bewachten Wohnanlagen bis zu ständig verfügbaren Luxusgütern.

Die „Ausreisewelle“ eskalierte 1984, und die Schikanen gegen Übersiedlungswillige nahmen zu. Die Forderung nach Beendigung der deutschen Zweistaatlichkeit wurde lauter. Schließlich zerfiel das System: „Die DDR ist an der Lüge über sich selbst zugrunde gegangen“. Der 9. November 1989 markierte das dramatische Ende, als „Befehle im Grunde genommen aus dem Westfernsehen“ kamen und die Grenzübergangsstellen geöffnet wurden.

Das Erbe der DDR bleibt vielschichtig. Viele ehemalige Bürger tragen das Gefühl in sich, „missbraucht worden“ zu sein, nicht für die Sache, an die sie glaubten, sondern „um die Macht Einzelner zu erhalten“. Während einige die Sicherheit und die sozialen Leistungen vermissen, sehen andere die Freiheit als unbezahlbar an. Die „Mahn- und Versöhnungsstätte an die deutsche Einheit“ fordert: „Schaut auf die Vergangenheit, sie darf sich niemals wiederholen“. Das Land bleibt eine Reise wert, doch die Erinnerung an seine Geschichte ist eine mit „zwei Seelen“ in der Brust.

Kuba: Wo die Zeit stehengeblieben ist – Leben im „gelebten Sozialismus“

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Havanna, Kuba – Rostige Oldtimer aus den 1950er Jahren, zerfallene Ruinen und tägliche Stromausfälle prägen das Bild Kubas, einer Insel, auf der die Zeit seit 60 Jahren fast völlig stillzustehen scheint. Zwischen Traumstränden und lebensfrohen Menschen entfaltet sich hier eine Realität, in der der staatliche Monatslohn von etwa 15 Euro kaum für Grundnahrungsmittel reicht und Ladenregale oft leer bleiben. Kuba gilt als eine der letzten großen Bühnen des real existierenden Sozialismus, regiert von der Kommunistischen Partei als einziger zugelassener Partei, die fast alle Lebensbereiche kontrolliert.

Ein Alltag voller Mangel und Improvisation
Die 10 Millionen Einwohner der größten Karibikinsel, mit der Hauptstadt Havanna, leben in einer Umgebung, die wie aus einem anderen Jahrhundert wirkt. Häuserfassaden sind verbarrikadiert, Gebäude sind Ruinen, in denen noch Menschen wohnen, und abgebrochene Gebäudeteile werden kreativerweise als Balkone genutzt. Die Kunst des Improvisierens ist tief in der kubanischen Mentalität verankert, erkennbar an fehlenden Autoteilen, Tauschhandel mit Lebensmitteln oder selbstgebauten Lampen aus Autobatterien.

Der Großteil der Autos sind Oldtimer – sowohl amerikanische als auch sowjetische Marken wie Lada oder Moskvich – die oft mit platten Reifen und offenen Fenstern am Straßenrand stehen. Moderne Autos sind eine Seltenheit und können sich nur die Allerreichsten leisten. Tanken ist extrem kompliziert: Für die breite Masse gibt es Benzin nur nach Terminreservierung, während an „Reichentankstellen“ in US-Dollar bezahlt wird und der Liter Benzin drei- bis viermal so viel kostet. Viele Autos bleiben mitten auf Kreuzungen liegen, weil der Tank leer ist oder es andere Probleme gibt.

Wirtschaftliche Herausforderungen und Schwarzmärkte
Ein Großteil der Kubaner arbeitet für den Staat, wobei der durchschnittliche Monatslohn im Jahr 2024 bei etwa 5800 Pesos lag, umgerechnet knapp 15 Euro. Dieser Lohn reichte früher zum Leben, heute kaum noch für ein paar Kilo Fleisch. Viele suchen sich daher Nebenverdienste im Tourismus; so verdient ein Taxifahrer mit einer einzigen Fahrt vom Flughafen in die Stadt mehr als ein Arzt im Monat. Überleben sichern auch Geldsendungen von ausgewanderten Kubanern.

Der offizielle Wechselkurs zwischen US-Dollar und kubanischem Peso wird künstlich stabil gehalten und ist nahezu wertlos. Auf dem Schwarzmarkt hingegen erhält man fast das Vierfache des offiziellen Kurses, weshalb fast jeder sein Geld dort wechselt, oft bei Taxifahrern oder Hotelpersonal.

Die Ladenregale stehen leer, und die Schlangen vor Apotheken, Banken und Tankstellen sind endlos. Das US-Embargo, das seit über 60 Jahren besteht, lähmt Kubas Wirtschaft massiv und trägt maßgeblich zu den leeren Apothekenregalen bei. Viele Medikamente sind nur auf dem Schwarzmarkt erhältlich.

Auch der Kauf von Lebensmitteln ist schwierig. Die staatlichen „Bodegas“ geben Essen zu symbolischen Preisen aus, wie Reis für 6 Pesos, während er auf dem Schwarzmarkt 300 Pesos kostet – das Fünfzigfache. Jeder Bewohner hat ein „Libreta“ (Heftchen) mit festgelegten monatlichen Mengen zum Abholen, doch diese reichen kaum zum Überleben. Viele weichen auf teure Importshops oder kleine private Läden aus. Sogar Coca-Cola wird aufgrund des Embargos offiziell nicht verkauft; stattdessen gibt es die kubanische Eigenmarke „TuKola“.

Infrastruktur und Information im Wandel
Die Stromausfälle passieren täglich, oft ohne Vorwarnung. Viele Kraftwerke sind alt und unzuverlässig, Öl und Ersatzteile fehlen. Im März 2025 kam es zu einem landesweiten Totalblackout, der Fabriken stilllegte, Wasserpumpen, Ampeln und Tankstellen ausfallen ließ, Krankenhäuser auf Notstrom reduzierte und Medikamente verderben ließ.

Mobiles Internet wurde erst 2018 eingeführt. Zuvor war der Zugang zum Internet über „El Paquete“ möglich: USB-Sticks, wöchentlich auf dem Schwarzmarkt mit neuesten Filmen, Nachrichten und YouTube-Videos gefüllt, die offline landesweit von Boten verteilt wurden – ein „Internet ohne Internet“, das vom Staat stillschweigend toleriert wurde. Einer der ersten WLAN-Hotspots für die breite Bevölkerung wurde erst 2015 in einem Park eröffnet.

Armut und menschlicher Zusammenhalt
In vielen Ecken der Städte sieht man viel Müll auf den Straßen, und Pfützen sind grün. Ein Großteil Kubas lebt in extremer Armut; 2024 gaben nur 15% der Kubaner an, regelmäßig drei Mahlzeiten am Tag essen zu können. Viele Menschen betreiben „Buseo“, das spanische Wort für „tauchen“, was bedeutet, dass sie den Müll nach Essensresten oder verkaufbaren Gegenständen durchsuchen.

Trotz der schwierigen Lebenssituation sind die Menschen oft super offen, haben eine gute Energie und suchen den Kontakt. Die Fähigkeit zur Improvisation ist eine Notwendigkeit: So bauen Manuel und seine Freunde Sperrfischpistolen mit einfachsten Mitteln, um Fische zu fangen. Ein Beispiel für die prekären Wohnverhältnisse zeigt sich in Havanna, wo in einer riesigen Hausruine über 40 Familien leben, während auf der anderen Seite des Gebäudes bereits Böden durchgebrochen und Schutt liegt.

Historische Wurzeln der Gegenwart
Die Ursachen für die heutige Situation liegen tief in der Geschichte des Landes. Nach der Kolonialisierung durch Spanien ab 1492 und der Auslöschung der indigenen Bevölkerung wurden afrikanische Sklaven zur Zucker- und Tabakproduktion nach Kuba verschleppt. Nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 wurde Kuba zwar offiziell unabhängig, die USA diktierten jedoch die Regeln, amerikanische Konzerne kontrollierten die Zuckerexporte und US-Mafiosi den Tourismus, was zu extremer Ungleichheit führte.

Diese Ungleichheit eskalierte in den 1950er Jahren unter Diktator Batista, bis Fidel Castro und Che Guevara mit ihren Guerillatruppen 1959 das Regime stürzten. Castro übernahm die Macht und läutete 1961 die sozialistische Ära ein: Unternehmen wurden verstaatlicht, Großgrundbesitzer enteignet, Bildung und Gesundheitsversorgung kostenlos, während Reisen ins Ausland kaum mehr möglich und die Medien staatlich kontrolliert waren.

Kuba wurde Partner der sozialistischen Sowjetunion und damit Gegner der USA. Dies führte 1962 zur Kubakrise, bei der sowjetische Atomraketen nur 150 km vor Florida stationiert wurden und die Welt am Rande eines globalen Atomkriegs stand.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 war ein harter Schlag für Kuba, da der Hauptsponsor mit jährlichen Milliardenhilfen wegfiel. Fabriken standen still, Stromausfälle und Hungerkrisen wurden Alltag, was die heutige Situation maßgeblich prägt.

Inmitten dieses Alltags voller Mangel und Stillstand sind es die Menschen, die ihr Lachen nicht verlieren. Wann die Uhr in ihrem Land wieder richtig anfängt zu ticken, kann nur die Zukunft zeigen.

Stasi-Archiv enthüllt: NVA probt den atomaren Ernstfall auf Schienen

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Ein bisher wenig beleuchteter Einblick in die militärische Bereitschaft der ehemaligen Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR kommt durch einen Film aus dem Stasi-Archiv ans Licht. Das detaillierte Filmmaterial zeigt eine Atom-Alarmübung auf einem Militärzug, der die Ernsthaftigkeit und die spezifischen Protokolle im Falle einer nuklearen Bedrohung während eines Transports veranschaulicht.

Die Aufnahmen dokumentieren einen Militärzug, gezogen von einer Dampflok der Baureihe 42, auf dem Weg zu einem unbekannten Ziel. Die Bedrohung durch Massenvernichtungsmittel des Gegners ist während solcher Militärtransporte eine stets präsente Erwartung. Dies erklärt die umfassenden Schutzmaßnahmen, die bei dem plötzlichen Atomalarm sofort eingeleitet werden.

Der Ernstfall wird geprobt
Der Film beginnt mit dem Einsteigen der Soldaten, wobei der Transportleiter als Letzter den Zug betritt. In den Mannschaftswagen bereiten sich die Soldaten auf die Überwindung eines „aktivierten Raumes“ vor, während die Besatzungen der gepanzerten Fahrzeuge ihre Plätze einnehmen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei der Strahlungsaufklärer, dessen Verantwortung in dieser kritischen Phase erhöht ist. Selbst auf der Lokomotive darf während der Vorbereitung der Schutzmaßnahmen die Beobachtung nicht unterbrochen werden.

Reaktion auf die nukleare Gefahr
Als der Alarm ausgelöst wird und der Zug einen sogenannten „aktivierten Raum“ erreicht, wird die Geschwindigkeit des Transporters umgehend erhöht, um möglichst schnell aus der Gefahrenzone zu entkommen. Diese schnelle Reaktion und das koordinierte Vorgehen sind entscheidend, um die Sicherheit der Mannschaft und des Materials zu gewährleisten.

Nach einer Phase der Anspannung gibt Hauptmann die Entwarnung, und die Kontrolle durch die Strahlungssoftware bestätigt, dass keine Gefahr mehr besteht. Auf Befehl des Transportleiters wird anschließend die teilweise Deaktivierung durchgeführt, bevor ein Offizier den Transport schließlich zum Anhalten bringt.

Ein Blick in die Vergangenheit
Der Filmausschnitt, der als „sehr gut gemacht“ beschrieben wird, stammt aus dem Stasi-Archiv und bietet einen wertvollen historischen Einblick in die Übungspraktiken der NVA während des Kalten Krieges. Er unterstreicht die ständige Vorbereitung auf eine potenzielle atomare Auseinandersetzung und die komplexen Abläufe, die bei solchen Bedrohungen auf Schienen vorgesehen waren. Die Übung verdeutlicht die detaillierte Planung und die Disziplin, mit der die NVA der atomaren Bedrohung begegnen wollte.

Vom Müllberg zum Wildnisrefugium: Ein verstecktes Paradies am Griebnitzsee

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Potsdam/Berlin – Der Griebnitzsee, bekannt für seinen malerischen Uferweg und die idyllische Landschaft nahe Potsdam, birgt ein kaum entdecktes Naturjuwel: oberhalb seines Nordufers erstreckt sich ein Gebiet, das sich von einer ehemaligen Mülldeponie zu einem einzigartigen Naturschutzgebiet entwickelt hat. Dieses „Wildnisrefugium“ ist nicht nur ein „landschaftliches Juwel“, sondern auch ein Paradies für die Tierwelt und ein „Geheimtipp“ für Naturliebhaber, die das Abenteuer suchen.

Frank Stilke, ein leidenschaftlicher Wanderer und Filmemacher, nahm uns kürzlich mit auf eine außergewöhnliche Tour durch dieses „traumhaft schöne“ Gebiet. Ausgestattet mit einem professionellen Fotoapparat, zwei Action Cams – eine mit Ultra-Weitwinkel-, die andere mit Makroobjektiv – machte sich Frank auf den Weg, um die verborgenen Seiten des Griebnitzsees zu erkunden. Seine Route führte ihn bewusst zunächst über die Höhenwege, da das Ufer am Morgen noch im Schatten lag und er optimale Lichtverhältnisse für seine Aufnahmen suchte.

Die Metamorphose der Müllberge
Das Herzstück dieses „überwiegend unbekannten“ Refugiums bilden der Hirschberg und der Moritzberg, ehemalige Mülldeponien, die bis 1980 in Betrieb waren. Was einst ein „riesen Ding“ war, wurde von der BSR in einem aufwendigen Prozess renaturiert. Mit Investitionen von rund 15 Millionen wurden drei Millionen Bäume gepflanzt, und verschiedene Erdschichten – teils wasserundurchlässig – aufgetragen, um Giftstoffe daran zu hindern, ins Grundwasser zu gelangen. Das Ergebnis ist eine heute „wunderschöne“ und vielfältige Naturlandschaft, die besonders im Sommer nach Regenfällen eine „tolle Flora und Fauna“ offenbart. Unter dem Moritzberg verlaufen zudem Gasleitungen, die Metangas abpumpen, welches in den kälteren Jahreszeiten sichtbar wird, wenn das Gebiet nicht so stark begrünt ist.

Begegnungen mit Wildschweinen und unberührte Pfade
Besucher dieses Gebiets sollten keine Angst vor Wildschweinen haben, denn hier trifft man „tatsächlich mehr Wildschweine als Wanderer“. Frank erlebte auf seiner Tour hautnah, wie eine „Riesenrotte“ von „mindestens 15 Tieren“ seinen Weg kreuzte. Trotz der beeindruckenden Anzahl betont Frank, dass Wildschweine grundsätzlich Fluchttiere sind. Nur verletzte Tiere oder Bachen, die ihre Frischlinge schützen, könnten potenziell aggressiv werden, wobei Frank keine bekannten Fälle von Zwischenfällen erwähnt. Die Wolfschlucht, ein Abschnitt der Wanderung, beschreibt er als „traumhaft schön wie in einem Märchen“, wo der Geruch von Wildschweinen „extrem“ ist, was in dieser Gegend jedoch nichts Neues sei.

Die Wanderung führte Frank auch über einen „etwas versteckten ziemlich crazy Trail mit einer minimalen Aussichtsplattform“, der sich zu einem „reinen Wildpfahrt“ entwickelt hatte. Stürme haben hier deutliche Spuren hinterlassen, Bäume wurden entwurzelt oder abgebrochen. Diese „wilden Gebiete“ machen die Tour „unglaublich abwechslungsreich“ und empfehlenswert, auch wenn sie für Erstbesucher aufgrund ihrer Verschlungenheit zu einem „kleinen Irrgarten“ werden kann.

Technik im Dienste der Naturbegeisterung
Für seine Filme nutzt Frank unter anderem ein DJI Mic 2 Funkmikrofon, das er auch als Fernbedienung in Verbindung mit der Sprachsteuerung seiner Kamera einsetzt. Diese technische Raffinesse ermöglicht ihm eine flexible Aufnahme in der Natur. Die Ultra-Weitwinkelobjektive bieten den Vorteil, dass sie mehr Licht aufnehmen und man dichter an Motive herangehen kann als mit Standardobjektiven. Allerdings verzerren sie auch die Distanz, was die Wildschweine auf Franks Aufnahmen weiter entfernt erscheinen ließ, als sie tatsächlich waren.

Ein Aufruf zum Entdecken
Frank Stilke genießt die Zeit in der Natur sichtlich und sieht in den positiven Reaktionen seiner Zuschauer – Likes und Abonnements – eine große Motivation, immer wieder neue Filme zu erstellen und seine Entdeckungen zu teilen. Er empfiehlt die kombinierte Tour über die „ehemaligen Müllberge“ und entlang des Griebnitzsees als „sehr, sehr schöne Tour“ und einen „Geheimtipp“. Für alle, die das „unglaublich abwechslungsreiche“ Naturerlebnis suchen und keine Scheu vor der Wildnis haben, ist dieses verborgene Paradies am Griebnitzsee definitiv einen Besuch wert.

Zwölf neue Hochhäuser für Tempelhof?

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Berlin könnte bald eine radikale Veränderung am Rande des geschichtsträchtigen Tempelhofer Feldes erleben, wenn es nach den Plänen des renommierten Architekten Christoph Langhof geht. Langhof, bekannt für das „Upper West“ am Breitscheidplatz, hat eine Vision vorgestellt, die zwölf Wohntürme entlang des Columbiadamms und des Tempelhofer Damms vorsieht, mit genügend Platz für bis zu 5.000 Wohnungen.

Keine Bebauung des Feldes, sondern davor
Der Architekt betont, dass seine Pläne das Tempelhofer Feld selbst nicht berühren würden. Stattdessen sollen die Hochhäuser an der Stadtseite, vor das sichelförmige Flughafengebäude und an den Treppenturm gesetzt werden, jedoch mit ausreichend Abstand. Langhof sieht dies als ein „ideales oder ein klassisches Potenzial, was gehoben werden muss“. Die geplanten Wohnungen sollen eine Mischung aus Eigentums- und Sozialwohnungen sein, und Investoren stünden bereits bereit.

Gemischte Reaktionen und Denkmalschutz-Hürden
Eine nicht-repräsentative Umfrage am Tempelhofer Feld zeigte geteilte Meinungen zur Vision. Während einige Passanten den Entwurf auf den ersten Blick „richtig super“ fanden und meinten, er würde „für Berlin was bringen“, äußerten andere, insbesondere Kleingartenbesitzer, Angst vor Randbebauung.

Eine der größten Hürden könnte der Denkmalschutz sein. Das Flughafengebäude steht unter Denkmalschutz. Ein konsultierter Architekturhistoriker sieht darin jedoch kein Problem, da die Pläne „in keiner Weise in die physische Substanz und Struktur dieses Gebäudes eingreifen“. Berlins oberster Denkmalbehördenchef wird jedoch eine andere Einschätzung erwartet: „Wir persönlich gehen davon aus, dass er sagen wird, das geht gar nicht, grundsätzlich, das sagt er eigentlich immer“. Der Landeskonservator bezeichnet Langhofs Vision bereits als „störende Fremdkörper“.

Ablehnung von Behörden, aber Offenheit für „ergänzende Baukörper“
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat sich zu dem ungefragten Entwurf bisher nicht geäußert. Die Tempelhof Projekt GmbH, die für die Entwicklung des Flughafengebäudes zuständig ist, hält die geplanten Hochhäuser für „zu dominant“. Allerdings zeigt sich die GmbH offen für die Idee von „ergänzenden Baukörpern“, die das bestehende Gebäude in seiner Nutzung unterstützen könnten. Es wird betont, dass Tempelhof keineswegs leer steht: Zwei Drittel der Flächen sind in Nutzung, ein Hangar wird von der Komischen Oper bespielt, und aktuell leben 1.400 Geflüchtete dort.

Langhofs Optimismus: Ein Déjà-vu zum „Upper West“
Christoph Langhof selbst bleibt trotz des Widerstands optimistisch. Er erinnert sich an die Skepsis vor 24 Jahren, als er das „Upper West“ entwarf, und ihm gesagt wurde: „Jetzt fangen Sie an zu spinnen“. Doch das Gebäude stehe heute da. Geht es nach ihm, so werden am ehemaligen Flughafen Tempelhof bald noch zwölf weitere Hochhäuser hinzukommen. Ob seine neue Vision jedoch über „bunte Bilder und ein kleiner Text“ hinaus zu einem „wirklichen Projekt“ wird, bleibt abzuwarten.

Erich Mielke verteidigt Stasi in turbulenter Volkskammer: „Ich liebe doch alle, alle Menschen“

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Berlin, 1989 – In einer aufgeheizten Debatte vor der Volkskammer der DDR hat Erich Mielke, der langjährige Minister für Staatssicherheit, die Arbeit seiner Behörde vehement verteidigt. Mitten in seiner Rede, die von Zwischenrufen begleitet wurde, äußerte Mielke den vielzitierten Satz „Ich liebe doch alle, alle Menschen“. Seine Ausführungen erfolgten in einem Kontext, in dem die Volkskammer gleichzeitig die Bildung eines zeitweiligen Ausschusses zur Überprüfung von Amtsmissbrauch und Korruption vorschlug.

Mielke betonte eingangs die Verpflichtung der Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) gegenüber dem Volk. Er erklärte, sie seien „Söhne und Töchter der Arbeiterklasse der Werktätigen“ und kämen aus allen Schichten. Ihr oberster Auftrag sei es gewesen, die Interessen der Werktätigen zu vertreten, und diesem Auftrag seien sie „unter schweren Bedingungen“ immer bemüht gewesen gerecht zu werden. Mielke behauptete zudem, das MfS habe einen „außerordentlich hohen Kontakt mit allen werktätigen Menschen“ gehabt.

Der Minister führte zwei Hauptaufgaben des MfS an:

1. Die Aufdeckung alles dessen, „was gegen den Frieden sich richtete“, wobei das MfS „hervorragende Information geliefert“ habe, nicht nur für die DDR, sondern für das gesamte sozialistische Lager.

2. Die „Stärkung unserer sozialistischen Wirtschaft“, auf welchem Gebiet die Mitarbeiter des MfS ebenfalls „hervorragendes“ geleistet hätten.
Darüber hinaus schilderte Mielke eine weitere Rolle des MfS: das Aufzeigen von „Unzulänglichkeiten“. Er berichtete, dass Bürger, von einfachen Menschen bis zu Direktoren, dem MfS „vieles mitgeteilt“ hätten, selbst Dinge, für die das Ministerium nicht direkt zuständig gewesen sei.

Diese Informationen, manchmal von „ganz kleinen Dingen nur bis zu den größten“, seien entgegengenommen und an die zuständigen Stellen weitergeleitet worden. Mielke nannte hierbei explizit die „Republikflucht“ und die Abwanderung von Ärzten und Lehrern. Das MfS habe demnach auch Vorschläge an die zuständigen Stellen gemacht, um auf Missstände aufmerksam zu machen.

Mielke äußerte jedoch auch seine Frustration darüber, dass vieles, was gemeldet wurde, „nicht immer berücksichtigt wurde und nicht eingeschätzt wurde“. Er betonte, dass sie sogar auf Konferenzen aufgetreten seien, um zu fordern, dass ihre Informationen ernst genommen und ausgewertet würden, um Veränderungen zu schaffen. Er versicherte, das MfS habe stets versucht, „nach der Verfassung und nach den bestehenden Gesetzen einwandsfrei zu arbeiten“.

Als direkte Reaktion auf die Gesamtthematik und die anstehenden Problematiken unterbreitete das Präsidium der Volkskammer im Anschluss an Mielkes Rede einen umfassenden Vorschlag. Dieser sah vor, auf der Grundlage von Anträgen verschiedener Fraktionen sowie des Generalstaatsanwalts der DDR, die Bildung eines zeitweiligen Ausschusses der Volkskammer vor. Dieser Ausschuss sollte gemäß Artikel 61 der Verfassung der DDR und Paragraph 28 Absatz 2 der Geschäftsordnung der Volkskammer eingerichtet werden.

Die Kernaufgabe des Ausschusses wäre die Überprüfung von Fällen des Amtsmissbrauchs, der Korruption, der ungerechtfertigten persönlichen Bereicherung und anderer gesetzwidriger Handlungen, bei denen der Verdacht einer Verletzung des Strafgesetzes besteht. Sollten die Vorwürfe Abgeordnete der Volkskammer betreffen, müsste zudem über die Aufhebung ihrer Immunität gemäß Artikel 60 Absatz 2 der Verfassung entschieden werden. Alle Fraktionen wurden aufgefordert, je zwei Vorschläge für die Mitarbeit in diesem Ausschuss zu benennen, dessen Zusammensetzung dann auf der 12. Tagung der Volkskammer beschlossen werden sollte. Parallel dazu sollen sich auch die zuständigen Ausschüsse mit der Problematik beschäftigen. Die Sitzung endete mit der Frage, ob diese Verfahrensweise Zustimmung finde.

Das vergessene Schicksal der DDR-Prominenz nach der Wende

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Die Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik ist gespickt mit Widersprüchen, Heldenbildern und tragischen Schatten. Für viele Schauspieler, Schriftsteller und Künstler, die einst vom Applaus eines ganzen Landes getragen wurden, verwandelte sich der Fall der Berliner Mauer nicht in das ersehnte neue Leben, sondern in einen langsamen, schmerzlichen Abstieg. Ruhm wich Vergessenheit, Sicherheit wich Unsicherheit, und die lauten Ovationen wurden durch eine lähmende Stille ersetzt. Hinter den großen Namen verbargen sich oft Schicksale voller Ernüchterung, Armut und Einsamkeit. Wir blicken heute auf das Leben jener Prominenten, die nach der Wende alles verloren, die einst Idole waren und doch im Schatten verarmten, vergessen und verlassen starben.

Die De-Professionalisierung und der Verlust der Bühne
Ein prägnantes Beispiel ist Erwin Geschonek (1906-2008), einer der größten Schauspieler der DDR, bekannt für Hauptrollen in Klassikern wie „Nackt unter Wölfen“ und ein Symbol des antifaschistischen Selbstverständnisses des sozialistischen Staates. Jahrzehntelang war er das Gesicht der DEFA und auf unzähligen Bühnen geehrt. Doch nach der Wende fand der einstige Volksheld kaum noch Rollen im vereinigten Deutschland. Sein Name verschwand aus den Spielplänen, und ihm blieben nur Erinnerungen und eine kleine Wohnung in Berlin. Geschonek verstarb 2008 im hohen Alter, beinahe unsichtbar, verarmt und vergessen – ein stilles Ende für einen Mann, der einst Millionen bewegt hatte.

Ähnlich erging es Helger Göring (1922-2010), einer der bekanntesten Schauspielerinnen der DDR, beliebt als warmherzige Mutter und resolute Frau in DEFA-Filmen. Ihr Gesicht war in nahezu jedem Haushalt bekannt. Nach 1990 brach ihre Welt zusammen; Rollenangebote blieben aus, und die neuen Produzenten im Westen kannten ihren Namen kaum. Sie lebte zurückgezogen in Mecklenburg-Vorpommern, und Freunde berichteten von stiller Resignation. Helger Göring starb 2010 in Einsamkeit, ohne große Schlagzeilen, ein bitterer Kontrast zu den Applausstürmen ihrer früheren Jahre.

Vom Intendant zum Vergessenen – Eine ganze Generation von Kulturschaffenden
Hans-Dieter Mäde (verstorben 2009) war nicht nur Schauspieler, sondern auch Regisseur und Intendant und prägte unter seiner Leitung das kulturelle Leben im Osten. Er gehörte zur Elite des DDR-Fernsehens. Doch nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems verlor Mäde fast über Nacht seine Position. Seine Arbeit wurde als Relikt einer vergangenen Epoche betrachtet, Aufträge und Förderungen versiegten. Freunde beschrieben ihn als gebrochenen Mann, der nicht mehr an die Kraft seiner Kunst glauben konnte und seine letzten Jahre zurückgezogen und wirtschaftlich eingeschränkt verbrachte. Er starb 2009, vergessen von der Öffentlichkeit, in bescheidenen Verhältnissen.

Auch Dieter Mann (1941-2016), lange Ensemblemitglied am Deutschen Theater und später Intendant, prägte mit seiner Stimme und Ausstrahlung zahlreiche Klassikerinszenierungen. Nach der Wende blieben die großen Rollen aus, und viele westdeutsche Kritiker sahen in ihm nur den Star eines untergegangenen Systems. Er zog sich zunehmend zurück, kämpfte mit gesundheitlichen Problemen und erlebte die Entwertung seines Lebenswerks als Kränkung. Dieter Mann starb nach langer Krankheit in materiell bescheidenen Verhältnissen, fern vom einstigen Glanz.

Prominenz im Kreuzfeuer der Nachwendezeit
Christa Wolf (verstorben 2011) war die wohl bekannteste Schriftstellerin der DDR, verehrt als moralische Instanz. Doch nach der Wende wendete sich das Blatt, als ihre Vergangenheit als inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi bekannt wurde. Aus der gefeierten Autorin wurde eine umstrittene Figur, die von Kritikern diffamiert und von Lesern gemieden wurde. Ihre einstige Strahlkraft erlosch, und sie zog sich tief getroffen zurück. Obwohl sie finanziell über die Runden kam, machten ihr die Isolation und die Abkehr der Öffentlichkeit zu schaffen. Sie starb 2011, gebrochen von den Lasten der Vergangenheit.

Der Schriftsteller Erich Loest (1926-2013), dessen Romane das Leben im Osten oft kritisch thematisierten, erhoffte sich nach der Wende einen Neubeginn. Doch die westdeutsche Öffentlichkeit begegnete ihm mit Skepsis, sah in ihm den Staatsautor oder warf ihm alte Verbindungen vor. Statt Anerkennung erlebte er Isolation, seine Bücher fanden kaum noch Leser. Mit wachsendem Alter verschärfte sich seine finanzielle Not, und schließlich nahm sich Erich Loest 2013 in Leipzig das Leben – ein tragisches Ende für einen Mann, der sein Leben lang mit Leidenschaft schrieb.

Vergessenheit, Armut und Einsamkeit – Ein kollektives Schicksal

Weitere Schicksale spiegeln diese Tragik wider:

• Eberhard Esche (verstorben 2006), eine Kultikone des Ostens durch „Die Legende von Paul und Paula“, fand in den neuen Medienlandschaften keine Heimat und verbrachte seine letzten Jahre mit finanziellen Sorgen und Bitterkeit. Er starb einsam an Krebs.

• Inge Keller (1923-2017), die Grande Dame des DDR-Theaters, erlebte nach der Wende eine zunehmend überschattete Karriere. Die Anerkennung aus Westdeutschland blieb verhalten, und sie führte ein immer stilleres Leben. Sie starb 2017 allein in einem Berliner Seniorenheim.

• Kurt Böwe (verstorben 2000), bekannt aus „Polizeiruf 110“, sah seine Karriere abrupt einbrechen. Westdeutsche Sender hatten kein Interesse an den Stars des Ostens, und Böwe stand plötzlich ohne Aufträge da, geplagt von finanziellen und gesundheitlichen Problemen. Er starb in stillen, bescheidenen Verhältnissen, fern von Ruhm.

• Heinz Rennhack (verstorben 2001), ein gefeierter Kabarettist und Schauspieler, fand in der westdeutschen Medienlandschaft keinen Platz. Seine Programme wurden als veraltet abgetan, Engagements blieben aus, was ihn in finanzielle Schwierigkeiten trieb. Einsamkeit führte ihn in eine tiefe Depression, und er starb 2001 verarmt und innerlich zerbrochen.

Die Schicksale dieser zehn Persönlichkeiten zeigen den tiefen Riss, den die Wende in ihrem Leben hinterließ. Einst gefeierte Stars, verloren sie nach 1989 ihre Bühne, ihre Sicherheit und ihr Publikum. Wo früher Applaus herrschte, regierten plötzlich Stille, Armut und Einsamkeit.

Diese Tragödien werfen die bedrängende Frage auf, ob die Gesellschaft mehr hätte tun können, um jene nicht im Stich zu lassen, die ihr einst Ruhm und Orientierung gaben. Ihr Vermächtnis erinnert uns daran, dass Kunst und Künstler nicht am Wert eines Systems gemessen werden dürfen, sondern an dem, was sie für die Menschen bedeuten. Unsere Erinnerung und unser Respekt sind das Mindeste, was wir ihnen schulden.

Walter Ulbricht: Vom Tischler zum Staatsgründer – und sein Fall

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In bescheidenen Verhältnissen wird Walter Ulbricht, Sohn eines Schneiders, geboren. Niemand ahnt, dass dieser junge Mann, der Tischler lernt und sich schon früh als engagierter Sozialist engagiert, einmal als Gründervater der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) Geschichte schreiben wird – und für einen Satz, der zur Ikone des Kalten Krieges werden sollte: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“. Er baute sie doch, um seinen Staat zu retten, nur um am Ende von seinen eigenen Genossen gestürzt zu werden.

Frühe Radikalisierung und Moskauer Orientierung
Ulbrichts politischer Weg begann in einer Zeit des Umbruchs. Den Krieg von 1914 lehnte er ab und desertierte, als nach der deutschen Niederlage der Kaiser abdanken musste. Er sympathisierte mit dem ultralinken Flügel der Sozialdemokraten, der Ende 1918/Anfang 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gründete. Ulbricht unterstützte die Forderung nach einer sozialistischen Revolution nach russischem Vorbild und wurde in Leipzig Mitglied der Arbeiter- und Soldatenräte. Schon bald wurde er zum Berufsrevolutionär und tauchte unter, nachdem ein Haftbefehl wegen Verbreitung kommunistischer Flugblätter gegen ihn ergangen war. Seine Entscheidung für den Kommunismus und die Orientierung an Moskau waren prägend; es war eine Position, die Millionen von Arbeitern teilten.

Sein Privatleben litt unter dieser radikalen Hingabe. 1920 heiratete er Martha Schmellinsky, und ihre Tochter Dora wurde geboren, doch Ulbricht hatte kaum Zeit für die Familie. Er kämpfte für die Weltrevolution, hatte jahrelang kein festes Einkommen und war „ein total ungeeigneter Familienvater“.

Der Draht nach Moskau und das Überleben im Terror
1924 wurde Ulbricht nach Moskau gerufen, dem Zentrum der kommunistischen Weltrevolution unter Stalin. Seine vollständige Unterordnung unter Stalin und sein „guter Draht nach Moskau“ wurden zum Fundament seines Aufstiegs in der KPD. Er entschied sich stets für den Moskauer Weg und gewann damit die innerparteilichen Auseinandersetzungen der 1920er Jahre. In Moskau fand er in Rosa Michel eine neue Partnerin, mit der er zehn Jahre lang in einer sogenannten „Kameradschaftsehe“ zusammenlebte und eine Tochter bekam, ohne sich von seiner ersten Frau scheiden zu lassen.

1929 wurde Ulbricht KPD-Chef in Berlin und gehörte zur ersten Führungsebene der Partei. Obwohl er kein großer Redner war – er sächselte stark und hatte eine Fistelstimme –, schreckte er im Kampf um die Berliner Arbeiter nicht zurück. 1931 maß er sich sogar mit Joseph Goebbels in einer öffentlichen Rede, was als außerordentlich mutig galt und von der Parteizeitung als Sieg gefeiert wurde.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 floh Ulbricht in die Tschechoslowakei, später nach Paris, Prag und vor allem nach Moskau. Dort erlebte er Stalins Terrorkampagnen, in denen Tausende KPD-Mitglieder verfolgt und getötet wurden. Dieses Trauma lehrte Ulbricht, dass Freundschaften im Kampf ums Überleben hinderlich waren. Um selbst zu überleben, musste man bereit sein, die Hand zu heben, wenn der eigene Freund erschossen wurde – oder man wurde miterschossen. Ulbricht hielt Stalin trotz des Terrors die Treue. Eine neue Frau trat in sein Leben: Lotte Kühn, eine deutsche Kommunistin, die er 1935 im Hotel Lux kennenlernte und mit der er bis zu seinem Tod zusammenblieb. Sie wurde als „herrisch, starrsinnig“ und als jemand beschrieben, der wusste, wie man mit Ulbricht umgehen musste.

Der Architekt der DDR und der Aufstand von 1953
Nach Hitlers Tod kehrte Ulbricht 1945 im Auftrag Stalins nach Deutschland zurück, um in der sowjetischen Besatzungszone eine kommunistische Herrschaft aufzubauen. Er begegnete den in Deutschland verbliebenen Kommunisten sehr reserviert und trat von Anfang an als „Funktionär, der Apparatschik“ auf. Bei der Gründung der DDR 1949 überließ er zwar anderen die offiziellen Titel – Otto Grotewohl wurde Regierungschef, Wilhelm Pieck Staatspräsident –, die eigentliche Macht aber lag bei Walter Ulbricht als Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Er war ein „effizienter Apparatschik und ein, in der Folge eben ein kaltblütiger Diktator“, der ein Faible für Planungen und Taktik hatte und wusste, wie man Leute „zum Funktionieren kriegte“.

Ulbricht forcierte den Aufbau einer sozialistischen Planwirtschaft nach sowjetischem Modell, was zu Verstaatlichungen und der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft führte. Das Leben in der DDR war von Mangel geprägt, und Hunderttausende flohen auf der Suche nach Freiheit und Wohlstand in den Westen.

1953, nach Stalins Tod, geriet Ulbrichts Macht ins Wanken. Am 17. Juni 1953 demonstrierten Bauarbeiter in Ost-Berlin gegen erhöhte Arbeitsnormen, und der Protest weitete sich auf über 500 Orte aus. Nur das Eingreifen sowjetischer Panzer rettete Ulbricht und sein Regime vor dem Sturz. Paradoxerweise spielte ihm der Aufstand in die Karten: Moskau hielt an ihm fest, da er als „eiserne Hand“ die größte Erfahrung besaß und man keine „personellen Experimente“ wagen wollte. Ulbricht konnte seine Macht stabilisieren und bezog mit Lotte ein Haus in Wandlitz. Er adoptierte eine Tochter, Beate, und demonstrierte damit das Bild der stabilen Familie als „Keimzelle der Gesellschaft“. Auch sein Auftreten bei Sportfesten, bei denen er Volleyball spielte und sich sportlichen Betätigungen hingab, sollte ihn menschlicher wirken lassen.

Die Mauer und Ulbrichts späte Wandlung
Die Fluchtwelle in den Westen hielt jedoch an; bis 1961 verließen rund 2,8 Millionen Menschen die DDR, vor allem über Berlin. Dies bedrohte den Aufbau der DDR-Wirtschaft. Ulbricht bat den sowjetischen Führer Chruschtschow um Erlaubnis, die Grenze nach West-Berlin zu schließen.

Am 15. Juni 1961 sprach Ulbricht jene berühmten Worte auf einer Pressekonferenz: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“. Er wusste zu diesem Zeitpunkt bereits, was kommen würde, und wollte die Öffentlichkeit in die Irre führen. In der Nacht zum 13. August 1961 ließ Ulbricht die Grenzen innerhalb Berlins schließen. Die Sperranlage, von Ulbricht als „antifaschistischer Schutzwall“ bezeichnet, stabilisierte die DDR, da die Menschen nicht mehr abwandern konnten und sich viele mit dem System arrangierten.

In den Jahren nach dem Mauerbau machte Ulbricht eine erstaunliche Wandlung durch: Vom strengen Stalinisten entwickelte er sich zu einem selbstständiger denkenden Revolutionär, der in vielen Bereichen mehr Freiheiten zuließ und Rat bei jungen Wirtschaftsexperten und einer „technokratischen Elite“ suchte. Doch diese reformistische Haltung missfiel Leonid Breschnew, dem neuen starken Mann in Moskau, der keinen Sinn für einen „eigenen ostdeutschen Weg“ hatte.

Der Sturz und das Erbe
Breschnew verstand sich besser mit Ulbrichts Ziehsohn Erich Honecker. Unzufriedene Genossen nutzten dies aus, und Honecker forderte mit der Unterstützung des Politbüros und dem „grünen Licht“ aus Moskau Ulbrichts Ablösung. Im Mai 1971 musste Ulbricht seinen Rücktritt erklären, angeblich aus Altersgründen. Dies war ein ungewöhnlicher Abgang für einen kommunistischen Diktator, die normalerweise im Amt sterben oder exekutiert werden. Es war „für jeden sofort sichtbar“, dass dies eine Entmachtung war.

Ulbricht sollte seinen Sturz nie überwinden und starb zwei Jahre später. 1989 fiel die von ihm errichtete Mauer, und ein Jahr später war die DDR, sein Lebenswerk, Geschichte.

Die undurchlässige Grenze: Ein System der Angst und der Hoffnung auf Durchlässigkeit

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Die innerdeutsche Grenze war über Jahrzehnte hinweg ein Ort der Konfrontation, der strikten Überwachung und der tiefgreifenden menschlichen Dramen. Ein aktueller Bericht beleuchtet die erschreckende Realität dieser Trennlinie und die Hoffnungen auf ihre Überwindung.

Zwei Welten an einer Linie In den grenznahen Dörfern der DDR war das Leben von Misstrauen geprägt. Fremde erhielten nur mit Sondergenehmigung Zutritt und jeder Unbekannte musste sofort gemeldet werden. Kontakte zu Menschen aus der Bundesrepublik waren zu meiden; winkende oder grüßende Bewohner waren eine Seltenheit. Auf der westlichen Seite waren rund um die Uhr Streifen des Bundesgrenzschutzes und des Zolls unterwegs, zu Fuß und mit Fahrzeugen. In Bayern verstärkte zusätzlich die Grenzpolizei die Präsenz. Insgesamt waren etwa 17.800 Beamte auf bundesdeutscher Seite im Einsatz. Ihnen gegenüber standen auf DDR-Seite etwa 35.000 Grenzsoldaten, und zusätzlich 15.000 Soldaten der DDR-Grenztruppen am Ring um West-Berlin. Ihre Aufgabe war es, zu überwachen, zu beobachten, festzustellen, zu melden und Verdächtiges zu notieren. Direkte Kontakte zwischen bundesdeutschen Beamten und DDR-Grenztruppen gab es nicht, außer bei außergewöhnlichen Zwischenfällen wie Naturkatastrophen. Die 446 Kilometer lange bayerische Abschnitt der deutsch-deutschen Grenze zeigte überall dasselbe Bild: Sperranlagen zerschnitten die Landschaft, veränderten das Bewusstsein und das Leben der Menschen.

Technologie der Abriegelung und mutige Fluchten Die Grenzsicherung der DDR setzte auf eine scheinbar perfekte, lautlose elektronische Grenzsicherungsanlage. Alarmzeichen in den Schaltstellen der Grenzüberwachung, die tagsüber oder nachts mutmaßliche Durchbruchstellen anzeigten, waren ein streng gehütetes Geheimnis. Salven aus russischen Kalaschnikows wurden seltener registriert. Trotz dieser scheinbar undurchdringlichen Barriere gelang es jedoch 1985 einigen DDR-Bewohnern, die Grenzsperranlagen in Richtung Westen zu überwinden.

Ein besonders dramatisches Beispiel lieferte ein 19-jähriger Grenzsoldat der DDR, dessen Flucht an der Grenze dokumentiert wurde. Er überlistete seinen Kameraden auf dem Kontrollturm, öffnete den Turm und wartete, bis sein sogenannter „Ostenführer“ zum Turm herunterkam. Kurz bevor dieser die Tür erreichte, schloss der Soldat die Tür, verriegelte das Schloss und begann, in Richtung Grenze zu laufen. Er hatte zuvor genau die Zeit berechnet, die sein Vorgesetzter brauchen würde, um wieder auf den Turm zu gelangen und möglicherweise die Schusswaffe gegen ihn einzusetzen. Während er die Sperranlagen passierte, löste er noch ein Signalgerät aus und wählte anschließend einen der drei vorhandenen Fluchtwege durch den Wald.

Der Schatten des Schießbefehls Trotz aller Sicherungsmaßnahmen und auch nach 1985 bestand der Schießbefehl weiterhin. Viele Grenzsoldaten litten unter der Angst, auf „Sperrbrecher“ schießen zu müssen. Ein Vierteljahrhundert deutsch-deutscher Angst suchte Auswege und Lösungen. Die Grenze zeigte die Staatsmacht in ihrer ungeschminktesten Form, was notgedrungen hässlich war. Ein Staat, der sich an seinen Grenzen eher versteckt, würde einen angenehmeren Eindruck machen als einer, der sich dort aufbläht. Die Existenz dieser Grenze rückte die DDR in ein schlechtes Licht, da das Urteil in diesem speziellen Vergleich sehr eindeutig ausfiel. Die Erinnerung an diese Grenze und die damit verbundenen Gräueltaten würde in der Bundesrepublik nicht so schnell verblassen.

Ein Blick in die Zukunft Obwohl „nichts ewig ist“ und die Grenze irgendwann nicht mehr existieren wird, konnte sich niemand vorstellen, wann und unter welchen Umständen dies geschehen würde. Die massiven Erdbewegungen und der verbauten Beton würden noch Jahrtausende in der Landschaft sichtbar sein, weit stärker als der römische Limes. Eine sofortige Öffnung der Grenze wäre verheerend gewesen: Die Wirtschaft der DDR hätte nach einer Woche zusammengebrochen, die der Bundesrepublik nach einem Monat. Daher war es unmöglich, die Grenze einfach zu öffnen. Stattdessen sollten beide Staaten darauf hinarbeiten, immer mehr Erleichterungen zu schaffen, die Grenze durchlässiger und offener zu machen und den Schießbefehl zurückzunehmen, um das Leben auf beiden Seiten zu erleichtern.

Grüne auf Spurensuche in Eisleben: Eine Partei ringt um den Osten

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Eisleben, Sachsen-Anhalt. Felix Banaszak, der neue Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, hat sich auf eine ungewöhnliche Mission begeben: In einer Stadt, in der seine Partei bei der letzten Bundestagswahl gerade einmal 2 Prozent der Zweitstimmen erhielt, sucht er nach den „letzten grünen Wählern Eislebens“. Begleitet wurde er dabei vom YouTuber „Der Dunkle Parabelritter“, der die Probleme seiner Heimatstadt Eisleben beleuchtet und fragt: „Kann man diese Stadt noch retten?“. Die Reise offenbart tiefe Gräben zwischen Bundespolitik und ostdeutscher Realität, aber auch eine wachsende Bereitschaft der Grünen, zuzuhören und zu lernen.

Eisleben: Eine Stadt im Abwärtstrend
Eisleben, gelegen im Landkreis Mansfeld-Südharz, ist ein Symbol für viele Orte in Ostdeutschland, die in den letzten Jahren schiefgelaufen sind. Der Zukunftsatlas 2022 listete Mansfeld-Südharz auf Platz 400 von 400 – ein düsteres Bild. Die Region kämpft mit drastischem Bevölkerungsrückgang: Lebten 1990 noch über 34.000 Menschen in Eisleben, werden es 2040 voraussichtlich nur noch knapp über 18.700 sein. Der gesamte Kreis ist die fünftälteste Region Europas, mit der Hälfte der Bevölkerung über 55 Jahre alt. Zudem herrscht ein deutlicher Männerüberschuss bei den 18- bis 29-Jährigen, was die Geburtenrate weiter belastet.

Die wirtschaftliche Lage ist ebenfalls angespannt. Im Juni 2023 lag die Arbeitslosenquote im Kreis Mansfeld-Südharz bei überdurchschnittlichen 10 Prozent, verglichen mit 6,2 Prozent bundesweit. Mehr als jeder zweite Haushalt hatte 2022 ein niedriges Einkommen unter 25.000 Euro netto pro Jahr. Historisch gesehen war das Mansfelder Land über 800 Jahre lang ein Zentrum des Kupfer- und Silberbergbaus. Nach der Wende 1990 wurden die Betriebe jedoch stillgelegt, was zu einem massiven Strukturwandel führte, der vielen Menschen ihre Arbeit, Perspektive und sogar Identität nahm. An die Stelle alter Gaststätten sind oft Dönerläden oder Sushi-Bars getreten, was bei vielen Menschen ein Gefühl des Verlusts und der Veränderung hervorruft.

Die Grünen: Eine „Westpartei“ im ostdeutschen Gegenwind
Die geringe Wählerzustimmung für die Grünen in Eisleben – nur 276 Menschen wählten sie bei der Bundestagswahl – ist symptomatisch für ihre bundesweiten Schwierigkeiten im Osten. Selbst im Nachbarort Wimmelburg erreichten sie lediglich 1,4 Prozent der Zweitstimmen. Banaszak selbst spricht von einem „eisigen Wind“, der ihnen im Osten entgegenschlägt. Kommentare in sozialen Medien reichen von „Wir hatten schon eine Diktatur, nein danke“ bis zu Vorwürfen, die Grünen hätten sich nie für die Probleme der Menschen interessiert.

Ein möglicher Grund für die fehlende Popularität ist die Wahrnehmung der Grünen als „Westpartei“. Die historische Ablehnung der schnellen Wiedervereinigung durch Teile der Partei wirkt bei vielen noch nach, ebenso wie das Fehlen von ostdeutschem Spitzenpersonal. Banaszak räumt ein, dass der „Bündnis 90“-Teil der Partei im kollektiven Gedächtnis nicht so präsent ist, wie er sein sollte. Er betont, dass die westdeutsche Partei lernen müsse, „gesamtdeutsch zu denken“ und ostdeutsche Biografien, Mentalitäten und historische Erfahrungen stärker aufzugreifen.

Hoffnung und Vertrauensverlust: Stimmen aus Eisleben
Die Suche nach grünen Wählern gestaltet sich schwierig. Viele Eislebener sind AfD-Wähler oder wollen ihre Wahlentscheidung nicht preisgeben. Eine Gruppe Rentnerinnen, die die Grünen ebenso ablehnt wie die AfD, bringt die Lage auf den Punkt: Nach der Wiedervereinigung gab es hier 20.000 bis 30.000 Arbeitslose; sie mussten Umschulungen machen und haben „sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen“. Heute jedoch sehen sie Eisleben schlechter aufgestellt als vor 20 Jahren: weniger Geschäfte, weniger Kultur und vor allem: „die jungen Leute sind ja auch alle weg“. Trotz der düsteren Aussichten bleiben sie optimistisch: „Pessimistisch hätten wir das ja gar nicht überlebt,“ so eine Anwohnerin. Sie hoffen auf die neuen Fördergelder für den Strukturwandel, fordern aber „Arbeitsplätze“ statt nur der Renovierung von Denkmälern.

Ein Anwohner, der sich als Grünwähler aus Hannover outet, kann jedoch nicht als „Eisleber Grünwähler“ gewertet werden. Erst am Ende der Mission findet sich ein Eisleber, der die Grünen wählt – allerdings nur bei der Europawahl und primär wegen der Förderung von Solarenergie: „Grüne Energie das ist Zukunft grüne Energie das ist weltfreundlich“.

Politik am Scheideweg: Zuhören als erster Schritt
Felix Banaszak erkennt die Ursachen für den Vertrauensverlust: Es sei eine Mischung aus konkreten Erfahrungen von Verlust, Abstiegsängsten und Sorgen, aber auch kulturellen Veränderungen. Er kritisiert, dass populistischere Parteien eine einfache Orientierung bieten, indem sie versprechen, dass alles so bleibt wie es ist oder sogar wieder wie früher wird. Die etablierten Parteien dringen kaum noch zu den Menschen durch, da die Mediennutzung sich geändert hat und Algorithmen bestehende Weltbilder bestätigen. Er als Grüner sei oft damit beschäftigt, Vorurteile und „propagandistische Inhalte“ über seine Partei aus dem Weg zu räumen, bevor er überhaupt über Inhalte sprechen könne.

Banaszak betont, dass die Transformation des Ostens in den 90er Jahren für viele Menschen „einfach nur Verlust“ bedeutete, weil Versprechen nicht eingehalten wurden und keine neuen Industrien entstanden. Die Politik müsse dafür sorgen, dass der notwendige Wandel „fair ist und tatächlich abgefangen und aufgefangen wird“, ohne die Fehler der 90er Jahre zu wiederholen, die zu einem massiven Vertrauensverlust geführt haben.

Als konkreten Schritt kündigt Banaszak an, ein Regionalbüro in Brandenburg an der Havel zu eröffnen, um auch über einzelne Tage hinaus die Entwicklungen und Diskussionen im Osten mitzubekommen. Er ist überzeugt, dass der Rest Deutschlands viel vom Osten lernen kann: „dass so ein Wandel nicht im Nichts endet“ und wie Menschen sich neu organisiert und aufgebaut haben. Das Wichtigste sei, den Menschen zuzuhören, denn dies sei eine grundlegende Sache, die lange gefehlt habe und viel verändern könne.

Eisleben steht somit nicht nur für eine „No Future Town Nummer 1“, sondern auch für Menschen, die trotz allem Hoffnung haben. Die Politik muss sich dieses Vertrauen durch echtes Zuhören und das Einlösen von Versprechen neu erarbeiten – ein langer Prozess, der nicht in einer Legislaturperiode abgeschlossen sein wird.