Ein Lehrfilm der Nationalen Volksarmee (NVA) enthüllt die ernste Vorbereitung auf einen möglichen Panzerangriff der Bundeswehr gegen die Deutsche Demokratische Republik, unter dem düsteren Motto: „Deutsche schießen auf Deutsche…“. Diese Ausbildung war ein zentraler Pfeiler der Verteidigungsstrategie gegen eine als unmittelbar und aggressiv wahrgenommene Bedrohung aus dem Westen.
Die NVA sah in den westdeutschen Streitkräften einen potenziellen Angreifer, dessen Absicht, „gegen uns vorerst in Manöver hier erproben sie die Varianten des Überfalls auf unser sozialistisches Vaterland“, klar sei. Manöver wie „Schwarzer Löwe“ im September 1968, bei dem 16.000 Rad- und Kettenfahrzeuge zum Einsatz kamen und Starfighter sowie Kampfflugzeuge G91 Angriffe mit Raketen und erstmals auch Napalmbomben simulierten, wurden als Beweis für eine „Vorwärtsstrategie“ gewertet. Diese Strategen, ermutigt durch „zeitweilige Erfolge der israelischen Aggressoren“, spekulierten laut NVA mit einem „begrenzten konventionellen Blitzkrieg“, für den Panzer als „Stoßkeile für ihre Aggression“ dienten.
NVA’s Defensive Strategie
Die NVA bereitete sich darauf vor, solche Angriffe abzuwehren. Zunächst ging es darum, „einen Gegenangriff abzuschlagen“ durch den Einsatz von „schweren panzerbrechenden Waffen“, darunter Panzerabwehrkanonen und Panzerbüchsen, die „die Mehrzahl der angreifenden Panzer des Gegners unter Feuer“ nehmen sollten. Doch die NVA erkannte auch, dass im „modernen Gefecht keine durchgehenden Frontlinien“ existierten und gegnerische Panzer „in unseren rückwärtigen Raum durchbrechen“ konnten. Daher war die Sicherung von Bauvorhaben im rückwärtigen Raum, beispielsweise zur Wiederherstellung zerstörter Straßenabschnitte, mit Panzerbüchsen und Panzerhandgranaten unerlässlich.
Der Nahkampf mit Panzern: Eine psychologische Herausforderung
Wenn Panzer in die eigenen Stellungen einbrachen, wurde der Nahkampf unausweichlich. Oberstleutnant Schäfer, ein erfahrener Soldat, der selbst „gegnerischen Panzern gegenüber gestanden“ hatte – zwar nicht auf dem Gefechtsfeld, aber in einer direkten Konfrontation mit amerikanischen Panzern nach dem 13. August 1961 an der Staatsgrenze zu Westberlin – sprach von der immensen psychologischen Wirkung. Er beschrieb, wie die Panzermassen **“eine starke psychologische Wirkung auf den einzelnen aus“**übten. Der Anblick einer Kanone, mehrerer schwerer Maschinengewehre und die massive Panzerung, die den Panzer als „Koloss“, als „uneinnehmbare Festung“ erscheinen ließ, konnten schnell den Eindruck der eigenen Machtlosigkeit erwecken. Auch die „Geländegängigkeit“ und das „anschwellende Geräusch des Motors, das lauter werdende der Rasseln der Ketten“ konnten „einen unerfahrenen Soldaten in Angst versetzen und ihn damit handlungsunfähig machen“.
Den Panzer besiegen: Mut und Taktik
Doch die NVA lehrte, dass diese Angst überwunden werden musste. Entscheidend sei, die scheinbaren Vorteile des Panzers im Nahkampf zu dessen Nachteilen umzukehren. Die Feuerkraft und starke Bewaffnung seien gegen den Panzer-Nahkämpfer auf kürzester Distanz nutzlos. Die massive Größe und Panzerung führten zu einer „Sichtbehinderung“ für die Besatzung und machten den Panzer selbst zu einem „gut zu treffenden Ziel“. Für Sekunden sei der Panzer dem Nahkämpfer „völlig ausgeliefert“, und diese Chance müsse genutzt werden.
Dies erforderte vom NVA-Soldaten „Mut, feste politisch-moralische Haltung, Standhaftigkeit“ und das Bewusstsein, gemeinsam mit seinen Genossen zu siegen. „Ruhe und Kaltblütigkeit“ waren nötig, um im richtigen Moment die Panzerhandgranate zu werfen – das „wichtigste Kampfmittel gegen Panzer“.
Die Panzerhandgranate: Präzision und Wirkung
Die Handhabung der Panzerhandgranate wurde akribisch trainiert: Abschrauben des Stieles, Einsetzen der Zündladung, Aufschrauben des Stieles, Einnehmen in die Wurfhand, Drücken der Sicherungsschiene, Zusammenbiegen der Enden des Sicherungssplintes mit der freien Hand und Herausziehen des Sicherungssplintes. Diese Griffe mussten schnell und sicher beherrscht werden, um den „heranrollenden Gegner ständig beobachten“ zu können.
Die Panzerhandgranate besaß einen Stabilisierungsfallschirm, der unmittelbar nach dem Wurf, sobald sich die Sicherungsschiene gelöst hatte, herausgedrückt wurde. Dieser Fallschirm war entscheidend, da er die Granate „mit ihrer Stirnseite und im günstigsten Winkel auftreffen“ ließ, sodass die Hohlladung „die Panzerung durchschlagen“ konnte. Die NVA versicherte: „Du kannst Vertrauen haben zur Panzerhandgranate, denn es gibt keinen gegnerischen Panzertyp, der nicht mit ihr vernichtet werden könnte“ – und das unabhängig davon, „an welcher Stelle der Panzerung du den Gegner triffst“.
Taktiken im Panzernahkampf:
Die NVA schulte ihre Soldaten darin, die Nachteile des Panzers auszunutzen:
• Deckung und Tarnung: Der Soldat sollte das Gelände geschickt zur Deckung nutzen und „unerkannt“ bleiben, da die Besatzung des Panzers „weniger sieht“ und nur „große Objekte und auffällige Bewegungen“ erkennen kann.
• Wurfweite und Toter Winkel: Die optimale Wurfweite betrug 15 bis 20 Meter, was bedeutete, sich „dicht vor dem toten Winkel der Bewaffnung und Beobachtung des Gegners“ zu positionieren.
• Angriffsvarianten:
◦ Seitlicher Angriff: Als beste und sicherste Variante galt, in Deckung zu bleiben, bis der Panzer „seitlich an dir vorbeigerollt ist“, um ihn dann anzugreifen.
◦ Frontaler Angriff: Falls ein Stellungswechsel nicht möglich war, konnte der Panzer auch von vorn angegriffen werden, da die Granate „auch den stark gepanzerten Bug des Gegners durchschlägt“.
◦ Angriff von hinten: Die Erfahrungen zeigten, dass es noch besser war, sich „überrollen zu lassen“ und den Panzer „direkt von hinten anzugreifen“, um die Treffsicherheit zu erhöhen.
• Nach dem Wurf: Nach der Detonation musste der Soldat bereit sein, die „eventuell ausbootende Panzerbesatzung mit seiner MP zu vernichten“.
Teamwork ist entscheidend:
Obwohl der Nahkampf oft ein Duell zu sein schien, wurde betont: „Allein bist du nicht“. Die Genossen der Gruppe deckten den Nahkämpfer, denn bei gedecktem Vorgehen war nicht der Panzer selbst, sondern die „ihn begleitende Infanterie“ die primäre Gefahr. Die Kameraden hatten die Aufgabe, „die Infanterie vom Panzer zu trennen“, sie durch gezieltes Feuer zu vernichten und Feuerschutz zu geben.
„Die Panzernahbekämpfung ist fester Bestandteil im System der Panzerabwehr“, so die klare Botschaft. Jeder Soldat musste sie erlernen, trainieren und beherrschen, denn „der Sieg hängt von dir, von deiner Überzeugung, von deinem Willen, von deinem Können, von deinem Mut zum Sturmangriff ab“. Es war eine nüchterne, aber entschlossene Vorbereitung auf einen Konflikt, der die DDR bis in die hintersten Reihen zu erreichen drohte.