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Boxlegende Henry Maske ehrt Max Schmeling und fördert den Nachwuchs in Sewekow

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Sewekow bei Wittstock – Großer Andrang herrschte am 9. August in der kleinen Ortschaft Sewekow, als die deutsche Boxlegende Henry Maske die „Max-Schmeling-Halle“ besuchte. Anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Heimatvereins Sewekow erfüllte sich ein langgehegter Wunsch vieler Anwesender: Maske, bekannt als „Gentleman-Boxer“ und Darsteller Max Schmelings im Film „Max Schmeling – eine deutsche Legende“, gab sich die Ehre. Der Besuch war eine Hommage an Schmeling und bot Maske die Gelegenheit, tiefe Einblicke in seine Karriere, seine Rolle im Film und seine Verbundenheit zum Boxsport zu geben, gekrönt von einer bemerkenswerten Spende an die lokale Jugendarbeit.

Die Max-Schmeling-Halle, deren Grundsteinlegung 2005 erfolgte und die 2007 offiziell in Betrieb ging, trägt den Namen der Boxikone mit dessen Zustimmung aus dem Jahr 2003. Max Schmeling verstarb leider im selben Jahr, noch vor der Grundsteinlegung, im Alter von 99 Jahren. Großformatige Schwarz-Weiß-Fotos in der Halle zeigen Max Schmeling, darunter auch eines im freundschaftlichen Gespräch mit Henry Maske, was die enge Verbindung der beiden Boxer unterstreicht.

Max Schmeling als Filmfigur und Vermächtnis
Der Höhepunkt der Veranstaltung war die Vorführung des Films „Max Schmeling – eine deutsche Legende“, in dem Henry Maske die Hauptrolle spielte. Die Entscheidung, Maske als Schmeling zu besetzen, ging auf einen persönlichen Wunsch Max Schmelings selbst zurück, der bereits 2002 geäußert hatte: „Wenn mich einer spielt, dann spielt mich der Henry“. Diese Empfehlung empfand Maske als Vermächtnis und lehnte die Rolle trotz anfänglicher Zweifel an seinen schauspielerischen Fähigkeiten nicht ab.

Maske bereitete sich acht Monate intensiv auf die Rolle vor, auch wenn er zugab, nicht annähernd die schauspielerische Begabung eines Profis zu besitzen. Für ihn war es entscheidend, den Menschen Max Schmeling authentisch darzustellen und dessen Ernsthaftigkeit zu vermitteln.

Besonders herausfordernd war für den Linkshänder Maske die Darstellung des rechtshändigen Schmeling, doch mit professionellen Boxern als Partner im Ring und angepassten Kampfstilen der 30er Jahre gelang es, die Kämpfe überzeugend darzustellen. Maske gestand jedoch auch, dass die Darstellung der innigen Beziehung Schmelings zu seiner Frau Anni Ondra für ihn der schwierigste Teil des Films war, obwohl es nur einen Kuss gab.

Henry Maskes Blick auf den Boxsport
Im Gespräch mit Heidi Schäfer teilte Maske auch seine persönlichen Erfahrungen und Ansichten zum Boxsport. Er erläuterte, dass ein Boxer vor einem Wettkampf nicht die Angst im herkömmlichen Sinne empfindet, sondern „großen Respekt vor dem, worauf man sich eingelassen hat“. Er beschrieb den Weg vom Umkleideraum zum Ring als einen „Weg zum Schafott“, der jedoch mit dem Gongschlag alle Zweifel vergessen lässt. Die wichtigste Aufgabe eines Boxers sei es, sich selbst zu verteidigen und sicher zu sein.

Maske, der bereits mit sechs Jahren zum Boxen kam, obwohl er mit neun Jahren aufhören wollte, hatte das Glück, stets hervorragende Trainer zu haben, darunter Hans Hörnlein. Diese Trainer erkannten sein Potenzial, obwohl er sich selbst nicht als Naturtalent beschrieb und weder über den idealen Körperbau noch über perfekte Koordination verfügte. Sein Stil, der weniger auf harte Schläge als auf Technik und Verteidigungsbereitschaft setzte, polarisierte anfangs, wurde aber durch seinen Erfolg und die hohe Zuschauerquote bei seinen Profikämpfen schließlich akzeptiert und respektiert.

Überraschend für viele war Maskes Entscheidung, zehn Jahre nach seinem Rücktritt, 2007, erneut gegen seinen einstigen Rivalen Virgil Hill anzutreten. Maske erklärte, dass Hills erneuter Weltmeistertitel im Cruisergewicht 2006 ihn motivierte, da er die Chance sah, einen amtierenden Weltmeister zu schlagen und so die Ernsthaftigkeit seines Comebacks zu untermauern. Seine Frau erkannte dabei seine besonderen „Boxeraugen“, die eine tiefe Entschlossenheit signalisierten. Trotz der Herausforderung und der langen Vorbereitung von 45 Wochen und 6 Tagen vertraute ihm seine Familie voll und ganz, was für Maske entscheidend war. Der schwierigste Kampf seiner Karriere sei der erste gegen Graciano Rocchigiani gewesen, der ihn körperlich und mental an seine Grenzen brachte.

Engagement für den Nachwuchs und die Zukunft des Boxens
Henry Maske setzt sich seit 1999 mit seiner Stiftung „Ein Platz für Kinder“ für benachteiligte Kinder und Jugendliche ein. Im Rahmen seines Besuchs in Sewekow verzichtete er auf sein Honorar und spendete die Einnahmen dem Projekt „Kampfsport ohne Grenzen – Inklusion und Integration“ der SG Einheit Wittstock. Das Projekt, das Jiu-Jitsu in Wittstock und Pritzwald anbietet, wird von Trainer Frank Kallis geleitet. Maske betonte die Bedeutung von Sportangeboten für Kinder und Jugendliche, insbesondere in Kampfsportarten, die Verteidigungsbereitschaft und Selbstkontrolle lehren.

Auf die Frage nach dem aktuellen Zustand des deutschen Profiboxens zeigte sich Maske kritisch. Er bedauerte, dass vieles in der Vergangenheit nicht optimal gelaufen sei, um international an der Spitze zu bleiben. Er schloss jedoch eine Tätigkeit als Trainer für sich selbst aus, da er es nicht verkraften könnte, talentierte Nachwuchsboxer an andere abgeben zu müssen. Dennoch lobte er die Fairness und den Charakter der Boxer und die positiven Resonanzen des Sports in den letzten Jahren.

Henry Maskes Besuch in Sewekow war mehr als nur eine Stippvisite; es war ein bewegendes Zeugnis der Verbundenheit zweier Boxlegenden und ein inspirierender Appell an die Bedeutung von Sport und Engagement für die nächste Generation. Die Veranstaltung endete mit herzlichem Dank an Maske für seine Großzügigkeit und an das Publikum für seine Teilnahme.

Carmen Maja Antoni: Eine Königin der Bühne und des Lebens

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Usedom/Berlin. Wenn Carmen Maja Antoni heute auf Usedum aufs Meer blickt, wo sie seit vielen Jahren ihre Heimat gefunden hat, schließt sich ein Kreis eines Lebens, das von großer Leidenschaft für die Kunst, aber auch von tiefen persönlichen Einschnitten geprägt ist. Die malerische Insel entdeckte sie einst bei Dreharbeiten, doch ihr Weg zur Schauspielikone begann weit entfernt von den ruhigen Küsten Usedoms – in einem Nachkriegs-Berlin voller Trümmer und Entbehrungen.

Der erste Funke in Trümmern und auf der Bühne Carmen Maja Antonis Kindheit war von Sorgen und dem Mangel an Vater und Geld geprägt. Doch schon früh zeigte sich ihr Talent: Im Pionierkabarett des Deutschen Fernsehfunks sammelte die kleine Maja erste Bühnenerfahrungen. Ihre rührenden Auftritte waren der erste Schritt zu ihrem späteren Beruf. Ein Schlüsselerlebnis war, als die Regisseurin einer Kindersendung ihr Talent erkannte und sie ermutigte, die Filmhochschule zu besuchen. Mit gerade einmal 16 Jahren stellte sie sich der Aufnahmekommission der Babelsberger Filmhochschule, damals mitten im Grenzgebiet. Ihre Aufnahmeprüfung war legendär: Sie spielte Lieschen und Grätchen aus Goethes „Faust“, rannte „wie ein Torpedo“ über die Bühne, entriss einem Dozenten die Kaffeetasse und behauptete, es sei der Ziehbrunnen. Das Publikum lachte Tränen, während sie sich über deren vermeintliche Respektlosigkeit ärgerte – und wurde dennoch angenommen.

Vom Potsdamer Hans Otto Theater zur Berliner Volksbühne Bereits während ihres Studiums spielte Antoni ihre ersten Hauptrollen am Potsdamer Hans Otto Theater, darunter die Grusche im „Kaukasischen Kreidekreis“. Für ihre Arbeit erhielt sie erste Ovationen – ein überwältigendes Gefühl der Anerkennung, das sie in ihrer Kindheit oft vermisst hatte. Ihr späterer Kollege Hermann Beer erinnerte sich verblüfft an die junge Darstellerin. In den 60er-Jahren führte ihr Weg von Potsdam an die Berliner Volksbühne, wo sie auf den Schweizer Theaterregisseur Benno Besson traf. Seine fantasievollen und frechen Inszenierungen führten das Ensemble auf abenteuerliche Weltreisen, die sich wie eine „Klassenfahrt“ anfühlten und unvergessliche Begegnungen mit Menschen und Kulturschaffenden brachten. In dieser Zeit entwickelte Antoni auch eines ihrer Markenzeichen im Film: den trockenen Humor.

Eine „Antoni“ am Berliner Ensemble und der Kampf um die Kunst Immer wieder zog es sie jedoch zum berühmten Berliner Ensemble (BE). Helene Weigel hatte ihr einst prophezeit: „Du kommst schon noch, Puppal“. Dort wurde sie endgültig zur „Antoni“, erarbeitete mit dem Theatermann Manfred Karge viele Brecht-Rollen und feierte Erfolge mit seinem Solostück „Jacke wie Hose“, das um die halbe Welt tourte. Ihre charakterstarke Durchsetzungskraft wurde schon damals bewundert.

Das Ende der 80er-Jahre brachte jedoch auch das Ende der DDR. Obwohl Antoni es nicht herbeigesehnt hatte, empfand sie es als unausweichlich. Eine Zeit großer Hoffnungen und Enttäuschungen begann, begleitet von einem „tiefen, traurigen, bluesmäßigen“ Sound. Auch das einst so renommierte Berliner Ensemble geriet in eine Krise: Interne Streitigkeiten und die Auseinandersetzung zwischen alter Leitung und Kultursenat lähmten das Haus, und sogar die Schließung des Theaters wurde öffentlich diskutiert. Der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen erinnerte sich an Berlins enorme wirtschaftliche und finanzielle Probleme nach dem Mauerfall, betonte jedoch den Wunsch, Berlins Stärken in Ost und West als kulturelle Hauptstadt zu erhalten. Antoni appellierte in dieser Zeit an die Verantwortung für das Haus und für Brecht.

Triumph im Film und persönlicher Verlust Mitten in diesen Turbulenzen gelang Carmen Maja Antoni ein kleines Wunder: Die ARD verfilmte Erwin Strittmatters Roman „Der Laden“, und sie erhielt eine „wunderbare Rolle“ als anderthalb Meter große Großmutter. Ihre geringe Körpergröße wurde plötzlich zum Vorteil, und sie spielte eine 25-jährige Familiengeschichte vom 60. bis zum 86. Lebensjahr der Figur, obwohl sie selbst erst 50 war. Die Rolle der Großmutter verlangte ihr viel ab – die Aggression und Wut, die sie darstellte, fielen ihr jedoch „relativ leicht“, da sie aus einem Elternhaus kam, in dem es „heiß herging“.

In dieser erfolgreichen Zeit traf die Familie jedoch ein schwerer Schlag: Ihr Mann Malte, ein sensibler und gebildeter Journalist, verlor seine Arbeit und verstarb mit Mitte 50 im Jahr 1999. Für Tochter Jenny, ebenfalls Schauspielerin, war es der „schlimmste Moment“ ihres Lebens. Die Familie saß „gelähmt“ da, und nur der Zusammenhalt half, diese unermessliche Wunde zu überwinden.

Die Ära Peymann und der Abschied vom Welttheater Im selben Jahr übernahm der legendäre Klaus Peymann die Leitung des Berliner Ensembles. Die erste Begegnung zwischen Peymann und Antoni war nicht „Liebe auf den ersten Blick“, doch sie arbeiteten 19 Jahre zusammen. Antoni beschrieb Peymann als „wilden Kerl, einen König, einen Schreier, einen Brüller, einen Rebellen, einen verrückten Kerl“. Sie aber war auch „verrückt“, und beide brannten „besessen von der Idee, Theater zu machen“. Peymann schätzte ihren Humor und ihre Disziplin, während sie seine „unglaubliche Klugheit“ bewunderte. Unter seiner Leitung wurde das Berliner Ensemble wieder zu einem Welttheater. Antoni sah sich selbst nie als Untertan, sondern als „Königin“. Peymann gab ihr die Hauptrolle in seiner Brecht-Inszenierung „Die Mutter“, womit sie in bester Tradition des Hauses stand. Es folgten zahlreiche weitere Erfolge, darunter „Die Präsidentinnen“, „Emmanuel Kant“, „Der gute Mensch von Sezuan“ und schließlich die legendäre „Mutter Courage und ihre Kinder“. Sie wurde Publikumsliebling und erhielt zweimal den renommierten Berliner Kritikerpreis. Nach 40 Jahren stand Carmen Maja Antoni zum letzten Mal auf den berühmten Brettern des BE. Intendant Peymann bereitete ihr einen grandiosen Abschied von der Bühne, und das Publikum entließ sie erst nach einer halben Stunde Standing Ovations.

Authentizität vor der Kamera und familiäres Erbe Auch im Fernsehen ist Carmen Maja Antoni nicht mehr wegzudenken. Iris Berben wollte sie aufgrund ihres „authentischen Spiels“ unbedingt für ihre ZDF-Reihe „Rosa Roth“ gewinnen. Berben bewundert Antoni zutiefst: „Sie spielt nicht, sie ist dieser Mensch“, eine „genaue, tiefgründige Schauspielerin“, deren Überzeugungskraft im Spiel sie einzigartig macht. Schließlich erfüllte sich auch ein lang gehegter Wunsch: Carmen Maja Antoni spielte gemeinsam mit ihrer Tochter Jenny in einem der beliebten Krause-Filme. Jenny Antoni, die selbst Schauspielerin wurde, erinnert sich lebendig an ihre Kindheit im künstlerischen Haushalt, die vielen Künstler und Musiker am BE und die Sommer an der Ostsee mit dem Ensemble. Ihre Entscheidung, Schauspielerin zu werden, traf sie mit 13 Jahren ganz bewusst, als sie sich die Haare grün färben ließ und zum Casting ging.

Heute bilden Tochter Jenny, Sohn Jakob (der in Kanada lebt) und ihre Kinder eine kleine, verschworene Gemeinschaft. Carmen Maja Antoni blickt auf ihr Leben zurück und stellt fest: „Eigentlich hatte ich immer Glück im Leben. Ich konnte das tun und kann es immer noch tun, worauf ich Lust habe und was ich kann“. Ob Theater spielen, Filme drehen, lesen, mit Freunden lachen, große Feste feiern, essen oder fröhlich sein – sie hofft, dies noch eine ganze Weile tun zu können, „wenn uns die Welt nicht im Stich lässt“. Nach solchen Erlebnissen braucht es den Blick aufs Meer und den Wind im Gesicht, um innezuhalten – ein Moment der Ruhe für eine Künstlerin, die die deutsche Bühnen- und Fernsehlandschaft nachhaltig geprägt hat.

Historischer 1.1 Pickup kehrt ins August Horch Museum Zwickau zurück

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Zwickau – Der lang ersehnte 1.1 Pickup, von den Mitarbeitern des Fördervereins August Horch Museum e.V. liebevoll als „Schmückstück“ und „herrliches Auto“ bezeichnet, ist in die museumseigene Werkstatt in Zwickau zurückgekehrt. Nach umfangreichen Vorarbeiten steht nun die Endmontage an, mit dem ambitionierten Ziel, das Fahrzeug ab dem kommenden Jahr als offiziellen Dienstwagen des Fördervereins bei Veranstaltungen einzusetzen.

Die Ankunft des „Goldstecks“ war ein Ereignis, das Präzision und Teamarbeit erforderte. Der Pickup wurde von einem Transporter entladen und musste vorsichtig in die Werkstatt manövriert werden. „Die Lenkung ist nicht gerade“, bemerkte einer der Helfer während des komplizierten Rangiervorgangs, bei dem auch die Handbremse eine Rolle spielte. Wolfgang, ein Mitarbeiter, nahm die „ganze Last“ des noch innenlebenlosen Fahrzeugs auf.

Trotz des fehlenden Interieurs hat das Fahrzeug bereits eine beeindruckende Transformation durchlaufen. Die Stoßstangen und Lampenringe sind „wieder hübsch gemacht“ und sehen aus „wie neu“. Auch Motor und Getriebe sind bereits eingebaut, wobei diese Arbeiten voraussichtlich im Autohaus Floss in Hüdelsgrün durchgeführt wurden. Achsen sind ebenfalls verbaut, wobei Teile davon vom Verein selbst bearbeitet wurden.

Besonderheiten des Pickups
Der 1.1 Pickup birgt einige historische Details. Auffällig ist das „Blech, was den Rüssel dann abdeckt“, ein spezielles Abdeckblech für einen bestimmten Bauteil, den sogenannten „Rüssel“. Eine weitere Besonderheit ist die Heckklappe: Es war tatsächlich möglich, den 1.1 Pickup mit geöffneter Heckklappe zu fahren. Hierfür konnte das Kennzeichen abgeklappt werden, sodass es inklusive Beleuchtung weiterhin lesbar war – eine Einzigartigkeit, die nur der originale, in der Sachsenring-Werbung genutzte Pickup besaß.

Ein weiteres interessantes Detail liefert Falk Wanhof, der probeweise ein schwarzes Blech aus V4A nachproduzieren ließ, das ursprünglich aus Sachsenringzeiten stammt. Wer Interesse an solchen Teilen hat, kann sich über die Kommentare des begleitenden Videos mit Herrn Wanhof vernetzen.

Zukunftspläne im Förderverein
Die Werkstatt des Fördervereins ist bereit für das Projekt. Um Platz zu schaffen, wird der aktuell dort stehende P70 bald zum Lackierer überführt, um ebenfalls fertiggestellt zu werden. Der 1.1 Pickup wird nun „komplettiert“, was bedeutet, dass „das ganze Innenleben“ eingesetzt wird.

Die Vorfreude auf das fertiggestellte Fahrzeug ist groß. „Da können wir uns schon mal freuen für nächstes Jahr, da werden wir schon echt die ersten Auftritte machen mit dem Auto“, heißt es aus dem Förderverein. Der 1.1 Pickup ist als „Dienstwagen“ vorgesehen, der es dem Förderverein ermöglichen soll, zu Treffen zu fahren und ein „eigenes Auto“ zu präsentieren. Die Fertigstellung ist ein weiterer Meilenstein in der Bewahrung der automobilen Geschichte des August Horch Museums.

Die Stille Tragödie der DDR-Stars: Als die Scheinwerfer nach der Wende erloschen

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Es ist eine kaum ausgesprochene Wahrheit, die sich in den Biografien vieler ostdeutscher Künstler nach dem Mauerfall widerspiegelt: einst gefeierte Helden der DEFA, des Fernsehens und der großen Bühnen des Landes, die nach dem Ende der DDR in den Hintergrund gedrängt wurden. Millionen bewunderten sie, doch für viele bedeutete die politische Wende das Ende ihrer künstlerischen Existenz. Der Glanz verblasste, das Publikum wechselte, und mit der Zeit auch das Gedächtnis der Nation.

Viele dieser Persönlichkeiten verloren nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre Anerkennung, ihre Stimme und ihre künstlerische Heimat. Einige verschwanden aus der Öffentlichkeit, andere kämpften mit Krankheit, Demenz oder dem Vergessenwerden. Was bleibt, ist die drängende Frage, wie es geschehen konnte, dass diese Namen, einst so hell leuchtend, plötzlich ins Dunkel fielen.

Einige dieser Schicksale, die exemplarisch für eine ganze Generation stehen, umfassen:

Peter Reuße (1941-2022): Einer der gefragtesten DEFA-Schauspieler der 1960er und 70er Jahre, das Gesicht einer Generation, prägte Filme wie „Ich war 19“. Nach der Wiedervereinigung wurde es still um ihn, Rollen blieben aus. Er zog sich krankheitsbedingt zurück und starb 2022 im Alter von 81 Jahren fast unbemerkt von der medialen Welt, die ihn einst gefeiert hatte.

Helger Göring (1922-2010): Mit über 300 Film- und Fernsehrollen, darunter in Serien wie „Polizeiruf 110“, war sie eine feste Größe im kulturellen Leben des Ostens. Das neue Deutschland nach der Wende bot ihr keinen Platz mehr. Sie kämpfte in ihren letzten Lebensjahren mit Demenz und starb 2010 leise und fast vergessen in einem Pflegeheim.

Christel Bodenstein (1938-2024): Das „Märchengesicht“ einer ganzen Generation, bekannt als Prinzessin im Kultfilm „Das singende klingende Bäumchen“. Nach der Wiedervereinigung zog sie sich bewusst aus der Öffentlichkeit zurück. Sie starb 2024 in aller Stille, fernab großer Schlagzeilen.

Bodo Krämer (1945-2003): Ein Charakterdarsteller der Volksbühne Berlin und zahlreicher DEFA-Filme. Er blieb der Kunst treu, arbeitete in kleineren Projekten, doch der große Ruhm blieb aus. Er erkrankte an Krebs und verstarb 2003 mit nur 58 Jahren, sein Talent oft übersehen.

Klaus Peter Thiele (1940-2011): Als jugendliches Idol wurde er 1965 mit dem Antikriegsfilm „Die Abenteuer des Werner Holt“ über Nacht berühmt. Nach dem Mauerfall blieben die großen Rollen aus, und er zog sich in kleinere Projekte zurück. Er starb 2011 an einer schweren Krebserkrankung, beinahe unbemerkt.

Martin Eckermann (gest. 2005): Als Schauspieler und Regisseur jahrzehntelang für das Fernsehen der DDR tätig, war er ein beständiger Pfeiler der DDR-Kulturlandschaft. Nach dem Zusammenbruch des Systems kehrte er auf die Theaterbühne zurück und starb 2005 in Frieden, nicht im Rampenlicht, aber auch nicht im vollständigen Vergessen.

Rolf Römer (1935-2000): Eine Leinwandikone der DEFA durch Filme wie „Die Söhne der Großen Bärin“. Nachdem er sich 1976 offen gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns stellte, wurde er von der DDR-Kulturpolitik ausgegrenzt. Nach der Wende gelang ihm kein großer Neustart. Er starb 2000 bei einem tragischen Haushaltsunfall.

Margot Ebert (1926-2009): Über Jahrzehnte das vertraute Gesicht des DDR-Fernsehens, bekannt für ihre festlichen Weihnachtsprogramme. Nach der Wiedervereinigung verschwanden ihre Sendungen, und ihre Popularität fand im Westen keinen Widerhall. Die Einsamkeit lastete schwer auf ihr. 2009 setzte sie ihrem Leben selbst ein Ende – ein tragisches Finale, das zeigt, wie gnadenlos Ruhm vergehen kann.

Jan Spitzer Kasa (1947-2022): Ein vertrautes Gesicht des DDR-Fernsehens und Synchronsprecher mit markanter Stimme. Trotz seiner Vielseitigkeit verlor er den Kontakt zum großen Publikum und wurde kaum noch wahrgenommen. Er verstarb 2022 nahezu lautlos.

Alfred Müller (1926-2010): Zu DDR-Zeiten ein Superstar mit über 120 Film- und Theaterrollen, unvergessen seine Darstellung als Geheimagent in „Das unsichtbare Visier“. Nach der Wende verfielen seine Rollen in Vergessenheit, und er verlor das breite Publikum. Er starb 2010 an Krebs in einem Deutschland, das sich nicht mehr an seinen größten Fernsehstar erinnerte.

Die Lebensgeschichten dieser Künstler offenbaren ein kollektives Muster des Verschwindens. Sie waren einst Symbole einer Kultur, Träger von Hoffnung, Gesicht und Stimme einer ganzen Generation. Das neue Kapitel des Erfolgs blieb für viele aus, stattdessen folgten Rückzug, Stillstand, Einsamkeit bis zum leisen Tod.

Diese Namen sind nicht bloß Fußnoten der Filmgeschichte; sie sind eine Mahnung und Erinnerung zugleich. Denn wer das kulturelle Erbe eines Landes vergisst, verliert mehr als nur Geschichte – er verliert ein Stück Identität. Es ist an der Zeit, nicht nur zu gedenken, sondern ihre Werke, ihre Stimmen und ihre Gesichter wiederzuentdecken.

Sommer 1990: Die DDR im Aufbruch – Zwischen Tanzflächen, Trümmern und Tischen

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Der Sommer 1990 ist in der DDR eine Zeit des radikalen Wandels. Die D-Mark ist eingeführt, der Westen frei bereisbar, und die einst strikt getrennten Welten vermischen sich. Überall im Land ist der Umbruch spürbar – auf den Tanzflächen Ost-Berlins, in den zerfallenden Städten und an den Runden Tischen, wo ein neuer politischer Alltag beginnt.

Die mobile Disco: Ein DJ im Operncafé zwischen Ost und West
In Ost-Berlin legt DJ Jul, bürgerlich Ulrich Schleusner, im Operncafé unter den Linden auf. Die Zeiten, in denen er eine strikte Ost-West-Quote beachten musste, sind vorbei. Doch sein Job unterscheidet sich noch immer stark von dem seiner westdeutschen Kollegen. Jul ist ein „mobiler Diskjockey“. Er schleppt seine gesamte Ausrüstung – Verstärker, Mischpulte, Mikrofone, Abspielgeräte, Boxen, sogar Lichtanlagen – jeden Abend selbst an, da er sie aus Sicherheitsgründen nicht vor Ort lassen kann. In der DDR war der Begriff „Diskothek“ nicht wie international üblich ein fest installierter Raum, sondern ein Ort, der für eine Veranstaltung temporär vom DJ mit eigener Technik ausgestattet wurde.

Vor der Wende war der Beruf des Diskjockeys stark reglementiert. Man brauchte eine Berechtigung, die man durch Lehrgänge erwarb, die nicht nur technisches und musisches Wissen, sondern auch kulturpolitische Grundsätze vermittelten. Diskjockeys unterlagen staatlicher Kontrolle, und Agenten der Konzertagentur überprüften die Einhaltung der berüchtigten 60:40-Regel, die das Verhältnis von DDR- zu Westmusik vorschrieb. Doch angesichts eines „dünnen und flauen“ heimischen Musikmarktes umging man diese Vorgabe oft großzügig. Die Diskotheken dienten als Ventil für die Jugendlichen, eine Möglichkeit zur „Kanalisierung“, wo man über die Musikquote hinwegsehen konnte, um sie nicht „mit dem Kofferradio“ auf der Straße zu sehen.

Nach dem Fall der Mauer erlebt auch das Operncafé Veränderungen. Das „Niveau“ habe sich gesenkt, stellen die Mitarbeiter fest. Viele Besucher kommen nun, um „billig zu essen und billig zu trinken“, während andere neugierig „gucken“ kommen, wie es im Osten ist, so wie viele Ostdeutsche zuvor den Westen erkundeten. Auch für die DDR-Unterhaltungskünstler ändert sich viel. Während Helga Hanemann, eine bekannte Künstlerin, noch ihre Fans hat, kämpfen viele Kollegen mit „Dumpingpreisen“ aus dem Westen und müssen sich in einem neuen Umfeld von Kommerz und Konkurrenz zurechtfinden.

Der Palast der Republik im Zentrum Berlins, der ebenfalls ums Publikum und seine Zukunft kämpft, versucht mit zusätzlichen Angeboten die Menschen anzulocken. Er will seine ursprüngliche Vision als „Haus des Volkes“ verwirklichen, muss aber feststellen, dass das bisherige Publikum andere Dinge vorhat und das westberliner Publikum aufgrund eines „gespaltenen Images“ noch nicht gewonnen werden konnte.

Zerfall und Neuanfang: Görlitz kämpft um sein Erbe
Während sich das kulturelle Leben neu sortiert, offenbart sich in Städten und Dörfern der fortschreitende Verfall. Ein Beispiel ist Görlitz an der polnischen Grenze. Die einst stolze Stadt spiegelt heute die Tristesse einer geteilten Grenzstadt wider. Der von Kriegen weitgehend verschonte mittelalterliche Stadtkern und die repräsentativen Gründerbauten bilden ein „europaweit einmaliges Flächendenkmal“. Doch das, was Jahrhunderte überlebt hat, ist in nur 40 Jahren realem Sozialismus „verfallen, verkommen und buchstäblich verdreckt“.

Eine überparteiliche Bürgerbewegung, der „Aktionskreis Rettet die Stadt Görlitz“, hat sich gebildet, um dem Verfall entgegenzuwirken. Ihr Ziel ist es, Görlitz wieder zu einer Kultur- und Kongressstadt zu machen und Denkmäler wie das älteste Renaissancehaus Deutschlands, den Schönhof, zu rekonstruieren, um ein Zeichen zu setzen.

Runde Tische: Ein Vorgeschmack auf den demokratischen Alltag
Neben kulturellen und baulichen Umbrüchen vollzieht sich auch ein fundamentaler politischer Wandel. Bürgerinnen und Bürger verhandeln an Runden Tischen auf Augenhöhe mit Staatsvertretern – ein Novum und Vorgeschmack auf den demokratischen Alltag. In Quedlinburg im Harz verfolgt der Deutschlandfunkreporter Hansjürgen Fink die Arbeit eines solchen Runden Tisches. Moderiert von Pastorin Ursula Meckel aus Thale, spiegeln sich hier die Konfrontationen zwischen den alten Parteien und neuen Gruppierungen wider.

Diskussionen um den Bau eines Wasserbehälters zeigen die klassischen Fronten zwischen Umweltschützern und Technokraten. Das Misstrauen gegenüber Entscheidungen aus der Honecker-Zeit ist groß: „Gilt denn heute noch, was in der Honekerzeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Rücksicht auf die Umwelt genehmigt wurde?“. Die PDS, die Nachfolgepartei der SED, hat es schwer, Akzeptanz zu finden. Die Vorsitzende fühlt sich isoliert und muss sich Fragen nach der Herkunft von Parteieigentum wie dem „Haus der Einheit“ stellen lassen.

Trotz dieser Herausforderungen ermöglichen die Runden Tische den Bürgern erstmals Einblick in den Staatsapparat und die Verwaltungsangelegenheiten. Für Ludwig Müller vom Neuen Forum haben die Runden Tische einen „Übergangscharakter“, bis demokratische Wahlen stattfinden. Sie bewirken, dass die alten Strukturen nicht mehr „frei entscheiden können“ und jemand „ein Auge drauf hat“. Wolfgang Döcke vom Neuen Forum betont die „ganz neue persönliche Erfahrung“ im Umgang mit den Staatsorganen, nachdem die Bürger zuvor immer als „unmündig“ behandelt wurden.

Blick in die ungewisse Zukunft
Der Schriftsteller Erich Loest blickt bereits in die nahe Zukunft und misstraut den „Westimporten“ für die Führung der künftigen Landesparlamente und -regierungen. Die Personaldecke der Parteien ist dünn, und die Aufgaben in Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern – mit bröckelnder Landwirtschaft, Schiffbau und Tourismus – sind gigantisch. Persönliche Opfer sind gefragt, und die Frage nach Lebensqualität und Karriere im Umbruchland ist allgegenwärtig.

Doch trotz aller Schwierigkeiten und Unsicherheiten ist klar: Die DDR im Sommer 1990 ist ein Land, das aufbricht. Freiheit und Demokratie müssen gelernt werden, nicht nur von den Ostdeutschen, sondern im Miteinander. Es ist eine Zeit des Abschieds vom Alten und des vorsichtigen Betretens eines noch unbekannten neuen Weges.

Wo Goethes Geist auf Waldwandel trifft – Eine Reise mit der Harzer Schmalspurbahn

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Der Harz, das höchste Mittelgebirge Norddeutschlands, zieht seit Jahrhunderten Reisende in seinen Bann. Doch während Johann Wolfgang von Goethe einst die unberührte Natur als Forschungsreisender erkundete, erwartet heutige Besucher eine Landschaft im Wandel. Eine Fahrt mit der Harzer Schmalspurbahn zum sagenumwobenen Brocken offenbart nicht nur historische Pfade, sondern auch die dramatischen Spuren des Klimawandels und menschlicher Eingriffe.

Auf Goethes Spuren: Der Brocken als Inspirationsquelle
Johann Wolfgang von Goethe war zweifellos einer der berühmtesten Harzbesucher. Er kam nicht als Urlauber, sondern als Forschungsreisender, der sich den Bereichen Geologie und Bergbau widmete. Der Brocken, auf 1141 Metern Höhe gelegen, faszinierte ihn besonders, und er bestieg den Berg dreimal, erstmals am 10. Dezember 1777. Die Eindrücke und Erlebnisse seiner Harzreisen inspirierten ihn tief und fanden Eingang in sein literarisches Schaffen. So setzte er dem Brocken mit der berühmten Szene der Walpurgisnacht in seinem „Faust“ ein literarisches Denkmal, in der Hexen und der Teufel auf dem Brockenwipfel ein rauschendes Fest feiern.

Die Fahrt zum Gipfel: Eine technische Meisterleistung
Heute erreicht man den Brocken bequem mit der Harzer Schmalspurbahn. Ihre Lokomotive, eine Dampfmaschine, wiegt 60 Tonnen und verfügt über eine Leistung von 700 PS. Sie wird mit Wasser und Koks betrieben und schafft die Steigung zum Brocken als reine Adhäsionsbahn ohne zusätzliche Hilfsmittel wie ein Zahnrad. Die Spurbreite der Bahn beträgt 1000 Millimeter. Oben angekommen, lädt ein Rundwanderweg zum Spazieren ein, bevor es nach etwa zwei Stunden zurück nach Schierke geht. Dabei gilt: Die Bahn auf dem Brocken hat Vorfahrt, Züge müssen gegebenenfalls auf dem Abstellgleis oder einer Ausweichstelle warten.

Waldwandel: Ein „Trauermärchen“ für Goethe?
Doch der Blick aus dem Zugfenster und auf dem Gipfel offenbart ein erschütterndes Bild: kahlstehende Bäume. Dies ist das Ergebnis eines umfangreichen Waldsterbens, dessen Ursachen vielfältig sind. Neben der Monokultur von schnellwachsenden Kiefern und Fichten, die früh Gewinn versprechen, tragen auch zu wenig Niederschläge, der Klimawandel und der Borkenkäfer zu diesem Zustand bei. Um der Erosion vorzubeugen, lässt man die kahlen Bäume stehen.

Angesichts dieser Bilder drängt sich die Frage auf: Was würde Wolfgang von Goethe dazu sagen? Würden ihm noch Gedichte oder Verse einfallen? Vielleicht sogar eine Oper unter dem Titel „Das Trauermärchen“? Die Quellen reflektieren die Trauer über den Verlust von Jahrzehnten der Sauerstoffproduktion, der Freude und Gesundheit, die dieser Wald den Menschen einst spendete, und die ungenutzte Energie, die nun als totes Holz daliegt.

Die Reise zum Brocken ist somit heute nicht nur eine Hommage an Goethes Erbe, sondern auch eine mahnende Konfrontation mit den Herausforderungen unserer Zeit und dem dringenden Bedarf an Waldschutz und nachhaltigen Praktiken.

Spuk im Hochhaus: Der DDR-Kult, der mehr als nur Geisterjagden bot

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Lange bevor übernatürliche Elemente die amerikanische Kleinstadt Hawkins in Stranger Things heimsuchten, gab es in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bereits einen Kult, der Realität und Übernatürliches auf einzigartige Weise verband: „Spuk im Hochhaus“. Dieser ostdeutsche Fernsehstreich, der 1982 Premiere feierte, ist bis heute ein Phänomen, das Generationen begeistert und sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat.

Von kriminellen Wirten zu guten Geistern im Plattenbau
Die Handlung von „Spuk im Hochhaus“ beginnt im frühen 19. Jahrhundert, wo die gewissenlosen Wirtsleute Jette und August Deibelschmidt Gäste betäuben, ausrauben und töten. Als der Polizeikommissarius Friedrich Wilhelm Licht ihren betrügerischen Machenschaften auf die Schliche kommt, sterben alle drei in einem Brand. Doch der Kommissar belegt das Gaunerpärchen mit einem Fluch: 200 Jahre später, im Jahr 1982 der DDR, erwachen Jette und August als Geister in einem modernen Plattenbau.

Statt Schnaps und Bratpfanne erwarten sie nun Aufzüge, Wäscheleinen und lärmende Nachbarn. Ihre Aufgabe: Sie müssen Gutes tun, um Erlösung zu finden. Dabei steht ihnen der Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel des Kommissars Licht zur Seite, der zum heimlichen Verbündeten wird. Mit jedem Erfolg ertönt ein mysteriöser Gong, der als „Sound der Erlösung“ fungiert. Die Serie entfaltet sich über sieben Folgen, in denen Jette und August durch sieben Etagen und sieben Schicksale spuken. Der wahre Zauber liegt darin, dass sie als Geister bessere Menschen werden, als sie es je zu Lebzeiten waren. Es ist, wie es in der Reportage heißt, „sozialistisches Ghostbusting mit Bratpfanne und Gewissen“.

Die Geburt eines Spuk-Universums
„Spuk im Hochhaus“ war keine isolierte Idee, sondern die konsequente Weiterentwicklung der äußerst erfolgreichen Vorgängerserie „Spuk unterm Riesenrad“ aus dem Jahr 1979. Regisseur Günther Mayer und Drehbuchautor C.U. Wiesner hatten bereits mit dem ersten „Spuk“ ein Millionenpublikum begeistert. Die Idee zur ersten Serie entstand, als das DDR-Fernsehen Anfang der 1970er Jahre nach fantasievollen Kinderformaten suchte, die Unterhaltung und pädagogischen Wert vereinten. Wiesner orientierte sich an klassischen Märchenmotiven, doch statt Rittern und Prinzessinnen sollten moderne Kinder mit übernatürlichen Erscheinungen konfrontiert werden.

Für „Spuk im Hochhaus“ setzten Mayer und Wiesner bewusst auf ein neues Setting – ein Hochhaus im Osten Berlins – um den bewährten Zauber mit frischen Figuren und Alltagszenen zu verbinden. Die Serie wurde bewusst als Siebenteiler konzipiert, mit einer guten Tat pro Episode.

Tricktechnik made in DDR: Rauch statt Rechner
Mit einem Budget, das kaum für ein Walkie-Talkie in einer modernen Hollywood-Produktion reichen würde, musste „Spuk im Hochhaus“ auf handgemachte Filmtricks setzen. Die Trickabteilung des DDR-Fernsehens, geleitet von Heinz Goldmann, realisierte verblüffende Effekte:

Der Rückwärtstrick: Ein Schraubenzieher, der wie von Geisterhand in die Hand zurückschwebt, war einfach ein Werkzeug, das fallen gelassen und dann rückwärts abgespielt wurde.

Draht und Angelschnur: Unsichtbare Angelschnüre bewegten Tassen, Türen und Stühle.

Doppelbelichtung: Um transparente Geister darzustellen, wurde eine Szene zweimal gefilmt (einmal leer, einmal mit Schauspielern) und dann übereinandergelegt.

Spiegeltricks (Pepper’s Ghost): Ein schräg gestellter Spiegel reflektierte eine versteckte Szene ins eigentliche Bild, sodass Geister scheinbar durch Wände traten. Besonders eindrucksvoll war der Trick, bei dem Jette und August den Kopf durch eine Wand steckten. Die Schauspieler standen stundenlang auf einer Kiste, während eine Wand um ihre Köpfe herum tapeziert wurde, und wurden hinter der Wand gefüttert, da ihre Arme blockiert waren.

Miniaturen: Für verzauberte Häuserfronten kamen im Studio präparierte Modelle zum Einsatz.

Geräuschkulisse: Knarrende Türen, flüsternde Stimmen und Poltern aus dem Off schufen eine Atmosphäre, die die Geister im Kopf des Publikums zum Leben erweckte.

Ikonen des DDR-Fernsehens und der Geist der Serie
In den Hauptrollen glänzten Katja Parüla als Jette Deibelschmidt und Heinz Rennhack als August. Parüla, bereits gefeierte Bühnenkünstlerin, brachte als Jette eine grantige, warmherzige und herrlich übertriebene Darstellung auf den Bildschirm. Rennhack, bekannt als Komiker und Musiker, verkörperte August als liebenswerten Wichtigtuer mit perfektem Timing und Slapstick-Charme. Heinz Rennhack war auch für seinen Humor hinter den Kulissen bekannt, wie ein Vorfall im Schneideraum zeigt, als er nach der fünften Synchronisationsaufnahme für das Wort „Australien“ scherzhaft drohte, gar nichts mehr zu sagen, wenn er noch einmal die „rote Lampe“ sähe.

Auch andere bekannte Gesichter des DDR-Fernsehens waren dabei, wie Stefan Liszewski als Hausmeister Kegel, der als einziger Schauspieler in allen drei „Spuk“-Serien von Günther Mayer eine feste Rolle innehatte. Gary Wolf spielte sowohl den Kommissar Licht als auch dessen Ur-Ur-Ur-Urenkel. Sogar Regisseur Günther Mayer und Drehbuchautor C.U. Wiesner hatten Cameo-Auftritte in ihren Werken.

Durch das Zensurlabyrinth der DDR
Trotz seiner märchenhaften Verpackung musste die „Spuk“-Reihe einige Hürden der DDR-Zensur nehmen. Der ursprüngliche Titel für „Spuk unterm Riesenrad“, „Die Ausreißer“, wurde wegen der Assoziation mit „Ausreiseranträgen“ (Ausreiseanträgen) schnell verworfen. Auch der Dreh von Szenen auf dem Dach des HO-Kaufhauses am Alexanderplatz führte zu Problemen, als die Crew Fahnen zum 1. Mai entfernte und die Volkspolizei einschreiten musste.

Der wohl drastischste Eingriff betraf eine Szene in „Spuk unterm Riesenrad“, in der der Riese Würste um den Hals trug und volle Wurstauslagen zu sehen waren. Aufgrund einer „Fleisch- und Wurstknappheit“ in der Republik wurde diese Szene zensiert und elektronisch um 30 Sekunden gekürzt, da sie in der DDR „nicht gezeigt werden konnte“. Doch C.U. Wiesner setzte sich beim ZK dafür ein, sodass die Kürzung nur auf Matzband erfolgte und die ungeschnittene 35mm-Fassung später bei Wiederholungen gezeigt wurde. Insgesamt passierte die Serie die staatliche Kontrolle jedoch weitgehend unproblematisch, da ihre Kritik im Gewand des Märchens daherkam und nicht als direkte politische Botschaft wahrgenommen wurde.

Der Gong klingt weiter: Ein bleibendes Erbe
Der Soundtrack von „Spuk im Hochhaus“, komponiert von Thomas Natschinski, prägt die Serie akustisch entscheidend mit dem markanten Gong als Erkennungszeichen. Die Musik bewegt sich zwischen mystischen Klangteppichen, schrägen Themen und Spannungsmomenten, stets passend zur Mischung aus Grusel, Komik und Alltagsabsurdität.

„Spuk im Hochhaus“ wurde sogar international verkauft, unter anderem in die Sowjetunion, nach Polen, Kuba und andere „befreundete Staaten“, wo es oft als pädagogisch wertvoll galt. Das „Spuk-Universum“ wurde in den folgenden Jahren fortgesetzt mit „Spuk von draußen“ (1987), das Science-Fiction-Elemente einführte, und nach der Wende mit „Spuk aus der Gruft“ (1998), „Spuk im Reich der Schatten“ (2000) und „Spuk am Tor der Zeit“ (2002). Das Motiv des vermenschlichten Roboters „Opa Rudelwald“ aus „Spuk von draußen“ wurde zu einer der beliebtesten Figuren, so sehr, dass Schauspieler Uwe Detlef Jessen noch Jahre später von Fans in Springerstiefeln um Autogramme gebeten wurde.

Zuletzt kehrte die Spukwelt 2024 mit dem Kinofilm „Spuk unterm Riesenrad“ auf die Leinwand zurück, einer modernen Fortsetzung des Originals.

Für viele, die in der DDR aufwuchsen, ist „Spuk im Hochhaus“ ein Stück Kindheit, ein popkultureller Geisterzug durch Plattenbauten und Alltagsbeobachtungen. Während die Effekte für heutige Streaming-Generationen „eher kurios als kultig“ wirken mögen, bleibt die Serie ein „Zeitdokument mit Herz, Humor und Haltung“. Ihre Mischung aus absurder Komik, fantastischen Elementen und unterschwelliger Systemkritik trifft auch Jahrzehnte später einen Nerv. Der Spuk lebt weiter, ganz ohne Algorithmen und TikTok-Trends.

Erinnerungen an die Hochseefischerei der DDR

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Für viele, deren Arbeitsleben beendet ist, verblassen die Erinnerungen an Berufe, die einst das Leben prägten. Doch beim Anblick alter Filme oder Erzählungen werden diese Geschichten wieder lebendig und erzählen von einer Zeit, in der die Männer der DDR-Hochseefischerei auf den Weltmeeren zu Hause waren. Es waren Geschichten, die von Abenteuer, harter Arbeit und einem einzigartigen Zusammenhalt zeugen.

Ein Leben auf See: Vom Heimathafen zu fernen Fanggründen
Seit den 1970er Jahren zog es junge Männer in diesen anspruchsvollen Beruf. Nach einer anstrengenden 24-Stunden-Reise befanden sich die Seeleute auf dem Weg in den Südwestatlantik. Ihr Arbeitsplatz waren die Meere der Welt, oft weit entfernt von Rostock, dem Heimathafen. Die Reisen führten sie unter anderem nach Las Palmas, Namibia, Angola, in den Südwestatlantik, nach Kanada, zu den Inseln Südgeorgiens, in die Antarktis und die Tropen Namibias.

Eine typische Reise dauerte 100 Tage Fangzeit. Ein Beispielschiff war die „Rudolf Leonard“, ein Fang- und Verarbeitungsschiff, das vier Tage dämpfen musste, um 1000 Seemeilen südlich, über 200 Seemeilen vor der argentinischen Küste, zu den Fanggründen zu gelangen. Dort versammelten sich in der Hochsaison oft bis zu 300 Schiffe aus aller Welt, darunter elf Schiffe aus der DDR.

Der Fang: Kalamar und die globalen Märkte
Ein wichtiger Fang war der Kalamar (Tintenfisch), eine Delikatesse für Feinschmecker weltweit. Doch warum so weit fischen? Kapitän Fritz Suhrbier erklärte, dass die Ausdehnung der ökonomischen Zonen der Küstenstaaten auf bis zu 200 Seemeilen die Fischerei dazu zwang, Verträge und Lizenzen zu erwerben. Der Kalamar-Fangplatz im Westatlantik lag außerhalb dieser 200-Meilen-Zone. Der Kalamar war für die DDR von großer Bedeutung, da Haupabnehmer wie Japan und Spanien mit Devisen bezahlten, womit wiederum andere Materialien wie Hering oder Trawl in Schottland gekauft werden konnten. Neben Kalamar wurden auch Rotbarsch und Seehecht gefangen.

Die Fischerei war intensiv: Nach fünf Stunden wurde oft der erste Fang eingeholt. Die Arbeit war schwer, und Befehle mussten sofort verstanden und ausgeführt werden, um das beste Ergebnis zu erzielen. Neben der Schleppnetzfischerei bei Tag kam auch die Lichtangelei zum Einsatz, bei der riesige, über 1000 Quadratmeter große Fallschirme als Treibanker das Schiff stabilisierten und Stützsegel gehisst wurden, um Kalamar mit hakenbestückten Angelschnüren nach Sonnenuntergang anzulocken.

Leben und Karriere an Bord: Eine Gemeinschaft auf See
Die Besatzung eines Schiffes wie der „Rudolf Leonard“ zählte rund 90 Mann, darunter sechs Vollmatrosen oder Lehrlinge. Die Ausbildung zum Matrosen-Fischer dauerte drei Jahre. Nach einer theoretischen Grundausbildung erhielten die Lehrlinge an Bord den „letzten Schliff“. Ein guter Matrose benötigte etwa zwei bis drei Jahre Erfahrung.

Die Aufstiegsmöglichkeiten waren vielfältig. Matrosen konnten nach dem Wehrdienst eine Ingenieurschule für Seefahrt besuchen, ein vier- bis viereinhalbjähriges Direktstudium absolvieren und als nautischer Offizier in die Flotte zurückkehren. Auch eine Qualifikation an Deck als Netzmacher oder Bestmann war möglich, oder ein Studium zum Lebensmittelingenieur, um als Leitender Ingenieur für Produktion zu arbeiten. Kapitän Fritz Suhrbier selbst begann 1953 als Lehrling und wurde nach Seefahrtschulen und verschiedenen Positionen ab 1972 durchgehend Kapitän. Im Grunde konnte jeder Matrose mit entsprechendem Engagement Kapitän werden.

Das Leben an Bord war jedoch nicht nur Arbeit. Während eine Hälfte der Besatzung in Produktion, auf der Brücke oder im Maschinenraum arbeitete, hatte die andere Hälfte freie Wache. In der Mannschaftsmesse gab es täglich Video- und Filmvorführungen, und die Bücherschränke waren gut gefüllt. Die Verpflegung war ausgezeichnet; Kameramann und Tonmeister nahmen nach einigen Wochen an Bord sogar zu. Die Stimmung an Bord war gut, und die Arbeit in der Kombüse trug dazu bei.

Begegnungen auf hoher See waren keine Seltenheit. Die Schiffe der DDR-Hochseefischerei trafen sich, tauschten Güter wie Frischgemüse, Obst oder Fangzubehör aus und versorgten sich gegenseitig. Auch Besatzungswechsel fanden oft auf See statt, wie bei der „Jungen Garde“, dem Flaggschiff der DDR-Flotte im Südwestatlantik.

Motivation und Heimkehr: Der Reiz der Ferne
Was trieb diese Männer an? Viele wollten die „große weite Welt sehen“ und erlebten einen Beruf, in dem „jeder Tag anders“ war, ohne den gleichen Trott. Der Verdienst spielte ebenfalls eine Rolle. Und trotz der langen Abwesenheit vom Zuhause, manchmal 100 Tage, hatten Hochseefischer paradoxerweise oft mehr zusammenhängende Zeit für die Familie als „normale“ Landarbeiter, da sie über 30 Tage Grundurlaub hatten, plus Sonntage und Feiertage. Diese Zeit wurde für Familienausflüge, Hobbys und Urlaub genutzt. Die Heimkehr war für viele das Beste an allem.

Auch wenn sich der Winter im Südwestatlantik ankündigte, während zu Hause Sommer war, blieben die Hochseefischer ihren Aufgaben treu. Sie bereisten vier Kontinente in 100 Tagen. Andreas Lehmann, ein Matrose, der auf dieser Reise zum Vollmatrosen avancierte, schätzte die Fachkenntnisse der nautischen Offiziere und Matrosen – es waren alles „ganze Kerle“, die ihren Mann standen.

Diese Geschichten sind ein lebendiges Zeugnis einer Zeit, in der das Meer nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern ein Lebensraum voller Abenteuer und harter Arbeit für die Männer der DDR-Hochseefischerei war.

Tödliche Tabus im Sozialismus: Wenn Verbrechen das Bild einer heilen DDR zerstören

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Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) propagierte sich als Staat ohne Mord und Totschlag, doch die Realität sah oft anders aus. Kriminalität, insbesondere schwere Verbrechen, passte nicht zum verordneten sozialistischen Menschenbild. Wenn dennoch Verbrechen geschahen, wurden Angehörige von Opfern zum Schweigen gebracht, Ermittlungen behindert und Fakten vertauscht – oft unter direkter Einflussnahme der Staatssicherheit (Stasi). Vier mysteriöse Kriminalfälle der DDR beleuchten, wie die Staatsmacht versuchte, das eigene Bild zu schützen und dabei Gerechtigkeit für Opfer und Hinterbliebene verhinderte oder verzögerte.

Der tödliche Schuss in Güstrow: Werner F. und die vertuschte Bluttat
Kurz vor Weihnachten 1984 eskaliert eine Betriebsfeier in Güstrow tödlich. Uwe Kowski, Wolf-Dieter Runge und Frank Nitsch, auf dem Heimweg von einer feuchtfröhlichen Weihnachtsfeier, bleiben am Zaun der Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) stehen. Dort feiert Unterleutnant Werner F. seinen 60. Geburtstag und hat trotz Wachdienst getrunken. Als die jungen Männer einen Wachhund reizen, stellt Werner F. sie und fordert ihre Ausweise. In der folgenden Auseinandersetzung zückt der Unterleutnant plötzlich seine Pistole und schießt ohne Vorwarnung aus Nahdistanz auf die drei Männer. Uwe Kowski stirbt noch am Tatort, Wolf-Dieter Runge erliegt zwei Tage später am Heiligabend seinen Schussverletzungen und hinterlässt ebenfalls Frau und Kinder. Frank Nitsch überlebt verletzt.

Die Angehörigen werden erst am nächsten Tag benachrichtigt und erhalten nur die halbe Wahrheit: Ihr Sohn habe militärisches Gelände betreten und sei dabei erschossen worden. Die Stasi streut die Version, Werner F. habe in Notwehr geschossen, da die jungen Männer auf der Dienststelle randaliert hätten. Intern jedoch untersucht die Stasi den Fall genau und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Haftbefehl gegen Werner F. wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Obwohl bekannt war, dass Werner F. bereits früher unter Alkoholeinfluss eine Waffe benutzt hatte und die Stasi ihn selbst als „intellektuell unterdurchschnittlich begabt und einfach strukturiert“ einschätzte, setzte der Staat die Angehörigen massiv unter Druck, keine Zweifel an der offiziellen Version zu schüren.

Trotz Drohungen, wie der Aufforderung an Sigmund Kowski, seinen Sohn „endlich in Frieden ruhen zu lassen“, und dem Versuch, ihm einen falschen Fußabdruck zu zeigen, ermitteln die Eltern der Opfer auf eigene Faust. Die Stasi dokumentiert den Unmut in Güstrow akribisch und befürchtet Proteste. Viele meiden die Familien aus Angst vor der Stasi. Die Vertuschung passt zur damaligen staatlichen Praxis, das Bild einer „heilen Welt“ zu inszenieren, wie etwa beim Honecker-Besuch von Helmut Schmidt 1981, bei dem die Stadt abgeriegelt und systemkritische Bürger weggesperrt wurden.

Im Januar 1985 wird Werner F. aus der Untersuchungshaft entlassen, muss lediglich umsiedeln und den Dienst quittieren – eine Strafe erhält er zunächst nicht. Erst Jahre später, während der Friedlichen Revolution 1989, gelingt es dem Bürgerrechtler Heiko Lietz, der den Fall auch den Westmedien zugespielt hatte, ein Verfahren gegen Werner F. in Gang zu setzen. Im Dezember 1990 verurteilt ein Gericht den ehemaligen Stasi-Wachmann wegen zweifachen Totschlags und eines weiteren versuchten Totschlags zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Ein Gedenkstein in Güstrow erinnert heute an die Opfer staatlicher Gewalt in der DDR.

Der Fall Nancy Gruppe: Ein ungeklärtes Verbrechen im Sperrgebiet
Im Frühjahr 1986 verschwindet die elfjährige Nancy Gruppe aus Burg spurlos. Zwei Monate später machen Polizisten auf dem Elbe-Havel-Kanal eine grausame Entdeckung: In einem Jutesack liegt Nancys Leiche. Das Mädchen wurde erstickt und sexuell missbraucht. Die Ermittlungen der Morduntersuchungskommission Magdeburg und der Stasi laufen auf Hochtouren. Flugblätter, Plakate und sogar Lautsprecherwagen werden eingesetzt, um die Bevölkerung um Hilfe zu bitten – eine ungewöhnliche Maßnahme, die zeigt, wie ernst der Fall genommen wurde. Die DDR pflegte ein öffentliches Bild von Kriminalität, das eher von Kleinkriminellen bestimmt war; schwere Verbrechen wie dieses passten nicht ins Bild.

Eine heiße Spur führt zu einem „Onkel Wolfgang“, von dem Kinder erzählten, dass er Altstoffe sammelte und ihnen dafür Geld gab. Doch dieser „Onkel Wolfgang“ kann nie identifiziert werden. Um unauffällig in Wohnungen und Kellern zu ermitteln, geben sich die Beamten als Brandschutzkontrolleure aus. Doch auch diese umfassende Suche bleibt erfolglos, und der Fall wird auf Eis gelegt.

Erst 1995 wird der Fall von der Stendaler Mordkommission wieder aufgerollt, und der Journalist Bernd Kaufholz bringt ehemals geheime Details ans Licht. Ein Mann namens Helmut H., der zur Tatzeit in der Landwirtschaft wie Nancys Eltern arbeitete und keinen Führerschein hatte, gerät ins Visier. Die damaligen Ermittler hatten ihn aufgrund eines „Denkfehlers“ nicht beachtet, da sie davon ausgingen, dass er ohne Führerschein nicht fahren würde. Helmut H. soll Verbindungen zur Stasi gehabt und daher von den Ermittlern des MfS statt der Kripo verhört worden sein. Doch die letzte Chance zur Aufklärung zerschlägt sich: Kurz nach Veröffentlichung des Falls nimmt sich Helmut H. das Leben. Der Fall Nancy Gruppe ist bis heute ungeklärt.

Tod an der Kaserne: Zwei Brüder erschossen, die Stasi schweigt
1987, kurz nach dem Vorfall um Mathias Rust, sind die Nerven in der Sowjetarmee angespannt. In Fürstenberg, Ortsteil Trübenhorst, leben Uwe (19) und Christian Bär (16) mit ihrer Familie direkt neben einer sowjetischen Kaserne. Es ist für sie normal, dort im Wald Schrott und Flaschen zu sammeln. Am 11. Juni 1987 hören sie zwei kurze Feuerstöße aus einer Maschinenpistole. Ihre beiden Söhne Uwe und Christian wurden von einem jungen russischen Soldaten erschossen, der seit 24 Stunden Wachdienst schob. Offiziell hieß es, der Soldat sei angegriffen worden und habe in Notwehr gehandelt.

Das Stationierungsabkommen zwischen der Roten Armee und der DDR schloss die Anwendung deutschen Rechts aus, wenn der Sowjetsoldat die Tat im Dienst beging. Es gab keinen einzigen Fall, in dem ein sowjetischer Straftäter von deutscher Seite belangt wurde. Eine Strafverfolgung hätte ein Eingeständnis von Kriminalität innerhalb der Armee bedeutet, was offiziell nicht existieren durfte. Die Stasi-Unterlagen zeigen, dass die Tötung der Brüder nur eines von rund 300 Delikten sowjetischer Soldaten innerhalb von sechs Monaten allein im Bezirk Potsdam war.

Der Vater der Jungen, Horst Bär, wird wochenlang von mindestens drei inoffiziellen Mitarbeitern aus seinem Familien- und Freundeskreis bespitzelt. Die Stasi befürchtet Proteste gegen den „großen Bruder“ und zensiert sogar Todesanzeigen und Grabinschriften. Horst Bär kämpft um Aufklärung und nimmt sich einen Anwalt, Wolfgang Schnur. Doch Schnurs Versprechen, sich um den Fall zu kümmern, ist vorgetäuscht: Wolfgang Schnur ist selbst ein Stasi-Spitzel und leitet die gesamte Korrespondenz an die Stasi weiter. Zu einem Prozess gegen den sowjetischen Soldaten kommt es nie. Erst 1990 lässt Horst Bär die Grabinschrift für seine Söhne nachträglich im Sinne der Wahrheit gestalten.

Der Mord an Pastorin Waltraud Pieper: Ein weiterer Fall mit Stasi-Schatten
Wernigerode 1988: Die Pastorin und Seelsorgerin Waltraud Pieper verschwindet nach einem Sommerurlaub. Sie ist Mitglied im Weltkirchenrat, hat internationale Kontakte und setzt sich für Menschenrechte ein. In der DDR konnten Menschen von einem Tag auf den anderen verschwinden und in Bautzen wieder auftauchen, insbesondere kritische Kirchenleute, die Umweltschützern und Oppositionellen Schutz boten.

Anfang September finden zwei Schülerinnen ihre Leiche in einem Waldstück nahe der Zonengrenze. Die Pastorin wurde erwürgt. Die Grenznähe macht den Fall besonders heikel, da das Gebiet Sperrzone ist und Reisen dorthin genehmigungspflichtig waren. Die Stasi ist auch hier stark präsent und verfügt über die beste technische und materielle Ausstattung für Ermittlungen. Es kommt sogar zu Kompetenzstreitigkeiten am Tatort, da die Stasi der Rechtsmedizinerin aus Magdeburg den Zugang verweigert. Kurze Zeit später jedoch scheint die Stasi ihr Interesse am Fall zu verlieren, und die Akte bleibt dünn, was Gerüchte befeuert.

Die Kripo ermittelt monatelang, doch ohne Erfolg. Drei Jahre später, 1991, stößt der Kriminalist Bernd Lambrecht auf einen alten Verdächtigen: Ein 600-facher Straftäter, der kurz vor dem Mord nach Wernigerode gezogen war. Er hatte 22 Jahre im Gefängnis gesessen, weil er einen Jungen im Wald missbraucht und getötet hatte. Ein zerbrochenes Brillenglas am Tatort passt zu diesem Mann. Doch durch die Wirren der Wende sind viele Unterlagen verloren gegangen, und der Verdächtige, der heute wegen einer anderen Sexualstraftat im Maßregelvollzug sitzt, bestreitet den Mord an der Pastorin. Der Fall Waltraud Pieper ist bis heute ungeklärt.

Diese Fälle zeigen exemplarisch, wie die DDR-Behörden Verbrechen nicht nur vertuschten, sondern auch Ermittlungen behinderten und die Rechte von Opfern sowie ihren Angehörigen massiv beschnitten, um das offizielle Bild eines makellosen sozialistischen Staates aufrechtzuerhalten. Die Gerechtigkeit für viele kam, wenn überhaupt, erst nach dem Fall der Mauer.

Satire trifft Überzeugung: Als Börner auf Schnitzler traf

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Im April 1997 kam es zu einem bemerkenswerten Zusammentreffen zweier Persönlichkeiten, die auf ihre Weise Fernsehgeschichte geschrieben haben: Hans-Jürgen Börner, bekannt als Moderator der NDR-Satiresendung „Extra 3“, interviewte Karl Eduard von Schnitzler, den legendären Moderator des „Schwarzen Kanals“ im DDR-Fernsehen. Das Gespräch bot tiefe Einblicke in Schnitzlers Arbeitsweise und seine unerschütterlichen Überzeugungen.

Der „Schwarze Kanal“ wird in den Quellen als „die Mutter aller Satiresendungen“ bezeichnet. Doch für Schnitzler war seine Sendung weit mehr als nur Satire im herkömmlichen Sinne. Auf die Frage nach der Dramaturgie oder Methode seiner Sendung erklärte er unmissverständlich: „Ich habe keine Dramaturgie gehabt. Ich habe eine politische Überzeugung gehabt und ich habe Fakten gehabt, die ich dem BRD Fernsehen entnehme“.

Diese politische Überzeugung definierte er klar: „Ich bin Kommunist und das war dann auch das Konzept der Sendung“. Für Schnitzler war dies nicht nur eine persönliche Haltung, sondern eine notwendige Voraussetzung, um sich „mit dem Imperialismus wirklich wirksam und ehrlich auseinanderzusetzen“. Dazu sei eine „materialistische Überzeugung und Bildung“ unerlässlich.

Schnitzler zeigte sich überzeugt von der Richtigkeit seiner damaligen Analysen. Eine Anekdote aus dem Gespräch unterstreicht seine kompromisslose Haltung: Er erwähnte lachende Kameraleute in einer Livesendung des Westfernsehens und betonte, dies wäre bei seiner Sendung „unmöglich“ gewesen.

Ein zentraler Punkt des Interviews war Schnitzlers Sicht auf die Deutsche Wiedervereinigung. Er lehnte den Begriff der Wiedervereinigung vehement ab: „Es gibt keine Wiedervereinigung oder es hat keine gegeben. Es hat auch keine oder wollen Sie sagen das war eine Wiedervereinigung? Was ist denn wieder vereinigt worden? Ein sozialistisches Deutschland ist beseitigt worden, ein kapitalistisches Deutschland hat sich ausgedehnt. Das ist doch keine Vereinigung geschweige denn eine Wiedervereinigung“. Für ihn war der übergeordnete Begriff die „gesellschaftliche Ordnung“, nicht die Nation oder der Staat. In diesem Kontext verwies er auf die Ansichten Erich Honeckers zur Frage der Nation und Staatsangehörigkeit, der zwischen deutscher Nationalität und DDR-Staatsangehörigkeit unterschied.

Das Gespräch zwischen Börner und Schnitzler bot somit nicht nur eine Begegnung zweier Fernsehgrößen, sondern auch einen faszinierenden Einblick in die ideologischen Fundamente, auf denen „Der Schwarze Kanal“ aufgebaut war.