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Hans Modrow – Der letzte DDR-Premier blickt zurück auf die Wendezeit

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Berlin, 1990 – Die Volkskammerwahl der DDR ist vorüber, und für Hans Modrow, den scheidenden Ministerpräsidenten der DDR während der Übergangszeit, geht ein politischer Lebensabschnitt zu Ende. Im Gespräch kurz nach der Wahl am 18. März 1990 reflektiert er, der oft als „Nothelfer in schwieriger Lage“ bezeichnet wurde, über persönliche Empfindungen und die tiefgreifenden politischen Umwälzungen, die Deutschland für immer verändert haben.

Das Ende einer Ära und die PDS-Bilanz
Modrow, der das Regierungsamt nun abgibt, aber der Politik treu bleiben will, beschreibt seine Gefühle nach der Volkskammerwahl als das Ende eines Abschnitts seines politischen Wirkens, auf den er eingestellt war. Er hatte den 18. März als Termin selbst beeinflusst und damit ein Zeitmaß gesetzt. Hinsichtlich des Wahlergebnisses seiner Partei, der PDS, zeigt er sich pragmatisch: „Wir haben erreicht, was möglich war“. Doch die politische Lage erfordere noch viel Analyse und Überlegung. Die vergangenen Monate waren kräftezehrend, mit zu wenig Schlaf und einem deutlichen Gewichtsverlust. Seine Frau habe sich in dieser Phase, in der er drei Monate allein in einem Berliner Hotel lebte, Sorge, aber kein Mitleid gemacht.

Der Weg zur Einheit: Von der Vertragsgemeinschaft zum Vaterland Deutschland
Ursprünglich verfolgte Modrow die Vorstellung einer länger andauernden „Vertragsgemeinschaft“ zwischen den beiden deutschen Staaten. Die entscheidende Wende in seiner Einschätzung kam jedoch Ende Januar 1990, nach einer Reise in die Sowjetunion. Dort erkannte er die Notwendigkeit, ein neues Konzept zu finden, was schließlich zu seiner Initiative „Für Deutschland, einig Vaterland“ führte.

Mehrere Faktoren trugen zu dieser Erkenntnis bei: Nach Mitte November 1989 wurde klar, dass die Vorstellung einer eigenen DDR-Nation nicht vollzogen war; es sei stets eine Nation geblieben, was die Frage einer Zweistaatlichkeit als nicht weitreichende Perspektive erscheinen ließ.

Zudem war der Wunsch nach Vereinigung insbesondere im Süden der DDR, etwa in Leipzig, unübersehbar. Schließlich diskutierte er auch in der Sowjetunion Standpunkte und entwickelte seine Initiative, nicht um vorzugreifen, sondern um Verantwortung in einem Prozess zu übernehmen, der Frieden und Vertrauen in Europa schaffen sollte. Er erinnert sich, dass Michail Gorbatschow bereits im Vorfeld der Moskauer Gespräche erklärt hatte, die Frage der Vereinigung sei „Sache der Deutschen selber“ und die Sowjetunion werde einem solchen Schritt nicht im Wege stehen, wenn er sich unter Beachtung europäischer Friedensinteressen vollziehe.

Modrow sieht nach der Volkskammerwahl das Problem darin, dass das atemberaubend schnelle Tempo der innerdeutschen Entwicklung nicht synchron ist mit der noch weitgehend offenen außenpolitischen Regelung der deutschen Frage. Er appelliert an die vier Siegermächte: „Sie müssen [die Synchronisierung] herbeiführen“, denn sie müssten die Interessen Europas im Auge behalten. Er spürte in Gesprächen mit Nachbarn, wie Polen und Frankreich, die Erwartung, dass der Prozess synchron verlaufe.

Kohls Wahlkampf versus nationale Verantwortung
Deutlich kritisch äußert sich Modrow über die Zusammenarbeit mit Bundeskanzler Helmut Kohl. Bei ihren Treffen in Dresden (Dezember 1989) und Bonn (Februar 1990) ging es unter anderem um den „Lastenausgleich“ und „Solidarhilfe“, Begriffe, die Kohl selbst auf einer Pressekonferenz prägte. Modrow fühlt, dass Kohl „nicht Modrow im Regen stehen lassen“, sondern „im Prinzip die Bürger der DDR im Regen stehen lassen“ und alles für den Wahlkampf nutzen wollte. Er könne nicht verstehen, wie Kohl mitten im Wahlkampf Konzepte vor die eigentliche nationale Verantwortung stellen konnte. Als „Bittsteller“ habe er sich in Bonn jedoch nicht gefühlt, da die Bürger der DDR ein Recht auf klare Forderungen gehabt hätten. Dass die DDR diese Phase ohne Solidarbeitrag überstand, spreche für den Fleiß und die Verantwortung der Bürger. Er beklagt eine fortbestehende Polarisierung und „Feindbilder“ aufseiten westdeutscher Medien und teils der Behandlung, die sich nach der Wahl voraussichtlich noch verstärken werde.

Der Mauerfall: Eine „Panikentscheidung“
Der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989, beiläufig von Politbüromitglied Schabowski verkündet, war für Modrow keine geplante Öffnung. Er beschreibt den internen Prozess als „aus der Panik entstanden“, nicht aus einem „wirklichen Konzept“, gewachsen aus den Ereignissen in Ungarn und Prag. Er selbst sei zu diesem Zeitpunkt in keiner verantwortlichen Position gewesen, die ihn einbezog, er habe die Entscheidung lediglich miterlebt. Eindrucksvoll schildert er eine Begegnung am Abend des 9. November mit einem jungen Mann vor dem Gebäude des Zentralkomitees, der ihn fragte, ob er gehört habe, dass die Grenzen offen seien. Der Jugendliche, der eigentlich weg wollte, aber es dann doch nicht tat, fragte ihn nach seinem Namen. Als Modrow antwortete, sagte der Jugendliche überrascht: „Ach so, dann sind Sie wohl der Dresdner Oppositionelle“.

Dresden im Herbst ’89: Zwischen Gewaltlosigkeit und Anfeindung
In seiner Rolle als Erster Parteisekretär der SED für den Bezirk Dresden im Oktober 1989 stand Modrow in einem Spannungsfeld. Während manche ihm eine verantwortliche Mitwirkung an „Knüppeleinsätzen“ vorwerfen, betonen andere seine vermittelnde, dämpfende Wirkung. Modrow selbst weist die Vorwürfe zurück und erklärt, er habe „in keiner Weise in Befehlsstrukturen dieser Art eingegriffen“ und sei nicht einbezogen gewesen. Er habe stets versucht, Gewaltlosigkeit zu erreichen. Insbesondere kritisiert er die Entscheidung, Züge mit Prager Flüchtlingen durch Dresden fahren zu lassen, was zu gefährlichen Paniksituationen führte. Seine Bitten an den Verkehrsminister, dies zu ändern, wurden mit Verweis auf „Aufträge“ abgelehnt. Modrow vermutet, dass seine „Gegner im Politbüro“ ihm bewusst Schwierigkeiten bereiten wollten. Er bekräftigt, dass in Dresden zum ersten Mal die Entscheidung zur Gewaltlosigkeit fiel, indem Gespräche mit Kirchenvertretern und der „Gruppe der Zwanzig“ initiiert wurden, die in die Stadtverordnetenversammlung eingebunden wurden.

Honeckers Ende und das „Erzübel“ des Regimes
Die „Entmachtung“ Erich Honeckers am 18. Oktober 1989 beschreibt Modrow nicht als Sturz, sondern als einen Versuch, einen Übergang zu schaffen. Nach einer „sehr kläglichen Erklärung“ des Politbüros und Honeckers eigener Darstellung im Sekretariat des ZK, ergriff Modrow als Erster das Wort und hinterfragte die Beratungen. Honecker unterbrach ihn, unterstellte ihm „Plattformen“ und „Fraktionsbildung“. Dies führte dazu, dass andere wie Egon Krenz Honecker in einer nachfolgenden Politbürositzung zum Rücktritt aufforderten.

Das „Erzübel des alten Regimes“, dem er lange diente, sah Modrow darin, dass vieles übernommen wurde, „was man heute mit Recht als Stalinismus als stalinistische Züge bezeichnet“. Vor allem sei Recht und Gesetz nicht für die eigene Führung angewandt worden. Zudem hätten die „Herren zu dem was im Lande vor sich geht keinerlei Beziehungen besessen“. Dieser Abstand zwischen Realität und Parteispitze sei ihm ab den frühen 80er Jahren bewusst geworden. Er habe sogar an einen Rückzug aus der Politik gedacht, etwa als Botschafter in der Mongolei. Ein „Knick in der Karriere“ und anhaltende Differenzen mit Honecker gab es bereits nach 1952, verstärkt durch eine Auseinandersetzung um den Wiederaufbau des Dresdner Schlosses im Januar 1985.

Persönliche Ideale und der Kampf gegen den Zynismus
Modrow, der als Sohn eines Seemanns, Bäckermeisters und späteren Arbeiters im polnischen Jasenitz aufwuchs, absolvierte nach sowjetischer Kriegsgefangenschaft und einer antifaschistischen Umerziehungsschule eine zügige Parteikarriere. Seine Nachkriegsideale, zunächst beeinflusst vom sowjetischen Befreier und Stalin als Symbol der Zukunft, wandelten sich nach dem 20. Parteitag der KPdSU unter Chruschtschow. Seine wichtigste Schlussfolgerung: Man müsse sich mit einem Ideal und einer Partei verbinden, aber „man kann sich niemals an Menschen binden, es gibt keine Götter“.

Die „bekömmliche Distanz“ der DDR-Bevölkerung zur herrschenden Ideologie und die nur noch als Lippenbekenntnisse wahrgenommene Treue waren ihm nicht verborgen geblieben. Er habe persönlich keinen Zugang mehr zu Massenkundgebungen gefunden und sich dabei nie wohlgefühlt. Er erkannte, dass die „ideologische Basis ihrer politischen Arbeit für die Mehrheit im Land nichts Wesentliches war“, sondern sogar abgelehnt wurde. Er hoffte jedoch, dass mit der Perestroika nicht die Ideologie, aber die Ideale neu begründet werden könnten.

Honeckers Lebensleistung beurteilt Modrow als ein „Menschenschicksal, wie es kaum tragischer sein kann“. Er respektierte den Antifaschisten und Revolutionär, erkannte aber, dass Honecker „sich von all dem selber gelöst hat, was scheinbar noch sein Ideal war“. Die Isolation des Politbüros von der Realität begann seiner Meinung nach Mitte der 70er Jahre, was sich etwa an Diskussionen über die Brotversorgung zeigte.

Hans Modrow ist ganz offenbar kein Zyniker. Er führt dies auf Charaktereigenschaften und vor allem auf das Verhältnis zu Menschen zurück: „dort wo man zynisch wird, verliert man vor allem an sich selber etwas“.

Die Frage nach dem schmerzlichsten Verlust eines Ideals bewegt ihn zutiefst. Er hofft, dass Menschen, die wie er an das Gute glauben und etwas für andere bewirken wollen, wieder zusammenfinden. Als Atheist betont er, dass er die Kirche dafür achtet, seit 2000 Jahren das Ziel zu haben, den Menschen Gutes zu tun. Am meisten schmerzt ihn, dass es Menschen „so schwer zur Versöhnung finden, so schwer es haben, auch Menschen, die schuldig geworden sind, am Ende doch irgendwo so etwas wie Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen“. Hier möchte er sich auch weiterhin mit Vertretern der Kirche und allen, die Gutes tun wollen, verbinden.

Hans Modrow, der „Nothelfer“ und Politiker in einer Zeit des Umbruchs, hinterlässt ein komplexes Bild, geprägt von Idealismus, Ernüchterung und dem unbedingten Wunsch nach einem friedlichen und verantwortungsvollen Weg für Deutschland in Europa.

Das dunkle Erbe des DDR-Zwangsdopings im Eiskunstlauf

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Berlin – Das Zwangsdopingsystem der DDR hat tiefe, bis heute spürbare Wunden hinterlassen. Besonders perfide war die systematische Verabreichung von Dopingmitteln an Minderjährige, wie es im Eiskunstlauf praktiziert wurde. Während die Opfer des Systems mit schweren Krankheiten und psychischen Leiden kämpfen, verharren die Täter und der Sportverband weiterhin in einer Mauer des Schweigens oder agieren defensiv.

Der Preis der Medaillen: Eine Kindheit im Dienst des Staates
Die Sichtung talentierter Kinder für den Eiskunstlauf begann in der DDR bereits im Kindergarten. Die begabtesten wurden frühzeitig in die Kinder- und Jugendsportschulen (KJS) delegiert, die als Kaderschmieden des DDR-Sports fungierten. Dort erwartete sie hartes Training rund um die Uhr, alles im Streben nach Medaillen für den SED-Staat. Obwohl der Eiskunstlauf zahlreiche Welt- und Europameister sowie olympische Medaillen hervorbrachte, blieben viele Athleten auf diesem Weg „auf der Strecke“.

Susanne Schniirder war ein solches vielversprechendes Talent. Schon als junges Mädchen musste sie zusätzlich zum harten Training zahlreiche Medikamente einnehmen. Darunter befand sich auch das berüchtigte Anabolikum Oral Turinabol, eine blaue Tablette, die in der DDR flächendeckend eingesetzt wurde. Ihre Mutter, eine Krankenschwester, erinnerte sich an die ungewöhnliche Farbe der Tablette, die männliche Sexualhormone enthielt und oft als Vitaminpräparat getarnt wurde. Susanne Schniirder leidet noch heute an den Nachwirkungen – Essstörungen, Angstzustände, Lebertumore – und wurde ärztlich davon abgeraten, Kinder zu bekommen. Ihre Eltern zogen die Notbremse, als ihr Wachstumshämmer verschrieben wurden, um sie für das Paarlaufen klein und zierlich zu halten.

Ein Schock und lebenslange Schmerzen
Marie-Kathrin Karnitz, eine Weltklasse-Paarläuferin, die an zahlreichen internationalen Wettbewerben teilnahm, erfuhr erst Jahre später, 1997, dass sie 1986 als 16-Jährige und somit minderjährig Oral Turinabol erhalten hatte. Dies war ein „Riesenschock“ für sie. Heute ist Karnitz als Dopingopfer anerkannt und kämpft tagtäglich mit Schmerzen. Sie engagiert sich im Dopingopferhilfeverein, der über 700 ehemalige Sportler, darunter mehrere Eiskunstläuferinnen, unterstützt. Lange Zeit konnte sie nicht glauben, dass der Eiskunstlauf, wie auch das Turnen, genauso „verseucht“ war wie Kraftsportarten, doch es ging nicht nur um den Muskelaufbau, sondern um Athletik, Ausdauer und die Aufrechterhaltung eines niedrigen Körpergewichts.

Auch Karin Miegel, die mit elf Jahren als jüngste weltweit einen Dreifach-Flip sprang, wurde Opfer des Systems. Ihr Dopingprogramm begann bereits mit 13 Jahren. Ein Vergabeplan, explizit mit Medikationstagen und der Menge des Anabolikums Oral Turinabol versehen, zeugt davon. Miegel leidet heute unter unheimlichen Muskelschmerzen, gynäkologischen und psychischen Problemen sowie Schlafstörungen. Sie betont, dass alle Verantwortlichen wussten, welche Nebenwirkungen die Dopingmittel hatten und dass Kinder, insbesondere Mädchen, in diesem Alter noch schlimmer betroffen waren.

Das Schweigen der Verantwortlichen und die Suche nach Gerechtigkeit
Trotz der erdrückenden Beweise und der Aufarbeitungsarbeit von Wissenschaftlern wie Werner Franke, der geheime Dopingunterlagen sichern konnte, wurde keiner der Ärzte, die im DDR-Eiskunstlauf Doping anordneten, strafrechtlich verurteilt. Das Schweigen der damals zuständigen Sportmediziner hält auch 25 Jahre nach dem Mauerfall an. Einige äußern sich nur über Anwälte und behaupten, der Einsatz der Mittel habe rein medizinische Gründe gehabt.

Der gesamtdeutsche Verband, die Deutsche Eislauf-Union (DEU), hat zwar die Erfolge der DDR-Zeit in ihre eigene Geschichte integriert, nahm aber lange Zeit keinen Kontakt zu den Opfern auf. Erst nach mehrmaliger Anfrage teilte die DEU mit, dass sich Opfer direkt an sie wenden könnten und man nach Möglichkeit Hilfe leisten werde – 25 Jahre nach dem Mauerfall, als die Leiden der Opfer bereits massiv zugenommen hatten.

Katharina Witt, die erfolgreichste Eiskunstläuferin der DDR, erklärte vor Jahren, dass ihr nie Dopingmittel angeboten oder verordnet wurden, und vertritt die Ansicht, Doping mache im Eiskunstlauf keinen Sinn. Sie lehnte es ab, mit der Sendung „Sport inside“ über die Schattenseiten des DDR-Eiskunstlaufs zu sprechen. Viele ihrer ehemaligen Kolleginnen, die heute leiden, bedauern, dass sie in Witt keine Fürsprecherin finden. Susanne Schniirder, die Witt von gemeinsamen Wettkämpfen gut kannte, zeigte sich enttäuscht und wütend über die fehlende Unterstützung.

Ein Kampf gegen das Vergessen
Die jungen Athleten waren Funktionären, Ärzten und Betreuern schutzlos ausgeliefert. Sie mussten einen hohen Preis für den angestrebten Erfolg zahlen. Die Leiden der Dopingopfer, wie Susanne Schniirder, Marie-Kathrin Karnitz und Karin Miegel, sind ein Mahnmal für die dunkle Seite des Leistungssports in der DDR und ein fortwährender Appell, das Schweigen zu brechen und den Opfern endlich umfassende Gerechtigkeit und Anerkennung zukommen zu lassen.

Ingrid Krämer-Gulbin, das erste Cover-Girl der DDR und dreifache Olympiasiegerin

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Dresden/Rom/Tokio – Im Sommer 1960 verzauberte sie ganz Deutschland und wurde über Nacht zum Weltstar: Ingrid Krämer-Gulbin, damals noch Ingrid Krämer, eine 17-jährige Oberschülerin aus Dresden, gewann bei den Olympischen Spielen in Rom zweimal Gold im Wasserspringen. Nun feiert die dreimalige Olympiasiegerin ihren 80. Geburtstag und blickt auf eine einmalige Karriere zurück, die sie zum ersten „Cover-Girl der DDR“ machte.

Ein kometenhafter Aufstieg in Rom
Die Spiele von Rom 1960 markierten den Durchbruch für die junge Dresdnerin. Mit 17 Jahren, jung, hübsch und blond, beendete sie die Dominanz der amerikanischen Springerinnen, indem sie das schwierigste Wettkampfprogramm der Welt sprang. Ihr Erfolg war so überwältigend, dass sie in ihrer Heimatstadt Dresden bei ihrer Rückkehr empfangen wurde, als wäre „nahezu die ganze Stadt“ auf den Beinen gewesen. „Ich wurde auf dem Altmarkt empfangen mit Pauken und Trompeten, und wirklich ganz Dresden schien auf den Beinen, als die Doppel-Olympiasiegerin von den Spielen in Rom zurückkehrt“, erinnert sie sich.

Ein Beweis ihrer Popularität und ihres sportlichen Ausnahmezustandes: Ingrid Krämer-Gulbin wurde 1960 sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik zur Sportlerin des Jahres gewählt – eine Leistung, die bis heute keinem anderen Sportler und keiner anderen Sportlerin gelungen ist.

Angst als Triebfeder und harter Trainingsaufwand
Dabei war ihr Weg zum Erfolg keineswegs einfach. Die gebürtige Dresdnerin, die mit zwölf Jahren mit dem Wasserspringen begann, musste sich stets selbst überwinden. „Anfangs sei die kleine Ingrid nämlich ein großer Angsthase gewesen, bin ich eigentlich auch immer geblieben, aber ich glaube, das ist eigentlich in unserer Sportart gar nicht so unüblich, denn wer sehr viel Angst hat, der überlegt auch genau, bevor er einen neuen Sprung probiert“, erklärt sie. Diese vorsichtige Herangehensweise kam ihr im Sport zugute.

Der Trainingsaufwand war enorm. Um die schwierigsten Wettkampfserien der Welt einzustudieren und eine gewisse Sicherheit zu erreichen, musste sie an einem Tag einen Sprung über 200 Mal wiederholen.

Fortsetzung des Erfolgs in Tokio und bleibendes Vermächtnis
1964 setzte Ingrid Krämer-Gulbin ihre Erfolgsgeschichte fort. Bei den Olympischen Spielen in Tokio führte sie das gemeinsame deutsche Team als Fahnenträgerin an. Sie verteidigte ihren Olympiasieg vom Brett und holte zusätzlich Silber vom Turm.

In ihrer Heimatstadt Dresden hat sie ihre Sportart populär gemacht. Dort wurde sogar eine Springerhalle gebaut, auf deren Dach ein lebensgroßes Bronzedenkmal von ihr steht – eine bleibende Erinnerung an die Sportlegende.

Heute feiert die dreifache Olympiasiegerin ihren 80. Geburtstag und kann auf eine Karriere voller Glanz und wegweisender Erfolge zurückblicken, die sie zu einer der größten Sportlerinnen der deutschen Geschichte macht.

Dr. Hans-Joachim Maaz über die DDR

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Frühe Erfahrungen und Stasi-Intervention Maaz erlebte die DDR zunächst als junger Psychiater in den frühen 1970er Jahren. Er und eine kleine Gruppe junger Psychiater versuchten, die sehr autoritären und restriktiven Verhältnisse in der Psychiatrie zu verändern, indem sie Sozialpsychiatrie und Psychotherapie einführen wollten. Dies führte dazu, dass sie nachts von der Staatssicherheit abgeholt wurden, da ihre Bemühungen als „Verschwörungsgruppe gegen die sozialistische Leitungstätigkeit der Psychiatrie“ interpretiert wurden. Diese Erfahrung prägte ihn zutiefst und zeigte ihm, dass die Medizin, insbesondere die Psychiatrie, nicht unabhängig von den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen war. Ihm wurde vorgeworfen, eine staatsfeindliche Einstellung zu haben. Die Stasi versuchte sogar, ihn indirekt anzuwerben, indem sie ihm Unterstützung für eine psychotherapeutische Station anbot, wenn er „im Gespräch bleiben“ würde, was für Maaz ein wichtiger Grund war, die Klinik so schnell wie möglich zu verlassen.

Freiraum in der Diakonie und Einführung neuer Methoden Nach diesen Erfahrungen fand Maaz seine berufliche Hauptzeit in der Diakonie in Halle, wo er einen großen Freiraum genießen konnte. Unter normalen DDR-Verhältnissen wäre er aufgrund seiner kritischen Einstellung nie Chefarzt geworden. In dieser diakonischen Einrichtung konnte er Methoden wie Körperpsychotherapie und Gestalttherapie einführen, die es sonst in der DDR nicht gab. Er verdankte der Diakonie nicht nur seine Karriere bis zum Chefarzt, sondern auch die Möglichkeit, nach seinen Vorstellungen zu leben und zu arbeiten. Er erlaubte sich sogar, nicht zur Wahl zu gehen, was in der DDR zu Schwierigkeiten und Drohungen führen konnte.

Familiärer Hintergrund und „Immunsystem“ Maaz wuchs in einer Familie auf, die den politischen und ideologischen Verhältnissen kritisch gegenüberstand. Sein Vater war Kaufmann im Sudetenland und litt unter den fehlenden Geschäftsmöglichkeiten in der DDR. Seine Eltern waren auch dem nationalsozialistischen System gegenüber kritisch, was eine frühe Sensibilisierung für autoritäre Verhältnisse bedeutete. Schon als Jugendlicher erkannte er die Wiederholung autoritärer Verhältnisse aus dem Nationalsozialismus in der DDR, wenn auch mit anderen Inhalten. Dies war ein entscheidender Beweggrund für ihn, später in die Psychiatrie zu gehen, um solche Phänomene verstehen zu wollen. Dieses familiär geprägte kritische Denken bezeichnet er als sein „Immunsystem“.

Leben in der DDR: Spaltung und Anpassung Maaz beschreibt die in der DDR weit verbreitete Praxis, eine offizielle Meinung für die Öffentlichkeit (Schule, Studium) und eine private Meinung in der Familie zu haben. Diese „Spaltung“ war schwierig, anstrengend und belastend, da sie mit dem Gefühl der fehlenden Ehrlichkeit und Authentizität einherging. Er musste lernen, nicht alles zu sagen, was er dachte, um nicht „behelligt“ zu werden. Dennoch gab es Grenzen für seine persönliche Würde, wie sein Widerwille, einen westlichen Politiker in einem Dramaspiel darzustellen, zeigt.

Denkverbote und Tabus In der DDR waren bestimmte Themen tabu:

• Die kommunistische Ideologie durfte nicht kritisch hinterfragt werden.

• Machtverhältnisse und Machtstrukturen durften nicht in Frage gestellt werden.

• Die Anpassung und das Mitläufersyndrom der großen Masse durften nicht angesprochen werden.

• Themen wie Sterben und Tod waren kein öffentliches Thema, da die DDR sich als „neue Welt, die neue Zukunft, fröhlich und ehrlich“ sah.

• Die Propaganda selbst durfte nicht kritisch beleuchtet werden.

Psychotherapie in der DDR Psychoanalyse war in der DDR nicht verboten, aber auch nicht erlaubt, was bedeutete, dass es keine offiziellen Ausbildungsmöglichkeiten gab. Maaz nutzte seinen Freiraum in der Diakonie, um eine tiefenpsychologische Ausbildung unter dem Namen „psychodynamische Einzeltherapie“ anzubieten, da „analytische Einzeltherapie“ zu sehr an Psychoanalyse erinnerte. Er konnte über 500 ärztliche und psychologische Kollegen in Tiefenpsychologie ausbilden, was für viele nach der Wende eine „Rettung“ darstellte, um in Westdeutschland eine Zulassung für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie zu erhalten.

Der „Gefühlsstau“ und das „Wendehals-Syndrom“ Sein erstes Buch, „Der Gefühlsstau,“ das zu DDR-Zeiten nicht gesellschaftskritisch veröffentlicht werden konnte, war eine Auseinandersetzung mit der Psychodynamik der Verhältnisse in der DDR. Es beschrieb Machtstrukturen, Mitläufer, Fanatiker und Verweigerer. Maaz beschäftigte sich besonders mit der Frage, wie Menschen von einem Tag auf den anderen ihre politische Einstellung ändern konnten, dem sogenannten „Wendehals-Syndrom“. Dies bildete die Grundlage für seine spätere gesellschaftskritische Position, um die „Psychodynamik eines solchen verrückten Wandels des Wendehalses“ verstehen zu wollen.

Die Zeit der Wende und Enttäuschung Maaz war aktiv an den Protesten während der Wende beteiligt und beschreibt die anfängliche Aufbruchsstimmung als „großartig“ und „die schönste Zeit seines Lebens“. Er gehörte zu denen, die „Wir sind das Volk“ skandierten, was sich jedoch allmählich zu „Wir sind ein Volk“ wandelte, was eine kritiklose Anbindung an die Bundesrepublik erwartete, der er nicht zustimmte. Er ist der Meinung, dass die Demonstrationen lediglich die „Begleitmusik des Untergangs dieses Systems“ waren, da das eigentliche Ende von der Stasi und der Partei selbst vollzogen wurde, die ideologisch und ökonomisch am Ende waren und ihr Vermögen retten wollten.

Die Integration ostdeutscher Psychotherapeuten in das westdeutsche System erwies sich als enttäuschend. Maaz erlebte es als „Kolonialismus“, bei dem westdeutsche Strukturen und Methoden kritiklos übernommen werden sollten, während ostdeutsche Entwicklungen, wie seine multimodale psychotherapeutische Kompetenz (die verschiedene Therapieformen wie Verhaltenstherapie, Gestalttherapie und Transaktionsanalyse umfasste), nicht akzeptiert wurden. Dies führte zu einer „bitteren Erfahrung von Machtverhältnissen,“ bei denen es nicht um Inhalte, sondern um Einfluss, Macht und Profit ging.

Krippenbetreuung in der DDR und ihre Folgen Maaz kritisiert die Krippenbetreuung in der DDR scharf, bei der bis zu 86% der Kinder, oft sogar in Wochenkrippen, betreut wurden. Er betont, dass die Betreuungsqualität (eine Betreuerin für 10-14 Kinder) keine ausreichenden Bindungschancen bot, was verheerende Folgen für die Entwicklung der Kinder hatte. Er sieht darin eine „dunkle Absicht“: die Entfremdung von Kindern in der frühesten Kindheit macht sie abhängig und schafft „die besten Mitläufer auch einer schwergestörten Gesellschaft“. Die „Herrschaft über die Kinderstube entscheidet über die Zukunft der Gesellschaft“. Er ist enttäuscht, dass diese Erkenntnisse nach der Wende nicht umgesetzt, sondern die Krippenbetreuung aus ökonomischen Gründen wieder in den Mittelpunkt gestellt wurde.

Vergleich mit der heutigen Situation (DDR 2.0) Maaz vermeidet den Begriff „DDR 2.0“, da er Westdeutsche kränken und eine Verharmlosung der DDR darstellen könnte. Er findet die heutige gesellschaftliche Entwicklung jedoch schlimmer als zu DDR-Zeiten. Die Gründe dafür sind:

Unklarheit der Regeln: In der DDR war klar, auf welcher Seite man stand und welche Meinungen tabu waren. Heute ist diese Linie diffus; man kann etwas völlig Normales sagen und wird plötzlich als „rechts,“ „sexistisch“ oder „rassistisch“ abgestempelt. Diese Unsicherheit erzeugt mehr Angst und Ungewissheit als die klareren Verhältnisse in der DDR.

„Demokratie-Betrunkenheit“ des Westens: Viele Westdeutsche glauben immer noch, in einer funktionierenden Demokratie zu leben und können sich nicht vorstellen, dass Regierungen auch andere Interessen als das Gemeinwohl verfolgen. Diese „verordnete Demokratie“ war lange Zeit erfolgreich durch Wohlstand und äußere Freiheiten.

Insidiosität der Macht: Die heutigen Machtstrukturen, Ideologien und ökonomischen Interessen sind weniger offensichtlich als in der DDR. Die Abhängigkeit der Menschen in einem geldorientierten System ermöglicht es, Einfluss zu nehmen, indem Chefs in Politik, Kultur und Wissenschaft gefördert werden, was dann alle Abhängigen dazu zwingt, den Vorgaben zu folgen.

„Falsches Leben“ und Normopathie: Maaz sieht das westliche Leben als ein „falsches Leben“, das Anpassung an menschenfeindliche Verhältnisse, Konkurrenz und Durchsetzung über das natürliche Maß hinaus erzwingt. Diese „kapitalistische finanzkapitalistische Normopathie“ sei an ihrem inhaltlichen Ende und erkläre die zugespitzten Krisen und Absurditäten sowie den Abbau der Demokratie. Die Einsicht in diese Fehlentwicklung würde jeden Einzelnen mit seiner eigenen „Schuld“ und seinem „falschen Leben“ konfrontieren, was die öffentliche Diskussion erschwert.

Aggression und Kriegslust: Er interpretiert die heutige „hohe Aggression,“ die sich in digitaler Lynchjustiz und der Zerstörung des persönlichen Rufes zeigt, als Ausdruck eines „falschen Lebens“. Diese Kompensation durch Geld, Profit, Macht und Einfluss muss ständig gesteigert werden („Dosis erhöhen“), was zu Absurditäten und irrationalem Verhalten führt. Die „soziale Aggression gegen Andersdenkende“ kann sich in einer „Kriegslust“ entladen, indem ein äußerer Feind (z.B. Russland) geschaffen wird, um die Gesellschaft zusammenzubringen und von inneren Problemen abzulenken.

Zusammenfassend empfindet Maaz die aktuelle Situation als bedrohlicher, da die Regeln unklarer sind, die Manipulation subtiler und die Menschen aufgrund ihrer bisherigen positiven Erfahrungen schwerer zu überzeugen sind, dass das System selbst kritisch hinterfragt werden muss.

Wie Roland Schreyer seine Familie aus der DDR holte

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Ein dramatisches Tauchmanöver unter der innerdeutschen Grenze sichert die Freiheit für eine ganze Familie.

Jahrzehntelang teilte eine undurchdringliche Grenze Deutschland, ein System aus Zäunen, Minen und Selbstschussanlagen, streng bewacht von tausenden Soldaten und Zivilisten. Rund 1400 Kilometer lang war dieser Todesstreifen, der für etwa 650 Menschen tödlich endete, so schätzt die Stiftung Berliner Mauer. Doch der Wunsch nach Freiheit war stärker als jede Mauer, jeder Zaun und jede Drohung. Eine Geschichte, die dies eindrucksvoll belegt, ist die von Roland Schreyer und seiner Familie.

Geboren in Oscha und aufgewachsen in Harbe, nur wenige hundert Meter von der innerdeutschen Grenze entfernt, erlebte Roland Schreyer eine Kindheit in einem Sperrgebiet. Seine Eltern hatten schon immer mit dem Gedanken gespielt, in den Westen zu gehen, besonders weil Geschwister und die Großmutter seiner Mutter bereits über Berlin geflohen waren. Doch eine neue Küche hielt seine Mutter damals zurück. Dennoch zirkulierten Gerüchte, der sogenannte „Buschfunk“, über Fluchtversuche. Insbesondere in den 1960er Jahren sollen viele Menschen auf Minen getreten und Gliedmaßen verloren haben, eine traurige Realität, von der Schreyers Mutter als Gemeindeschwester und sein Vater bei der Polizei erfuhren.

Der Grenzübergang Marienborn und eine erste Chance
Später arbeitete Roland Schreyer als Zivilangestellter Elektriker am Grenzübergang Marienborn. Dort rollte der Autoverkehr zwischen der Bundesrepublik und Westberlin über Transitstrecken, überwacht von Stasi, Volkspolizei, DDR-Zoll und freiwilligen Helfern. Schreyer spekulierte, dass sich hier eine Fluchtgelegenheit bieten könnte: Wenn die letzte Ampel hinter den Kontrollen defekt war, fuhr er zur Reparatur hinaus, stets begleitet von zwei Posten mit Maschinenpistolen, die nur wenige Meter hinter ihm standen. Der Bundesgrenzschutz auf der Westseite wartete mit gelöstem Halfter, wie in einem „Cowboyfilm“, wahrscheinlich um ihn zu schützen, sollte er die Flucht wagen. Doch zu diesem Zeitpunkt war Schreyer bereits verheiratet und hatte ein Kind – das Risiko war zu hoch.

Honeckers Besuch und der Wunsch nach Reisefreiheit
Die Stimmung änderte sich dramatisch, als Erich Honecker 1987 die Bundesrepublik besuchte und Reiseerleichterungen besprochen wurden. Eine Welle der Unruhe erfasste die DDR, überall wurde über Westreisen gesprochen. Dies fachte auch Schreyers Fluchtgedanken neu an. Als Pädagoge und Familienvater fasste er einen Plan: Westverwandte täuschten eine Hochzeit vor, Schreyer sollte die Ausreise genehmigt bekommen und dann bleiben. Der Abschied von Frau und Tochter am Bahnhof Marienborn war zutiefst emotional. In Essen angekommen, erklärte er sofort seinen Entschluss, im Westen zu bleiben.

Doch die Hoffnung, dass Frau und Kind bald nachkommen würden, erfüllte sich nicht. Seine Frau beantragte eine Familienzusammenführung, die die DDR jedoch ablehnte. Die Folgen waren gravierend: Rolands Vater wurde entlassen, seine Frau von der Stasi schikaniert. Im innerdeutschen Ministerium in Bonn erfuhr er die bittere Wahrheit: Man könne ihm nicht helfen, da die Bundesrepublik nur Häftlinge freikaufe. Die Worte „Sie werden wahrscheinlich ihre Familie nie wiedersehen“ trafen ihn wie ein Schlag ins Gesicht.

Die „Probeflucht“ durch die Wirbe
Verzweifelt grübelte Schreyer nachts und erinnerte sich an seinen Heimatort Habke und den Bach Wirbe, der Richtung Westen floss. Er wusste, dass die Absicherung eines Baches an der Grenze immer ein Problem darstellte. Die Idee einer „Probeflucht“ war geboren: Er wollte nachts dorthin fahren und einen Weg für seine Familie finden. Mit Neoprenanzug und Werkzeug machte er sich auf den Weg.

Vom Westen her war eine Unterführung, eine Röhre, offen zugänglich. Was Schreyer zunächst für eine durchgehende Röhre hielt, entpuppte sich als vier Abschnitte. Er kroch hinein und stieß auf ein Gitter. Die zwei unteren Gitterstäbe sägte er unter Wasser durch. Währenddessen hörte er Motorräder und sah die Stiefel von Posten über sich auf dem Kolonnenweg vorbeifahren. Er tauchte unter, um unentdeckt zu bleiben.

Nachdem er ein weiteres Gitter entfernt und hochgeschoben hatte, kam er aus der Röhre. Dann sah er einen „Silberstreif“ über dem Bach – einen gespannten Draht mit Signalkugeln, keine Selbstschussanlage, sondern Leuchtkugeln. Er bückte sich und schlüpfte darunter hindurch, um wieder in die Röhre zu gelangen. Ein weiteres, sehr dickes Gitter stellte ihn vor eine scheinbar unüberwindbare Hürde. Unten rechts jedoch fehlte ein dreieckiges Stück. Er versuchte, hindurchzutauchen, doch seine Schultern blieben stecken. In nur 30-40 cm Wassertiefe hing er fest, konnte weder vor noch zurück und drohte zu ertrinken. Mit letzter Kraft befreite er sich und kroch weiter, völlig desorientiert in der Dunkelheit.

Schließlich erkannte er ein Gitter, das er kannte: Es war das an der Sommersdorfer Straße, der einzigen Straße aus Habke heraus. Die „Probeflucht“ war erfolgreich.

Die spektakuläre Rettung der Familie
Nur sechs Tage später kehrte Roland Schreyer zurück. Diesmal unterquerte er die innerdeutsche Grenze zum vierten Mal – begleitet von seiner Frau, seiner Tochter und seinem Vater, für die es das erste Mal war. Staatsicherheit Fotos dokumentieren die spektakuläre Flucht.

Als sie den leichten Berg hinaufliefen und sich setzten, war der Anblick emotional überwältigend. Einerseits die große Freude, es geschafft zu haben, in Freiheit zu sein. Andererseits die tiefe Trauer, die Heimat, Freunde und alles Vertraute zu verlieren, mit dem Wissen, es vielleicht nie wiederzusehen. Noch einmal gingen sie zur Grenze, und wieder wurden die Fotos, die dabei entstanden, von der Stasi gemacht.

Roland Schreyers Geschichte ist ein Zeugnis von unerschütterlichem Mut, Entschlossenheit und der tiefen Verbundenheit einer Familie, die bereit war, größte Gefahren auf sich zu nehmen, um gemeinsam in Freiheit zu leben.

DDR-Zoll in den 70ern: Kontrollen und ihre Bedeutung

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Tausende Reisende und Tonnen von Gütern überquerten Tag für Tag die Grenzen der Deutschen Demokratischen Republik – doch nicht ohne die scharfen Augen der Zollverwaltung zu passieren. Die Aufgaben der Zollmitarbeiter waren umfassend und von entscheidender Bedeutung für die Sicherung der DDR, wie ein Blick in die Praxis der 70er Jahre zeigt.

Schutz der Souveränität und Wirtschaft
Im Kern hatten die Mitarbeiter der Zollverwaltung die Aufgabe, die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen der DDR im grenzüberschreitenden Waren-, Devisen- und Geldverkehr durchzusetzen. Dies bedeutete, Schmuggler und Spekulanten abzuwehren und damit Versuche zu vereiteln, dem Land politischen und ökonomischen Schaden zuzufügen. Die Grenzübergangsstelle an der Autobahnbrücke über die Oder bei Frankfurt an der Oder beispielsweise war nicht nur ein Symbol des Zusammenwachsens mit Polen, sondern auch ein Kontrollpunkt für Touristen aus Westeuropa. An der Staatsgrenze zur BRD sicherten die Zöllner zudem die Souveränität der DDR gegenüber einer Grenze, die von der Gegenseite „durchlässig gemacht werden sollte“.

Vielseitige Kontrollpunkte: Von Zügen bis zum Postverkehr
Die Zollkontrollen fanden an den verschiedensten Orten statt. In Zügen, die aus der Volksrepublik Polen oder der Sowjetunion kamen oder dorthin fuhren, stiegen Pass- und Zollkontrolleure zu, um während der Fahrt von und nach Berlin vollständige Kontrollen durchzuführen. An Güterbahnhöfen wie Gerstungen oder Frankfurt (Oder) überprüften Zöllner die Begleitdokumente und verhinderten mit Hilfe von Diensthunden die gesetzwidrige Schleusung von Menschen und Materialien. Allein auf dem Güterbahnhof Frankfurt (Oder) mussten täglich über 60 Züge abgefertigt werden, wobei Zöllner ein Laufpensum von bis zu 15 km absolvierten.

Nicht nur physische Waren an Landgrenzen waren im Fokus. Auch die Luftfracht, Häfen wie Rostock und Sassnitz, und selbst die Ostsee als Kontrollbereich wurden überwacht. Im Fährhafen Sassnitz, einem wichtigen Transitpunkt nach Schweden, wurde modern abgefertigt. Tausende Sendungen pro Tag durchliefen Postzollämter, um illegale Ein- oder Ausfuhren zu unterbinden. Dies reichte von unerlaubter Geldeinfuhr der DDR-Notenbank und Rauschgift bis hin zu „Schund- und Schmutzliteratur“, Hetzschriften und Pornografie, aber auch revanchistischer, faschistischer oder militaristischer Propaganda. Auch die Ausfuhr hochwertiger Produkte wie optische Geräte, Pelze, Textilien, Markenporzellan, Antiquitäten und Briefmarken wurde verhindert, wenn sie ungesetzlich erfolgen sollte.

Vertrauen und strenge Kontrolle
Besonders beim Handel mit den „Bruderländern“ Polen und der Sowjetunion zeigte sich ein „deutliches Zeichen für das Vertrauen“. Hier beschränkten sich die Eingangskontrollen auf das Notwendigste und wurden nur bei offensichtlichen Unregelmäßigkeiten vertieft. Ausfuhrgüter hingegen wurden sorgfältig kontrolliert, um sicherzustellen, dass sie dem Leitspruch „Meine Hand für mein Produkt“ Ehre machten. Moderne Logistik, wie Container, die bereits im Herstellerbetrieb beladen und vom Binnenzollamt abgefertigt wurden, ermöglichte kürzere Exportkontrollen in Überseehäfen wie Rostock, die sich auf Stichproben beschränkten.

Der Zöllner: Repräsentant des Staates
Die Zöllner waren oft die ersten Bürger der DDR, denen Reisende begegneten, und prägten maßgeblich den Eindruck des Staates. Von ihnen wurden Klugheit, sicheres Auftreten und vor allem politisches Verantwortungsbewusstsein erwartet. Jeder Kontrolleur traf seine Entscheidungen eigenverantwortlich, wohlwissend, dass jede Nachlässigkeit dem Land „nicht wieder gutzumachende Folgen“ haben konnte.

Die Ausbildung zum sozialistischen Zöllner war umfassend und fand an Fachschulen wie in Plessa statt. Neben einer guten Schulbildung und beruflichen Erfahrungen waren hohe menschliche Qualitäten gefragt. Das Unterrichtsprogramm war vielfältig und intensiv, inklusive Fremdsprachenunterricht, Körperertüchtigung wie Judo-Training und militärischer Ausbildung. Die Genossen der Zollverwaltung leisteten ihren Dienst „zuverlässig, wohl ausgestattet mit reichen politischen und fachlichen Fähigkeiten“. Ihr Dienst war ein ehrenvoller Beruf und trug maßgeblich zur Sicherung der Staatsgrenze bei.

Die verborgene Realität der DDR: Zwischen Ideal und Abgrund

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Die Deutsche Demokratische Republik, oft als „geheimnisvolle Diktatur“ bezeichnet, versprach ihren Bürgern eine bessere Zukunft und ein blühendes, sozialistisches „besseres Deutschland“. Doch hinter dieser glanzvollen Selbstdarstellung verbarg sich eine Wirklichkeit, in der Anspruch und Realität oft drastisch auseinanderklafften. Viele Geheimnisse wurden bis lange nach dem Mauerfall gehütet und kommen erst heute ans Licht.

Die „Helden der Arbeit“: Ein Mythos bröckelt
Ein Paradebeispiel für die Diskrepanz zwischen Propaganda und Alltag ist die Geschichte von Frieda Hockauf, einer Weberin aus Zittau. 1953 wurde sie zur Ikone der DDR, zur „Heldin der Arbeit“, weil sie in nur drei Monaten 45 Meter mehr Stoff als ihre Norm webte. Die SED feierte sie als Vorbild einer Aktivistenbewegung, die die Überlegenheit der DDR-Wirtschaft beweisen und insbesondere Frauen zu höherer Produktivität anspornen sollte – Frauen waren die einzige Arbeitskräftereserve der DDR.

Doch während die Propaganda ihr nacheifernde Kolleginnen im ganzen Land suggerierte, sah Hockaufs Realität anders aus. Sie wurde von ihren Kolleginnen als „Normenbrecherin“ und „Verräterin“ beschimpft, Eier und Steine flogen, ihr Webstuhl wurde sabotiert. Obwohl die Partei sie als Vorzeigefigur nutzte und sie sogar Abgeordnete der Volkskammer wurde, lebte Hockauf bis zu ihrem Tod 1974 in bescheidenen Verhältnissen – Ofenheizung, Klo auf halber Treppe, kein Auto. Ihr Schicksal – „arm geboren und arm gestorben“ – wurde der DDR-Bevölkerung verschwiegen.

Wirtschaftliche Not und verdrängte Proteste
Ende der 1950er Jahre verbesserte sich die Wirtschaftslage der DDR zwar leicht, blieb aber ein Drittel hinter der Bundesrepublik zurück. Lebensmittelknappheit führte 1960 zu einer Zwangskollektivierung der Landwirtschaft, die zunächst Missernten und Bauernflucht verursachte. Trotz hoher Investitionen in Industriezweige wie Chemie, Elektro- und Maschinenbau fehlten dort ebenfalls Mittel und Arbeitskräfte, was 1961 in einer tiefen Krise mündete – ein Teufelskreis, der den Mauerbau begründete, um die Volkswirtschaft planbar zu machen.

Die Unzufriedenheit entlud sich in hunderten „wilder Streiks“ Anfang der 1960er Jahre, insbesondere in den industriestarken Bezirken wie Halle, wo sich die Leuna-Werke befanden. Die DDR-Zeitungen schwiegen über diese Arbeitsniederlegungen, während im Westen Gerüchte – teils unzutreffend – kursierten. Der Druck führte zwar zu Reformplänen Ulbrichts für mehr Eigenständigkeit der Betriebe, doch aus Angst vor Kontrollverlust wurden diese wieder abgebrochen.

Wochengrippen: Das stille Leid der Kinder
Um die Frauen für die Arbeit zu mobilisieren, versprach der Staat umfassende Kinderbetreuung. Besonders umstritten waren die „Wochengrippen“, in denen Kinder ab der sechsten Lebenswoche betreut wurden und ihre Eltern nur am Wochenende sahen. Die Propaganda stellte sie als gleichwertige Alternative zu Tageskrippen dar, die Eltern „entlasten“ sollten.

Doch die Realität war eine andere. Eine Studie der Ärztin Eva Schmidtkolmer Anfang der 1950er Jahre, deren Ergebnisse der Öffentlichkeit vorenthalten wurden, zeigte dramatische Befunde: Wochengrippenkinder litten unter Hospitalismus, zeigten verzögerte Sprachentwicklung und auffälliges Verhalten. Sie blieben in allen Bereichen hinter Altersgenossen zurück. Obwohl Kinderärzte früh warnten und die Probleme in Fachkreisen bekannt waren, wurden Schmidtkolmer und andere Kritiker mundtot gemacht. Das Personal war nachts oft unterbesetzt, was zu Unfällen führte, die mit Fixierungen statt mit mehr Personal behoben wurden. Viele ehemalige Wochengrippenkinder berichten noch heute von gestörten Elternbeziehungen, Partnerschaftsschwierigkeiten und Ängsten – ein Schicksal, das lange ein Geheimnis bleiben musste, um den Mythos der unbegrenzten Produktionssteigerung nicht zu gefährden.

Der „Große Bruder“ und seine Geheimnisse
Die „Freundschaft mit der Sowjetunion“ war ein zentraler Gründungsmythos der DDR. Doch auch hier herrschte eine dunkle Realität. Nach dem Krieg betrieb die Sowjetunion Speziallager wie Torgau oder das ehemalige KZ Sachsenhausen, in denen über 122.000 Deutsche, darunter politische Häftlinge und vermeintliche Nazis, interniert waren. Hunger, Krankheiten und brutale Behandlung waren Alltag; ein Drittel der Insassen überlebte diese Zeit nicht. Über diese „terrorjustiz“ und die Lager durften die Überlebenden in der DDR nicht sprechen – das Thema war tabuisiert.

Auch die sowjetischen Truppen in der DDR, bis zu 500.000 Mann, schirmten sich hermetisch ab. Abstürze sowjetischer Militärflugzeuge, wie 1966 in Folbern, wurden zu Staatsgeheimnissen erklärt und die Schäden von der Stasi unter „eine Glocke“ gelegt. Gerüchte über Atomwaffenlager in Orten wie Großenhain kursierten, wurden aber erst 1992 durch russische Archivfunde bestätigt: Seit 1963 lagerten dort bis zu einem Dutzend Kernwaffen, wovon die DDR-Führung zwar wusste, aber nicht, wo genau.

Die „Waffenbrüderschaft“ war kein Verhältnis auf Augenhöhe, sondern die DDR ein potenzielles Schlachtfeld. Die Propaganda zeigte sowjetische Soldaten stets als freundlich und musikalisch, doch ihre Lebensverhältnisse waren ärmlich und von Gewalt („Dedowschtschina“) geprägt. Tausende Straftaten, Desertionen und gewaltsame Verfolgungsjagden, die oft tödlich endeten, wurden von der Staatssicherheit verzeichnet und vor der Bevölkerung verborgen.

„Russenkinder“ und verbotene Liebe
Trotz arrangierter Begegnungen kam es zu Liebesbeziehungen zwischen sowjetischen Soldaten und ostdeutschen Frauen. Doch diese waren streng verboten, da Offiziere als „Geheimnisträger“ galten und Frauen oft Spionage unterstellt wurde. Renate Walter aus Saalfeld, ein „Russenkind“, erfuhr erst als Teenager durch Zufall den Namen ihres sowjetischen Vaters, Alexander Bessarabow. Ihre Mutter schützte sie, indem sie schwieg.

Alexander kämpfte um seine Familie, wurde verwundet und später unehrenhaft aus der Armee entlassen. Viele „Russenkinder“ erfuhren nie, wer ihre Väter waren und wurden als Teenager angefeindet. Ein „zwischenmenschliches Drama“, das sich unter dem Dach der offiziellen Freundschaft abspielte.

Der Antifaschismus: Eine Fassade mit Rissen
Die Bekämpfung des Nationalsozialismus war der „zentrale Gründungsmythos“ der DDR. Nach der offiziellen „Entnazifizierung“ 1950 gab es angeblich nur noch im Westen Nazis. Doch die Realität sah anders aus: Man integrierte „belastete“ Personen in die neue Gesellschaft, wenn sie sich für den Aufbau des Staates einsetzten. Ein Beispiel ist Ernst Grossmann, „Held der Arbeit“ und LPG-Vorsitzender, der jahrelang für die SED tätig war, obwohl er ab 1940 Angehöriger eines SS-Totenkopfverbandes und Wachmann im KZ Sachsenhausen gewesen war. Die Stasi wusste davon, schützte ihn aber.

Die Doppelzüngigkeit zeigte sich auch im Umgang mit Rechtsterroristen. 1981 half die Stasi dem westdeutschen Rechtsterroristen Udo Albrecht bei der Flucht in den Nahen Osten, um Kontakte zur PLO zu knüpfen und Israel zu bekämpfen – ein Ziel, das der „antifaschistischen“ DDR mit Albrechts antizionistischer Haltung übereinstimmte. Auch der Prozess gegen den Kriegsverbrecher Heinz Barth 1983, der am Massaker von Oradour beteiligt war, wurde zum Propagandaerfolg. Doch auch hier gab es ein dunkles Geheimnis: Zwei weitere identifizierte Mörder wurden nicht angeklagt. Barth selbst knüpfte im Gefängnis Freundschaften mit jungen Neonazis, denen er sein „rechtsextremes Weltbild“ vermittelte.

Die Ergebnisse einer Forschung der Humboldt-Universität Berlin über die Ursachen des Rechtsrucks bei Jugendlichen blieben geheim. Sie zeigten, dass die jungen Neonazis oft aus „soliden“ Elternhäusern stammten und der Verlust alter Autoritäten eine Rolle spielte. Die Jugendlichen nutzten Nazisymbole, um den antifaschistischen Staat herauszufordern, verkörperten aber gleichzeitig Werte wie „Ordnungsdenken“ und „Fremdheit gegenüber anderen Kulturen“, die in Teilen der DDR-Gesellschaft verbreitet waren – ein Mechanismus, der bis heute wirkt.

Das Ende einer Diktatur der Geheimnisse
Als die Menschen 1989 die Mauer zu Fall brachten und 1990 die Stasi-Zentrale stürmten, zeigte sich das wahre Ausmaß der Geheimnisse. Die vielen verborgenen Realitäten, die im krassen Widerspruch zur offiziellen Propaganda standen, trugen maßgeblich zum Vertrauensverlust bei und enthüllten eine Diktatur, die ihre Bürger bis zuletzt täuschte und prägte.

Gut Gödelitz: Ein Ort des Friedens und der Gegenrede im Geiste Gorbatschows

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Am 30. August 2022 verstarb Michail Gorbatschow, der ehemalige sowjetische Staatschef und Friedensnobelpreisträger, der als einer der Väter der Deutschen Einheit und Wegbereiter für das Ende des Kalten Krieges gilt. Sein Vermächtnis des Friedens und der Diplomatie lebt an besonderen Orten weiter, darunter Gut Gödelitz in Sachsen, das als Begegnungsstätte und geistig-politisches Zentrum der Verständigung dient. Der Filmemacher Ralf Eger widmete Gorbatschow und diesem einzigartigen Ort den Film „Gorbatschow und Gödelitz – Frieden“, der im November (vermutlich 2022) erscheinen sollte und zwischenzeitlich online zugänglich gemacht wurde.

Gorbatschows Vision: Frieden durch Abrüstung und neues Denken
Gorbatschows tief verwurzelte Ablehnung des Krieges war persönlich geprägt. Als Teenager erlebte er die deutsche Besatzung, Hunger und Demütigung. Die Zerstörung Stalingrads und anderer Städte, die er auf seinen Reisen sah, prägten seine Einstellung maßgeblich. Mitte der 1950er Jahre, bereits in der Führung des Jugendverbands Komsomol in Stawropol, wurde ihm eine geheime Dokumentation über die Folgen einer Atomexplosion gezeigt, die ihn zutiefst verstörte. Von diesem Moment an war für ihn klar: „So etwas darf niemals Realität werden. Wir… müssen für den Frieden kämpfen“.

Mitten im Kalten Krieg gelang es Gorbatschow, Verträge zur atomaren Abrüstung und Rüstungskontrolle zu schließen. In der Sowjetunion initiierte er mit Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) einen beispiellosen Reformprozess. Sein „neues Denken“ mit dem Primat der allgemein menschlichen Werte befreite die Welt von der akuten Atomkriegsgefahr. Er war ein Gesprächspartner, der nicht mit Floskeln, sondern von Anfang an sehr offen seine Meinung vertrat und bereit war, in der Sache zu diskutieren. Seine Zeitgenossen beschrieben ihn als warmherzig, charmant, gut aussehend und zugewandt. Er opferte nichts auf dem Altar der aktuellen Tagespolitik und nahm sein Gegenüber ernst.

Trotz dieser Erfolge stieß Gorbatschow auch auf Widerstände und Unverständnis. Bundeskanzler Helmut Kohl verglich seine Öffentlichkeitsarbeit mit der von Goebbels, was Gorbatschow als Beleidigung für sich und sein Land empfand und die bilateralen Beziehungen einfrierte. Später jedoch führte ein Besuch Gorbatschows in Deutschland 1989 zu einem Riesenerfolg, bei dem er von der Bevölkerung gefeiert und von Kohls Infrastruktur beeindruckt war, was ihn überzeugte, Deutschland als wichtigsten Partner für die Reformen in der Sowjetunion zu sehen.

Das Vermächtnis und die Herausforderungen
In Russland wurde Gorbatschow oft für negative Entwicklungen verantwortlich gemacht, während seine Leistungen, wie die Möglichkeit, das „Maul aufreißen zu können, ohne dass einem etwas passiert“, als selbstverständlich wahrgenommen wurden. Kritiker bemängelten seine wirtschaftliche Ideenlosigkeit und seine zu große Vertrauensseligkeit, beispielsweise indem er mündliche Zusagen zur NATO-Osterweiterung nicht schriftlich fixieren ließ. Die Einführung der Freiheit in der Sowjetunion wird in den Quellen als „Büchse der Pandora“ beschrieben; viele Menschen waren nach 70 Jahren Diktatur noch nicht reif für die Verantwortung der Freiheit und verbanden sie automatisch mit Wohlstand.

Gut Gödelitz: Ein Familienprojekt für den Frieden
Vor diesem Hintergrund des Gorbatschowschen Vermächtnisses spielt Gut Gödelitz eine zentrale Rolle. Die Familie Schmidt-Gödelitz, deren Gut in der DDR enteignet wurde und die nach der Wiedervereinigung zurückkehrte, hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Ort als offene Begegnungsstätte zu erhalten. Barbel Schäfer, die das Gut 1990 erwarb, wurde durch ihre Erlebnisse in der DDR und die Friedenspolitik der SPD geprägt. Ihr politischer Ziehvater, Egon Bahr, lehrte sie die Bedeutung des Perspektivwechsels und die Notwendigkeit, die Interessen des anderen zu sehen und in eigene Entscheidungen einzubauen, sowie die Vorgeschichte von Konflikten zu verstehen. Diese Prinzipien prägen die Arbeit in Gödelitz bis heute.

Das „Gödelitzer Modell der Biografiegespräche“ bringt systematisch Menschen aus Ost und West zusammen, um ihre Lebensgeschichten zu erzählen und sich kennenzulernen. Dieses Modell findet inzwischen auch international Anwendung, beispielsweise in Polen oder Korea. Katrin Schmidt-Gödelitz, die nach Gödelitz zog und dort als Dorfschullehrerin arbeitet, betont die Bedeutung von Toleranz und dem direkten Austausch: „Menschen müssen mit Menschen reden, um sich kennenzulernen, um sich zu akzeptieren, um sich zu tolerieren“.

Gegenrede und Dialog in Gödelitz
Ein besonderes Ereignis war ein Gorbatschow-Abend auf Gut Gödelitz, der von der Journalistin Bettina Schaefer – Herausgeberin eines preisgekrönten Buches über Gorbatschow – zusammen mit Gabriele Krone-Schmalz gestaltet wurde. Krone-Schmalz, einst Moskaukorrespondentin der ARD und mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, wird heute von vielen Medien als „Putin-Versteherin“ ignoriert oder angegriffen. Ihr Auftritt in Gödelitz war bemerkenswert: Der Saal war voll, und das Publikum spendete ihr stehenden Applaus, der lange anhielt. Bemerkenswert war auch, dass die lokalen Zeitungen, die zuvor regelmäßig über Gödelitz berichtet hatten, an diesem Abend nicht anwesend waren, was als Reaktion auf die „Gegenrede“ interpretiert wurde.

Trotz inhaltlicher Differenzen zwischen den Veranstaltern, etwa Barbara Schäfer und der Schwester von Axel Schmidt-Gödelitz, wird in Gödelitz der respektvolle Streit gepflegt. Man haue sich die Argumente „um die Ohren, aber wir machen das auf zivilisierte Weise und irgendwie nahe zu liebevoll“. Dieser Ansatz steht im Kontrast zu einer Medienlandschaft, in der die Diskussion sich zunehmend auf den „Mainstream“ verengt und Gegenreden kaum noch stattfinden.

Die Lehren für die Gegenwart
Gorbatschows Vermächtnis – Frieden ist möglich, nicht durch Aufrüstung und Feindbilder, sondern durch Diplomatie, Annäherung, Verständnis und Vertrauen – bleibt hochaktuell. Das Gut Gödelitz steht beispielhaft für den Mut, diesen Geist in die Tat umzusetzen und einen Raum für den Austausch zu schaffen, in dem Toleranz und der Perspektivwechsel gelebt werden. Es ist eine Aufgabe, die von der Familie Schmidt-Gödelitz als „Selbstausbeutung für den guten Zweck“ verstanden wird und die sich dem Erhalt eines politisch und regional offenen Ortes widmet. In einer Welt, die sich wieder in Richtung Konfrontation bewegt, bietet Gödelitz einen wichtigen Kontrapunkt und die Möglichkeit, aus der Geschichte zu lernen und gemeinsam an einer friedlicheren Zukunft zu arbeiten.

Trotz lückenloser Grenze: Spektakuläre Fluchten aus der DDR im Jahr 1986

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Im Jahr 1986 gelang zwei Männern auf dramatische Weise die Flucht aus der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in den Westen. Ein Fernmeldemonteur überwand den Checkpoint Charlie in Berlin, während ein Grenzsoldat die thüringisch-hessische Grenze nutzte, um sich in die Bundesrepublik abzusetzen. Beide erreichten die Freiheit wie durch ein Wunder unverletzt. Diese Ereignisse unterstreichen eindrucksvoll, dass selbst das nahezu lückenlose Grenzregime der DDR den menschlichen Drang nach Freiheit nicht vollständig unterbinden konnte.

Die waghalsige Flucht am Checkpoint Charlie
Am 17. Januar 1986 nutzte der damals 21-jährige Andreas Bratke, ein Fernmeldemonteur aus Ost-Berlin, einen unbeobachteten Moment am Grenzübergang Checkpoint Charlie, um seine Flucht zu wagen. Bratke war an diesem Nachmittag mit der Installation sicherungstechnischer Anlagen beschäftigt, als ihm die Flucht um 14:30 Uhr gelang. Er rannte von einem Altbau los, da er die beiden Grenzsoldaten nicht in Sichtweite wähnte. Sein Ziel: der Grenzturm und der Schlagbaum. Nur zwei Meter vor der Demarkationslinie versuchte ein Hauptmann der DDR, ihn noch aufzuhalten, rief „Dich Schwein kriege ich noch!“, doch Bratke erreichte unversehrt West-Berlin.

Seine Beweggründe waren tiefgreifend: Bratke lehnte den DDR-Wehrdienst mit der Waffe ab, engagierte sich jahrelang in der evangelischen Friedensbewegung und verspürte einen starken Wunsch nach Freiheit. Für ihn gab es nur die Alternative, die DDR illegal zu verlassen.

Der Grenzsoldat, der „die Welt kennenlernen“ wollte
Wenige Monate später, im Juni 1986, spielte sich eine weitere spektakuläre Flucht ab – diesmal an der hessisch-thüringischen Grenze entlang des Flusses Werra. Zufällig nahm ein Filmteam des Bundesgrenzschutzes, das für Heribert Schwans Dokumentation „Entlang der Grenze“ mit einem Hubschrauber unterwegs war, einen DDR-Grenzsoldaten aus der Luft auf. Dieser war gerade mit seinem Postenführer vor dem Grenzzaun 1, dem letzten Sperrelement, unterwegs.

Nur einen Tag später überlistete dieser Soldat seinen Postenführer. Als Fahrzeugführer fuhr er mit einem LKW direkt an den letzten Zaun heran, stieg aus dem Fahrerhaus, überwand den Zaun und setzte sich erfolgreich in die Bundesrepublik ab – ohne Verletzungen und ohne seinen Postenführer zu verletzen. Auch er begründete seine Flucht mit Unzufriedenheit über die politischen und wirtschaftlichen Umstände in der DDR, dem Drang nach mehr Freiheit, einem besseren Leben und dem Wunsch, „auch mal was von der Welt kennenzulernen“ und mehr zu erleben.

Ein ausgeklügeltes und tödliches Grenzregime
Die Fluchten fanden trotz eines hochkomplexen und gefährlichen Grenzsicherungssystems statt. Die DDR hatte ein „ausgefeiltes Sperrsystem“ installiert, das die Grenze nahezu lückenlos machte. Es gab kein Niemandsland; das Gelände zwischen Grenzsteinen und Sperranlagen war Staatsgebiet der DDR.

Zu den Grenzanlagen gehörten der Metallgitterzaun (Grenzzaun 1), ein etwa anderthalb Meter tiefer Kraftfahrzeugsperrgraben, ein sechs Meter breiter Spurensicherungsstreifen und der betonierte Kolonnenweg für Grenzstreifen und Alarmgruppen. Wachtürme mit Grenzsoldaten sowie größere Grenzführungspunkte, ausgestattet mit elektronischem Überwachungsgerät, säumten das Gelände. Hinzu kamen demontierte Alarm- und Signalgeräte am Hinterlandzaun, der 500 bis 5000 Meter parallel zur eigentlichen Grenzlinie verlief, und ein weiterer Metallgitterzaun mit Stacheldraht und Isolatoren als elektrische Signalträger. Bei Berührung lösten diese Alarm aus und setzten Rundumleuchten in Gang. Betonbunker mit Schießscharten, Lichtsperren und Lampen vervollständigten das System.

Seit Oktober 1985 waren die letzten Selbstschussanlagen abgebaut worden, was die Grenze zwar nicht durchlässiger, aber „weniger blutig“ machte. Ein fast lückenloses Frühwarnsystem war auf DDR-Seite installiert, und der als Grenzsignalzaun bezeichnete Schutzstreifenzaun wurde seit 1983 erheblich verdichtet.

Umweltzerstörung und ideologische Widersprüche
Die Dokumentation beleuchtete auch die massiven Umweltbelastungen, insbesondere die starke Verschmutzung des Grenzflusses Werra durch Kalilauge aus der DDR. Die Umweltverschmutzung war grenzüberschreitend und ließ sich durch Grenzen und Sperrgitter nicht aufhalten, was nach den atomaren Wolken von Tschernobyl noch sinnloser erschien.

Ein ironischer Kontrapunkt zum real existierenden Sozialismus wurde vom Schriftsteller Adolf Endler gesetzt: Trotz aller ideologischen Vorgaben war die US-Serie „Dallas“, die in der ARD ausgestrahlt wurde, die erfolgreichste Fernsehsendung der DDR. Endler sah dies als Sinnbild für die vielen Widersprüche im Alltag des „anderen Deutschlands“, wo Menschen tagsüber „richtige Sozialisten“ waren, abends aber anteilnehmend den Schicksalen der Millionärsfamilie in „Dallas“ folgten.

Diese Geschichten von Flucht, einem unnachgiebigen Grenzregime und alltäglichen Widersprüchen zeichnen ein eindrückliches Bild der DDR in den 1980er Jahren und des unerschütterlichen Wunsches nach Freiheit, der selbst die undurchdringlichsten Barrieren überwinden konnte.

Kriegsende im Vogtland: Einblick in die letzten, verheerenden Tage des Zweiten Weltkriegs

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Vogtland, April 1945. Während die Welt in Flammen stand und die meisten deutschen Städte bereits in Schutt und Asche lagen, näherten sich die Alliierten Truppen unaufhaltsam. Inmitten dieses Chaos bot sich dem Vogtland, kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner, eine letzte, beispiellose Zerstörung, die tiefgreifende Spuren in der Landschaft und den Seelen der Bevölkerung hinterlassen sollte.

Die geheime Mission „Phao“ Am schicksalhaften 8. April 1945, um 1:40 Uhr, sprang ein Agent des amerikanischen Geheimdienstes OSS (Vorläufer der CIA) namens Jean Daming, alias Karl Pfeifer, mit dem Fallschirm nahe Plauen ab. Der 1916 in Luxemburg geborene Daming, ein ehemaliges Mitglied des französischen Widerstandes, hatte sich 1944 vom OSS anwerben lassen, um den Krieg schnellstmöglich zu beenden. Seine Mission unter dem Decknamen „Phao“ zielte darauf ab, die Situation im Vogtland – insbesondere Truppenbewegungen, Verkehrsknotenpunkte und den Zustand der Rüstungsindustrie – kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner zu erkunden. Ausgestattet mit Karten, Kompass, Verpflegung und einer 9-mm-Pistole, sowie einem gefälschten Ausweis als Vertreter der Henkelwerke, betrat er vogtländischen Boden.

Plauens Leidensweg: Eine Stadt im Bombenhagel Plauen, ein wichtiger Standort der Rüstungsindustrie und Hauptverkehrsknotenpunkt, galt seit September 1944 als zentrales Ziel alliierter Bomber. Besonders die VOMAG, die unter anderem das Sturmgeschütz SDKfz exklusiv produzierte, war ein lohnendes Ziel.

Bereits am 8. April, dem Tag von Pfeifers Ankunft, wurde Plauen zum zwölften Mal bombardiert. Aus einem Graben bei Straßberg beobachtete Karl Pfeifer, wie schwere US-Bomber ihre tödliche Fracht abwarfen und die Stadt um 14 Uhr in Flammen stand. Ein Bürger aus Plauen beschrieb seiner Frau die Szene als „entsetzliches Drama“. Nach dieser Bombardierung traf Pfeifer einen russischen Kriegsgefangenen, der bereitwillig über den Zustand der Panzerfabrik berichtete: Die VOMAG war komplett demoliert und die Arbeit eingestellt.

Die Schrecken nahmen kein Ende. Am 9. April folgten 37 Mosquitos der Royal Air Force, die 68 Tonnen Bomben abwarfen, 80 Tote und zahlreiche Verletzte forderten. In dieser Nacht versuchte Pfeifer vergeblich, Funkkontakt zu seiner Dienststelle herzustellen, was für Plauen verheerende Folgen haben sollte.

Der verheerendste Angriff: Ein Feuersturm über Plauen In der Nacht vom 10. auf den 11. April starteten 307 Lancaster Bomber und acht Mosquitos der Royal Air Force mit 1965 Tonnen Bomben an Bord Richtung Plauen. Um 1 Uhr morgens begann der bisher größte und verheerendste Angriff, der die Stadt in einen Feuersturm ungeahnten Ausmaßes tauchte. Die Bevölkerung suchte voller Angst Schutz in Luftschutzkellern. Ein Zeitzeuge beschrieb die Szene als unbeschreiblich: „dreiviertel Stunde lang ging das uns haben die Ohren we getan“.

Interessanterweise fand just um 1 Uhr morgens der erste Funkkontakt mit dem OSS-Spion Karl Pfeifer statt. Er meldete: „Hallo George hier spricht Hans ich habe verstanden dass bei Ihnen in der Gegend keine militärische Einheit vorzufinden ist“. Hätte dieser Kontakt bereits am 9. April stattgefunden, so die Experten, hätte dieser britische Nachtangriff möglicherweise verhindert werden können.

Die Bilanz der Zerstörung Bis 1:40 Uhr tobte die Bombardierung. Der Himmel war „blutrot“. Am Morgen des 11. April begannen die Aufräumarbeiten. Die Bilanz der 14 schweren Angriffe seit September 1944 war verheerend: Mindestens 2300 Menschen, vorwiegend ältere Menschen und Kinder, kamen ums Leben. Die Stadt war zu 75% zerstört, wobei die Bahnhofsvorstadt einen Zerstörungsgrad von annähernd 99% aufwies. Etwa 1,8 Millionen Kubikmeter Schutt mussten beseitigt werden. Die Bevölkerung zeigte sich tief erschüttert und ohne Verständnis für die Bombardierungen. Viele verließen die Stadt.

Widerstand und Verzweiflung Hermann Görings Luftwaffe lag am Boden, und sein einstiger Prahlhans-Spruch war längst zum Straßenwitz geworden. Obwohl in den letzten Kriegsmonaten noch Messerschmidt 109 Flugzeuge in Plauen und im nahegelegenen Wald zwischen Syrau und Meuer gefertigt wurden, oft von Frauen aus dem Konzentrationslager Flossenburg, war eine wirkungsvolle Gegenwehr nicht mehr möglich. Viele meist junge Piloten wurden mangels Kampferfahrung abgeschossen.

Im Vogtland wurde die Bevölkerung mit „irrwitzigen Vorschlägen“ auf den Einmarsch der Amerikaner vorbereitet, darunter die Idee, heißes Wasser aus den Fenstern zu schütten. Auch der Volkssturm, bestehend aus Frauen und frontunfähigen Männern, wurde ausgebildet, doch oft siegte die Vernunft; es mangelte an Bewaffnung und die Jugendlichen waren für den Kampf ungeeignet. Soldaten, die sich absetzten, wurden von sogenannten „Kettenhunden“ aufgegriffen und erhängt.

Der Einmarsch der Amerikaner Am 16. April 1945 überschritten Soldaten der 87. US-Infanteriedivision, Teil der dritten US-Armee unter General Patton, die Grenze des Vogtlandes. Über Schleiz stießen die ersten Verbände vor und erreichten ohne nennenswerten Widerstand Mehlteuer und das Gelände der Messerschmidt-Produktionsstätte bei Syrau. Hier stieß eine MG-Einheit der Wehrmacht kurzzeitig auf Widerstand, der jedoch durch Luftunterstützung gebrochen wurde, wobei die siebenköpfige Besatzung ihr Leben ließ.

Währenddessen erreichte eine andere Einheit über die A72 den Stadtrand von Plauen. Über die Pausaer Straße drangen amerikanische Truppen ins Stadtzentrum vor. Sie trafen auf „sehr geringen Widerstand“. Die Bevölkerung empfing die Amerikaner oft mit weißen Bettlaken, in der Hoffnung, dass die Bombardierungen endlich aufhören würden. Französische Kriegsgefangene feierten ihre Befreiung.

Die Amerikaner stießen trotz der Jalta-Vereinbarungen so weit nach Sachsen vor, weil sie auf geringen Widerstand trafen und daran interessiert waren, technisches Know-how und Fachpersonal zu sichern. So wurden beispielsweise Konstruktionsunterlagen der Vogtländischen Maschinenfabrik mitgenommen.

Auch in Oelsnitz wurden alle drei Brücken kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner gesprengt, doch dies konnte den Vormarsch nicht aufhalten. Ölsnitz wurde kampflos übergeben. Am späten Nachmittag des 16. April war ein großer Teil des Vogtlandes von der 87. US-Infanteriedivision besetzt.

Ein Ende des Krieges, das nicht vergessen wird Für viele Vogtländer änderte sich an diesem Tag alles. Obwohl das Leben sich langsam normalisierte, konnten viele das Erlebte nicht vergessen. „Das geht einfach nicht das das begleitet einem bis man da auch wirklich endgültig zumacht“, beschreibt ein Zeitzeuge die bleibenden psychologischen Narben. Der Krieg im Vogtland endete mit unvorstellbarer Zerstörung, aber auch mit der Hoffnung auf einen Neuanfang.