Sie sind mehr als nur Filme; sie sind ein Stück Kindheit, ein kulturelles Erbe und bis heute „Kult“. Die DEFA-Märchenfilme der Deutschen Demokratischen Republik prägten Generationen von Zuschauern, ob im Kino oder an langen Sonntagnachmittagen vor dem Fernseher. Mit liebevoll handgearbeiteten Kostümen, leidenschaftlichen Schauspielern und Spezialeffekten, über die man heute vielleicht schmunzelt, entführten sie in Welten voller Wunder und moralischer Botschaften.
Die Anfänge: Rekorde und erste Farbakzente
Der Grundstein für diese fast 50 Jahre anhaltende Tradition wurde 1950 mit „Das kalte Herz“ gelegt. Dieser erste große DEFA-Märchenfilm, gedreht von Paul Verhoeven nach Wilhelm Hauff, war zugleich der erste Farbfilm der DEFA und setzte damit neue Maßstäbe im ostdeutschen Kino. Die Geschichte des Köhlers Peter Munk (Lutz Meuck), der Ruhm und Reichtum dem eigenen Herzen vorzieht, wurde mit detailreichen Kulissen und einer moralischen Botschaft über Habgier und Menschlichkeit zu einem gewaltigen Publikumserfolg. Über acht Millionen Besucher sahen ihn in den Kinos.
Nur drei Jahre später folgte der bis heute erfolgreichste deutsche Märchenfilm überhaupt: „Die Geschichte vom kleinen Muck“ aus dem Jahr 1953. Unter der Regie von Wolfgang Staute lockte dieser ebenfalls auf einem Hauff-Märchen basierende Film über 12 Millionen Menschen in die Kinos. Die opulente Ausstattung, orientalisch inspirierte Kostüme und farbenfrohe Szenen machten ihn zu einem Musterbeispiel für die kunstvolle Umsetzung eines Märchens mit Witz, Fantasie und gesellschaftlicher Botschaft.
Vielfalt der Erzählungen: Von Harzer Sagen bis Tausendundeine Nacht
Die DEFA-Filme zeichneten sich durch eine bemerkenswerte Vielfalt aus. Neben klassischen Grimm-Märchen wagte man sich an regionale Legenden wie „Der Teufel vom Mühlenberg“ (1955), der tief in den Sagen des Harzes verwurzelt ist. Herbert Ballmann schuf hier eine unheimliche Atmosphäre mit stimmungsvollen Bildern und geheimnisvollen Lichteffekten, die eine klare Moral vermittelten: Habgier führt ins Verderben, während Mut und Ehrlichkeit siegen.
Auch exotische Märchenwelten fanden ihren Weg auf die Leinwand. Mit „Die Geschichte vom armen Hassan“ (1958) und „Hatifa“ (1960) wagte die DEFA Ausflüge in die Welt von Tausendundeiner Nacht und orientalische Märchenelemente. Diese Filme, inszeniert von Gerhard Klein und Siegfried Hartmann, beeindruckten mit farbenprächtigen Bildern, exotischen Kulissen und prächtigen Kostümen. „Die Goldene Jurte“ (1961), eine deutsch-mongolische Koproduktion, brachte sogar ein Stück internationale Märchenkultur in die DDR-Kinos.
Beliebte Klassiker und unterschwellige Botschaften
Zahlreiche Adaptionen der Brüder Grimm wurden zu festen Bestandteilen der DDR-Kindheit. „Das tapfere Schneiderlein“ (1956) mit Kurt Schmidtchen als schlitzohrigem und charmantem Helden, „Das singende, klingende Bäumchen“ (1957), dessen Farbspiel und fantastische Kulissen Generationen von Kindern faszinierten und sogar in Großbritannien Kultstatus erlangten, sowie „Schneewittchen“ (1961) und „Rotkäppchen“ (1962), letzteres mit 5,7 Millionen Kinobesuchern auf Rang 13 der erfolgreichsten DDR-Filme. Auch „Frau Holle“ (1963) blieb über Jahrzehnte hinweg ein fester Bestandteil des DDR-Fernsehens, besonders in der Vorweihnachtszeit.
Bemerkenswert ist auch, wie die Filmemacher teils subtil gesellschaftskritische Untertöne einfließen ließen. „König Drosselbart“ (1965), inszeniert von Walter Beck, enthielt einige „unterschwellige Spitzen gegen die damalige DDR-Führung“. „Wie heiratet man einen König?“ (1969) begeisterte mit Humor und gesellschaftskritischen Untertönen, während „Sechse kommen durch die Welt“ (1972) mit satirischen Zwischentönen und erstaunlicher Modernität glänzte.
Späte Werke und ein würdiger Abschluss
Auch in den späteren Jahren entstanden prägende Werke. „Hans Röckle und der Teufel“ (1974) überzeugte mit filmischen Tricks und einer glanzvollen Besetzung, während „Das blaue Licht“ (1976) in Aussage und Wirkung weit über den Märchengehalt hinausging. Mutigere und künstlerisch anspruchsvollere Filme wie „Der Spiegel des großen Margos“ (1980) richteten sich an ältere Zuschauer und gelten heute als Geheimtipps.
„Der Prinz hinter den sieben Meeren“ (1982) wurde sogar international ausgezeichnet: Er gewann 1983 beim Kinder- und Jugendfilmfestival in Giffoni Valle Piana den „silbernen Greif“ für den besten Spielfilm. Und als letzter Märchenfilm der DEFA markierte „Verflixtes Missgeschick“ (1991), unter der Regie von Hannelore Unterberg, einen würdigen Abschluss dieser einzigartigen Filmtradition.
Ein bleibendes Erbe
Die DEFA-Märchenfilme sind für viele ein „Fenster in eine Welt voller Wunder, Abenteuer und Träume“. Ihre Liebe zum Detail, die großartigen Schauspieler, fantasievollen Kulissen und die spürbare Magie machen sie bis heute unvergessen. Viele dieser Produktionen sind kostenlos und in voller Länge auf dem DEFA-YouTube-Kanal verfügbar, laden zum Wiederentdecken ein und erinnern an eine Filmkunst, die Generationen geprägt hat.