Cottbus, die über 1000 Jahre alte Stadt in der Niederlausitz, erlebte in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs eine tragische Zerstörung und stand im Fokus militärischer Operationen. Ein verheerender Luftangriff im Februar 1945 und die darauffolgende Einnahme durch die Rote Armee prägten die Schicksalstage einer Stadt, deren Geschichte im Schatten von Propaganda und historischen Ungenauigkeiten lange Zeit verblieb.
Die heute rund 100.000 Einwohner zählende Stadt, die 1156 erstmals urkundlich erwähnt wurde, hatte bereits vor 1945 eine wechselvolle Geschichte hinter sich, geprägt von Bränden (1600, 1671, 1857) und der Entwicklung zu einem wichtigen Zentrum der Textilindustrie und ab dem 19. Jahrhundert zu einem Eisenbahnknotenpunkt und Garnisonsstandort. Im Zweiten Weltkrieg wurde Cottbus zu einem wichtigen Produktionsstandort für Kampfflugzeuge, darunter die Focke-Wulf 190 und die viermotorige Focke-Wulf 200, wofür Teile der Textilindustrie weichen mussten. Diese Rüstungsproduktion machte die Stadt zu einem Ziel alliierter Luftangriffe.
Der verheerende 15. Februar 1945: Ein Bombenhagel trifft Cottbus
Obwohl Cottbus bereits 1940 und 1944 Ziel amerikanischer Luftangriffe war, die vor allem die Focke-Wulf-Werke trafen, ereignete sich der verheerendste Angriff am 15. Februar 1945. Ein amerikanischer Bomberpulk von 459 schweren B17 Bombern hatte sich über der Nordsee versammelt, um ursprünglich Hydrierwerke bei Magdeburg, Böhlen und Ruh Schwarzheide anzugreifen. Da das Hydrierwerk Ruh Schwarzheide jedoch unter einer dichten Wolkendecke lag, flogen die Bomber ihr Ausweichziel Cottbus an.
Um 11:51 Uhr trafen die ersten Maschinen über Cottbus ein. Die sogenannten „Pfadfinder“ hatten den Bahnhof jedoch zu kurz anvisiert, wodurch der insgesamt 1000 Tonnen schwere Bombenteppich hauptsächlich auf den Bahnhof sowie in die östlichen und südlichen Stadtgebiete fiel. Zunächst brannten Häuser am Lutherplatz und die Lutherkirche, Minuten später der Industriehof, die Kaffeefabrik und die Möbelfabrik Örtling. Wohnhäuser in der Rechnerstraße, Leipzigerstraße und Finsterwalderstraße wurden von Volltreffern getroffen. Besonders tragisch: Im Operationssaal eines Krankenhauses starben alle Ärzte und Krankenschwestern, und im Frauenzuchthaus in der Bautzener Straße kamen 39 inhaftierte Frauen ums Leben. Eine gewaltige Detonation eines auf dem Bahnhof abgestellten Munitionszuges tötete um 12:08 Uhr zudem zahlreiche Menschen, darunter Verwundete in Lazarett- und Flüchtlingszügen.
Nach nur 29 Minuten, um 12:25 Uhr, war der Angriff beendet, doch Blindgänger und Munition detonierten noch Stunden später. Die Bilanz war erschütternd: Mindestens 1000 Menschen kamen ums Leben, darunter Cottbuser und Flüchtlinge aus Schlesien, angeblich auch 400 Kinder. Mehr als 2500 Menschen wurden verletzt, und über 13.000 Einwohner wurden in den rund 3600 zerstörten oder beschädigten Häusern und Wohnungen obdachlos. Cottbus war zu 60% zerstört.
Die Festung Cottbus und der Vormarsch der Roten Armee
Nachdem die Ostfront im März 1945 die Neisse erreicht hatte, wurde Cottbus strategisch noch wichtiger. Der Flugplatz wurde erneut von der sowjetischen Luftwaffe bombardiert, die längst die Lufthoheit erlangt hatte. Vom 16. bis 28. April 1945 folgte die sowjetische Cottbus-Potsdamer Operation, ein Teil der Berliner Operation zur Einnahme der Reichshauptstadt.
Cottbus war im Februar 1945 zur Festung erklärt worden. Als Kommandant wurde der 65-jährige Generalleutnant Rolf Sodan ernannt, der ohne jegliche Kampferfahrung an der Ostfront war und im November 1943 aus der Wehrmacht verabschiedet worden war. Die deutschen Verteidigungsstellungen entlang der Neisse, des Dransitzfließes und der Spree waren jedoch nur schwach besetzt, hauptsächlich von völlig kampfunerfahrenen und schlecht ausgerüsteten Volkssturm-Bataillonen, darunter zahlreiche Jugendliche der Hitlerjugend, Verwundete und alte Männer. Sogar Sodan selbst hatte am 19. April eine Meldung an das V. Armeekorps abgesetzt, dass eine Verteidigung der Stadt ohne aktive Kampftruppen unmöglich sei, ließ aber vorsorglich alle Spreebrücken sprengen.
Die Einnahme der Stadt: Wenig Gegenwehr
Der Umfassungsangriff auf Cottbus begann am Nachmittag des 19. April durch Brigaden der Dritten Gardepanzerarmee, unterstützt von Schlachtfliegerverbänden. Die schlecht ausgebildeten Volkssturmkompanien ergaben sich häufig ohne große Gegenwehr, wodurch die Rote Armee Ortschaft um Ortschaft einnehmen konnte. Am 20. April wurde der Kessel um Cottbus und den Spreewald geschlossen.
Am 21. April konnte das 120. Schützenkorps der Dritten Gardearmee den ostwärtigen Teil von Cottbus einnehmen. In den frühen Morgenstunden des 22. April ging das hauptsächlich aus mongolischen Soldaten bestehende 21. Schützenkorps von Süden her gegen das so gut wie nicht verteidigte Cottbus vor. Um 13:00 Uhr stand Cottbus unter der Kontrolle der sowjetischen Armee, wobei nur am Flugplatz und im Norden noch einzelne Gefechte mit sich absetzenden deutschen Truppen stattfanden.
Nachkriegswirren und historische Herausforderungen
Die ersten Besatzungswochen waren für die geschlagenen Deutschen traumatisch. Berichte über Vergewaltigungen und Plünderungen durch sowjetische Soldaten kursierten, deren Erwähnung in der sowjetisch besetzten Zone und später in der DDR jedoch tabu war.
Die historische Aufarbeitung der Ereignisse ist komplex und von Propaganda und Ungenauigkeiten geprägt. Sowjetische Nachkriegsliteratur schilderte die Dinge oft aus propagandistischer Sicht, und es gab widersprüchliche Darstellungen der Marschälle Schukow und Konjew, die beide die entscheidende Rolle bei der Eroberung Berlins für sich beanspruchten. Auch Berichte von „dreitägigen verlustreichen Kämpfen“ um Cottbus sind Übertreibungen, da in der zur Festung erklärten Stadt selbst kaum gekämpft wurde. Der ehemalige Ordonnanzoffizier von Sodan, Klaus-Jürgen Meisner, erinnerte sich Jahre später, dass die Stadt bis auf wenige Ausnahmen nicht verteidigt wurde. Sogar ein 1985 im Spiegel erschienener Artikel des Redakteurs Jörg Mettke enthielt übertriebene Opferzahlen (3000 bis 7000 statt der tatsächlichen ca. 1000 Toten) und falsche Behauptungen.
Die einzigen gesicherten Fakten sind die Einnahme der Stadt am 22. April und der Suizid des Kampfkommandanten Generalleutnant Sodan am 23. April. Auch der für die Eroberung von Cottbus verantwortliche Oberbefehlshaber der Dritten Panzerarmee, Generalleutnant Wassili Gordow, überlebte den Krieg nicht lange: Er wurde 1950 wegen versuchten Terroranschlags gegen Stalin zum Tode verurteilt und hingerichtet, aber 1956 rehabilitiert.
Nach dem Krieg wurde Cottbus Teil der sowjetischen Besatzungszone, ab 1949 der DDR, und 1952 zur Hauptstadt des neu gegründeten Bezirks Cottbus. Nach der Wiedervereinigung entwickelte sich die Stadt an der mittleren Spree zu einem wichtigen Dienstleistungs-, Wissenschafts- und Verwaltungszentrum, das nach dem Ende des Braunkohleabbaus mit dem Bau des Cottbuser Ostsees (Deutschlands größtem künstlichen See) eine neue Ära einläutete. Die Schicksalstage von 1945 bleiben jedoch ein mahnendes Kapitel in der langen Geschichte der Stadt.