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DDR feiert 20. Geburtstag mit Stolz und Kampfbereitschaft

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Die Deutsche Demokratische Republik hat ihren 20. Gründungstag mit einer Reihe von festlichen und machtvollen Demonstrationen begangen, die von einem tiefen Gefühl des Stolzes auf die errungenen sozialistischen Erfolge und einer entschlossenen Kampfbereitschaft für die Zukunft geprägt waren. Überall im Land wurde der „Aufbruch ins dritte Jahrzehnt“ zelebriert, mit einem besonderen Fokus auf die Jugend und die bewaffneten Organe, allen voran die Nationale Volksarmee (NVA).

Die Feierlichkeiten begannen traditionell mit einem Wachaufzug der Nationalen Volksarmee am Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus. Wenige Stunden später versammelte sich die Jugend der DDR im Schein von Fackeln, um sich zu ihrem sozialistischen Staat zu bekennen. An ihrer Seite marschierten 15 Offiziere, Fackelträger der historischen Kampfdemonstration vom Oktober 1949, darunter Oberstleutnant Hans, der betonte, wie dieser Marsch vor 20 Jahren einen tiefen und bleibenden Eindruck hinterlassen und ihn zum Angehörigen der bewaffneten Organe gemacht hatte. Er erinnerte an die schweren Stunden des Anfangs und das Aufblühen der Republik, symbolisiert durch den Aufbau des Zentrums der Hauptstadt. Das Wichtigste sei jedoch das Wachstum des „neuen sozialistischen Menschen“ und der „sozialistischen Menschengemeinschaft“. Hans drückte seinen Stolz aus, als Offizier der NVA einen Teil dazu beigetragen zu haben und auch in Zukunft mithelfen zu wollen, die Menschen zu erziehen, die das Jahr 2000 gestalten werden.

Um dieses „große Werk“ zu würdigen, reisten Gäste aus 84 Ländern zur Geburtstagsfeier an. An der Spitze stand eine sowjetische Militärdelegation mit Marschall der Sowjetunion Konew und Marschall der Sowjetunion Tschuikow, die beide aktiv den Grundstein für ein sozialistisches Deutschland gelegt hatten. Ein „Spalier der heißen Herzen“ begleitete sie vom Flugplatz bis nach Berlin Niederschönhausen.
Die NVA präsentierte sich auf den Feierlichkeiten als Garantin des Friedens und des Sozialismus. So hatten sich 5000 Grenzsoldaten die Schützenschnur erkämpft, um die Staatsgrenze der DDR zuverlässig zu schützen. Mit etwa 50 Exponaten war die NVA auch auf der diesjährigen „Messe der Meister von Morgen“ vertreten, wobei die Arbeiten eindeutig auf die Unterstützung und Verbesserung der Gefechtsausbildung ausgerichtet waren. Die Tätigkeit der Neuerer an der Offiziersschule „Ernst Thälmann“ erbrachte einen Nutzen von rund 24.000 Mark. Aus den Reihen der Luftstreitkräfte und Luftverteidigung kamen 475 neue Kandidaten für die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED).

Besondere Erwähnung fanden die Teilnehmer des Manövers „Oder-Neiße 69“, die ihr „größtes militärisches Examen“ in diesem Jahr erfolgreich mit ihren sowjetischen, polnischen und tschechoslowakischen Waffenbrüdern bestanden hatten. Auch die Matrosen der Volksmarine schlossen ihre Jagdaufgaben sowie das Torpedo- und Raketenschießen mit der Note „sehr gut“ ab.

Ein junger Gefreiter namens Stössel berichtete stolz von seiner Teilnahme an der Rechenschaftslegung der jungen Generation vor dem Politbüro, wo er mit neun weiteren Genossen der NVA Genossen Walter Ulbricht ihre Wettbewerbsergebnisse melden durfte. Dies sei ein Höhepunkt in seinem Leben gewesen, der bewies, dass ihre Leistungen denen von Kollegen aus Betrieben und Hochschulen in nichts nachstünden.

Die militärischen Vorführungen der Volksmarine im alten Hafen von Rostock, vor der Bevölkerung der Ostseemetropole und einer Delegation des Politbüros unter Leitung des Genossen Friedrich Ebert, zeigten den hohen Kampfwert und die ständige Gefechtsbereitschaft der Matrosen und Soldaten. Diesen Vorführungen war eine Flottenparade vorausgegangen, an der auch Einheiten der baltischen Rotbannerflotte beteiligt waren, was als besonderer Geburtstagsgruß der sowjetischen Waffenbrüder gewertet wurde: „Ihr, unsere Waffenbrüder, wart und seid unbesiegbar“.

Den Abschluss der Feierlichkeiten bildete die Ehrenparade der Nationalen Volksarmee auf dem Berliner Marx-Engels-Platz. Diese „gewaltige Berliner Kampfdemonstration“ unterstrich die Worte Walter Ulbrichts, dass der sozialistische Staat das „Gewissen der ganzen deutschen Nation“ sei, da er den „aggressiven Ränken und Plänen des westdeutschen Imperialismus, Militarismus und Neonazismus eine Barriere entgegensetzt“ und dem Werk des Humanismus und Friedens dient. Die Soldaten demonstrierten ihre Bereitschaft und Entschlossenheit, ihren militärischen Klassenauftrag vorbildlich zu erfüllen. Sie gehen mit „revolutionärer Leidenschaft, optimistisch und lebensfroh, wachsam und verteidigungsbereit“ dem dritten Jahrzehnt ihres sozialistischen Vaterlandes entgegen.

Ein junger Bürger, der seinen 20. Geburtstag zeitgleich mit der Republik feierte, zeigte sich beeindruckt von den Feierlichkeiten mit der Berliner Bevölkerung und den jungen Sozialisten. Er gelobte, sein Kollektiv werde bei der „Operation 70“ wieder an der Spitze stehen, sei es in der Gefechtsausbildung oder beim Schutz der Staatsgrenzen. Es werde keinen Stillstand geben, sondern die Maßstäbe im sozialistischen Wettbewerb noch höher gesteckt, um den Klassenauftrag vorbildlich zu erfüllen.

Die Losung für die kommenden Jahre ist klar: „stets kampfbereit zu denken, die militärische Ordnung und Disziplin zu festigen und unsere Kampfkollektive zu entwickeln“, um für das dritte Jahrzehnt „gefechtsbereit“ zu sein. Die Feiern zum 20. Geburtstag der DDR waren somit nicht nur ein Rückblick auf Erfolge, sondern ein leidenschaftlicher Appell an die Zukunft, um weiterhin Höchstleistungen für die Gestaltung des sozialistischen Vaterlandes zu vollbringen.

Die ersten 100 Mark: DDR-Bürger stürmen Herleshausens Geschäfte

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Herleshausen, November 1989 – Die kleine Grenzgemeinde Herleshausen, die sich in diesen Tagen wie eine Stadt gebärdet, ist fest in den Händen der Besucher aus der Deutschen Demokratischen Republik. Nach einer bewegenden ökumenischen Kundgebung in Fulda, die von Kerzenlicht und vielen ausgetauschten Worten sowie Tränen geprägt war, strömen Hunderte von Trabis und Wartburgs mühsam durch die engen Gassen, bevölkern die Straßen und verleihen dem örtlichen Handel einen ungeahnten Aufschwung.

Ein neues Straßenbild und das „Warenwunder“ Das ungewohnte Bild von langen Warteschlangen vor den Geschäften, das Bundesbürger bislang nur aus der DDR kannten, prägt nun Herleshausen. Nur grüppchenweise werden die Kunden eingelassen, da die Verkaufsräume dem Ansturm kaum standhalten. Die Geschäfte hatten sich vorbereitet, insbesondere mit Obstlieferungen. Die Konfrontation mit dem Warenangebot sorgt für ungläubiges Staunen und Verwirrung bei den DDR-Bürgern, die Waren aus nächster Nähe sehen und anfassen können, die ihnen bestenfalls aus dem Westfernsehen bekannt waren.

Eine Besucherin aus Dresden beschreibt ihre Gefühle als „ohne Worte“. Sie ist überwältigt vom Anblick dessen, was sie zuvor nur im Fernsehen gesehen hat. Die Menschen seien freundlich, hätten sie trotz Nebel am Morgen begrüßt und niemand habe eine böse Miene gezeigt, als sie das Begrüßungsgeld annahmen. Doch die Fülle überfordert auch: „Im Moment geht alles so durcheinander. Wir wissen ja gar nicht, was wir kaufen sollen“, berichtet sie, während sie sich nach Kaffee und Geschenken für ihre Enkel umschaut. Mancher Besucher verlässt die Geschäfte ohne etwas gekauft zu haben, doch die Kasse stimmt für den örtlichen Einzelhandel, der angesichts seiner bisherigen Randlage nicht gerade auf Rosen gebettet war.

Verbitterung und Sehnsucht nach Normalität Vor den Ladeneingängen mischt sich die Freude über das neue Angebot mit einer tiefen Verbitterung über die wirtschaftliche Situation in der DDR. Eine Besucherin beklagt, dass sie „nicht eine Weintraube zu sehen gekriegt“ habe. Sie fragt sich, wofür sie 40 Jahre lang gearbeitet haben, nur für die DDR, während andere sich alles beiseitegeschafft hätten.

Herzliche Wiedersehen und die Kraft der Emotionen Doch weit wichtiger als die hastig gepinselten Werbeschilder sind jene, die die Besucher aus „drüben“ willkommen heißen. Auf den Straßen kommt es immer wieder zu herzlichen Umarmungen, wenn sich Freunde und Verwandte treffen. Deutsche aus Ost und West suchen und finden sich in Herleshausen. Eine besonders bewegende Begegnung findet statt, als eine Mutter ihren Sohn nach über einem Jahr Trennung wiedersieht. Das Gefühl sei unbeschreiblich, so die Mutter: „Wir haben so lange auf den Tag gewartet“.

Das Begrüßungsgeld: Eine Brücke in den Westen Vor der Gemeindeverwaltung, der Sparkasse und der Post bilden sich lange Warteschlangen. Die Besucher holen das sogenannte Begrüßungsgeld ab – jene 100 Mark, die jeder aus Bundesmitteln erhält. Zeitweise reicht das Geld nicht aus, doch die Menge wartet geduldig auf Nachschub. Ein Besucher berichtet, dass er kurz vor halb vier angekommen sei und sich sofort angestellt habe. Auch wenn die 100 Mark nicht viel sind, ermöglichen sie den Besuchern, erstmals Dinge zu kaufen, die für sie lange Zeit unerreichbar waren. Viele äußern den Wunsch, bei einem Wiederkommen am liebsten mit eigenem Geld einzukaufen.

Herleshausen ist in diesen Tagen mehr als nur ein Grenzort; es ist ein Schmelztiegel der Emotionen, ein Ort des Wiedersehens und der ersten Berührung mit einer lange entbehrten Warenwelt. Ein historisches Ereignis, das die Menschen aus Ost und West auf eine zutiefst menschliche Weise verbindet.

Wie die SED-Elite das Volk ausplünderte – Ein Paradies für die Jagd, eine Hölle für die Staatskasse

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Die Schorfheide, ein nahezu 300 Quadratkilometer großes, einst feinstes Jagdgebiet, war weit mehr als nur ein Rückzugsort für die Führung der Deutschen Demokratischen Republik. Sie wurde zum Symbol einer maßlosen Verschwendung von Volksvermögen und zeugte von der pathologischen Jagdleidenschaft einer Elite, angeführt von Erich Honecker und Günther Mittag. Während das einfache Volk Entbehrungen erlitt, wurde hier ein privates Vergnügen auf Kosten des Staates zelebriert, das Millionen verschlang und jegliche „Weidmannsart“ vermissen ließ.

Ein künstliches Jagdparadies mit luxuriösem Komfort Schon in den 1960er Jahren wurde die Schorfheide gezielt zu einem „repräsentativen Staatsjagdgebiet“ ausgebaut, das trotz forstwirtschaftlicher Nutzung vor allem „jagdliche Erfolge für Gäste aus aller Welt“ garantieren sollte. Das heutige Landschaftsschutzgebiet war damals hermetisch abgeriegelt: Zwei Meter hohe Wildzäune erstreckten sich über Meilen, zehntausende Bäume waren einzeln eingezäunt. An offenen Einsprüngen wurde das Wild ins Paradies gelockt, während Steilwände den Rückweg versperrten. Ein nagelneuer Zaun, der eine „Wildfalle“ dicht machte, hatte noch keinen Rost angesetzt.

Der Komfort für die betagten Jagdgenossen war beispiellos: Statt unbequemer Leitern führten komfortable Treppen zu den Hochständen. Diese waren strategisch direkt an den Futterstellen platziert, in bester Schusslinie. In der Nacht wurden die gefüllten Tröge und Futterraufen sogar von Halogenlicht bestrahlt – perfekte Bedingungen für den Jagdgenossen Honecker.

Millionen für ein teures Hobby Die Kosten für dieses luxuriöse Hobby waren astronomisch und wurden direkt vom Staatshaushalt getragen. Jährlich mussten acht Millionen Mark für die Verluste aus der Forstwirtschaft aufgebracht werden. Allein für die Wildfuttertröge wurden jedes Jahr 3,3 Millionen Mark für „Kraftfutter feinster Mischung“ ausgegeben. Ein ehemaliger Förster erinnerte sich, dass diese Mengen „tonnenweise mit LKWs angefahren“ wurden, während „was wir auch gerne mal haben wollten, das gab’s überhaupt nicht“.

Auch die Infrastruktur war aufwendig: Eine Jagdhütte im Revier von Günther Mittag war isolierverkleidet und im Winter mit einem Sägemehlofen beheizt. Für die Zwischenlagerung der erlegten Beute wurden spezielle Wildhallen errichtet. Eine solche Halle für Günther Mittag spendierte das Ministerium für Verteidigung 1984 für rund 70.000 Mark. Sogar eine Gülle-Anlage, die 1986 auf Anordnung Mittags aus der Nachbarschaft seines Reviers verlegt werden musste, weil sie stank, kostete über sechs Millionen Mark. Ein „großzügiges Pumpensystem“ mit Beregnungsanlage für 6,4 Millionen Mark versorgte 30 künstlich angelegte Wildecker mit „frische fürs äsende Wild“. Honeckers Jagdleiter bezeichnete dies zwar als „mehr eine Feuerlöschanlage“, wurde aber vom Staatsratsvorsitzenden für die „vorbildliche Organisation der Jagdleidenschaft“ mit einem 750.000 Mark teuren Anwesen belohnt, das er heute noch für 85 Mark Monatsmiete bewohnt.

„Schießbude für das Zentralkomitee“ und Honeckers Obsession Von „Selektionsabschuss“ oder „Wildbeobachtung“ war in der Schorfheide keine Rede. Obwohl es „proletarisch international“ unüblich war, Wild an Futterplätzen abzuschießen, wurde dies hier praktiziert. Stattdessen pirschten sich die Herren bei Pilsner Urquell und Cognac behaglich an getarnte Schusslöcher, vor denen sich umzäunte Wildecker mit sattgefressen Rotwild befanden – „zehnmal mehr als in einem normalen Bestand“. Es war eine „Schießbude für das Zentralkomitee“. Der Jagdeifer nahm am Schluss derartige Ausmaße an, dass es hieß: „aus dem Auto rausspringen, gucken, schießen, reinspringen, weiterfahren“.

Erich Honeckers Leidenschaft für die Jagd grenzte an „pathologische Hingabe“. Hunderte Tiere erlegte er jedes Jahr im „Staatsjagdgebiet“, darunter etwa 100 Hirsche sowie Hunderte Rehe und Hasen. Die „Abschussbücher“ belegen, dass er an einem Septemberabend in den 80er-Jahren einmal „wie im Rausch fünf Hirsche hintereinander erschoss“. Jedes erlegte Tier musste von seinem Personenschutzkommando „waidgerecht behandelt, also aufgebrochen, und anschließend auf einem Anhänger in die sogenannte ‚Wildhalle‘ gefahren werden“. Dort wurden die Trophäen „im Beisein des Generalsekretärs vermessen, fotografiert und beurkundet“ – ein „Ritual“, das bei Honecker „richtige Freude, ja sogar Ausgelassenheit“ hervorrief. Eine bemerkenswerte Ironie dabei: Obwohl er so viele Tiere erlegte, aß Honecker „nichts, aber auch gar nichts aus dem Wald. Er aß keine Pilze und er aß erst recht kein Wild“.

Seine letzte Jagd führte Honecker am 18. November des Vorjahres aus dem Land Rover heraus, wo er am Spitzberg drei Hirsche erlegte, darunter seinen „mittelprächtigen Zwölfender“. Diese Szene zog Parallelen zu Kaiser Wilhelm II., der ebenfalls in der Schorfheide seinen „letzten 22-Ender schoss“.

Die Schorfheide steht als Mahnmal für eine Zeit, in der „Repräsentation ist alles, koste es, was es wolle“ das Motto der DDR-Führung war. Sie bleibt ein bitteres Zeugnis der Selbstbedienung und des unkontrollierten Luxus einer Elite, die sich ungehemmt am Volksvermögen bediente.

Die Narben der Grenze: Ein Major, ein Flüchtling und die tote DDR

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Die innerdeutsche Grenze, einstmals ein schier unüberwindbares Bollwerk aus Stacheldraht, Wachtürmen und Selbstschussanlagen, hat zwei Männer auf ewig gezeichnet: Gerhard Lehmann, Major der Grenztruppen, und Bernhard Fei, ein junger Bauarbeiter, dessen Fluchtversuch ihn beinahe das Leben kostete. Ihre Geschichten, eingebettet in die Brutalität einer geteilten Nation, erzählen von Pflicht, Verrat und dem hohen Preis der Freiheit.

Der Major und seine „Ehre“ Für Gerhard Lehmann war der Dienst an der Grenze Ehrensache. 40 Jahre lang diente er bis zum Fall der Mauer als Major der Grenztruppen der DDR. Sein höchster Rang, so betont er, sei der Ehrendolch, Ausdruck seiner Offiziersehre. Er observierte jahrelang einen 15 Kilometer langen Abschnitt in der Rhön und ist überzeugt: „Wenn er auf Patrouille war, hat es keiner geschafft in den Westen“.

Lehmanns Sicht auf die DDR-Flüchtlinge ist unmissverständlich: „Die meisten Flüchtlinge davon ist er auch heute noch überzeugt haben damals die DDR verraten“. Für ihn war es ein Akt des Verrats, wenn „Leistungsträger“ die in der DDR genossene Ausbildung mitnahmen, um dann im Westen „wirtschaftlich bessere Möglichkeiten wahrzunehmen“. Dies sei „strafbar nach dem Gesetz“ gewesen, und seine Aufgabe war es, „jeglichen Fluchtversuch zu unterbinden“.

Am 23. Dezember 1975 hatte Major Lehmann Dienst in der Operationszentrale, als die Meldung auflief: „Donation im Abschnitt Geiser“. Emotionslos erfüllte er seine Pflichten: Er verständigte den Kommandeur, die Volkspolizei, seine Vorgesetzten und die medizinischen Einrichtungen. „Ich habe keine Zeit dort irgendwelche sentimentalen Gefühle zu entwickeln oder irgendwas emotionslos“, erinnert er sich.
Heute kehrt Lehmann manchmal zu seiner alten Dienststelle zurück. Er kann seine Wehmut nicht verbergen und sieht die vernachlässigten, verkommenen Objekte als „ein Spiegelbild von dem was aus der DDR geworden ist“.

Der Flüchtling und sein Schicksal Bernhard Fei war 19 Jahre alt, als er seinen Traum von beruflicher Qualifizierung im Brücken-, Staudamm- oder Tunnelbau in der DDR nicht verwirklichen konnte – „durch die Enge in der DDR praktisch nicht“. Am 23. Dezember 1975 wagte er mit einem Freund die Flucht. Sie schlichen durch das Sperrgebiet und erreichten den Grenzzaun, ausgestattet mit Selbstschussanlagen, deren Wirkung ebenso verheerend war wie die zuvor eingesetzten Minen.

Fei und sein Freund testeten die Anlage: „Mit langen Ästen testen Sie die Anlage nichts passiert“. Dann ereignete sich das Unglück: Fei stellte sich an die Isolatoren, um seinem Freund eine Räuberleiter zu machen. Als sein Freund mit den Füßen schon auf Feis Kopf war, detonierte die Selbstschussanlage. Ein „Knall heller Blitz“ und Fei wurde getroffen.

Die Folgen waren verheerend: Eine Selbstschussanlage zerfetzte sein Bein. „Der erste Soldat hält so die Bier auf mich um me J bleiben liegen dae ich noch gedacht jetzt liege ich so lange hier das brauchst du mir nicht noch zu sagen dass ich liegen bleiben soll“, erinnert sich Fei an die emotionslose Reaktion der Grenzsoldaten. Sein Freund wurde verhaftet. Fei kam ins Militärhospital und danach für fast zwei Jahre ins Gefängnis. Noch heute leidet er unter Sprachstörungen – „ein schrecklicher Preis“, den er für seinen Fluchtversuch zahlte.

Über 20 Jahre später kehrte Bernhard Fei zum ersten Mal an den Ort seiner Flucht zurück. Dort machte er eine bizarre Entdeckung: Ein Birkenkreuz, aufgestellt zu seinem Gedenken. Der Westen hatte geglaubt, er sei bei seinem Fluchtversuch gestorben. „Es waren erste Mal sehr komisches Gefühl aber andererseits habe ich mir gesagt wenn die Schüsse tödlich gewesen wären dann hat es mich eigentlich gefreut dass es Leute gibt die da dran gedacht haben“, reflektiert Fei.

Die ehemalige Grenzanlage, einst ein Ort des Terrors und der Gewalt, sieht Bernhard Fei heute als einen Ort, an dem Kinder mit ihren Hunden rennen oder Ball spielen – „genau an der Stelle die so kalt und so brutal war“. Zwei Männer, zwei Perspektiven, die untrennbar mit der Geschichte der innerdeutschen Grenze verbunden bleiben.

Ulbrichts verborgenes Erbe: Ein verlorener Ort in der Schorfheide erzählt Geschichte

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Die Schorfheide in Brandenburg, idyllisch am Döllnsee gelegen, beherbergt einen Ort von immenser historischer Bedeutung: die ehemalige Residenz von Walter Ulbricht, dem langjährigen Staats- und Parteichef der DDR und Vorgänger Erich Honeckers. Heute ein „verlorener Ort“, war dieses Anwesen einst ein Schauplatz entscheidender politischer Weichenstellungen und persönlicher Schicksale.

Von Görings Gästehaus zum Rückzugsort der Macht
Die Geschichte des Anwesens reicht weit vor Ulbrichts Zeit zurück. Ursprünglich war es ein Gästehaus von Hermann Göring, der Nummer zwei der Nationalsozialisten und Reichsluftfahrtminister. Göring ließ es um 1940 für seine Staatsgäste errichten, da seine gegenüberliegende Villa nicht genügend Platz bot. Nach dem Krieg diente das Gebäude zunächst als Jugendherberge der FDJ, bevor Walter Ulbricht es für sich entdeckte. Zunächst nutzte er es für Ferienaufenthalte, ließ es aber dann 1961 zu seiner Residenz ausbauen.

Die Residenz verfügte über eine repräsentative Fensterfront, hinter der sich ein Speisezimmer, ein Kaminzimmer und ein sogenanntes Kristallzimmer befanden. Diese Räume waren durch Falttüren miteinander verbunden und konnten zu einem Kinoraum umfunktioniert werden. Im Inneren gab es zudem einen Wintergarten und einen Festsaal. Auch wenn heute viel vom ursprünglichen Flair verloren ist – das Parkett ist nicht mehr zu sehen und einstmals vielseitige Räume sind nun ein einfacher Speisesaal – zeugen draußen noch alte Steinplatten und die Bepflanzung von Ulbrichts Ära.

Ein besonderes Highlight der Anlage war das sogenannte Badehaus mit Reetdach, das ursprünglich zu Görings Villa gehörte. Nachdem Görings eigene Villa gesprengt wurde, blieb das Badehaus erhalten und wurde mit Flößen über den See gebracht, damit Ulbricht es nutzen konnte, da es ihm sehr gefiel.

Der Schatten der Berliner Mauer
Die Residenz in der Schorfheide ist untrennbar mit einem der dunkelsten Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte verbunden: dem Bau der Berliner Mauer. Am 12. August 1961 traf Erich Honecker, der mit der Organisation des Mauerbaus beauftragt war, hier ein, um Ulbricht die Befehle zu überbringen. Ulbricht unterzeichnete sie noch am selben Tag, und in der Nacht wurde Ost-Berlin von West-Berlin abgeriegelt. Für 28 Jahre war Berlin eine Insel und die DDR de facto ein großes Gefängnis.

Ulbrichts letzte Jahre und die Zeit danach
Walter Ulbricht wurde 1971 entmachtet, da er in Moskau als zu eigensinnig und störrisch galt. Erich Honecker übernahm die Macht, doch Ulbricht verbrachte seine letzten zwei Lebensjahre in der Residenz und verstarb dort 1973.

Nach Ulbrichts Tod diente das Gebäude als Staatsempfangsort. Prominente Politiker wie Leonid Breschnew, der Staats- und Parteichef der Sowjetunion, wurden hier untergebracht, wenn sie zur Jagd gingen. Auch 1981 geriet das Gebäude noch einmal in die Schlagzeilen, als hier im Dezember die Verhandlungen zwischen dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Erich Honecker stattfanden. Obwohl alle vom Frieden sprachen, wurde am selben Tag in Polen das Kriegsrecht ausgerufen, was dem Besuch eine gespenstische Atmosphäre verlieh.

Sicherheit und Selbstversorgung in der Diktatur
Das Anwesen war mehr als nur eine Wohnstätte; es war eine hochgesicherte Anlage. Ein Wachhäuschen am Eingang war ständig mit zwei Stasi-Leuten und einem doppelten Posten des Wachkommandos besetzt. Ein Sonderkommando der Staatssicherheit war ebenfalls vor Ort, zuständig für die Innensicherung. Es gab eine Waffenkammer, eine Feuerwehr für das Objekt und eine Überwachungsanlage, die das Eindringen in den riesigen, mit einem Infrarot-Sperrzaun gesicherten Bereich sofort registrierte. Das Außengelände mit einer langen Straße zur Hauptstraße umgab das Haus wie ein Schutzgürtel, und es gab ganze Fluchten von Zimmern für einfache Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere.

Für die Bewirtung der Gäste und die Versorgung des Haushalts gab es ein Gärtnerhaus mit Gewächshäusern, in denen Gemüse, Kräuter und andere Pflanzen angebaut wurden – eine Notwendigkeit in Zeiten, in denen in der DDR vieles knapp war.

Trotz der politischen Härte, die von Ulbricht ausging, pflegte er hier auch persönliche Gewohnheiten. Er genoss Spaziergänge auf dem großen, extra angelegten Gelände und förderte sportliche Betätigung nach seinem Leitspruch: „Jedermann an jedem Ort einmal in der Woche Sport“. Zu diesem Zweck ließ er sogar ein Volleyballfeld errichten, das heute noch als Beachvolleyballplatz genutzt wird. Doch man darf nicht vergessen, dass Ulbricht ein außerordentlich guter Diktator war, der persönlich die Hinrichtung mehrerer Menschen verantwortete, Todesurteile umwandelte und in der Anfangszeit viele inhaftieren ließ. Die ersten Jahre unter Ulbricht gelten als die schlimmsten der DDR-Geschichte.

Honeckers Jagdwagen: Ein Stück DDR-Geschichte auf vier Rädern rollt wieder

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Ein Fahrzeug, das einst die DDR-Führung bei der Jagd in der Schorfheide bei Berlin begleitete, dreht heute seine Runden in der Nähe von Leipzig. Es ist kein gewöhnlicher Wagen, sondern ein Land Rover Spezialumbau, der nun in der Sammlung von Gerrit Krummenal ein zweites Leben gefunden hat. Dieser Wagen ist in vielerlei Hinsicht besonders, nicht zuletzt, weil hier kein „sozialistischer Feldarbeiter“ ackert, sondern „britischer Landadel“ durchs Revier schnurrt.

Eine kostspielige Spezialanfertigung
Der Land Rover wurde 1977 als langer Kombi beschafft und anschließend bei der Firma Rometsch in Westberlin aufwendig umgebaut. Er wurde verkürzt, erhielt hinten ein Wildgitter und wurde 1980 in Dienst gestellt. Bis 1989 war er im Wildfang, dem Jagdhaus von Erich Honecker, stationiert. Der Spaß hatte seinen Preis: Allein der Grundpreis lag bei 40.000 Mark Westgeld, der Umbau kostete nochmals 150.000 D-Mark.

Diese Investition ermöglichte einige Spezialitäten: Der Wagen war durchsetzungsstark, nicht zuletzt dank einer Halterung für eine Kalaschnikow in der Fahrertür. Für Probleme anderer Art gab es eine Seilwinde. Ein maßgeschneidertes Faltverdeck, das Kenner als Abwandlung des Trabant Kübels erkennen, war ebenfalls vorhanden. Dieses Verdeck war durchaus sinnvoll, da offenbar gern direkt aus dem Auto heraus, bequem von der Hinterbank aus und durchs Seitenfenster anlegend, gejagt wurde.

Spuren der Geschichte und der Beweis der Echtheit
Die Authentizität des Fahrzeugs war lange Zeit eine Herausforderung, da sämtliche Fahrzeuge des Politbüros damals keine Fahrzeugbriefe besaßen und auch nicht zugelassen wurden, was Geheimhaltungsgründe hatte. Die Zulassung erfolgte oft erst nach der Wende beim Verkauf. Doch „Blech ist geduldig“, und so birgt der Land Rover selbst die entscheidenden Beweise.

Eine Beule an der Beifahrerseite ist ein wichtiges Indiz: In einem Filmbericht über Berthold Beitz, einen Jagdgast Honeckers, ist das Fahrzeug beim Vorfahren am Hubertusstock zu sehen, und die Beule am rechten Kotflügel unten am Rad ist bereits vorhanden – diese Beule hat der Wagen heute noch. Eine weitere Beule auf der Fahrerseite soll sogar von Erich Honecker persönlich verursacht worden sein, der bekanntlich keinen Führerschein besaß.

Odyssee nach der Wende und die Rückkehr in Sammlerhand
Nach der Wende ging das Auto an das Forstwirtschaftsamt Dessau, das es für zwei bis drei Jahre nutzte. Anschließend wurde es an eine Frau in Hamburg verkauft, die es Mitte oder Ende der 90er Jahre bei einem Land Rover Autohaus in Zahlung gab. Dort stand es, bis Gerrit Krummenal, der sich hervorragend mit westlichen Autos auskennt, die im Osten fuhren, auf ihn aufmerksam wurde. Krummenal, dessen Fuhrpark bereits den goldenen Mercedes des DDR-Unterhändlers Wolfgang Vogel und den VW Golf von Katharina Witt umfasst, kannte die Gerüchte um Honeckers Jagdauto schon seit Jahren. Nachdem er zweimal kontaktiert wurde, schlug er schließlich zu, als die Gelegenheit sich ein drittes Mal bot.

Obwohl der Land Rover im Gelände wie ein „störrischer Esel“ bockt, ist er auf geteerten Straßen „relativ flott unterwegs und auch relativ komfortabel“. Für Gerrit Krummenal ist dieses einzigartige Stück Geschichte unbezahlbar und selbstverständlich auch unverkäuflich. Es ist ein rollendes Denkmal der DDR-Führung, das nun für die Nachwelt erhalten bleibt.

Die atemlose Flucht zweier Familien aus der DDR

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Die waghalsige Flucht zweier Familien aus der DDR in die Bundesrepublik ist in einer dramatischen Nacht gelungen. Unbemerkt überquerten sie mit einem selbstgebauten Heißluftballon die scharf bewachte Grenze und ließen ein Leben voller Einschränkungen und politischer Repression hinter sich.

Die Motivation zur Flucht war vielschichtig. Für eine der beteiligten Personen war die Möglichkeit, Physik zu studieren, verwehrt, da der Vater im Westen lebte. Auch die Weigerung, der SED beizutreten, führte zu beruflichen und persönlichen Nachteilen. Die Familie lebte unter dem ständigen Druck der DDR-Behörden, die sie irgendwann „gehabt hätten“, wie sich später aus Stasi-Akten herausstellte.

Die Idee für das waghalsige Unterfangen entstand im März 1978, als die Frau eines der Hauptakteure eine Zeitschrift aus dem Westen mitbrachte. Darin befand sich ein Bericht über das jährliche Ballonfahrertreffen in Albuquerque, New Mexico. Die Bilder der dahinschwebenden Ballons weckten den Gedanken: „So schwer kann das doch gar nicht sein“. Ein einfacher Stoffsack mit heißer Luft – der Traum von der Freiheit nahm Form an.

Die ersten, schwierigen Schritte
Zunächst besaßen die Tüftler keinerlei Fachwissen über Ballons. Sie schätzten die Größe anhand von Fotos in der Zeitschrift. Der erste Versuch mit 1.000 Quadratmetern Sauerstoff-Futterstoff aus einem Lederwerk scheiterte kläglich, da sich der Ballon nicht einmal aufblasen ließ. Es wurde schnell klar, dass es nicht so einfach war, wie gedacht. Berechnungen basierten auf falschen Annahmen bezüglich der Innentemperatur des Ballons. Nach dem Bau eines Messgeräts zur Bestimmung der Luftdurchlässigkeit von Stoffen stieß man auf vier geeignete Materialien: Zelt-Nylon, Regenschirmseide und eine Art Bettzeug-Inlett. Im Konsument-Warenhaus in Leipzig konnten sie glücklicherweise 100 Quadratmeter Stickstoffstoff erwerben, der sich beim ersten Testversuch aufblasen ließ und nachts als bunte Kugel über ihnen stand. Doch die nötige Auftriebskraft fehlte aufgrund unzureichender Temperaturen.

Persönliche Differenzen und die Angst vor Entdeckung führten dazu, dass einer der Männer, der im Gespräch die Geschichte erzählt, sich zunächst gemeinsam mit seiner Frau aus dem Projekt zurückzog und alles aus dem Haus entfernte, was mit dem Ballon in Verbindung gebracht werden konnte. Peter Strelzyk arbeitete jedoch mit seinem Sohn Frank weiter am Ballon. Bei einem dieser Versuche stolperte Frank über Glasflaschen, wodurch eine Flamme aus dem Brenner schlug. Das eigentliche Problem war die Abkühlung und Vereisung der Flaschen während des Heizens.

Ein erster, missglückter Aufstiegsversuch von Peter und Frank Strelzyk scheiterte. Sie gerieten in Kontakt mit Wolken, die Stoffhülle saugte sich mit Feuchtigkeit voll, wurde schwerer und der Ballon sank zurück ins ehemalige Sperrgebiet. Dieser Fehlschlag war für die anderen der Beweis, dass ihr ursprünglicher Ballon von 1978 wahrscheinlich niemals vom Boden abgehoben wäre.

Die Stasi ermittelt – der Zeitdruck wächst
Eine Woche nach dem missglückten Versuch wurde der zurückgelassene Ballon von einem ehemaligen Volkspolizisten gefunden, der widerrechtlich im Sperrgebiet Pilze suchte. Da er sich dort nicht aufhalten durfte, meldete er den Fund nicht. Erst eine Woche später entdeckte ihn ein Jäger, der im Gebiet unterwegs sein durfte, und meldete ihn. Die Stasi begann daraufhin zu ermitteln, und es erschien sogar ein Artikel in der „Volksstimme“ über den Fund von Gegenständen, die auf eine „schwere Straftat“ hindeuteten. Den Familien war klar, dass die Suche nach ihnen lief und sie unter Druck gesetzt werden sollten.

Angesichts des drohenden Zugriffs fragte Peter Strelzyk, ob er noch einmal mitmachen würde. Obwohl es schwierig gewesen wäre, die nötige Zeit aufzubringen, trug der Mann Urlaub für drei Wochen ein, was ihm aber immer noch zu knapp erschien. Am 12. August ließ er sich schließlich wegen Magenschmerzen krankschreiben, die er aufgrund der Belastung tatsächlich hatte, und stand so fünf Wochen zur Verfügung. Ihnen war klar: Sie mussten so schnell wie möglich weg. Spätere Stasi-Akten bestätigten, dass die Behörden nur noch sechs Tage gebraucht hätten, um sie zu fassen.

Der ideale Moment – das Rückseitenwetter
Die ganze Woche über herrschte schlechtes Wetter mit Regen und Sturm. Die Familien verfolgten regelmäßig den Segelflugwetterbericht des Bayerischen Rundfunks. Endlich kündigte sich für Samstagnachmittag an, dass die Schlechtwetterfront durchziehen und ein sogenanntes „Rückseitenwetter“ einsetzen würde. Rückseitenwetterlagen sind stabil, und es wurde Höhenwind von 50 km/h, kaum Bodenwind (nahezu null) und Wind aus Nord angekündigt – die idealen Voraussetzungen für ihren Plan.

Mit Hochdruck wurde der Ballon fertiggestellt. Da die Zeit drängte, wurden die 60 Stoffbahnen, die in unterschiedlichen Längen ankamen, nicht wie ursprünglich geplant an einem großen Stahlrahmen befestigt. Stattdessen wurden die zwölf Pragseile einfach verknotet und mit einem Stoffkapitel abgedeckt, um das Loch zu schließen. Für Tests blieb keine Zeit mehr; man entschloss sich zum direkten Nachtversuch.

Die Nacht der Flucht
Die Familien fuhren gegen Mitternacht zu einer Anhöhe in der Nähe von Pößneck. Der Wind und die Richtung schienen zu passen. Mit einem Wartburg und einem umgebauten Trabant-Mustang, der ein selbstgebautes Gebläse zum Befüllen des Ballons enthielt, erreichten sie den Startplatz. In der mondhellen Nacht warteten sie bis etwa halb zwei Uhr morgens, um sicherzustellen, dass sich niemand in ihrer Umgebung bewegte.

Um 2:10 Uhr wurde das Gebläse angeworfen. Der Lärm wurde bewusst in Kauf genommen, da der Startplatz an einer Bahnlinie lag, deren Geräusche den Ballonlärm überdecken sollten. Der Ballon füllte sich und richtete sich auf. Die Frauen holten die Söhne aus den Autos, und alle stiegen in die Gondel. Um ein Wegwehen zu verhindern, war die Gondel mit vier Seilen am Boden verankert.

Dramatische Sekunden in der Luft
Als die ersten beiden Seile diagonal durchgeschnitten wurden, verlagerte sich die Kraft auf die verbliebenen. Gleichzeitig heizte Peter weiter, die Zugkraft nahm stark zu, und die Verankerung wurde aus dem Boden gerissen. Die Verankerung flog hoch und traf Frank Strelzyk am Kopf, der ein blutiges Gesicht davontrug. Die Gondel hing nun nur noch an einem Seil, neigte sich zur Seite, wodurch die Flamme des Brenners in die Ballonhülle geriet und diese Feuer fing. Geistesgegenwärtig schnappte sich einer der Männer einen mitgeführten Feuerlöscher und löschte den Brand, während die anderen das letzte Seil durchtrennten. Die Gondel richtete sich wieder auf, und die Gefahr war gebannt.

Der Ballon stieg schnell auf und begann sich zu drehen, was die Navigation unmöglich machte. Doch in der Ferne entdeckte man einen großen, hell erleuchteten Kreis – es musste der Grenzübergang Rudolphstein sein, da Autos fuhren. Die starken Scheinwerfer des Grenzübergangs, die sie nicht erreichten, zeigten, dass sie gesehen wurden. Nach einiger Zeit erloschen die Scheinwerfer wieder.

Der Absturz und die Ankunft im Westen
Plötzlich erlosch auch der eigene Brenner. Nach mehreren Versuchen, die Flamme wieder zu entzünden, wurde klar: Die Gasflaschen waren leer, nicht nur zu kalt. Der Ballon begann zu sinken, nichts konnte mehr dagegen unternommen werden. Ein zum Landescheinwerfer umgebauter Fernseher im Pkw wurde eingeschaltet, um die Umgebung zu beleuchten. Die Gondel raste durch Fichtengipfel, und dann krachte es.

Wo sie waren, wussten sie nicht. Sie beschlossen, Richtung Süden zu gehen, da sie den Mond dort zuletzt gesehen hatten. Die ersten Anzeichen waren vielversprechend: Die Felder waren relativ klein und es gab typische Thronen (Heuhaufen) – beides untypisch für die DDR, wo so etwas weitgehend abgebaut worden war. Dann stießen sie auf einen Strommasten mit einem Schild: „Überlandwerk Naila“. Der Begriff „Überlandwerk“ war in der DDR unbekannt, und Naila ein bekannter Ort in Westdeutschland.

An einem Bauernhof sahen sie in einer Scheune Fendt-Miststreuwagen stehen – Fendt-Fahrzeuge waren eindeutig westlich. Als ein Pkw auf einem Landwirtschaftsweg auf sie zukam, dessen Standlicht sie als West-Auto identifizierten, fragte einer der Männer: „Sind wir hier im Westen?“ Die Antwort: „Was sonst!“.

Mit einer Silvesterrakete, die er dabeihatte, gab der Mann ein Signal, das seine Frau verstand. Aus dem Gebüsch kamen sie jubelnd hervor, und auch den zurückgelassenen Kindern wurde klar, dass sie es geschafft hatten.

Rückblick auf eine gewagte Entscheidung
„Ich bin froh, dass wir die Entscheidung damals getroffen haben, aber mit dem Wissen von heute würde ich so bestimmt nicht mehr machen“, reflektiert einer der Beteiligten. Eine solch lebensgefährliche Flucht, die so viel Glück erforderte, ist ein Zeugnis menschlichen Mutes und des tiefen Wunsches nach Freiheit.

Spektakuläre Flucht aus der DDR: Der Cadillac des Dr. Burkhart Veigel

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Die Geschichte der Fluchthilfe aus der DDR ist reich an dramatischen Erzählungen, doch die Methode von Dr. Burkhart Veigel sticht hervor: Ein umgebauter Cadillac, der Menschen durch das Armaturenbrett in die Freiheit brachte. Was 1964 mit einem Schuldenberg und einem drohenden Studienabbruch begann, entwickelte sich zu einer der kühnsten Fluchtaktionen des Kalten Krieges.

Fluchthilfe als Berufung – trotz Hürden
Burkhart Veigel war bereits 1963 aktiv in der Fluchthilfe tätig, was ihn so sehr von seinem Medizinstudium ablenkte, dass die Studienstiftung ihm nahelegte, Berlin zu verlassen. Hinzu kamen 50.000 Mark Schulden aus Vorauszahlungen für Flüchtlinge, deren Rettung noch ungewiss war. Der Berliner Senat unter Heinrich Albert wollte Veigels Aktivitäten eigentlich stoppen und bot an, seine Schulden zu übernehmen. Doch die Verhandlungen scheiterten am Widerstand von Egon Bahr, der Veigel riet, die „Suppe, die er sich eingebrockt hatte, selbst auszulöffeln“. Veigel sah sich gezwungen, weiter Fluchthilfe zu leisten, da die Schulden nicht für persönliche Vergnügen, sondern aus Notwendigkeit entstanden waren, um seine Arbeit fortzusetzen.

Die zündende Idee und ein genialer Mechaniker
Auf einer Abschiedsfeier im Februar 1964 vor seinem geplanten Umzug nach Hamburg traf Veigel Jutta Haas. Sie erzählte beiläufig, dass sie bereits 1961 ein Auto umgebaut hatte, um ihren Vater und andere Personen in den Westen zu bringen. Entscheidend war die Information, dass ihr Vater, Rudi Haas, ein Automechaniker war. Für Veigel war dies der Anstoß, seine Fluchthilfe nicht einzustellen, sondern eine neue Strategie zu entwickeln.

Rudi Haas, ein überzeugter Gegner der DDR, hatte eine beeindruckende Autowerkstatt in der DDR geleitet und konnte selbst für die berüchtigte Justizministerin Hilde Benjamin – die „rote Hilde“ – amerikanische Autos reparieren. Er stellte notfalls Teile selbst her, wenn sie nicht verfügbar waren. Trotz seines geschützten Status wollte er aus der DDR fliehen und war deshalb sofort bereit, mit Veigel zusammenzuarbeiten.

Die Suche nach dem perfekten Versteck
Gemeinsam machten sich Veigel und Haas vier Tage lang auf die Suche nach einem amerikanischen Gebrauchtwagen. Ihr Ziel war es, ein Fahrzeug zu finden, in dem sich ein Versteck für einen ganzen Menschen – auch 2 Meter große Personen – einrichten ließ, ohne dass jemand es vermuten würde. Veigel kam die Idee, das Armaturenbrett als Versteck zu nutzen. Am vierten Tag entdeckten sie einen Cadillac. Haas prüfte die Möglichkeiten, und der Wagen wurde für 8.000 bis 12.000 Mark gekauft. Veigel gab sich als „Dr. mate“ aus, um als Medizinstudent das Auto überhaupt erwerben zu können.

Der Umbau in der Abgeschiedenheit Bayerns
Nach dem Kauf musste der Cadillac zunächst für deutsche Straßenverhältnisse umgerüstet werden, bevor er in die Werkstatt von Rudi Haas gebracht wurde. Da Haas‘ Werkstatt für einen solchen geheimen Umbau ungeeignet war, fand Veigel eine Lösung bei einem anderen Rudi, Rudi Janaek, der eine Fabrik für Gebrauchsutensilien in der „gottverlassenen Gegend“ Beratshausen in Bayern hatte. Dort begannen sie den Umbau.

Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, wurde den Fabrikarbeitern erzählt, der Cadillac sei der Wagen eines amerikanischen Generals, der überholt werde. Der Umbau dauerte entgegen Veigels Erwartungen von drei Wochen ganze sieben Monate, da Rudi Haas sehr langsam arbeitete, sich aber bei guter Bezahlung sehr wohlfühlte. Um den Fortschritt zu kontrollieren und mitzuhelfen, zog Veigel selbst von Hamburg nach Tübingen, um näher an Beratshausen zu sein.

Ein Ozeanriese mit Tücken – und einem genialen Geheimnis
Der umgebaute Cadillac war ein imposantes Erscheinungsbild: ein sieben Meter langes Coupé de Ville aus dem Jahr 1957 mit einem sechs Liter Hubraum, das wie ein „Ozeanriese“ wirkte. Trotz seiner Größe war er verkehrstechnisch eine Katastrophe, kaum schneller als 100 km/h, neigte zum Schlingern, und die Bremsen versagten bei steilen Abfahrten.

Das Herzstück des Fluchtwagens war jedoch das Versteck im Armaturenbrett. Das lange Röhrenradio wurde durch ein kleines Transistorradio ersetzt, das Handschuhfach schwarz gestrichen und nach unten verlegt. Die rechte Seite des Armaturenbretts rechts vom Lenkrad konnte aufgeklappt werden, um Zugang zum Versteck zu ermöglichen. Das Armaturenbrett war massiv verstärkt worden, um auch bei einem Unfall das Öffnen des Verstecks zu gewährleisten. Sogar eine schwangere Frau im neunten Monat passte in dieses Versteck. Der riesige Kofferraum, der bei Kontrollen als erstes inspiziert wurde, enthielt nur ein Reserverad, Werkzeug und wurde mit Antiquitäten beladen, um die Legende des Antiquitätenhändlers zu untermauern.

Die Flucht in der Stille
Im Versteck lag der Flüchtling mit den Unterschenkeln im rechten vorderen Radkasten. Die größte Herausforderung für die Flüchtlinge war absolute Bewegungslosigkeit. Bei Grenzkontrollen, wie an der Grenze zwischen der Tschechoslowakei und der Bundesrepublik, wurde der Wagen bis zu dreiviertel Stunden lang von Hunden und Personal untersucht. Die Hunde konnten jedoch aufgrund des starken Benzin- und Ölgeruchs der Motoren nichts riechen. Ein Niesreiz, ein Husten oder Zucken hätte tödlich sein können.

Die akribische Arbeit von Rudi Haas machte das Versteck jedoch äußerst sicher. Sobald ein Flüchtling darin war, galt er als geschützt. Weitere spannende Details über die Tricks bei Grenzkontrollen, das Verhalten der Fluchthelfer und Flüchtlinge sowie die Anpassung des Wagens sollen in einem zweiten Teil der Geschichte folgen.

Das tragische Schicksal von DDR-Größen nach der Wende

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Wenn wir heute auf die glänzende Leinwand des deutschen Films zurückblicken, sehen wir Gesichter, die einst Millionen Menschen bewegten, Namen, die in großen Lettern auf Plakaten prangten und Stars, die als Stolz einer Nation galten. Doch hinter dem Scheinwerferlicht lauerte oft ein Abgrund, den nur wenige wahrhaben wollten: Viele dieser einst geliebten und gefeierten Schauspieler, Musiker und Kulturschaffenden endeten in Armut, Krankheit oder Vergessenheit. Es ist ein bitterer Kontrast zwischen dem Ruhm der Jugend und der trostlosen Einsamkeit des Alters, der uns mahnt, genauer hinzuschauen. Die Wende, die Hoffnung versprach, wurde für viele zum Bruch – beruflich, seelisch, menschlich.

Einer dieser Namen ist Rolf Römer (1935-2000), einst einer der markantesten Köpfe des DEFA-Kinos und Symbolfigur des ostdeutschen Films, bekannt aus Klassikern wie „Die Söhne der Großen Bärin“. Nach seiner offenen Kritik an der Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann wurde er systematisch aus dem Kulturbetrieb ausgeschlossen. Engagements blieben aus, seine Karriere kam abrupt zum Stillstand, und der einst gefeierte Schauspieler wurde zum Außenseiter. Rückzug und Frustration bestimmten seine letzten Jahre, bis er im Jahr 2000 unter tragischen Umständen bei einem Unfall mit Chemikalien in seinem Haus starb – ohne große Presse, ohne letztes Rampenlicht.

Auch Heinz Drewniok litt unter den Folgen der Wende. Als vielseitiger Künstler, Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor und Journalist galt er in der DDR als kreativer Kopf mit politischem Gespür. Doch mit der Wende kam der Bruch: Die Bühnen verschwanden, die Nachfrage erlosch. Drewniok suchte Zuflucht im Journalismus, schrieb für kleinere Zeitungen und kämpfte mit prekären Verhältnissen und der Unsicherheit eines Neuanfangs. Ruhm wich Unsichtbarkeit. Er verstarb 2011 nach einer Krebserkrankung zurückgezogen, fern von Kameras und Scheinwerfern, ohne mediale Aufmerksamkeit oder Nachrufe in den großen Zeitungen.

Ein Ausnahmetalent auf den Bühnen der DDR war Dieter Franke (1935-1982). Ob als Mephisto oder Adam Kowalski, er brillierte mit einer Präsenz, die Publikum wie Kritik gleichermaßen in ihren Bann zog. Doch Krankheit kennt kein Mitleid mit Ruhm. In seinen letzten Lebensjahren zog sich Franke geplagt von schwerer Krankheit und innerer Erschöpfung zunehmend in Isolation zurück. 1982 starb er allein, fernab der Bühnen, die er einst mit Leben füllte, ohne großes Gedenken.

Dean Reed (1938-1986) war eine schillernde Figur – ein Amerikaner, der freiwillig in die DDR zog und dort zum Popstar, Schauspieler und politischen Symbol wurde. Er sang Lieder über Frieden und wurde sowohl im Osten als auch im Westen bestaunt und misstraut. Doch hinter dem lächelnden Charmeur verbarg sich eine tief zerrissene Seele. Seine politischen Überzeugungen isolierten ihn, seine Ehe zerbrach, und sein Stern verblasste. Am 13. Juni 1986 wurde seine Leiche im Zeuthener See gefunden. Offiziell ein Unfall, doch viele sprachen von Suizid oder einem politischen Komplott. Dean Reed starb als gebrochene Figur zwischen den Fronten der Systeme, sein Mythos verschluckte ihn.

Holger Biege (2013-2018) war mit gefühlvollen Liedern wie „Sagte mal ein Dichter“ die Stimme einer Generation und prägte die Musikkultur der DDR. Nach dem Fall der Mauer versuchte er im Westen Fuß zu fassen, doch die Musiklandschaft hatte sich gewandelt, die große Bühne blieb ihm verwehrt. Ein schwerer Schlaganfall raubte ihm seine Sprache und Ausdruckskraft, sein wichtigstes Instrument. Er lebte fortan körperlich eingeschränkt und auf Hilfe angewiesen. Am 25. April 2018 starb er beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit; sein Name verblasste, seine Musik wurde leiser.

Ähnlich erging es Thomas Lück (1943-2019), einem der populärsten Schlagersänger der DDR, dessen Stimme, Charisma und verschmitztes Lächeln ihn zum Liebling eines Millionenpublikums machten. Nach der Wende wurde es still um ihn; Engagements wurden seltener, das Interesse der Medien versiegte. Lück zog sich zurück, lebte bescheiden in Lebus. Als Hautkrebs diagnostiziert wurde, kämpfte er tapfer, doch die Krankheit ließ ihm wenig Raum. Am 22. Oktober 2019 verstarb Thomas Lück im Schatten der Erinnerung, sein Tod ging in der Öffentlichkeit nahezu unter.

Auch wenn Gert Poppe (1936-2025) kein Schauspieler im klassischen Sinn war, war seine Rolle im „Theater der deutschen Geschichte“ bedeutend. Als Bürgerrechtler und Politiker gehörte er zu den lautesten Stimmen gegen das SED-Regime, wurde überwacht, schikaniert und gesellschaftlich geächtet. Nach der Wende zog er für Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag ein, doch der Glanz politischer Anerkennung blieb ihm versagt. Er arbeitete weiter im Stillen für Menschenrechte, abseits der Öffentlichkeit. Als er verstarb, gab es zwar wohlwollende Nachrufe, doch sein jahrzehntelanger Einsatz war vielen längst entglitten.

Fred Delmare war das Gesicht zahlloser DEFA-Produktionen, mit über 200 Filmrollen einer der meistbeschäftigten Schauspieler der DDR, stets präsent und markant. Doch auch sein Ruhm verging schnell. Im Alter erkrankte er an Alzheimer, verlor nach und nach sein Gedächtnis und damit die Erinnerung an ein ganzes Künstlerleben. Seine letzten Jahre verbrachte er in einem Pflegeheim. Als er 2009 starb, war er längst vergessen von der Welt, der er einst so viele Gesichter geschenkt hatte – kein Aufschrei, kein großes Gedenken.

Eberhard Esche (1923-2006), ein Gigant des DDR-Theaters und Mitglied des legendären Berliner Ensembles, verkörperte Figuren mit einer Wucht und Intelligenz, die ihn zur moralischen Instanz seiner Zeit machten. Esche war unbequem, sprach unbequeme Wahrheiten aus. Doch mit dem Systemwechsel kam die Stille. Die neuen Bühnen interessierten sich wenig für alte Gesichter, seine Auftritte wurden seltener, seine Stimme leiser. Er zog sich zurück, lebte von Lesungen und kleinen Auftritten. Als er 2006 an Krebs starb, würdigten ihn nur wenige Medien. Der einst gefeierte Intellektuelle war in einem Land, das sich neu erfand, ohne Platz geblieben.

Schließlich Erwin Geschonneck (1906-2008), eine lebende Legende des ostdeutschen Films, der mit über 100 Filmrollen das DEFA-Kino über Jahrzehnte prägte. Seine Lebensgeschichte war geprägt von Widerstand, Verfolgung durch die Nazis, Exil und schließlich einer Karriere in der DDR. Doch das lange Leben trug auch das Gewicht des Vergessens. In den letzten Jahren zog sich Geschonneck aus der Öffentlichkeit zurück; sein Name verschwand aus den Schlagzeilen, seine Filme wurden selten gezeigt. Am 12. März 2008 starb er mit 101 Jahren fast unbemerkt von einer Gesellschaft, die sich längst anderen Helden zugewandt hatte.

Zehn Schicksale, zehn stille Abschiede. Diese Künstler prägten Generationen, doch starben im Schatten. Ruhm verflog, Rollen blieben aus, und am Ende blieb oft nur das Vergessen. Es ist ein stiller Nachruf und der Versuch, die Erinnerung wachzuhalten – nicht aus Nostalgie, sondern aus Respekt. Denn wer uns einst bewegte, verdient nicht, in Vergessenheit zu geraten.

Die Rote Armee Fraktion und das Geheimnis der Stasi

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Brandenburg, Anfang der 1980er Jahre. In einem unscheinbaren Försterhaus, 70 Kilometer östlich von Berlin, trafen sich Gäste, deren Identität und Aufenthalt bei Bekanntwerden eine schwere internationale Krise zwischen Ost- und Westdeutschland ausgelöst hätte. Es waren Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF), einer terroristischen Organisation, die in der Bundesrepublik Deutschland Angst und Schrecken verbreitete und für mindestens 34 Morde sowie über 200 Verletzte verantwortlich gemacht wird. Doch was verband die meistgesuchte Terrorgruppe Westdeutschlands mit dem ostdeutschen Staatssicherheitsdienst, der Stasi?

Geburt des Terrors aus Enttäuschung und Ideologie
Die RAF, 1970 gegründet von Persönlichkeiten wie Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof, entwickelte sich aus einer Generation junger Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1960er Jahren eine tiefe Enttäuschung über die Nachkriegsgesellschaft ihrer Eltern empfanden. Entsetzt über den Vietnamkrieg der USA und mit einer großen Kluft zu den älteren Generationen, die das deutsche Wirtschaftswunder aufgebaut hatten, suchten sie nach Alternativen. Der Marxismus, wenn auch nicht in seiner sowjetischen Form, wurde zur Blaupause für eine revolutionäre Gesellschaft.

Ein entscheidender Faktor in Deutschland war das Scheitern der Entnazifizierung, das dazu führte, dass ehemalige Nationalsozialisten weiterhin wichtige Positionen in Regierung und Wirtschaft innehatten. Die RAF verstand sich als kommunistische und antiimperialistische Guerillagruppe, die das kapitalistische System – welches sie als Fortsetzung des Faschismus betrachtete – stürzen und eine revolutionäre, antiimperialistische, marxistische Gesellschaft errichten wollte.

Die Geschichte der RAF wird oft in drei Generationen unterteilt:

• Die erste Generation (1970-1977), zu der die Gründer gehörten, war für die bekanntesten Anschläge verantwortlich, darunter die „Mai-Offensive“ von 1972 mit sechs Anschlägen, der tödlichste war der Bombenanschlag auf die Campbell Barracks in Heidelberg, bei dem drei US-Soldaten getötet wurden.

• Die zweite Generation (1977-Anfang der 1980er Jahre) entstand nach den Verhaftungen und Todesfällen der Gründungsmitglieder. Sie intensivierte die Gewalt, verübte hochkarätige Attentate, Bombenanschläge und Entführungen, darunter die Ermordung von Hanns Martin Schleyer, um die Freilassung inhaftierter Mitglieder zu erzwingen.

• Die dritte Generation (Anfang der 1980er Jahre-1991) agierte verdeckter und professioneller, mit weniger prominenten ideologischen Motiven. Sie konzentrierte sich auf symbolische Ziele, einschließlich der Ermordung hochrangiger Persönlichkeiten aus Industrie und Sicherheit.
Die geheime Hand der Stasi

Obwohl die Deutsche Demokratische Republik (DDR) offiziell den Terrorismus ablehnte, unterstützte sie die RAF. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), bekannt als Stasi, begann schon kurz nach der Gründung der RAF mit deren Beobachtung. Die Stasi ermöglichte es der ersten Generation der RAF-Mitglieder, die zu den meistgesuchten Personen Westdeutschlands gehörten, von Ost-Berlin aus in den Nahen Osten zu reisen.

Ende der 1970er Jahre führten interne Spannungen und ideologische Meinungsverschiedenheiten in der RAF nach dem Tod der Gründer dazu, dass einige Mitglieder der Gewalt abschworen. Die RAF suchte nach Ländern, in denen ehemalige Mitglieder sicher leben konnten, und die Stasi bot ihre volle Unterstützung an: neue Identitäten, Wohnungen und Arbeitsplätze in der DDR. Acht RAF-Terroristen erhielten unter dem Codenamen „Operation Stern“ neue Namen, Geburtsdaten und Hintergrundgeschichten und wurden zu „inoffiziellen Mitarbeitern inoffizieller Leitung“, was bedeutete, dass sie ihr neues Umfeld bespitzeln mussten.

Für die Stasi bot diese Allianz mehrere Vorteile: Solange RAF-Mitglieder in der DDR waren, musste sie keine Angst vor RAF-Anschlägen haben. Zudem wusste die aktive RAF, dass ihre ehemaligen Genossen nicht plötzlich an die Öffentlichkeit gehen würden. Die Stasi war über laufende Ermittlungen des BKA gut informiert und hatte sogar Agenten im Bundesamt für Verfassungsschutz. Einmal half die Stasi der RAF, zu überprüfen, ob eine Kontaktperson ein westdeutscher Agent war; im Gegenzug erhielt die Stasi die vollständigen Akten einer US-Militärbasis in Westdeutschland.

In den 1980er Jahren erhielten RAF-Mitglieder in der DDR auch militärisches Training. Es ist bekannt, dass Christian Klar, der 1981 auf US-General Frederick Kroesen schoss und ihn nur knapp verfehlte, in der DDR im Umgang mit der verwendeten sowjetischen Panzerfaust ausgebildet wurde, wobei unklar ist, ob dies vor oder nach dem Anschlag geschah. Die Stasi war definitiv an der Vorbereitung dieses Anschlags beteiligt.

Mitte der 1980er Jahre verdächtigten westdeutsche Geheimdienste, dass RAF-Mitglieder in der DDR lebten. Drei wurden identifiziert, blieben aber unter Stasi-Schutz, die großen Aufwand betrieb, um deren Tarnung aufrechtzuerhalten, inklusive neuer Wohnorte, Identitäten und sogar Schönheitsoperationen. Doch die Risiken wurden der Stasi zu groß, und sie hörte auf, weitere RAF-Mitglieder aufzunehmen.

Nach dem Mauerfall: Das Ende einer Ära
Mit dem Fall der Mauer wehte ein anderer Wind in Deutschland. Im Juni 1990, kurz vor der deutschen Wiedervereinigung, wurden alle ehemaligen RAF-Mitglieder in der DDR verhaftet. Sie konnten leicht aufgespürt werden, da die Behörden die Melderegister überprüften und nach Personen suchten, die neu in die DDR gekommen waren. Innerhalb eines Tages wurden alle RAF-Mitglieder in Ostdeutschland lokalisiert und innerhalb der nächsten zwei Wochen festgenommen. Die RAF löste sich offiziell 1998 auf.

Die Unterstützung der Stasi reichte möglicherweise über die Wiedervereinigung hinaus. Bei der Ermordung von Alfred Herrhausen, dem Vorstandssprecher der Deutschen Bank, im November 1989, wurde eine hochentwickelte Autobombe eingesetzt, was auf spezialisierte Fähigkeiten hindeutete und Unterstützung, möglicherweise aus dem Nahen Osten, vermuten ließ. Am 1. April 1991, im vereinigten Deutschland, wurde Detlev Rohwedder, der Chef der Treuhandanstalt zur Privatisierung der ostdeutschen Staatsbetriebe, von einem Scharfschützen erschossen. Die RAF bekannte sich dazu. Es wurde nie bewiesen, aber es ist möglich, dass ehemalige Stasi-Agenten involviert waren und der Schütze seine Ausbildung und Waffe über Kontakte aus dem ehemaligen Stasi-Netzwerk erhielt. Rohwedders Ermordung war der letzte gezielte RAF-Mord.

Trotz ihrer Unterschiede teilten die RAF und die DDR eine antikapitalistische, marxistisch-leninistische Ideologie, antifaschistische Rhetorik und die Überzeugung, auf der richtigen Seite der Geschichte gegen kapitalistische Ausbeutung zu stehen. Der Leiter der Stasi, Erich Mielke, sah die RAF-Terroristen als „Waffenbrüder“ und plante, sie im Konfliktfall für Sabotageakte im Westen einzusetzen. Es ist nicht vollständig klar, wer in der ostdeutschen Führung außer Mielke und dem damaligen DDR-Staatschef Erich Honecker über diese Verbindungen Bescheid wusste. Doch ihre Hilfe trug dazu bei, dass die RAF länger aktiv bleiben konnte, als es sonst der Fall gewesen wäre.

Die heimliche Unterstützung der RAF durch die Stasi bleibt ein dunkles Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte, das die tiefe Spaltung und die ideologischen Konflikte des Kalten Krieges auf erschreckende Weise beleuchtet.