
Während des Kalten Krieges war die Deutsche Reichsbahn nicht nur das Rückgrat des zivilen Verkehrs in der DDR, sondern auch ein unverzichtbarer, wenn auch geheimer, Partner der Nationalen Volksarmee (NVA). Unter dem Schleier der Dunkelheit und strengster Geheimhaltung fanden in dieser Zeit militärische Truppentransporte statt, die ein Höchstmaß an Präzision und Koordination erforderten, um der gegnerischen Satellitenaufklärung zu entgehen.
Nachtoperationen und Perfekte Choreografie Diese Manöver, oft in der Nacht durchgeführt, verlangten ein nahtloses Zusammenspiel zwischen den Mitarbeitern der Reichsbahn und den Kräften der NVA. Von der Bereitstellung der Truppen in Warteräumen über die Verladung, die Zugfahrt und Zwischenhalte bis hin zum Ent- und Umsetzen der Technik – jeder Schritt war minutiös geplant und taktisch ausgerichtet. Die schnellen Be- und Entladevorgänge waren dabei essenziell, um die Verborgenheit der Operationen zu gewährleisten.
Die Truppentransporte mit der Eisenbahn dienten dazu, Einheiten der NVA samt ihrer Bewaffnung und Ausrüstung zu festgelegten Entladeräumen zu befördern. Der Transportleiter, ein Unteroffizier, war dabei der Vorgesetzte aller Armeeangehörigen und verantwortlich für die Einhaltung strenger Sicherheitsbestimmungen.
Gefahren auf Schienen: Elektrifizierte Strecken und KCB-Lage Die Fahrt selbst barg zahlreiche Herausforderungen. Auf elektrifizierten Strecken, deren Stromversorgungsanlagen in der Regel unter 15.000 Volt Hochspannung standen, war ein Sicherheitsabstand von 1,50 Metern zu wahren. Disziplin und Ordnung waren hier, wie in allen Phasen des Transports, von größter Bedeutung für die Sicherheit der Armeeangehörigen und die Gefechtsbereitschaft des Transportes. Permanent mussten die Aufgaben der Gefechtssicherung wahrgenommen werden – von Posten entlang des Zuges bis zur Bereitschaft der Luftabwehr.
Besondere Vorkehrungen galten auch für die Sicherung der verladenen Technik: Die Befestigung von Fahrzeugen, die richtige Verkeilung und feste Verdrahtung sowie die Verschnürung der Fahrzeugplanen wurden akribisch überprüft. Lebensgefährliche Klettereien auf verladene Technik waren strengstens untersagt, und Beobachtungsposten mussten selbst bei widrigem Wetter und langen Fahrten ihre Aufmerksamkeit aufrechterhalten.
Eine ernste Bedrohung stellte die sogenannte KCB-Lage dar – die Gefahr durch Kernstrahlung, chemische oder bakteriologische Kontamination.
Erhielt der Transportleiter rechtzeitig Informationen über einen „aktivierten Abschnitt“, wurden umgehend Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet, um die Strahlenbelastung der Soldaten zu minimieren. Gepanzerte und hermetisierbare Fahrzeuge boten den besten Schutz, während das übrige Personal persönliche Schutzausrüstung anlegen und Ritzen sowie undichte Stellen an Mannschaftswagen provisorisch abdichten musste. Wasser- und Verpflegungsvorräte wurden sorgfältig abgedeckt. Solche Abschnitte wurden ohne Halt mit erhöhter Geschwindigkeit durchfahren.
Entaktivierung und Entladung: Der Letzte Akt Nach dem Passieren eines kontaminierten Bereichs kam eine mobile Waschanlage, die EEG, der Deutschen Reichsbahn zum Einsatz. Diese konnte zur Entgiftung, Entseuchung und Entaktivierung eines Militärzuges genutzt werden.
Armeeangehörige, die sich in Mannschaftswagen oder als Sicherungsposten auf Flachwagen befanden, durchliefen Duschrahmen der Waschanlage, während Soldaten in Gefechtsfahrzeugen mit Kernwaffenschutzanlage bis zum Abschluss der Entaktivierung in ihren Fahrzeugen blieben. Der Zug selbst wurde entaktiviert, wobei besonders stark aktivierte Stellen markiert wurden, bis die Kernstrahlungskontrolle einen Wert von weniger als 20 Milliröntgen pro Stunde ergab.
Am Zielbahnhof erfolgte die Entladung häufig über eine zerlegbare Laderampe (ZLR60-1), die in einem Güterwagen bereitgestellt wurde. Diese Rampe, die für Räder- und Kettenfahrzeuge bis zu 60 Tonnen geeignet ist, kam zum Einsatz, wenn ortsfeste Verladerampen nicht vorhanden oder zerstört waren. Der Aufbau der ZLR60-1 dauerte unter den gezeigten Bedingungen 20 Minuten und erforderte präzises und umsichtiges Arbeiten, immer mit Stahlhelm und Schutzhandschuhen. Fahrbahnträger von 110 kg Masse wurden mit Trageeisen transportiert, wobei auf Quetschungen durch die Klauen geachtet werden musste.
Nach der Entladung rückten die Truppen ohne Zeitverlust zu Wartepunkten ab, wo die volle Gefechtsbereitschaft von Bewaffnung und Ausrüstung wiederhergestellt wurde, bevor sie sich zu Sammelräumen begaben. Größere Konzentrationen von Kräften und Mitteln an Ver- und Entladestellen sollten im Gefecht vermieden werden. Der Zug wurde nach Abschluss der Entladung in einwandfreiem Zustand an die Deutsche Reichsbahn zurückübergeben.
Die geheimen NVA-Truppentransporte mit der Deutschen Reichsbahn waren somit komplexe logistische Meisterleistungen, die im Schatten des Kalten Krieges eine entscheidende Rolle für die Einsatzbereitschaft der NVA spielten und das enge, wenn auch verborgene, Zusammenwirken zwischen Militär und ziviler Infrastruktur unterstrichen.