Dresden – Der Corona-Untersuchungsausschuss im sächsischen Landtag wurde kürzlich erneut zum Schauplatz einer intensiven Auseinandersetzung über die deutsche Pandemiestrategie. Im Fokus standen der Virologe Christian Drosten, der in der Vergangenheit die Maßnahmen der Bundesregierung verteidigte und als Architekt der Coronabekämpfungsstrategie gilt, sowie der Datenanalyst Tom Lausen. Während Drosten Falschbehauptungen vehement zurückwies und seine wissenschaftlichen Einschätzungen verteidigte, warf Lausen gravierende Mängel in der Datenerhebung vor und zog die Wirksamkeit vieler Maßnahmen in Zweifel.
Drosten: Impfung verhinderte Tote, Schwedens Weg „grundlegend falsch“
Christian Drosten nutzte seine Befragung, um aus seiner Sicht „Falschbehauptungen“ klarzustellen. Er betonte, dass ein PCR-Test sehr wohl eine Infektion nachweisen könne und dass über die Unterbrechung der Übertragung durch die Impfung nicht diskutiert werden müsse, da die Datenlage hier eindeutig sei. Infektionen seien durch die Impfung zurückgegangen, zumindest bis zur Delta-Variante, und die Impfung habe garantiert Coronatote verhindert.
Die in Schweden verfolgte Pandemiestrategie bezeichnete Drosten als „grundlegend falsch“ und Vergleiche mit diesem Land als unzulässig. Er kritisierte zudem offen die Medien, die ihn seiner Meinung nach „angegriffen“ und „zerstören“ wollten, betonte jedoch, sich nicht kleinkriegen zu lassen und weiterhin zu seinen wissenschaftlichen Einschätzungen zu stehen. Drosten hob hervor, dass Kinder die gleiche Menge Viren ausscheiden könnten wie Erwachsene und jeder positive Coronatest eine Infektion bedeute. Überraschend war jedoch, dass er sich im Untersuchungsausschuss von der Maskenpflicht im öffentlichen Raum distanzierte und angab, eine symptomfreie Testung nie empfohlen zu haben. Zudem kritisierte er Wissenschaftskollegen, die seiner Ansicht nach „unwissenschaftliche Aussagen“ gemacht hätten.
Lausen: Fehlende Impfdaten und „hinterer Platz“ für Deutschland bei Übersterblichkeit
Der Datenanalyst Tom Lausen sah hingegen erhebliche Widersprüche und eine mangelhafte Datengrundlage. Er warf Drosten vor, nicht alles ergebnisoffen zu prüfen. Insbesondere bemängelte Lausen die unzureichende Erfassung von Impfdaten. Obwohl die Kassenärztliche Vereinigung gesetzlich verpflichtet war, Impfdaten – nicht nur zu Schäden, sondern alle relevanten Informationen – an das Paul-Ehrlich-Institut weiterzuleiten, sei dies nicht geschehen. In Sachsen sei der Impfstatus von bis zu 90% der wegen Covid ins Krankenhaus gekommenen Patienten in den Jahren 2021 und 2022 nicht abgefragt worden. Noch gravierender: Eine Anfrage der BSW-Abgeordneten zum Impfstatus bei Coronatoten in Sachsen ergab, dass bei 92,2% der Verstorbenen keinerlei Daten zum Impfstatus vorlagen. Laut Lausen wurden die vorgesehenen Bußgelder für die Nichtmeldung nie erhoben, was die Aussagekraft der Daten erheblich einschränkt. Diese fehlende Datenlage sei in seinen Augen für ein so wichtiges Thema wie eine Pandemie unzureichend gewesen.
Lausen stellte auch die schwedische Strategie in einen anderen Kontext: Während Drosten Vergleiche ablehnte, bemerkte Lausen, dass Deutschland, ein großes Land mit vielen Einwohnern, am Ende bei der Übersterblichkeit auf einem „ziemlich hinteren Platz“ gelandet sei. Er visualisierte, dass viele Länder mit weniger Impfungen am Ende mit weniger Übersterblichkeit davongekommen seien als Deutschland. Dies führte Lausen zu dem Gefühl, dass Deutschland langsam aufwache und merke, dass die Maßnahmen „eher schlecht gewesen“ seien.
Krankenhausüberlastung, Kinder als Pandemietreiber und die Rolle des RKI
Weitere strittige Punkte waren die Behauptung einer drohenden Krankenhausüberlastung und die Rolle von Kindern in der Pandemie:
• Krankenhausüberlastung: Drosten sah 2021 die sächsischen Intensivstationen überfüllt und brachte dies mit einer geringen Impfquote in Verbindung. Andere Sachverständige widersprachen, dass Patientenverlegungen in andere Kliniken und Bundesländer eine Überlastung belegen würden. Zudem kam zutage, dass die Krankenhäuser insgesamt nicht überlastet gewesen seien.
• Kinder als Pandemietreiber: Laut Drosten wurden hierüber „Scheindiskussionen“ in den Medien geführt. Im sächsischen Landtag hatten jedoch bereits andere Sachverständige entgegengesetzte Meinungen geäußert, nämlich dass Kinder und Jugendliche keine Pandemietreiber waren und Kita- sowie Schulschließungen nicht notwendig gewesen wären.
• Robert Koch-Institut (RKI): Verschiedene Sachverständige kritisierten, das RKI habe nicht auf eine breite Basis unterschiedlicher Meinungen gesetzt, sondern ausschließlich ausgesuchte Meinungen abgewogen, was Fragen nach der Steuerung der Pandemiebekämpfung aufwirft.
Die Befragung wurde als sehr intensiv empfunden, wobei insbesondere bei den Datenanalysen die Interpretationsfähigkeit der Daten erklärungsbedürftig sei. Lausen warf Drosten vor, Aussagen anderer Wissenschaftler, die nicht mit seinen Erkenntnissen übereinstimmten, schlichtweg „negiert“ zu haben, was als sehr überraschend empfunden wurde, da den anderen Sachverständigen nicht unterstellt werde, weniger Ahnung von ihren Fachgebieten zu haben.
Die AfD, die den Antrag auf den Corona-Untersuchungsausschuss stellte, pocht auf die Veröffentlichung der Zeugenprotokolle und fragt, was es angesichts öffentlicher Anhörungen zu verbergen gäbe. Für dieses Jahr sind noch zwei weitere Sitzungen in Sachsen geplant, zu denen auch Christian Drosten erneut geladen werden soll, ebenso wie weitere Sachverständige. Damit dürfte die Debatte um die deutsche Corona-Strategie und ihre Folgen noch lange nicht abgeschlossen sein.