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Das vergessene Schicksal der DDR-Prominenz nach der Wende

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Die Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik ist gespickt mit Widersprüchen, Heldenbildern und tragischen Schatten. Für viele Schauspieler, Schriftsteller und Künstler, die einst vom Applaus eines ganzen Landes getragen wurden, verwandelte sich der Fall der Berliner Mauer nicht in das ersehnte neue Leben, sondern in einen langsamen, schmerzlichen Abstieg. Ruhm wich Vergessenheit, Sicherheit wich Unsicherheit, und die lauten Ovationen wurden durch eine lähmende Stille ersetzt. Hinter den großen Namen verbargen sich oft Schicksale voller Ernüchterung, Armut und Einsamkeit. Wir blicken heute auf das Leben jener Prominenten, die nach der Wende alles verloren, die einst Idole waren und doch im Schatten verarmten, vergessen und verlassen starben.

Die De-Professionalisierung und der Verlust der Bühne
Ein prägnantes Beispiel ist Erwin Geschonek (1906-2008), einer der größten Schauspieler der DDR, bekannt für Hauptrollen in Klassikern wie „Nackt unter Wölfen“ und ein Symbol des antifaschistischen Selbstverständnisses des sozialistischen Staates. Jahrzehntelang war er das Gesicht der DEFA und auf unzähligen Bühnen geehrt. Doch nach der Wende fand der einstige Volksheld kaum noch Rollen im vereinigten Deutschland. Sein Name verschwand aus den Spielplänen, und ihm blieben nur Erinnerungen und eine kleine Wohnung in Berlin. Geschonek verstarb 2008 im hohen Alter, beinahe unsichtbar, verarmt und vergessen – ein stilles Ende für einen Mann, der einst Millionen bewegt hatte.

Ähnlich erging es Helger Göring (1922-2010), einer der bekanntesten Schauspielerinnen der DDR, beliebt als warmherzige Mutter und resolute Frau in DEFA-Filmen. Ihr Gesicht war in nahezu jedem Haushalt bekannt. Nach 1990 brach ihre Welt zusammen; Rollenangebote blieben aus, und die neuen Produzenten im Westen kannten ihren Namen kaum. Sie lebte zurückgezogen in Mecklenburg-Vorpommern, und Freunde berichteten von stiller Resignation. Helger Göring starb 2010 in Einsamkeit, ohne große Schlagzeilen, ein bitterer Kontrast zu den Applausstürmen ihrer früheren Jahre.

Vom Intendant zum Vergessenen – Eine ganze Generation von Kulturschaffenden
Hans-Dieter Mäde (verstorben 2009) war nicht nur Schauspieler, sondern auch Regisseur und Intendant und prägte unter seiner Leitung das kulturelle Leben im Osten. Er gehörte zur Elite des DDR-Fernsehens. Doch nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems verlor Mäde fast über Nacht seine Position. Seine Arbeit wurde als Relikt einer vergangenen Epoche betrachtet, Aufträge und Förderungen versiegten. Freunde beschrieben ihn als gebrochenen Mann, der nicht mehr an die Kraft seiner Kunst glauben konnte und seine letzten Jahre zurückgezogen und wirtschaftlich eingeschränkt verbrachte. Er starb 2009, vergessen von der Öffentlichkeit, in bescheidenen Verhältnissen.

Auch Dieter Mann (1941-2016), lange Ensemblemitglied am Deutschen Theater und später Intendant, prägte mit seiner Stimme und Ausstrahlung zahlreiche Klassikerinszenierungen. Nach der Wende blieben die großen Rollen aus, und viele westdeutsche Kritiker sahen in ihm nur den Star eines untergegangenen Systems. Er zog sich zunehmend zurück, kämpfte mit gesundheitlichen Problemen und erlebte die Entwertung seines Lebenswerks als Kränkung. Dieter Mann starb nach langer Krankheit in materiell bescheidenen Verhältnissen, fern vom einstigen Glanz.

Prominenz im Kreuzfeuer der Nachwendezeit
Christa Wolf (verstorben 2011) war die wohl bekannteste Schriftstellerin der DDR, verehrt als moralische Instanz. Doch nach der Wende wendete sich das Blatt, als ihre Vergangenheit als inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi bekannt wurde. Aus der gefeierten Autorin wurde eine umstrittene Figur, die von Kritikern diffamiert und von Lesern gemieden wurde. Ihre einstige Strahlkraft erlosch, und sie zog sich tief getroffen zurück. Obwohl sie finanziell über die Runden kam, machten ihr die Isolation und die Abkehr der Öffentlichkeit zu schaffen. Sie starb 2011, gebrochen von den Lasten der Vergangenheit.

Der Schriftsteller Erich Loest (1926-2013), dessen Romane das Leben im Osten oft kritisch thematisierten, erhoffte sich nach der Wende einen Neubeginn. Doch die westdeutsche Öffentlichkeit begegnete ihm mit Skepsis, sah in ihm den Staatsautor oder warf ihm alte Verbindungen vor. Statt Anerkennung erlebte er Isolation, seine Bücher fanden kaum noch Leser. Mit wachsendem Alter verschärfte sich seine finanzielle Not, und schließlich nahm sich Erich Loest 2013 in Leipzig das Leben – ein tragisches Ende für einen Mann, der sein Leben lang mit Leidenschaft schrieb.

Vergessenheit, Armut und Einsamkeit – Ein kollektives Schicksal

Weitere Schicksale spiegeln diese Tragik wider:

• Eberhard Esche (verstorben 2006), eine Kultikone des Ostens durch „Die Legende von Paul und Paula“, fand in den neuen Medienlandschaften keine Heimat und verbrachte seine letzten Jahre mit finanziellen Sorgen und Bitterkeit. Er starb einsam an Krebs.

• Inge Keller (1923-2017), die Grande Dame des DDR-Theaters, erlebte nach der Wende eine zunehmend überschattete Karriere. Die Anerkennung aus Westdeutschland blieb verhalten, und sie führte ein immer stilleres Leben. Sie starb 2017 allein in einem Berliner Seniorenheim.

• Kurt Böwe (verstorben 2000), bekannt aus „Polizeiruf 110“, sah seine Karriere abrupt einbrechen. Westdeutsche Sender hatten kein Interesse an den Stars des Ostens, und Böwe stand plötzlich ohne Aufträge da, geplagt von finanziellen und gesundheitlichen Problemen. Er starb in stillen, bescheidenen Verhältnissen, fern von Ruhm.

• Heinz Rennhack (verstorben 2001), ein gefeierter Kabarettist und Schauspieler, fand in der westdeutschen Medienlandschaft keinen Platz. Seine Programme wurden als veraltet abgetan, Engagements blieben aus, was ihn in finanzielle Schwierigkeiten trieb. Einsamkeit führte ihn in eine tiefe Depression, und er starb 2001 verarmt und innerlich zerbrochen.

Die Schicksale dieser zehn Persönlichkeiten zeigen den tiefen Riss, den die Wende in ihrem Leben hinterließ. Einst gefeierte Stars, verloren sie nach 1989 ihre Bühne, ihre Sicherheit und ihr Publikum. Wo früher Applaus herrschte, regierten plötzlich Stille, Armut und Einsamkeit.

Diese Tragödien werfen die bedrängende Frage auf, ob die Gesellschaft mehr hätte tun können, um jene nicht im Stich zu lassen, die ihr einst Ruhm und Orientierung gaben. Ihr Vermächtnis erinnert uns daran, dass Kunst und Künstler nicht am Wert eines Systems gemessen werden dürfen, sondern an dem, was sie für die Menschen bedeuten. Unsere Erinnerung und unser Respekt sind das Mindeste, was wir ihnen schulden.

Walter Ulbricht: Vom Tischler zum Staatsgründer – und sein Fall

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In bescheidenen Verhältnissen wird Walter Ulbricht, Sohn eines Schneiders, geboren. Niemand ahnt, dass dieser junge Mann, der Tischler lernt und sich schon früh als engagierter Sozialist engagiert, einmal als Gründervater der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) Geschichte schreiben wird – und für einen Satz, der zur Ikone des Kalten Krieges werden sollte: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“. Er baute sie doch, um seinen Staat zu retten, nur um am Ende von seinen eigenen Genossen gestürzt zu werden.

Frühe Radikalisierung und Moskauer Orientierung
Ulbrichts politischer Weg begann in einer Zeit des Umbruchs. Den Krieg von 1914 lehnte er ab und desertierte, als nach der deutschen Niederlage der Kaiser abdanken musste. Er sympathisierte mit dem ultralinken Flügel der Sozialdemokraten, der Ende 1918/Anfang 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gründete. Ulbricht unterstützte die Forderung nach einer sozialistischen Revolution nach russischem Vorbild und wurde in Leipzig Mitglied der Arbeiter- und Soldatenräte. Schon bald wurde er zum Berufsrevolutionär und tauchte unter, nachdem ein Haftbefehl wegen Verbreitung kommunistischer Flugblätter gegen ihn ergangen war. Seine Entscheidung für den Kommunismus und die Orientierung an Moskau waren prägend; es war eine Position, die Millionen von Arbeitern teilten.

Sein Privatleben litt unter dieser radikalen Hingabe. 1920 heiratete er Martha Schmellinsky, und ihre Tochter Dora wurde geboren, doch Ulbricht hatte kaum Zeit für die Familie. Er kämpfte für die Weltrevolution, hatte jahrelang kein festes Einkommen und war „ein total ungeeigneter Familienvater“.

Der Draht nach Moskau und das Überleben im Terror
1924 wurde Ulbricht nach Moskau gerufen, dem Zentrum der kommunistischen Weltrevolution unter Stalin. Seine vollständige Unterordnung unter Stalin und sein „guter Draht nach Moskau“ wurden zum Fundament seines Aufstiegs in der KPD. Er entschied sich stets für den Moskauer Weg und gewann damit die innerparteilichen Auseinandersetzungen der 1920er Jahre. In Moskau fand er in Rosa Michel eine neue Partnerin, mit der er zehn Jahre lang in einer sogenannten „Kameradschaftsehe“ zusammenlebte und eine Tochter bekam, ohne sich von seiner ersten Frau scheiden zu lassen.

1929 wurde Ulbricht KPD-Chef in Berlin und gehörte zur ersten Führungsebene der Partei. Obwohl er kein großer Redner war – er sächselte stark und hatte eine Fistelstimme –, schreckte er im Kampf um die Berliner Arbeiter nicht zurück. 1931 maß er sich sogar mit Joseph Goebbels in einer öffentlichen Rede, was als außerordentlich mutig galt und von der Parteizeitung als Sieg gefeiert wurde.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 floh Ulbricht in die Tschechoslowakei, später nach Paris, Prag und vor allem nach Moskau. Dort erlebte er Stalins Terrorkampagnen, in denen Tausende KPD-Mitglieder verfolgt und getötet wurden. Dieses Trauma lehrte Ulbricht, dass Freundschaften im Kampf ums Überleben hinderlich waren. Um selbst zu überleben, musste man bereit sein, die Hand zu heben, wenn der eigene Freund erschossen wurde – oder man wurde miterschossen. Ulbricht hielt Stalin trotz des Terrors die Treue. Eine neue Frau trat in sein Leben: Lotte Kühn, eine deutsche Kommunistin, die er 1935 im Hotel Lux kennenlernte und mit der er bis zu seinem Tod zusammenblieb. Sie wurde als „herrisch, starrsinnig“ und als jemand beschrieben, der wusste, wie man mit Ulbricht umgehen musste.

Der Architekt der DDR und der Aufstand von 1953
Nach Hitlers Tod kehrte Ulbricht 1945 im Auftrag Stalins nach Deutschland zurück, um in der sowjetischen Besatzungszone eine kommunistische Herrschaft aufzubauen. Er begegnete den in Deutschland verbliebenen Kommunisten sehr reserviert und trat von Anfang an als „Funktionär, der Apparatschik“ auf. Bei der Gründung der DDR 1949 überließ er zwar anderen die offiziellen Titel – Otto Grotewohl wurde Regierungschef, Wilhelm Pieck Staatspräsident –, die eigentliche Macht aber lag bei Walter Ulbricht als Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Er war ein „effizienter Apparatschik und ein, in der Folge eben ein kaltblütiger Diktator“, der ein Faible für Planungen und Taktik hatte und wusste, wie man Leute „zum Funktionieren kriegte“.

Ulbricht forcierte den Aufbau einer sozialistischen Planwirtschaft nach sowjetischem Modell, was zu Verstaatlichungen und der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft führte. Das Leben in der DDR war von Mangel geprägt, und Hunderttausende flohen auf der Suche nach Freiheit und Wohlstand in den Westen.

1953, nach Stalins Tod, geriet Ulbrichts Macht ins Wanken. Am 17. Juni 1953 demonstrierten Bauarbeiter in Ost-Berlin gegen erhöhte Arbeitsnormen, und der Protest weitete sich auf über 500 Orte aus. Nur das Eingreifen sowjetischer Panzer rettete Ulbricht und sein Regime vor dem Sturz. Paradoxerweise spielte ihm der Aufstand in die Karten: Moskau hielt an ihm fest, da er als „eiserne Hand“ die größte Erfahrung besaß und man keine „personellen Experimente“ wagen wollte. Ulbricht konnte seine Macht stabilisieren und bezog mit Lotte ein Haus in Wandlitz. Er adoptierte eine Tochter, Beate, und demonstrierte damit das Bild der stabilen Familie als „Keimzelle der Gesellschaft“. Auch sein Auftreten bei Sportfesten, bei denen er Volleyball spielte und sich sportlichen Betätigungen hingab, sollte ihn menschlicher wirken lassen.

Die Mauer und Ulbrichts späte Wandlung
Die Fluchtwelle in den Westen hielt jedoch an; bis 1961 verließen rund 2,8 Millionen Menschen die DDR, vor allem über Berlin. Dies bedrohte den Aufbau der DDR-Wirtschaft. Ulbricht bat den sowjetischen Führer Chruschtschow um Erlaubnis, die Grenze nach West-Berlin zu schließen.

Am 15. Juni 1961 sprach Ulbricht jene berühmten Worte auf einer Pressekonferenz: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“. Er wusste zu diesem Zeitpunkt bereits, was kommen würde, und wollte die Öffentlichkeit in die Irre führen. In der Nacht zum 13. August 1961 ließ Ulbricht die Grenzen innerhalb Berlins schließen. Die Sperranlage, von Ulbricht als „antifaschistischer Schutzwall“ bezeichnet, stabilisierte die DDR, da die Menschen nicht mehr abwandern konnten und sich viele mit dem System arrangierten.

In den Jahren nach dem Mauerbau machte Ulbricht eine erstaunliche Wandlung durch: Vom strengen Stalinisten entwickelte er sich zu einem selbstständiger denkenden Revolutionär, der in vielen Bereichen mehr Freiheiten zuließ und Rat bei jungen Wirtschaftsexperten und einer „technokratischen Elite“ suchte. Doch diese reformistische Haltung missfiel Leonid Breschnew, dem neuen starken Mann in Moskau, der keinen Sinn für einen „eigenen ostdeutschen Weg“ hatte.

Der Sturz und das Erbe
Breschnew verstand sich besser mit Ulbrichts Ziehsohn Erich Honecker. Unzufriedene Genossen nutzten dies aus, und Honecker forderte mit der Unterstützung des Politbüros und dem „grünen Licht“ aus Moskau Ulbrichts Ablösung. Im Mai 1971 musste Ulbricht seinen Rücktritt erklären, angeblich aus Altersgründen. Dies war ein ungewöhnlicher Abgang für einen kommunistischen Diktator, die normalerweise im Amt sterben oder exekutiert werden. Es war „für jeden sofort sichtbar“, dass dies eine Entmachtung war.

Ulbricht sollte seinen Sturz nie überwinden und starb zwei Jahre später. 1989 fiel die von ihm errichtete Mauer, und ein Jahr später war die DDR, sein Lebenswerk, Geschichte.

Die undurchlässige Grenze: Ein System der Angst und der Hoffnung auf Durchlässigkeit

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Die innerdeutsche Grenze war über Jahrzehnte hinweg ein Ort der Konfrontation, der strikten Überwachung und der tiefgreifenden menschlichen Dramen. Ein aktueller Bericht beleuchtet die erschreckende Realität dieser Trennlinie und die Hoffnungen auf ihre Überwindung.

Zwei Welten an einer Linie In den grenznahen Dörfern der DDR war das Leben von Misstrauen geprägt. Fremde erhielten nur mit Sondergenehmigung Zutritt und jeder Unbekannte musste sofort gemeldet werden. Kontakte zu Menschen aus der Bundesrepublik waren zu meiden; winkende oder grüßende Bewohner waren eine Seltenheit. Auf der westlichen Seite waren rund um die Uhr Streifen des Bundesgrenzschutzes und des Zolls unterwegs, zu Fuß und mit Fahrzeugen. In Bayern verstärkte zusätzlich die Grenzpolizei die Präsenz. Insgesamt waren etwa 17.800 Beamte auf bundesdeutscher Seite im Einsatz. Ihnen gegenüber standen auf DDR-Seite etwa 35.000 Grenzsoldaten, und zusätzlich 15.000 Soldaten der DDR-Grenztruppen am Ring um West-Berlin. Ihre Aufgabe war es, zu überwachen, zu beobachten, festzustellen, zu melden und Verdächtiges zu notieren. Direkte Kontakte zwischen bundesdeutschen Beamten und DDR-Grenztruppen gab es nicht, außer bei außergewöhnlichen Zwischenfällen wie Naturkatastrophen. Die 446 Kilometer lange bayerische Abschnitt der deutsch-deutschen Grenze zeigte überall dasselbe Bild: Sperranlagen zerschnitten die Landschaft, veränderten das Bewusstsein und das Leben der Menschen.

Technologie der Abriegelung und mutige Fluchten Die Grenzsicherung der DDR setzte auf eine scheinbar perfekte, lautlose elektronische Grenzsicherungsanlage. Alarmzeichen in den Schaltstellen der Grenzüberwachung, die tagsüber oder nachts mutmaßliche Durchbruchstellen anzeigten, waren ein streng gehütetes Geheimnis. Salven aus russischen Kalaschnikows wurden seltener registriert. Trotz dieser scheinbar undurchdringlichen Barriere gelang es jedoch 1985 einigen DDR-Bewohnern, die Grenzsperranlagen in Richtung Westen zu überwinden.

Ein besonders dramatisches Beispiel lieferte ein 19-jähriger Grenzsoldat der DDR, dessen Flucht an der Grenze dokumentiert wurde. Er überlistete seinen Kameraden auf dem Kontrollturm, öffnete den Turm und wartete, bis sein sogenannter „Ostenführer“ zum Turm herunterkam. Kurz bevor dieser die Tür erreichte, schloss der Soldat die Tür, verriegelte das Schloss und begann, in Richtung Grenze zu laufen. Er hatte zuvor genau die Zeit berechnet, die sein Vorgesetzter brauchen würde, um wieder auf den Turm zu gelangen und möglicherweise die Schusswaffe gegen ihn einzusetzen. Während er die Sperranlagen passierte, löste er noch ein Signalgerät aus und wählte anschließend einen der drei vorhandenen Fluchtwege durch den Wald.

Der Schatten des Schießbefehls Trotz aller Sicherungsmaßnahmen und auch nach 1985 bestand der Schießbefehl weiterhin. Viele Grenzsoldaten litten unter der Angst, auf „Sperrbrecher“ schießen zu müssen. Ein Vierteljahrhundert deutsch-deutscher Angst suchte Auswege und Lösungen. Die Grenze zeigte die Staatsmacht in ihrer ungeschminktesten Form, was notgedrungen hässlich war. Ein Staat, der sich an seinen Grenzen eher versteckt, würde einen angenehmeren Eindruck machen als einer, der sich dort aufbläht. Die Existenz dieser Grenze rückte die DDR in ein schlechtes Licht, da das Urteil in diesem speziellen Vergleich sehr eindeutig ausfiel. Die Erinnerung an diese Grenze und die damit verbundenen Gräueltaten würde in der Bundesrepublik nicht so schnell verblassen.

Ein Blick in die Zukunft Obwohl „nichts ewig ist“ und die Grenze irgendwann nicht mehr existieren wird, konnte sich niemand vorstellen, wann und unter welchen Umständen dies geschehen würde. Die massiven Erdbewegungen und der verbauten Beton würden noch Jahrtausende in der Landschaft sichtbar sein, weit stärker als der römische Limes. Eine sofortige Öffnung der Grenze wäre verheerend gewesen: Die Wirtschaft der DDR hätte nach einer Woche zusammengebrochen, die der Bundesrepublik nach einem Monat. Daher war es unmöglich, die Grenze einfach zu öffnen. Stattdessen sollten beide Staaten darauf hinarbeiten, immer mehr Erleichterungen zu schaffen, die Grenze durchlässiger und offener zu machen und den Schießbefehl zurückzunehmen, um das Leben auf beiden Seiten zu erleichtern.

Grüne auf Spurensuche in Eisleben: Eine Partei ringt um den Osten

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Eisleben, Sachsen-Anhalt. Felix Banaszak, der neue Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, hat sich auf eine ungewöhnliche Mission begeben: In einer Stadt, in der seine Partei bei der letzten Bundestagswahl gerade einmal 2 Prozent der Zweitstimmen erhielt, sucht er nach den „letzten grünen Wählern Eislebens“. Begleitet wurde er dabei vom YouTuber „Der Dunkle Parabelritter“, der die Probleme seiner Heimatstadt Eisleben beleuchtet und fragt: „Kann man diese Stadt noch retten?“. Die Reise offenbart tiefe Gräben zwischen Bundespolitik und ostdeutscher Realität, aber auch eine wachsende Bereitschaft der Grünen, zuzuhören und zu lernen.

Eisleben: Eine Stadt im Abwärtstrend
Eisleben, gelegen im Landkreis Mansfeld-Südharz, ist ein Symbol für viele Orte in Ostdeutschland, die in den letzten Jahren schiefgelaufen sind. Der Zukunftsatlas 2022 listete Mansfeld-Südharz auf Platz 400 von 400 – ein düsteres Bild. Die Region kämpft mit drastischem Bevölkerungsrückgang: Lebten 1990 noch über 34.000 Menschen in Eisleben, werden es 2040 voraussichtlich nur noch knapp über 18.700 sein. Der gesamte Kreis ist die fünftälteste Region Europas, mit der Hälfte der Bevölkerung über 55 Jahre alt. Zudem herrscht ein deutlicher Männerüberschuss bei den 18- bis 29-Jährigen, was die Geburtenrate weiter belastet.

Die wirtschaftliche Lage ist ebenfalls angespannt. Im Juni 2023 lag die Arbeitslosenquote im Kreis Mansfeld-Südharz bei überdurchschnittlichen 10 Prozent, verglichen mit 6,2 Prozent bundesweit. Mehr als jeder zweite Haushalt hatte 2022 ein niedriges Einkommen unter 25.000 Euro netto pro Jahr. Historisch gesehen war das Mansfelder Land über 800 Jahre lang ein Zentrum des Kupfer- und Silberbergbaus. Nach der Wende 1990 wurden die Betriebe jedoch stillgelegt, was zu einem massiven Strukturwandel führte, der vielen Menschen ihre Arbeit, Perspektive und sogar Identität nahm. An die Stelle alter Gaststätten sind oft Dönerläden oder Sushi-Bars getreten, was bei vielen Menschen ein Gefühl des Verlusts und der Veränderung hervorruft.

Die Grünen: Eine „Westpartei“ im ostdeutschen Gegenwind
Die geringe Wählerzustimmung für die Grünen in Eisleben – nur 276 Menschen wählten sie bei der Bundestagswahl – ist symptomatisch für ihre bundesweiten Schwierigkeiten im Osten. Selbst im Nachbarort Wimmelburg erreichten sie lediglich 1,4 Prozent der Zweitstimmen. Banaszak selbst spricht von einem „eisigen Wind“, der ihnen im Osten entgegenschlägt. Kommentare in sozialen Medien reichen von „Wir hatten schon eine Diktatur, nein danke“ bis zu Vorwürfen, die Grünen hätten sich nie für die Probleme der Menschen interessiert.

Ein möglicher Grund für die fehlende Popularität ist die Wahrnehmung der Grünen als „Westpartei“. Die historische Ablehnung der schnellen Wiedervereinigung durch Teile der Partei wirkt bei vielen noch nach, ebenso wie das Fehlen von ostdeutschem Spitzenpersonal. Banaszak räumt ein, dass der „Bündnis 90“-Teil der Partei im kollektiven Gedächtnis nicht so präsent ist, wie er sein sollte. Er betont, dass die westdeutsche Partei lernen müsse, „gesamtdeutsch zu denken“ und ostdeutsche Biografien, Mentalitäten und historische Erfahrungen stärker aufzugreifen.

Hoffnung und Vertrauensverlust: Stimmen aus Eisleben
Die Suche nach grünen Wählern gestaltet sich schwierig. Viele Eislebener sind AfD-Wähler oder wollen ihre Wahlentscheidung nicht preisgeben. Eine Gruppe Rentnerinnen, die die Grünen ebenso ablehnt wie die AfD, bringt die Lage auf den Punkt: Nach der Wiedervereinigung gab es hier 20.000 bis 30.000 Arbeitslose; sie mussten Umschulungen machen und haben „sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen“. Heute jedoch sehen sie Eisleben schlechter aufgestellt als vor 20 Jahren: weniger Geschäfte, weniger Kultur und vor allem: „die jungen Leute sind ja auch alle weg“. Trotz der düsteren Aussichten bleiben sie optimistisch: „Pessimistisch hätten wir das ja gar nicht überlebt,“ so eine Anwohnerin. Sie hoffen auf die neuen Fördergelder für den Strukturwandel, fordern aber „Arbeitsplätze“ statt nur der Renovierung von Denkmälern.

Ein Anwohner, der sich als Grünwähler aus Hannover outet, kann jedoch nicht als „Eisleber Grünwähler“ gewertet werden. Erst am Ende der Mission findet sich ein Eisleber, der die Grünen wählt – allerdings nur bei der Europawahl und primär wegen der Förderung von Solarenergie: „Grüne Energie das ist Zukunft grüne Energie das ist weltfreundlich“.

Politik am Scheideweg: Zuhören als erster Schritt
Felix Banaszak erkennt die Ursachen für den Vertrauensverlust: Es sei eine Mischung aus konkreten Erfahrungen von Verlust, Abstiegsängsten und Sorgen, aber auch kulturellen Veränderungen. Er kritisiert, dass populistischere Parteien eine einfache Orientierung bieten, indem sie versprechen, dass alles so bleibt wie es ist oder sogar wieder wie früher wird. Die etablierten Parteien dringen kaum noch zu den Menschen durch, da die Mediennutzung sich geändert hat und Algorithmen bestehende Weltbilder bestätigen. Er als Grüner sei oft damit beschäftigt, Vorurteile und „propagandistische Inhalte“ über seine Partei aus dem Weg zu räumen, bevor er überhaupt über Inhalte sprechen könne.

Banaszak betont, dass die Transformation des Ostens in den 90er Jahren für viele Menschen „einfach nur Verlust“ bedeutete, weil Versprechen nicht eingehalten wurden und keine neuen Industrien entstanden. Die Politik müsse dafür sorgen, dass der notwendige Wandel „fair ist und tatächlich abgefangen und aufgefangen wird“, ohne die Fehler der 90er Jahre zu wiederholen, die zu einem massiven Vertrauensverlust geführt haben.

Als konkreten Schritt kündigt Banaszak an, ein Regionalbüro in Brandenburg an der Havel zu eröffnen, um auch über einzelne Tage hinaus die Entwicklungen und Diskussionen im Osten mitzubekommen. Er ist überzeugt, dass der Rest Deutschlands viel vom Osten lernen kann: „dass so ein Wandel nicht im Nichts endet“ und wie Menschen sich neu organisiert und aufgebaut haben. Das Wichtigste sei, den Menschen zuzuhören, denn dies sei eine grundlegende Sache, die lange gefehlt habe und viel verändern könne.

Eisleben steht somit nicht nur für eine „No Future Town Nummer 1“, sondern auch für Menschen, die trotz allem Hoffnung haben. Die Politik muss sich dieses Vertrauen durch echtes Zuhören und das Einlösen von Versprechen neu erarbeiten – ein langer Prozess, der nicht in einer Legislaturperiode abgeschlossen sein wird.

Fünf Jahre Wartezeit auf Neubau – trotz 30 Jahre DDR

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Prenzlauer Berg, ein Stadtteil im Herzen Ostberlins, präsentierte sich im Jahr 1979 als ein Ort voller Gegensätze. Während die Deutsche Demokratische Republik ihr 30-jähriges Bestehen feierte, offenbarte der „Rote Kiez“ eine Realität, die von verfallenen Mietskasernen, Versorgungsengpässen und einer dennoch unverwechselbaren Berliner Seele geprägt war.

Das Erbe der Gründerzeit: Wohnungsnot und Verfall
Der Prenzlauer Berg galt als der am dichtesten besiedelte Bezirk Berlins, mit genau 17.324 Einwohnern pro Quadratkilometer. Doch trotz dieser Dichte war der Stadtteil weit entfernt von einem Prunkviertel. Drei Viertel der Häuser waren zwischen 60 und 100 Jahre alt und litten unter jahrzehntelang vernachlässigten Reparaturen, was den Verfall ganzer Straßenzüge zur Folge hatte. Die meisten dieser Häuser waren verwahrlost, und hinter den architektonisch oft noch reizvollen Fassaden verbargen sich trostlose Behausungen. Jede zweite Wohnung war ohne Bad, jede vierte sogar mit Außentoilette ausgestattet. Von den propagierten „sozialistischen Wohnverhältnissen“, wie sie etwa am „Vorzeigeobjekt“ Arnimplatz gezeigt wurden, wo in fünf Jahren 2.700 Wohnungen renoviert worden waren, war der Prenzlauer Berg noch weit entfernt. Im gesamten übrigen Gebiet wurden seit 1971 nur wenig mehr Wohnungen saniert, obwohl es über 80.000 Altbauwohnungen gab. Der Mangel an Baukapazität und Kapital wurde als Hauptursache für diesen Stillstand genannt, und das „kapitalistische Erbe der Mietskasernen“ wurde für den Zustand verantwortlich gemacht. Wer eine Neubauwohnung haben wollte, brauchte Geduld: Die durchschnittliche Wartezeit betrug fünf Jahre, für Familien mit mehreren Kindern immerhin noch zwei Jahre. Das einzige große Neubauviertel im Bezirk war in den letzten zwei Jahren entstanden, weitere Projekte dieser Größenordnung deuteten sich nicht an. Somit waren Hinterhofmauern und Mietskasernen der Gründerjahre dazu bestimmt, das Bild dieses Stadtteils noch lange zu prägen und das Leben der Menschen zu bestimmen.

Alltagsleben: Mühseliges Einkaufen und der Kohlenmann
Die Schönhauser Allee, von Eingeweihten auch „Schönhauser Dreieck“ genannt, war die zentrale Einkaufsstraße des Berliner Nordens für die Leute vom Prenzlauer Berg. Sie galt als die „Berlinischste“ und wohl auch lauteste der vier Ausfallstraßen des Bezirks. Doch das Einkaufen war nicht selten eine „mühselige Unternehmung“. Ein amtlicher Text umschrieb die Tatsache, dass auch im 30. Jahr der Republik die Nachfrage noch immer größer war als das Angebot; Käuferschlangen standen nicht nur vor Schuhgeschäften. Das Straßenbild bot für Außenstehende Szenen von „fast exotischem Reizen“, wie in einer Großstadt vor 50 Jahren. Der Kohlenmann, der im Winter wie im Sommer schwitzend die Kästen mit Briketts in die Häuser schleppte, war ein alltäglicher Anblick und gehörte zum unverwechselbaren Charakter des Viertels.

Soziale Spannungen und politisches Stimmungsbild
Trotz der tief verwurzelten Tradition der Arbeiterbewegung verzeichnete der Prenzlauer Berg bei den Wahlen kurz vor der Berichterstattung das schlechteste Wahlergebnis aller Berliner Stadtbezirke, die geringste Wahlbeteiligung und die höchste Zahl an Ungültigen und Gegenstimmen. Das Wohnungsproblem wurde als ein möglicher Grund für diese „Verweigerungshaltung“ genannt. Dies war bemerkenswert für einen Bezirk, in dem Persönlichkeiten wie August Bebel, Clara Zetkin und Rosa Luxemburg einst auf Arbeiterkundgebungen gesprochen haben sollen – auch wenn dies vom Ortschronisten bestritten wird. Mit wachsendem Wohlstand zeigten sich im „Roten Kiez“ zunehmend „bürgerliche Verhaltensweisen“. Das Sozialprogramm der Regierung schützte Schwangerschaft und Geburt, finanzierte Krippen, Kindergärten und medizinische Fürsorge und garantierte auch den 37.000 Rentnern im Bezirk soziale und kulturelle Betreuung. Gemäß der Parole „Mach mit, dann hilfst du dir auch selbst“, bemalten Schulkinder die Mauern ihrer Schule in der Prenzlauer Allee, um den tristen Klinkerbau freundlicher zu gestalten – ein Beitrag zum 30. Jahrestag der Republik.

Der unverwechselbare Charme: Ein „Stück Berlin“
Trotz all dieser Probleme bewahrte der Prenzlauer Berg seinen Charakter und seinen Reiz. Er galt als ein „ganz unverfälschtes Stück Berlin“, weit weg von „glatt rasierten Betonklötzen“ und unberührt von fremden Einflüssen. Dieser Zustand des Bezirks, mit seinen problematischen Wohnverhältnissen, machte gleichzeitig seinen Reiz aus und zog Musiker und Maler an, die sich hier niederließen. Der Dichter und Maler Günther Kunard beschrieb, wie sich alle menschlichen Beziehungen in dieser Stadt vergegenständlichten und das alte Berlin auf dem Grunde der Vergangenheit liege, wie ein neues Vineta. Das Wohnen in solchen Altbauten inmitten noch bestehender alter Viertel beeinflusste die Psyche der Einwohner und trug zur „typisch Berlinischen“ Substanz bei, die man hier öfter antraf als in Neubauvierteln. Der Kollwitzplatz, mit dem Denkmal der Grafikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz, die sich einst gegen Elend und soziales Unrecht einsetzte, symbolisierte die Verbindung zur Geschichte und das soziale Engagement. Der Prater im Prenzlauer Berg, heute ein Kreiskulturhaus, war ebenfalls ein Stück Tradition des „Roten Kiez“.

Der Prenzlauer Berg im Jahr 1979 war somit mehr als nur ein Wohnbezirk. Er war ein lebendiges Denkmal einer vergangenen Ära, ein Ort, an dem die Spuren der Gründerzeit und die Herausforderungen der sozialistischen Realität aufeinandertrafen. Ein „Stadtteil mit Charakter“, dessen Gelassenheit, Pfiffigkeit und Witz ihn zu einem einzigartigen Stück Ostberlin machten. Er war „Berlinisch“, eine Eigenschaft, die selbst für den Wedding, den „roten Kiez“ westlich der Grenze, nicht mehr uneingeschränkt galt. Hinter den bröckelnden Fassaden und den langen Warteschlangen pulsierte ein unverwechselbares Leben, das diesen Kiez zu einem Ort voller Geschichten und Originale machte.

Die „Disney Adventure“ verlässt Wismar und schreibt Geschichte

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Ein historischer Moment für die norddeutsche Schiffbaukunst und die Stadt Wismar: Am Abend des 1. September 2025 hat die „Disney Adventure“, das größte jemals in Deutschland gebaute Kreuzfahrtschiff, den Hafen von Wismar verlassen. Pünktlich um 18 Uhr manövrierten vier Schlepper den Ozeanriesen anspruchsvollen Bedingungen – niedrigem Wasserstand und einem engen Fahrwasserkanal – zum Abschied aus dem Hafen. Tausende Schaulustige säumten die Ufer, um dieses bewegende Ereignis mitzuerleben, das die tiefe Verbundenheit der Stadt mit dem Schiffbau unterstreicht.

Eine wechselvolle Geschichte vom Bau bis zur Jungfernfahrt
Der Weg der „Disney Adventure“ war alles andere als geradlinig. Ursprünglich im Jahr 2016 von Genting Hong Kong als „Global Dream“, die erste von zwei Einheiten der ambitionierten Globalklasse, in Auftrag gegeben, sah sich das Projekt bald großen Herausforderungen gegenüber. Die Verschleppung des Mittschiffs von Rostock nach Wismar im Jahr 2019 wurde noch weltweit verfolgt, doch der Ausbruch der Coronakrise stürzte den Mutterkonzern Genting Hong Kong in Schieflage. Im Jahr 2022 meldeten die MV Werften in Wismar, Rostock-Warnemünde und Stralsund Insolvenz an.

Es war Disney Cruise Line, die dem unfertigen Kreuzfahrtriesen eine zweite Chance gab. Branchenkreisen zufolge übernahm Disney das Schiff für rund 40 Millionen Euro und beauftragte die Meyer Werft mit der Fertigstellung. Ein entscheidender Meilenstein wurde am 19. April 2025 erreicht, als die „Disney Adventure“ unter Sirenengeheul, einem Feuerwerk und tausenden Schaulustigen die Werfthalle verließ. In den folgenden Monaten erhielt das Schiff am Ausrüstungskai seine markanten Schornsteine und als weltweite Besonderheit eine Achterbahn an Deck.

Herausforderungen und stolze Leistungen
Die Fertigstellung war jedoch nicht ohne Widrigkeiten. Die Öffentlichkeitsarbeit von Disney Cruise und den beteiligten Schiffbauunternehmen wurde als extrem schlecht kritisiert. Lautstarke Notfallübungen sorgten zeitweise für Irritationen in der Stadt, und auch die Arbeitsbedingungen auf der Werft standen in der Kritik. Trotz dieser Schwierigkeiten arbeiteten rund 1.400 Beschäftigte mit Hochdruck an der Fertigstellung, eine Leistung, die in der Stadt Wismar viel Anerkennung findet. „Wir als Stadt dürfen auch stolz sein, dass ein solches Schiff hier tatsächlich zu Ende gebaut worden ist“, so ein Sprecher, der die Hoffnung äußerte, dass die Werften eine Zukunft haben werden.

Der Moment der Abfahrt war von tiefem Stolz geprägt. „Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, als dann diese Ausfahrt des Schiffes auf ihren ersten Schritten so vorbereitet wurde“, beschreibt ein Beobachter die Stimmung am Westhafen. Als das Schifffsignal das „Los geht’s“ verkündete, waren alle Anwesenden von Stolz erfüllt, das größte Schiff, das jemals in Wismar gebaut wurde, auf seine Reise zu schicken.

Die Reise hat erst begonnen
Die „Disney Adventure“ wird nun in Mukran Treibstoff und Frischwasser bunkern, bevor auf der Ost- und Nordsee erste Probeläufe auf hoher See anstehen. Weitere Arbeiten erfolgen in Bremerhaven und Emshafen, bevor das Schiff im Dezember 2025 seinen künftigen Heimathafen Singapur erreichen wird. Dort wird es als neues Flaggschiff von Disney Cruise Line in Dienst gestellt.

Für Wismar und Mecklenburg-Vorpommern ist die „Disney Adventure“ bereits heute ein Symbol der norddeutschen Schiffbaukunst und wird als das größte jemals in Deutschland gebaute Kreuzfahrtschiff in die Geschichte eingehen. Die Reise des Ozeanriesen hat erst begonnen, doch sein Abschied aus Wismar war bereits ein unvergessliches Kapitel in der maritimen Geschichte Deutschlands.

Franziska van Almsick: Zwischen Wunderkind-Ruhm und dem Fluch des Goldes

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Berlin – Sie war das Gesicht einer wiedervereinigten Nation, ein „Wunderkind“, dessen Aufstieg so kometenhaft war, dass er Deutschland in seinen Bann zog: Franziska van Almsick. Ihre Geschichte ist die einer Ausnahmesportlerin, die schon als Teenager das Scheinwerferlicht des Weltruhms erlebte und dabei zwischen grenzenloser Begeisterung und erdrückendem Erwartungsdruck navigieren musste.

Der unverhoffte Start in Barcelona 1992 Mit gerade einmal 14 Jahren betrat Franziska van Almsick die olympische Bühne bei den Spielen 1992 in Barcelona. Sie selbst hatte sich vorgenommen, „nur mal Hallo zu sagen“, doch was folgte, war eine Sensation. Völlig unerwartet gewann sie vier Medaillen – zwei silberne und zwei bronzene. Es war ein „Wahnsinnsrennen“, das sie selbst überraschte: „Ich habe mich erschrocken, also ich habe selber nicht gedacht, dass ich dazu in der Lage bin“. Ihre Mischung aus „Selbstbewusstsein und Unbefangenheit“ gepaart mit ihrer „Berliner Schnauze“ machte sie sofort zum Publikumsliebling.

Doch der Ruhm kam über Nacht. Als sie von Barcelona nach Hause flog, dachte sie, sie würde abgeholt und alles sei gut. Stattdessen erwartete sie am Flughafen Berlin „ein großer Bahnhof“ mit einem Pulk von Medienvertretern. Plötzlich war sie „Olympia-Küken“ und Superstar. Ihre damalige Reaktion: „Schrecklich“. Ihre Familie fand den Rummel um Gold für eine 14-Jährige „zu viel“ und meinte, sie sei noch nicht reif genug dafür.

Der „Goldfluch“ und die Schattenseiten des Erfolgs Was für viele wie ein Traum klingen mag, wurde für Van Almsick zu einer schweren Last. „Dieser Goldfluch hat mich fast kaputt gemacht, es war ein Erfolgsfluch“, erinnert sie sich. Die Erwartung, olympisches Gold zu gewinnen, war immens. Aus der „großen Liebe zum Schwimmen“ wurde eine „Hassliebe“. Der Druck manifestierte sich in ständiger Medienaufmerksamkeit, wobei die „Bildzeitung“ ein ständiger Begleiter ihres Aufstiegs und Abstiegs war.

Die junge Schwimmerin, die in ihrer Kindheit die Welt bereiste und Kontinente sah, musste sich schnell an ein Leben im Rampenlicht gewöhnen. Terminkalender, die für einen erwachsenen Leistungssportler kaum zu schaffen gewesen wären, waren für sie Alltag. Ihr Management schirmte sie ab, doch die kommerzielle Nutzung ihres Erfolgs war offensichtlich. Werbespots, Fotoshootings in Miami oder Los Angeles – sie verdiente gigantische Summen, deren Ausmaß ihr anfangs gar nicht bewusst war.

Doping-Vorwürfe und ein bodenständiges Umfeld Ihre Herkunft aus Ost-Berlin brachte zusätzliche Herausforderungen mit sich. Aufgrund der Doping-Geschichte der DDR wurde sie immer wieder mit Fragen nach verbotenen Substanzen konfrontiert. Sie selbst betonte, dass ihr in jungen Jahren „niemand irgendwas gegeben hat“. Rückblickend kann selbst ein Experte „nicht ausschließen, dass es sowas gegeben hat“, hält sie aber nicht für schuldig. Das Thema „nervte“ die 14-Jährige zutiefst.

Trotz des Trubels bewahrte Franziska van Almsick ein bodenständiges Umfeld. Ihre Familie, die selbst „an der Mauer mehr oder weniger gelebt“ hatte und Franziska als Kind mit ihrer „Hopserei“ zum Schwimmen schickte, stand ihr zur Seite. Sie beschreibt sich selbst als „ziemlich rotzig und frech“ und war „schon immer aufgeweckt“ und rebellierte, je älter sie wurde.

Höhen und Tiefen: Von Rekorden zur ersten großen Niederlage Ihre Karriere war geprägt von Rekorden und Medaillen. Bei der Spartakiade räumte sie als Kind „einfach alles ab“. Doch der unaufhaltsame Siegeszug hatte auch Rückschläge. Bei der Weltmeisterschaft 1994 in Rom erlebte sie eine Katastrophe: „Franzi verschläft das Rennen“, qualifizierte sich nicht. Es war ihre erste große Niederlage und „grauenvoll“.

Franziska van Almsick war Weltrekordlerin, Weltmeisterin und Weltsportlerin. Ihre Geschichte ist eine von „Höhen und Tiefen“, von einem Mädchen, das aus der Masse herausstach und zum „Sprungbrett“ für viele wurde. Sie ist eine Ikone des deutschen Sports, die den immensen Druck des Erfolgs meistern musste und dabei stets ihren Weg ging.

Alltag an der Grenze: Einblicke in die Welt der Volkspolizei im alten Berlin

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Berlin – Fernab der politischen Schlagzeilen des Kalten Krieges spielte sich in den Straßen des alten Berlins ein ganz eigener Mikrokosmos ab: der Alltag der Volkspolizei (VP) an der Staatsgrenze. Die vorliegenden Einblicke zeichnen ein detailliertes Bild dieses Dienstes, der von der Sicherung der Grenze bis zur Bewältigung innerstädtischer Konflikte reichte.

Der „Dressierbereich“: Ein Brennpunkt im Herzen Berlins
Ein zentraler Bereich der Verantwortung war der sogenannte „Dressierbereich“ mitten im alten Berlin, ein Altbaugebiet mit Hinterhöfen und den dazugehörigen Herausforderungen. Dieser Bereich, im Norden durch die 1,2 Kilometer lange Staatsgrenze begrenzt und angrenzend an andere Sektoren und Stadtteile wie den Prenzlauer Berg, umfasste rund 25.000 Einwohner. Hier waren die Volkspolizisten, wie ein Beamter betonte, gemeinsam für „hohe Ordenssicherheit und Vorbeugen“ tätig.

Die täglichen Aufgaben waren vielfältig: Sie umfassten die Kontrolle von Jugendlichen an bekannten Treffpunkten und die Abwehr von Provokationen, insbesondere vor wichtigen politischen Terminen wie dem 1. Mai. Die Beamten wurden angehalten, eine Gangart zu wählen, die „allseitige Beobachtung“ ermöglichte, in mäßigem Schritt zu gehen, öfter stehen zu bleiben und wichtige Punkte zu beobachten, ohne sich unmittelbar im Strom der Passanten zu bewegen. Eine enge Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Kräften wie Bürgern, Verkaufspersonal und Taxifahrern wurde dabei als unerlässlich erachtet.

Zwischen häuslicher Gewalt und Grenzsicherung: Dramen des Alltags
Die Quellen offenbaren eine Reihe von Vorfällen, die den herausfordernden Alltag der Volkspolizei prägten. Ein Beispiel ist der Fall des Herrn Höhne, der seine Lebensgefährtin Heidi ins Kreuz getreten hatte, während er stark alkoholisiert war. Herr Höhne verweigerte die Aussage, war „nicht gewillt und weh“ und hatte bereits kurz zuvor eine Geldstrafe von 25 Mark wegen einer „Eigentumsverfehlung“ in einer Kaufhalle – dem „Nicht-Entwenden“ einer Flasche Weizenkorn – kassiert. Die Freundin wurde mit einem Rettungswagen zur medizinischen Behandlung gebracht, während die Beamten diskutierten, ob eine Blutprobe und eine Anzeige wegen Körperverletzung erfolgen sollten, was rechtliche Hürden wie das Einschalten der Kriminalpolizei nach sich zog.

Die Grenzsicherung stellte eine besondere Belastung dar. Leutnant Krupp, der seit 14 Jahren bei der LfVP diente, erinnerte an die Zeit der offenen Grenze, als „nichts gesichert war, sondern nur eine Linie“. Er berichtete von einem Vorfall in der Gartenstraße, wo ein „Buntmetallschieber“ versuchte, eine große Kupferplatte nach West-Berlin zu bringen. Trotz eines „Hechtsprungs“ und der Sicherung des Fahrrades und des Personalausweises konnte der Täter nach West-Berlin entkommen. Ein anderes Mal wurde nachts in der Bodenstraße ein Mann festgenommen, der die DDR 1954 illegal verlassen hatte und mit zwei Ausweisen – einem DDR-Personalausweis und einem westdeutschen Penny – zwischen den „zwei Welten“ wechselte. Dieser Täter schlug dem Beamten Wolfgang Zinke während der Festnahme mit einer Coca-Cola-Flasche über den Kopf und führte zudem einen Schlagring bei sich.

Motivation und Karrierewege: Vom Traum zum Dienst
Die Volkspolizei war für viele nicht nur ein Job, sondern eine Berufung. Wolfgang Zinke, 1939 geboren und aus einer Arbeiterfamilie stammend, wurde von der AWV angeworben, nachdem er zunächst abgelehnt hatte. Nach anfänglichem Zögern erklärte er sich bereit, drei Jahre Dienst zu leisten und fand in dieser Zeit auch den Weg in die „Partei der Arbeiterklasse“. Er durchlief eine Karriere vom Gruppenführer bis zum Leiter des Reviers 14.

Jürgen Rodert, Urmeister der Volkspolizei seit 1973 und in Berlin seit 1974, hatte ursprünglich Kriminalist werden wollen, geprägt durch Filme und die sportlichen Aspekte des Polizeidienstes. Obwohl er in Marzahn lebte und verheiratet war, vermisste er das Grüne und die Stille des Dorfes, aus dem er kam. Hauptwachtmeister Kaiser, aus dem Bezirk Cottbus stammend, wurde durch seinen AWV geworben, da er die Notwendigkeit angesichts der „immer schlimmer“ werdenden Situation zwischen BRD und DDR sah. Er absolvierte ein Praktikum an der SVP-Schule in Zwickau und verpflichtete sich 1984 für den Dienst in Berlin, wo er später eine Wohnung erhielt und dauerhaft bleiben wollte. Auch Sven-Olaf Kulay begann seinen Dienst 1985 in Berlin mit „großer Freude“ und verpflichtete sich, seinen Dienst bis zum Rentenalter zu verlängern, als „Ehre des 40. Jahrestags der Befreiung vom Hitlerfaschismus“.

Junge Aspiranten und interne Kameradschaft
Selbst unter jungen Menschen weckte der Polizeidienst Interesse. Carsten Kennert (geb. 1970) und Danielo Netebus (geb. 1971), beide Schüler der 8. Klasse, äußerten den Wunsch, bei der Deutschen Volkspolizei in der Militärkriminalistik oder Spurensicherung tätig zu werden. Sie waren Mitglieder der FDJ und engagierten sich in ihren Schulorganisationen, bestrebt, ihre Leistungen für ihren Berufswunsch zu verbessern.

Innerhalb der Kollektive entwickelte sich ein enger Zusammenhalt, oft untermauert durch Spitznamen. Namen wie „Zappel“ (wegen aufgeweckter, zappeliger Art), „Schlenker“ (abgeleitet von der Gangart) oder „Upi“ (von Upitz) waren üblich. Der Spitzname „Karo“ für Jürgen Rodert entstand, weil er, obwohl er nahe wohnte, oft zu spät kam und dann Kaffee zahlen musste. „Jensi“ wurde vom Weltmeister Jens Weißflog abgeleitet, wegen seiner nach vorne gebeugten Haltung. Diese Spitznamen zeugten von einer genauen Beobachtung untereinander und einem „harmonischen und kumpelhaften“ Umgang, bei dem sich die Beamten gegenseitig unterstützten.

Die philosophische Debatte um die Grenze
Die Quellen enthalten auch eine bemerkenswerte Auseinandersetzung über die Funktion der Grenze. Ein Bürger argumentierte gegenüber einem Polizisten, dass die Grenze dazu da sei, „dass keiner rüber darf von uns aus nach da drüben“, und betonte, dass die Säulen und Drähte „zu uns“ stünden, nicht dazu, die Westler fernzuhalten. Dieser tiefgehende Dissens über die eigentliche Bedeutung der Grenze – Schutz vor dem Westen oder Einschränkung der eigenen Bevölkerung – offenbarte die Komplexität der Wahrnehmung im geteilten Berlin.

Der Dienst der Volkspolizei im alten Berlin war somit eine Mischung aus alltäglichem Kampf um Ordnung und Sicherheit, persönlichen Geschichten von Engagement und Aufopferung, und einer ständigen Auseinandersetzung mit den ideologischen Realitäten der Zeit.

1956: Ein Jahr des Fortschritts und der neuen Wege in der Republik

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Mit dem Fall des letzten Kalenderblattes und dem Anbruch eines neuen Jahres blicken wir auf 1956 zurück, ein Jahr, das die Republik viele Schritte vorangebracht hat und von bemerkenswerten Errungenschaften in Industrie, Wirtschaft und Gesellschaft geprägt war.

Industrieller Aufschwung und Energieversorgung gesichert Gleich zu Jahresbeginn trotzte das Land einer schweren Kältewelle mit Temperaturen von minus 25 Grad. Unseren Braunkohlekumpeln ist es zu verdanken, dass Hausbrand, Energie, Verkehr und Chemie gesichert waren und die Industrie weiterarbeiten konnte. Die Fertigstellung des ersten selbstgebauten 10.000-Tonnen-Schiffs namens „Frieden“ markierte einen frühen Höhepunkt. Auch im Eisenbahnsektor gab es Fortschritte: Die größte bisher im Land gebaute Elektrolokomotive wurde fertiggestellt. In Trattendorf wuchs der „Bau der Jugend“, wo viele Hände und Herzen zusammenarbeiteten, um die Turbinen für die Energieversorgung zum Laufen zu bringen, und der Plan wurde erfüllt. Ein weiteres gigantisches Industrieprojekt Europas, „Schwarze Pumpe“, für das Fundamente bereitet wurden, soll Bergwerke und ganze Städte wachsen lassen. In Berlin rauchten die Schornsteine des größten Gaswerks Europas, dessen Bau Monate vor dem geplanten Termin beendet wurde, zur Freude vieler Hausfrauen. Dieser industrielle Aufschwung stärkte auch den Außenhandel, der auf vollen Touren lief und den Weltruf unserer Produktion auf allen Kontinenten festigte.

Wohnungsbau und verbesserte Lebensqualität Zehntausende neuer Wohnungen wurden in Angriff genommen, wobei neue Methoden wie der Bau in Großblöcken, etwa in Dresden, eingesetzt wurden, um schneller den wachsenden Ansprüchen gerecht zu werden. Im Bereich der Lebenshaltung gab es ebenfalls Erleichterungen: Preise, insbesondere für Kinderschuhe und -bekleidung, wurden herabgesetzt – eine Errungenschaft für vielköpfige Familien. Das Teilzahlungssystem wurde eingeführt, was es einfacher machte, Produkte zu erwerben. Kurz vor Jahresende beschloss die Volkskammer eine Rentenanhebung, die 3,6 Millionen Rentnern 30 Mark mehr bescherte und noch vor Weihnachten ausgezahlt wurde, als Resultat der Arbeit aller.

Verkehr, Bürokratieabbau und Kultur Unsere Lufthansa bekam 1956 Flügel und wurde mit ihren Maschinen in die internationalen Flugpläne eingetragen. Auch im Straßenverkehr gab es positive Veränderungen: Überflüssige Geschwindigkeitsbegrenzungen und Verbotsschilder wurden beseitigt, was den Fortschritt beschleunigte und zeigte, dass es auch so ging. Kulturell war die Jahresausstellung der Deutschen Akademie der Künste in Berlin ein bemerkenswertes Ereignis, das Werke bildender Künstler aus beiden Teilen Deutschlands nebeneinander präsentierte. Motive und Themen aus „unserer Welt und unserer Zeit“ wurden in moderner Stilart dargestellt, auch wenn einige Experimente, wie der Abtransport der sechsarmigen Göttin, Diskussionen auslösten und perspektivische Fragen offen ließen.

Sportliche Erfolge und ein Blick nach Westen Auch der Sport feierte Erfolge: Die Eissportsaison in Berlin wurde mit internationalen Gästen eröffnet. Im Skilauf auf dem Zugspitzplatz eröffnete die Saison ebenfalls vielversprechend, wobei der Österreicher Josef Rieder aus Lermoos mit der besten Zeit von einer Minute und 11 Sekunden seine Erfolgsserie fortsetzte.

Während die Republik ihre Erfolge feierte, warf der Blick über die Grenze nach Westdeutschland ein anderes Bild auf: Das erste bundesdeutsche Rock ’n‘ Roll Turnier fand in Hamburg statt. Der Beitrag kontrastiert dies mit einer „unglücklichen Jugend“, die „vom Tanzboden in die Kasernen taumeln“ soll, da die Bundeswehr bereits marschiert. Im „Rausch“ versuche eine enttäuschte Generation die „westdeutsche Wirklichkeit zu vergessen“.

Zusammenfassend war 1956 ein Jahr, das von unermüdlicher Arbeit, beeindruckenden Bauvorhaben, sozialen Verbesserungen und einer Stärkung der Position der Republik auf internationaler Ebene geprägt war.

Jahresrückblick 1956: Ein Jahr des Fortschritts und der neuen Wege in der DDR

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Berlin – Mit dem Fall des letzten Kalenderblattes blicken wir auf das Jahr 1956 zurück, ein Jahr, das die Deutsche Demokratische Republik mit vielen Schritten voranbrachte und zahlreiche Erfolge in Industrie, Sozialpolitik und Kultur verzeichnete.

Industrie und Wirtschaft im Aufwind Gleich zu Beginn des Jahres lief der erste in der DDR gebaute 10.000-Tonner, die „Frieden“, vom Stapel. Kurze Zeit später erhielt die Deutsche Lufthansa „Flügel“, als ihre Maschinen in die internationalen Flugpläne eingetragen wurden. Die tapferen Kumpel der Braunkohleindustrie sicherten trotz einer schweren Kältewelle mit minus 25 Grad im Januar die Versorgung von Hausbrand, Energie, Verkehr und Chemie und hielten damit die Industrie am Laufen.

Auch im Bereich des Maschinenbaus gab es bemerkenswerte Fortschritte: Die größte bisher im Land gebaute Elektrolokomotive wurde fertiggestellt. In Trattendorf schritt der Bau des Jugendkraftwerks voran, wo viele Hände und Herzen zusammenarbeiteten, um die Turbinen für die Energieversorgung zum Laufen zu bringen und den Plan zu erfüllen. Ein weiteres gewaltiges Projekt, für das die Fundamente bereitet wurden, war „Schwarze Pumpe“, eines der größten Industrieprojekte Europas, das moderne Technik für den Bergbau und den Bau neuer Städte versprach.

Die Hauptstadt Berlin konnte sich über die Fertigstellung des größten Gaswerkes Europas freuen, dessen Bau Monate vor dem geplanten Termin beendet wurde, was insbesondere den Hausfrauen zugutekam und den Stolz der Nation weckte. Diese industriellen Erfolge spiegelten sich auch im florierenden Außenhandel wider, der auf vollen Touren lief und den Weltruf der DDR-Produktion auf allen Kontinenten stärkte. Als vorbildlich wurde die Erfüllung des Jahresplans in Werken wie der Werkzeugmaschinenfabrik Fritz Heckert in Karl-Marx-Stadt hervorgehoben.

Soziale Errungenschaften und Lebensverbesserungen Der Wohnungsbau wurde durch neue Methoden beschleunigt, insbesondere durch den Bau von Großblöcken wie in Dresden, um den wachsenden Ansprüchen gerecht zu werden und zehntausende neue Wohnungen zu schaffen. Eine vielbesprochene Errungenschaft war die Senkung der Preise für viele Waren, wovon besonders Kinder und ihre stark beanspruchten Verbrauchswaren wie Schuhe und Bekleidung profitierten.

Das Leben der Bürger wurde auch durch die Beseitigung überflüssiger Verbotsschilder und Geschwindigkeitsbeschränkungen vereinfacht. Um den Einkauf zu erleichtern, wurde das Teilzahlungssystem eingeführt, das es ermöglichte, die von den Arbeitern der Republik produzierten Güter einfacher zu erwerben. Ein bedeutender Beschluss der Volkskammer kurz vor Jahresende war die Erhöhung der Renten. 3,6 Millionen Rentner erhielten noch vor Weihnachten 30 Mark mehr, ein direktes Resultat der gemeinsamen Arbeit.

Kultureller Austausch und sportliche Höhepunkte Das Jahr war auch von freundschaftlichen Begegnungen geprägt. Kindergärten im Freiheit Park überreichten Geschenke an Volkspolizisten. Berliner Gäste, darunter das Volkspolizeiorchester unter der Leitung von Willi Kaufmann, begeisterten chinesische Gastgeber im Palast der Jungen Pioniere im Ching-Cham-Park mit ihren Darbietungen und perfektem Chinesisch.

Eine bemerkenswerte Ausstellung der Deutschen Akademie der Künste in Berlin zeigte nebeneinander Werke bildender Künstler aus beiden Teilen Deutschlands, die Motive und Themen der Zeit in moderner Stilart darstellten.

Im Sport wurde die Eissportsaison in Berlin mit Gästen aus Österreich eröffnet, darunter die Europameisterin von 1955 und das Wiener Paar, das als beste österreichische Kombination galt. Die Skiläufer eröffneten ihre Saison auf dem Zugspitzplatz, wo der Österreicher Josef Rieder aus Lermoos im Rennen durch 40 Tore die beste Zeit erzielte und damit die Erfolgsserie seiner Landsleute fortsetzte.

Ein Blick nach Westen Während in der DDR Fortschritte gemacht wurden, warfen die Quellen auch einen kurzen Blick auf Westdeutschland. In Hamburg fand das erste bundesdeutsche Rock ’n‘ Roll Turnier statt. Die Rede war von „zwei Seiten einer Welt“, wo einerseits „der feine Tanz einer Jugend im Schatten des Wirtschaftswunders“ wirbelte, andererseits aber auch die Bundeswehr bereits marschierte und „der Barras“ auf eine „unglückliche Jugend“ warte, die „vom Tanzboden in die Kasernen taumeln“ solle. Die Darstellung deutet an, dass diese „enttäuschte Generation“ im Rausch versuche, die westdeutsche Wirklichkeit zu vergessen.

Zusammenfassend war 1956 ein Jahr, das von harter Arbeit, kollektiven Erfolgen und spürbaren Verbesserungen für die Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik geprägt war.