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Leipzig feiert die Jugend: Dritte Messe der Meister von Morgen

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Leipzig, 14. Oktober 1960 – Mit einer festlichen Eröffnungsveranstaltung in der Leipziger Kongresshalle wurde heute die dritte Messe der Meister von Morgen feierlich eröffnet. Unter dem Leitgedanken „Schlag ein, Nachwuchs, werde Meister von Morgen!“ versammelten sich Zehntausende junger Erfinder und Rationalisierer, um an diesem zentralen Leistungsvergleich teilzunehmen und ihre Innovationen für den Sozialismus zu präsentieren.

In seiner Eröffnungsansprache betonte der Minister für Volksbildung, Professor Dr. Länder, die Bedeutung der Veranstaltung und rief dazu auf: „Lernt von den Besten, setzt alle Fähigkeiten und Talente für den Sieg des Sozialismus ein!“. Die Messe, die ihrem polytechnischen Charakter gerecht wird, wurde am folgenden Morgen im Messehaus Bugra auf ungewöhnliche Weise eröffnet.

Innovationsschau für eine hellere Zukunft
Besucher erwartete eine beeindruckende Vielfalt an Exponaten, die die Kreativität und den Forschungseifer der Jugend der DDR widerspiegeln. Das Modell eines Sonnenkraftwerks demonstrierte die Umwandlung von Sonnenstrahlen in elektrische Energie und gab einen Ausblick auf die Welt von morgen. Auch eine Petroleumlampe, deren Wärme einen Radioapparat betreibt, wurde gezeigt.

Besonderes Augenmerk lag auf dem Jugendobjekt Viehwirtschaft, das als Leitgedanke für die „Klubs der Neuerer in der Landwirtschaft“ dient. Es wurde betont, dass die helle und schöne Gestaltung des sozialistischen Dorfes nicht zuletzt das Verdienst der Jugend in der Industrie, Landwirtschaft und in den Laboratorien sei. Der Forschungsdrang und die Begeisterung der Jugend werden in der DDR gezielt gefördert und in Bahnen gelenkt, die dem ganzen Volk zugutekommen.

Weitere praktische Innovationen umfassten das Knüpfen von Netzen für die Hochseefischerei Rostock und die Eigenproduktion von Fallsäure zum halben Weltmarktpreis durch junge Forscher der Betriebsberufsschule der VEB Jenapharm. Auch die Herstellung der vollsynthetischen Faser Wolpryla durch junge Rationalisierer des VEB Agfa Wolfen stieß auf großes Interesse.

Kreativität und Bildung im Fokus
Abseits der technischen Neuerungen zeigte die Messe auch, wie man mit einfachen Mitteln kreativ sein kann. Die Jugendfreundin Gerda demonstrierte, wie bunte Tücher mit selbst entworfenen Mustern bespritzt werden können, um ohne großen Aufwand hübsche, modische Kleinigkeiten herzustellen.

Die Schulsternwarte Rodewisch, eine international anerkannte Beobachtungsstation, beteiligte sich ebenfalls mit Arbeiten, die die Bemühungen des Arbeiterastronomen Bruno H. Bürgel zur Verbreitung der Astronomie fortsetzen. Dank der großzügigen Unterstützung der Regierung wurde die Sternwarte zu einer bedeutenden Beobachtungsstätte, der es mehrfach gelang, Sputniks und Weltraumschiffe zu fotografieren und zu vermessen.
Das Thema Weltraumfahrt faszinierte besonders die jungen Pioniere, die eine halbe Etage mit ihren Exponaten belegten und über die Vermessung der Erde und das Erreichen entlegener Räume des Weltalls nachdachten – ein „Raumschiff Juni 1 ist gestartet“.

Die Nationale Volksarmee als Motor der Innovation
Ein besonderes Highlight war der Ausstellungsbereich der Nationalen Volksarmee (NVA), die sich aktiv an der Leistungsschau der Jugend beteiligte. Die Arbeiten der Rationalisierer und Erfinder der NVA, darunter Modelle, Zeichnungen und Arbeiten aus verschiedensten Interessengebieten, vermittelten ein anschauliches Bild, wie Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere zur Sicherung der ständigen Gefechtsbereitschaft beitragen.

Tausende Rationalisierer und Erfinder in den Reihen der NVA nutzten die Messe, um sich zu informieren und Erfahrungen auszutauschen. Allein im zweiten Quartal 1960 wurden 735 Verbesserungsvorschläge zur Erhöhung der Gefechtsbereitschaft eingereicht. Generalmajor Dickel, Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung, würdigte die „gewaltige Bewegung“ der Rationalisierer und Erfinder innerhalb der NVA, die aus der Initiative von Genossen wie Oberfeldwebel Rampe entstanden ist. Diese Erfolge sind das Ergebnis der Arbeit von Partei- und FDJ-Organisationen, die es verstanden haben, die fleißigen Hände und findigen Köpfe zum schöpferisch-aktiven Handeln zu führen.

Der Vorsitzende des Staatsrates der DDR und Erste Sekretär des ZK der SED, Genosse Walter Ulbricht, würdigte die vielfältigen Arbeiten der Soldaten und gab wertvolle Hinweise für die weitere Ausrichtung: Die Arbeiten müssen sich auf moderne Technik und deren militärische Anwendung konzentrieren, und die Aneignung hoher militärtechnischer und wissenschaftlicher Erkenntnisse muss einen bedeutenden Platz einnehmen.

Die NVA-Angehörigen waren auch künstlerisch erfolgreich: Sie errangen einen großen Teil der Medaillen, die vom Zentralrat der FDJ vergeben wurden. Insgesamt wurden der NVA 6 Gold-, 11 Silber-, 28 Bronzemedaillen und 44 Ehrenurkunden für Arbeiten aus allen Gebieten verliehen. Dazu gehören auch künstlerische Arbeiten wie die mit einer Silbermedaille prämierte Plastik „Soldat und Mädchen“ von Genosse Soldat Neubau sowie die zehn Gebote als politische Karikaturen, die die Rolle des Klerus im Bonner Staat geißeln und Ausdruck der politischen Auseinandersetzung junger Künstler sind.

Alltagshelden und internationale Verbundenheit
Auch praktische Fähigkeiten für den Alltag wurden gezeigt: Die Mädchen der Haro Lebensmittel Magdeburg gaben Kostproben, und FDJ-Mädchen vom VEB Fortschritt Berlin demonstrierten, wie aus Resten geschmackvolle Gebrauchstextilien hergestellt werden können.

Unter dem Motto „Tempo Technik 1000 Tage“ rief die FDJ alle Jugendlichen auf, ihr Bestes zur Erfüllung der ökonomischen Hauptaufgabe zu leisten. Lehrlinge des VEB Buna entwickelten beispielsweise eine Ruheschneidbrennerschiene, die drei Arbeitsschritte zu einem einzigen vereint. Die Entwicklung des Bauwesens in der Republik von der Kelle zur modernen Bauweise wurde dabei durch die uneigennützige Unterstützung der Sowjetunion maßgeblich gefördert.

Die dritte Messe der Meister von Morgen war auch ein Treffpunkt internationaler Jugend. Neben Freunden aus der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik präsentierten ungarische Pioniere und Schüler Ausschnitte aus der Arbeit ihrer Kollektive.

Die Messe war ein lebendiges Zeugnis dafür, dass die Jugend der DDR unter der Führung der SED ein aktiver und bewusster Gestalter der sozialistischen Gesellschaft ist. Sie bewies, dass die Jugend die programmatische Erklärung des Staatsrates der DDR, in der es heißt, „alle Mädchen und Jungen sollen flugvorwärts drängende Staatsbürger werden, die die Vollendung des Sieges des Sozialismus und den Triumph über den Todfeind unseres Volkes im Militarismus als ihren Lebensinhalt betrachten“, mit Leben erfüllt.

Wie die DDR-Universität Halle kritische Stimmen zum Schweigen brachte

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Es war der 22. April 1958, als sich der Akademische Senat der Martin-Luther-Universität Halle zu einer außerordentlichen Sitzung versammelte. Doch was sich hier abspielte, war weniger eine akademische Debatte als vielmehr ein inszenierter Prozess, der das Schicksal des sogenannten „Spirituskreises“ besiegeln und ein klares Zeichen gegen jede Form von Widerstand in der jungen DDR setzen sollte.

Die Universität als Instrument der Macht
Nach der Gründung der BRD und der DDR im Jahr 1949 wurde die Sowjetunion unter Stalin zum Vorbild für Walter Ulbrichts Umgestaltung der DDR. Im Juli 1952 wurde offiziell der Aufbau des Sozialismus verkündet. In diesem Zuge sollten die Universitäten als „Instrumente der politischen Herrschaft und planwirtschaftlichen Lenkung umgestaltet werden“. Leo Stern, seit 1952 Rektor der Halleschen Universität, stand für diese Zeit, die „nicht zu den besten in der Universitätsgeschichte zählt“, da er die Universität „sehr nah an der Ideologie der SED ausgerichtet“ hatte. Er verfolgte das Ziel, eine neue Elite aus Arbeiter- und Bauernkindern zu etablieren.

Der ominöse „Spirituskreis“: Kaffeekränzchen oder zweite Leitung?
Seit Jahren beschäftigte der „ominöse Spirituskreis“ die Öffentlichkeit, die Staatsorgane und die Gesellschaft. Seine Teilnehmer beschrieben ihn als „harmloses Kaffeekränzchen“ oder „Herrenkränzchen“, das sich privat in Wohnungen traf, um in kleinen Runden von zwölf Personen, zwölf Monate lang, zwölf Vorträge zu hören. Man habe sich lediglich zum „rein persönlichen Kontakt“ getroffen, wo „alles zwanglos vor sich ging“.
Für Rektor Stern jedoch war der Kreis „offenkundig eine Art zweite gespenstische Leitung, die alles dirigiert und regelt und sogar Rektoren einsetzt und absetzt“. Das „illegale Wirken“ sollte ins Licht der Öffentlichkeit gebracht werden, um die Universität von einer „negativen Hypothek“ zu befreien. Professoren wie Abeck, Gallwitz und Hoffmann wurden befragt, um „Einheit“ zu gebieten.

Widerstand und Repression: Das Schicksal der Studenten
Bereits in den frühen 1950er Jahren formierte sich studentischer Widerstand. Eine Gruppe in Halle verteilte satirische Zeitschriften wie „Die Tarantel“ und im Dünndruck nachgedruckte West-Berliner Tageszeitungen. Besonders brisant waren die Osterpostkarten von 1952, die als „Todesdrohung“ gewertet wurden und Texte enthielten wie: „Die Beseitigung von Menschen Ihres Schlages erfolgt schnell und schmerzlos. Widerstandsgruppe Sachsen-Anhalt, Sektion Halle“.

Diese Aktivitäten führten zu Verhaftungen und brutalen Verhören im Gefängnis „Roter Ochse“ in Halle. Ehemalige Häftlinge berichteten von Schauprozessen, Isolation in sechs Quadratmeter großen Zellen und Folter in „Wasserzellen, Stehzellen, Tropfzellen oder Kältezellen“. Die Stasi setzte auch auf „Schläge“, „Nachtverhöre“, „Erpressung, Nötigung, Drohung, Entwürdigung, Entmenschlichung“ und die systematische „Zersetzung feindlich negativer Elemente“, was einer „Persönlichkeitszerstörung“ gleichkam. Viele der etwa 160 Verhafteten machten später in der Bundesrepublik Karriere, doch einige waren so „zerbrochen“, dass sie das Erlebte nicht verwinden konnten, wie der tragische Suizid von Hans Jochen Fischer zeigte.

Der 17. Juni 1953: Ein Wendepunkt mit blutigen Folgen
Die Krise des Sozialismus kulminierte in den Volksaufständen vom 17. Juni 1953. Auch in Halle marschierten Arbeiter und Angestellte in die Innenstadt. Eine riesige Menge versuchte, den Roten Ochsen zu stürmen, um politische Gefangene zu befreien. Der Aufstand wurde durch sowjetische Besatzungstruppen niedergeschlagen, Panzer rollten auf dem Hallmarkt, und es wurde der Schießbefehl erteilt. Viele Tote waren zu beklagen, darunter der Universitätsmitarbeiter Gerhard Schmidt, der von einem Querschläger tödlich getroffen wurde. Die staatliche Presse inszenierte seinen Tod als Mord durch „aufständische Massen“, um den Aufstand als „faschistischen Putsch-Versuch“ darzustellen. Professoren und Studenten, die an den Demonstrationen teilnahmen, wurden identifiziert und verfolgt. Dieser Tag und der spätere Mauerbau 1961 prägten das Bewusstsein der Bevölkerung: „man wusste, wie weit man gehen kann“.

Leo Stern und die Verfolgung der Kirche
Rektor Stern spielte eine zentrale Rolle in der Verfolgung kritischer Stimmen. Er stand unter dem Druck der radikaleren Parteileitung, nicht „zu einsichtig“ zu sein. Um seine Parteitreue zu beweisen, forderte er nicht nur die Verhaftung des Studentenpfarrers Johannes Hamel, sondern auch das Verbot theologischer Fakultäten. In einem Brief an Walter Ulbricht schrieb er sinngemäß: „wenn dem Pfarrer Hamel nicht bald durch Verhaftung oder auf andere Art das Handwerk gelegt werden wird, kann der Schaden an der Universität unübersehbar werden“. Wenige Monate später war Hamel in Haft. Die evangelischen Studentengemeinden, in denen sich Andersdenkende sammelten, wurden in den 50er Jahren zu „potenziellen Feinden“.

Die Stasi greift ein: Ingrid Schulze als IM
Da Stern die „bürgerlichen Professoren“ nicht loswerden konnte, schaltete die Hochschulleitung das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ein. Die Stasi sollte Material beschaffen, das zu einem Verbot des Spirituskreises und zur Entlassung seiner Mitglieder führte.
Ein Schlüsselmoment war die Denunziation von Professor Kurt Arland durch seine ehemalige Assistentin Ingrid Schulze. In einer riesigen Versammlung von bis zu 1000 „Intelligenzlern“ und Arbeitern im Gewerkschaftshaus, in Anwesenheit Walter Ulbrichts, schwärzte die eigentlich schüchterne Frau Schulze Arland an. Sie beklagte, dass Arland ihren Arbeitsvertrag aus „politischen Gründen“ beendet habe und kritisierte seine schlecht vorbereiteten Vorlesungen und die fehlende Stärkung des sozialistischen Bewusstseins unter Theologiestudenten. Für ihre Dienste als inoffizielle Mitarbeiterin (IM) der Stasi wurde ihr eine Karriere an der Universität bis zur Rente zugesichert.

Das Ende des Spirituskreises und die Konsequenzen
Die Senatssitzung vom 22. April 1958, vorbereitet mit abgehörten Stimmen und von IMs formulierten Reden, gipfelte in einem drakonischen Beschluss. Rektor Stern brachte den Beschluss zur Abstimmung, dass der „sogenannte Spirituskreis in seinem Inhalt nach gegen die sozialistische Entwicklung der Universität gerichtet“ sei und „mit sofortiger Wirkung aufgelöst“ werde. Die Abstimmung erfolgte mit 13 Stimmen dafür, niemand dagegen und sechs Enthaltungen. Eine Enthaltung galt bereits als „sehr, sehr mutig“.

Die Zerschlagung des Spirituskreises hatte weitreichende Folgen: Sie diente der „Disziplinierung der gesamten Universität“ und war eine „große Drohung“. Viele Angehörige der Intelligenz flohen in den Westen. Obwohl die SED versuchte, das „christliche Bürgertum“ zu zerstören, gelang es ihr nicht vollständig. Doch die Mehrheitsgesellschaft zog sich zurück und schwieg. Die Geschichte der DDR zeige, dass auch eine Diktatur „mit bedrückender Mehrheit begleitet und auch gut geheißen hat“.

Die Zerschlagung des Spirituskreises bleibt ein düsteres Kapitel der Universitätsgeschichte und ein Beispiel dafür, wie ein totalitäres Regime intellektuellen Widerstand zu unterdrücken versuchte.

Die raffinierten Methoden der Fluchthilfe – So manipulierten Schleuser Reisepässe 1987

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Berlin – Die Staatssicherheit der DDR (MfS) hat Anfang 1987 detaillierte Einblicke in hochprofessionelle Fälschungsmethoden erhalten, die von einem westberliner Kriminellen genutzt wurden, um DDR-Bürgern die Flucht zu ermöglichen. Ein Geschäftsmann aus West-Berlin, der seine geschäftlichen Beziehungen zur DDR intensivieren wollte, offenbarte einem inoffiziellen Mitarbeiter der Hauptabteilung Zwei des MfS brisante Informationen über einen Menschenhändler, der mittels gefälschter Ein- und Ausreisestempel DDR-Bürger über Grenzübergangsstellen schleuste. Die Methoden, die der Menschenhändler selbst entwickelt haben soll, sind so ausgeklügelt, dass sie bei Grenzpassagen mit bloßem Auge kaum festzustellen waren.

Der Geschäftsmann, der angab, die Methoden und Materialien für 20.000 D-Mark von dem Menschenhändler erworben zu haben, um sie angeblich anderen Schleuserorganisationen anzubieten, führte dem MfS beide Verfahren praktisch vor und übergab alle benötigten Materialien zur weiteren Untersuchung. Als Motiv nannte er ausschließlich materielle Gründe.

Methode 1: Die Fälschung von Einreisestempeln in sozialistische Staaten
Das erste Verfahren diente dazu, in präparierte BRD-Pässe Vermerke über eine angebliche Einreise des Passinhabers in einen sozialistischen Staat einzutragen. Dies erfolgte, indem die Schleuserorganisation BRD-Bürger mit echten Reisedokumenten als Ablenkung und zur Verschleierung des eigentlichen Vorhabens im Transit durch mehrere sozialistische Länder schickte – zum Beispiel zuerst nach Polen, dann in die ČSSR und weiter nach Ungarn. Anhand der Original-Einreisestempel in den Pässen dieser BRD-Bürger wurden mittels eines fotochemischen Verfahrens Duplikate angefertigt. Diese aktuell gültigen Einreisevermerke konnten dann auf gefälschte Pässe der auszuschleusenden DDR-Bürger übertragen werden.

Die Ausreise der DDR-Bürger ins westliche Ausland erfolgte dann aus einem dieser Länder. So konnten gleichzeitig mehrere DDR-Bürger ausgeschleust werden, oft sogar am selben Tag, etwa von Ungarn nach Österreich.

Das technische Vorgehen war dabei komplex:

• Auf den Original-Einreisevermerk im BRD-Pass wurde ein spezielles Filmmaterial gelegt, das mit einer lichtempfindlichen Schicht aus Gummi und Kunststoff versehen war.

• Die Belichtung des Films erfolgte mit schwachem Kunstlicht, etwa Philips Leuchtstoffröhren TL 8W/47, bei einem bestimmten Abstand und einer Belichtungszeit von etwa 11 Minuten unter Verwendung eines Gelbfilters. Auch direkte Sonnenstrahlung konnte die Belichtungszeit auf drei bis vier Sekunden verkürzen.

• Der belichtete Filmstreifen wurde anschließend in einem als Rasierwasser getarnten Entwickler und Fixierer entwickelt und fixiert.

• Das entstandene Positiv wurde dann in einem weiteren Belichtungsschritt zu einem Negativ umgekehrt.

• Dieses Negativ diente schließlich zur Herstellung der eigentlichen Stempelplatte, wofür dünne Aluminiumplättchen verwendet wurden. Nach dem Entfernen einer Schutzschicht wurde das Negativ auf das Plättchen gelegt und dieses 20 Minuten lang mit einer Leuchtstoffröhre mit Rotlichtanteilen (z.B. Philips TL 20D/18/09N) belichtet.

• Die unbelichteten Teile der lichtempfindlichen Schicht wurden mit einer nicht schäumenden Flüssigkeit (z.B. Wasser, Cola, Bier) ausgewaschen, und die fertige Stempelplatte wurde zur Nachhärtung nochmals fünf Minuten belichtet. Für Dauergebrauch konnte sie bei 150 Grad Celsius im Ofen gehärtet werden.

• Mit dieser Stempelplatte und einem gleichfarbigen Stempelkissen konnte dann der gefälschte Einreisevermerk in den vorbereiteten Pass übertragen werden.

Dieser Prozess dauerte bei entsprechender Übung etwa eine Stunde. Die benötigten Chemikalien und Materialien konnten laut Angaben des Geschäftsmanns problemlos in die sozialistischen Länder transportiert werden, da selbst bei Kontrollen niemand Rückschlüsse auf deren Verwendungszweck ziehen könnte.

Methode 2: Das spurenlose Entfernen von Ausreisestempeln
Die zweite Fälschungsmethode ermöglichte das nicht ohne Weiteres feststellbare Entfernen von Ausreisestempeln oder anderen Eintragungen aus Pässen. Dieses Verfahren setzte voraus, dass der Reisepass zuvor entsprechend präpariert wurde und ein BRD-Bürger damit kurz zuvor in einen sozialistischen Staat ein- und wieder ausreiste.

Die Präparation des Passes erfolgte in sechs Schritten:
1. Leere Passseiten wurden abwechselnd mit zwei verschiedenen Imprägniermitteln und einem Speziallack leicht besprüht.
2. Nach jedem Sprühvorgang mussten die Flächen mit einem Föhn getrocknet werden. Die Sprühflaschen waren dabei etwa 30 Zentimeter vom Dokument entfernt zu halten, um ein Durchnässen des Papiers zu vermeiden.

Nachdem ein BRD-Bürger mit einem derart vorbehandelten Pass beispielsweise in die Ungarische Volksrepublik und zurück in die BRD gereist war, übergab er den Pass dem Menschenhändler. Dieser konnte dann innerhalb weniger Minuten den Ausreisestempel entfernen, indem er mit einem benzinbefeuchteten Läppchen (z.B. einem Taschentuch) leicht über den Stempel rieb. Die Vorbehandlung des Passes verhinderte, dass die Stempelfarbe eine feste Verbindung mit dem Dokumentenpapier einging. Eventuelle Spuren wurden durch mehrfaches Abreiben mit Pergament- oder Butterbrotpapier vermieden. Dieses Verfahren war bis zu dreimal an derselben Stelle des Dokuments anwendbar.

Nach dem Austausch des Lichtbildes wurde der Pass dem auszuschleusenden DDR-Bürger in Ungarn übergeben, der dann zum Beispiel nach Österreich ausreisen konnte. Obwohl das Entfernen des Stempels nur wenige Minuten dauerte, musste der Pass nach dem Lichtbildwechsel wieder in das Land transportiert werden, aus dem der DDR-Bürger ausgeschleust werden sollte, was den Zeitfaktor bei dieser Methode erheblich beeinflusste.

Materialien aus den USA und MfS-Maßnahmen
Die für diese raffinierten Methoden benötigten Materialien, darunter spezielle Chemikalien und Filmmaterialien sowie dünne Aluminiumplättchen, stammten den Angaben zufolge aus den USA. Das MfS nutzte die vom Geschäftsmann offengelegten Informationen, um geeignete politisch-operative Maßnahmen in der DDR und bei den Partnerorganen einzuleiten, um Straftaten gemäß § 2113 Strafgesetzbuch zu verhindern. Die Enthüllung dieser Fälschungspraktiken zeigte die Kreativität und den Aufwand, mit denen Fluchthelferorganisationen die Sicherheitsmaßnahmen der DDR umgingen.

Ein Blick hinter den Eisernen Vorhang: Das faszinierende Erbe des DDR-Fernsehens

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Berlin, Deutschland – Zwischen 1949 und 1990 lebten 18 Millionen Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik, einem Sowjetstaat in Mitteleuropa, hinter der Berliner Mauer. In diesem sozialistischen Experiment war die Meinungsfreiheit stark eingeschränkt und Dissens unterdrückt. Nirgendwo wurde dies deutlicher als im Fernsehen der DDR, das einen einzigartigen Einblick in die Kultur und das tägliche Leben unter dem sozialistischen Regime bot.

Nach der Niederlage Nazideutschlands 1945 wurde Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt, wobei die Sowjetunion die östliche Zone erhielt. Mit zunehmenden Spannungen des Kalten Krieges vereinigten sich die westlichen Zonen zur Bundesrepublik Deutschland, während die Sowjets die DDR bildeten. Ost-Berlin wurde zur Hauptstadt der DDR, die nach sowjetischem Vorbild geformt wurde. Die Regierung konsolidierte schnell die Macht, verstaatlichte Industrien, kollektivierte die Landwirtschaft und unterdrückte jeden Widerstand. Westfernsehen war offiziell verboten, konnte aber von vielen empfangen werden. Das DDR-Fernsehen wurde unter strenger staatlicher Kontrolle betrieben und bot nur zwei Kanäle: DDR1 und DDR2. Das Programm sollte bilden, unterhalten und sozialistische Werte festigen.

Propaganda und Nachrichten: Eine „Aktuelle Kamera“ mit Voreingenommenheit
Das wichtigste Nachrichtenprogramm in der DDR war „Aktuelle Kamera“, das von 1952 bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 täglich ausgestrahlt wurde. Es war die primäre Quelle für staatlich genehmigte Informationen, jedoch mit einer deutlichen Pro-Regierungs-Tendenz. Berichte über sozialistische Errungenschaften, wie industrielle Produktion oder Erfolge in der Landwirtschaft, standen im Vordergrund, während westlicher Kapitalismus oft als imperialistisch und moralisch dekadent dargestellt wurde. Die Redaktion war direkt mit dem staatlichen Propaganda-Büro verbunden, und kritische Berichterstattung wurde vermieden.

Es war jedoch ein offenes Geheimnis, dass „Aktuelle Kamera“ nicht die ganze Wahrheit berichtete, da viele DDR-Bürger, außerhalb von Gebieten wie Dresden (dem „Tal der Ahnungslosen“), westdeutsche Nachrichtensendungen wie die „Tagesschau“ empfangen konnten. Die meisten Ostdeutschen sahen sowohl „Aktuelle Kamera“ als auch westdeutsche Nachrichten, um sich eine eigene Meinung zu bilden.

Ein berüchtigteres Propagandaprogramm war „Der Schwarze Kanal“. Diese Sendung, moderiert vom überzeugten Kommunisten Karl-Eduard von Schnitzler, zielte darauf ab, den westdeutschen Medieneinfluss zu kontern. Sie zeigte ausgewählte Clips aus westdeutschen Nachrichten- und Unterhaltungssendungen, die dann von von Schnitzler mit bissigen, ideologisch aufgeladenen Kommentaren versehen wurden, um den Westen als korrupt und moralisch verkommen darzustellen. Von Schnitzler war für manche ein Held, für andere ein Witz, aber die Sendung wurde von Millionen gesehen – aus Loyalität oder Ironie.

Kinderfernsehen: Ein Erfolg, der die Zeit überdauert
Im Bereich des Kinderfernsehens übertraf die DDR ihre Erwartungen. Viele Sendungen wurden ikonisch und sind auch nach der Wiedervereinigung beliebt geblieben. „Unser Sandmännchen“ ist ein herausragendes Beispiel. Diese 1959 erstmals ausgestrahlte, zehnminütige Sendung wurde zu einem täglichen Abendritual für Generationen von Kindern. Anders als viele DDR-Programme überwand es Propaganda und konzentrierte sich auf universelle Kindheitsthemen. Nach der Wiedervereinigung überlebte es sogar sein westdeutsches Pendant und wird bis heute produziert, was es zur am längsten laufenden Kindersendung Deutschlands macht – ein nationaler Schatz, der Nostalgie über die ehemaligen Grenzen hinweg weckt.

Eine weitere beliebte Kindersendung war „Meister Nadelöhr erzählt Märchen“, die in den 1960er und 70er Jahren ausgestrahlt wurde. Diese Serie nutzte einfache Sets und Puppen, um Märchen und Volkssagen mit moralischen oder sozialistischen Untertönen zu erzählen, die Werte wie Gemeinschaft und Zusammenarbeit förderten.

Unterhaltung und Alltagstipps: Von „Kessel Buntes“ bis zum Haushalts-Allerlei
Die Anfänge der Unterhaltung im DDR-Fernsehen waren nicht immer überzeugend, was sogar den Generalsekretär der Partei, Erich Honecker, 1971 dazu veranlasste, eine drastische Verbesserung der Programmqualität zu fordern. Angesichts der Nähe zum hochwertigen westdeutschen Fernsehen war dies eine dringende Priorität.

Hier kam „Ein Kessel Buntes“ ins Spiel, eine enorm populäre Varieté-Show, die von 1972 bis zur Wiedervereinigung ausgestrahlt wurde. Zweimonatlich am Samstagabend für etwa zwei Stunden gesendet, bot sie eine Mischung aus Musik-, Zirkus- und Akrobatik-Darbietungen. Obwohl das Format von westlichen Varieté-Shows inspiriert war, war es auf ein sozialistisches Publikum zugeschnitten und präsentierte Künstler aus der DDR und anderen Ostblockländern. Die Sendung hatte enorme Zuschauerzahlen, nicht nur wegen ihres Unterhaltungswertes, sondern auch aufgrund der geringen Alternativen.

Ein weiteres beliebtes Unterhaltungsprogramm war „Zwischen Frühstück und Gänsebraten“, eine Weihnachtssendung, die von 1957 bis 1991 ausgestrahlt wurde. Sie wurde zu einer festen Weihnachtstradition für Millionen von Menschen und endete oft mit der Anweisung, schnell die Kartoffeln aufzusetzen, damit die Zuschauer direkt nach der Sendung zum Gänsebraten übergehen konnten.

Das DDR-Fernsehen bot auch Informationsprogramme wie „Du und dein Garten“, das von 1968 bis 2003 praktische Gartentipps und saisonale Ratschläge lieferte. „Haushalts Allerlei Praktisch Serviert“ (Haps) konzentrierte sich auf praktische Haushaltstipps, Rezepte und DIY-Lösungen, die auf die Realitäten des Lebens in einer sozialistischen Planwirtschaft mit begrenzten Ressourcen zugeschnitten waren. Diese Sendungen förderten Sparsamkeit und Selbstständigkeit und dienten als subtile Form der Verbraucherbildung.

Krimis und Dramen: Ein Fenster zur Volkspolizei
Da westliche Filme und Dramen nicht gezeigt wurden, produzierte die DDR eigene erfolgreiche Fernsehserien. „Blaulicht“ war eine Kriminalserie, die von 1959 bis 1968 lief und auf realen Kriminalfällen basierte. Sie gewährte Einblicke in die Ermittlungsarbeit der Volkspolizei (VOPO) und diente als wichtiges historisches Artefakt aus der Zeit des Kalten Krieges.

Noch populärer war „Polizeiruf 110“, eine langjährige Kriminalserie, die 1971 als Gegenstück zum westdeutschen „Tatort“ Premiere feierte. Sie zeigte die Arbeit der Volkspolizei und konzentrierte sich oft auf alltäglichere Verbrechen wie häusliche Gewalt, Betrug und Jugendkriminalität, anstatt ausschließlich Morde zu behandeln. Nach dem Fall der DDR wurde „Polizeiruf 110“ von westdeutschen Sendern übernommen und ist heute, mit über 50 Jahren Ausstrahlung, eine der beständigsten und erfolgreichsten Krimiserien Deutschlands, die oft noch Schauplätze in Ostdeutschland verwendet.

Niedergang und Erbe: Ein Blick in eine entschwundene Welt
Im Gegensatz zur Sowjetunion erlebte die DDR in den 1980er Jahren keinen ähnlichen Liberalisierungsprozess. Das DDR-Fernsehen ging mit weitgehend gleichem Personal und Programm in seine letzten Jahre, was zu einem Mangel an Innovation führte. Im Sommer 1989 schauten weniger als ein Drittel der Ostdeutschen DDR-Fernsehen, und Nachrichtensendungen wie „Aktuelle Kamera“ erreichten weniger als 10 % der Zuschauer.

Versuche zur Reform kamen zu spät. Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde das DDR-Fernsehen mit der deutschen Wiedervereinigung schrittweise abgeschafft und seine Infrastruktur in den westdeutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk integriert. Der Betrieb wurde offiziell am 31. Dezember 1991 eingestellt.

Das staatlich kontrollierte Fernsehen der DDR diente als Werkzeug für Propaganda, Bildung und Unterhaltung und hinterließ einen bleibenden Eindruck in der deutschen Geschichte und im kollektiven Gedächtnis. Viele DDR-Sendungen sind im heutigen Deutschland immer noch beliebt, und seine Studios, Archive und sein Fachwissen trugen zum modernen deutschen Rundfunk bei. Obwohl nur wenige die Realitäten des Lebens in der DDR mit Autoritarismus, Überwachung und wirtschaftlichen Engpässen vermissen, empfinden viele eine Nostalgie für die Einfachheit, Gemeinschaft und die wahrgenommene Stabilität des ostdeutschen Lebens, die sich im DDR-Fernsehen spiegelten: keine Werbung, keine deprimierenden Nachrichten, kein Fluchen, keine Nacktheit – einfach nur „wholesome programming“ auf nur zwei Kanälen. Es war eine einfachere Welt, und obwohl nur wenige zurückkehren würden, bietet das DDR-Fernsehen einen faszinierenden Einblick in eine Welt, die nicht mehr existiert, und in das einzigartige Erbe des sozialistischen Experiments.

Die NVA-Truppentransporte der Deutschen Reichsbahn im Kalten Krieg

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Während des Kalten Krieges war die Deutsche Reichsbahn nicht nur das Rückgrat des zivilen Verkehrs in der DDR, sondern auch ein unverzichtbarer, wenn auch geheimer, Partner der Nationalen Volksarmee (NVA). Unter dem Schleier der Dunkelheit und strengster Geheimhaltung fanden in dieser Zeit militärische Truppentransporte statt, die ein Höchstmaß an Präzision und Koordination erforderten, um der gegnerischen Satellitenaufklärung zu entgehen.

Nachtoperationen und Perfekte Choreografie Diese Manöver, oft in der Nacht durchgeführt, verlangten ein nahtloses Zusammenspiel zwischen den Mitarbeitern der Reichsbahn und den Kräften der NVA. Von der Bereitstellung der Truppen in Warteräumen über die Verladung, die Zugfahrt und Zwischenhalte bis hin zum Ent- und Umsetzen der Technik – jeder Schritt war minutiös geplant und taktisch ausgerichtet. Die schnellen Be- und Entladevorgänge waren dabei essenziell, um die Verborgenheit der Operationen zu gewährleisten.

Die Truppentransporte mit der Eisenbahn dienten dazu, Einheiten der NVA samt ihrer Bewaffnung und Ausrüstung zu festgelegten Entladeräumen zu befördern. Der Transportleiter, ein Unteroffizier, war dabei der Vorgesetzte aller Armeeangehörigen und verantwortlich für die Einhaltung strenger Sicherheitsbestimmungen.

Gefahren auf Schienen: Elektrifizierte Strecken und KCB-Lage Die Fahrt selbst barg zahlreiche Herausforderungen. Auf elektrifizierten Strecken, deren Stromversorgungsanlagen in der Regel unter 15.000 Volt Hochspannung standen, war ein Sicherheitsabstand von 1,50 Metern zu wahren. Disziplin und Ordnung waren hier, wie in allen Phasen des Transports, von größter Bedeutung für die Sicherheit der Armeeangehörigen und die Gefechtsbereitschaft des Transportes. Permanent mussten die Aufgaben der Gefechtssicherung wahrgenommen werden – von Posten entlang des Zuges bis zur Bereitschaft der Luftabwehr.

Besondere Vorkehrungen galten auch für die Sicherung der verladenen Technik: Die Befestigung von Fahrzeugen, die richtige Verkeilung und feste Verdrahtung sowie die Verschnürung der Fahrzeugplanen wurden akribisch überprüft. Lebensgefährliche Klettereien auf verladene Technik waren strengstens untersagt, und Beobachtungsposten mussten selbst bei widrigem Wetter und langen Fahrten ihre Aufmerksamkeit aufrechterhalten.
Eine ernste Bedrohung stellte die sogenannte KCB-Lage dar – die Gefahr durch Kernstrahlung, chemische oder bakteriologische Kontamination.

Erhielt der Transportleiter rechtzeitig Informationen über einen „aktivierten Abschnitt“, wurden umgehend Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet, um die Strahlenbelastung der Soldaten zu minimieren. Gepanzerte und hermetisierbare Fahrzeuge boten den besten Schutz, während das übrige Personal persönliche Schutzausrüstung anlegen und Ritzen sowie undichte Stellen an Mannschaftswagen provisorisch abdichten musste. Wasser- und Verpflegungsvorräte wurden sorgfältig abgedeckt. Solche Abschnitte wurden ohne Halt mit erhöhter Geschwindigkeit durchfahren.

Entaktivierung und Entladung: Der Letzte Akt Nach dem Passieren eines kontaminierten Bereichs kam eine mobile Waschanlage, die EEG, der Deutschen Reichsbahn zum Einsatz. Diese konnte zur Entgiftung, Entseuchung und Entaktivierung eines Militärzuges genutzt werden.

Armeeangehörige, die sich in Mannschaftswagen oder als Sicherungsposten auf Flachwagen befanden, durchliefen Duschrahmen der Waschanlage, während Soldaten in Gefechtsfahrzeugen mit Kernwaffenschutzanlage bis zum Abschluss der Entaktivierung in ihren Fahrzeugen blieben. Der Zug selbst wurde entaktiviert, wobei besonders stark aktivierte Stellen markiert wurden, bis die Kernstrahlungskontrolle einen Wert von weniger als 20 Milliröntgen pro Stunde ergab.

Am Zielbahnhof erfolgte die Entladung häufig über eine zerlegbare Laderampe (ZLR60-1), die in einem Güterwagen bereitgestellt wurde. Diese Rampe, die für Räder- und Kettenfahrzeuge bis zu 60 Tonnen geeignet ist, kam zum Einsatz, wenn ortsfeste Verladerampen nicht vorhanden oder zerstört waren. Der Aufbau der ZLR60-1 dauerte unter den gezeigten Bedingungen 20 Minuten und erforderte präzises und umsichtiges Arbeiten, immer mit Stahlhelm und Schutzhandschuhen. Fahrbahnträger von 110 kg Masse wurden mit Trageeisen transportiert, wobei auf Quetschungen durch die Klauen geachtet werden musste.

Nach der Entladung rückten die Truppen ohne Zeitverlust zu Wartepunkten ab, wo die volle Gefechtsbereitschaft von Bewaffnung und Ausrüstung wiederhergestellt wurde, bevor sie sich zu Sammelräumen begaben. Größere Konzentrationen von Kräften und Mitteln an Ver- und Entladestellen sollten im Gefecht vermieden werden. Der Zug wurde nach Abschluss der Entladung in einwandfreiem Zustand an die Deutsche Reichsbahn zurückübergeben.

Die geheimen NVA-Truppentransporte mit der Deutschen Reichsbahn waren somit komplexe logistische Meisterleistungen, die im Schatten des Kalten Krieges eine entscheidende Rolle für die Einsatzbereitschaft der NVA spielten und das enge, wenn auch verborgene, Zusammenwirken zwischen Militär und ziviler Infrastruktur unterstrichen.

Wie die NVA ihre Truppen unter dem Mantel der Nacht verlegte

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Der Kalte Krieg war eine Zeit der ständigen Alarmbereitschaft, und im Herzen Europas spielte sich ein oft verborgenes Schauspiel ab: Die Nationale Volksarmee (NVA) der DDR verlegte ihre Truppen und schweres Gerät mit der Deutschen Reichsbahn. Doch diese Transporte waren weit mehr als gewöhnliche Logistik; sie waren geheime Operationen, die größtenteils in der Nacht stattfanden, um der neugierigen Beobachtung gegnerischer Satellitenaufklärung zu entgehen.

Die schnelle Be- und Entladung der Züge sowie ein perfektes Zusammenspiel von Reichsbahn-Mitarbeitern und NVA-Kräften waren dabei absolute Grundvoraussetzung für jede erfolgreiche Truppenverlegung. Ziel war es, die Kampfkraft und Gefechtsbereitschaft zu gewährleisten, während gleichzeitig Motorstunden, Treib- und Schmierstoffe eingespart und ein ausgeruhtes Personal sichergestellt wurde. Besonders für Verlegungen über größere Entfernungen oder für Truppen mit Kettenfahrzeugen und Spezialtechnik war die Eisenbahn das bevorzugte Transportmittel.

Vorbereitung im Verborgenen
Jeder Transport begann lange vor der eigentlichen Verladung. Die unmittelbare Vorbereitung der Truppen erfolgte in einem Warteraum, der mindestens 10 Kilometer von der Verladestelle entfernt lag. Dieser Raum bot einen gedeckten und dezentralisierten Aufenthalt, wo Waffen und Ausrüstung transportbereit gemacht wurden. Währenddessen war eine ununterbrochene Gefechtssicherstellung gewährleistet, und taktische sowie polizeiliche Kennzeichen wurden auf Befehl abgedeckt.

Ein Vorkommando traf rechtzeitig vor Verladebeginn an der Verladestelle ein, um die Gefechtssicherstellung zu gewährleisten und die Verladung vorzubereiten. Verladestellen konnten sich an Bahnhöfen, in Anschlussbahnen oder sogar auf freier Strecke befinden, wobei eine Vielzahl von Rampenarten – von kombinierten Kopf- und Seitenrampen bis hin zu behelfsmäßigen Konstruktionen – zum Einsatz kam.

Disziplin und Sicherheit auf den Gleisen
Auf der Verladestelle herrschte zwingend strenge militärische Disziplin und Ordnung, um Unfälle zu vermeiden. Besonders die Nachbargleise stellten eine Gefahr dar, und Armeeangehörigen war es strengstens verboten, sich in die Gleise zu begeben oder diese ohne Anweisung zu überschreiten. Der Transportleiter arbeitete eng mit dem Verantwortlichen für Militärtransporte der Deutschen Reichsbahn zusammen, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.

Der Marsch vom Abrufpunkt, der sich 0,5 bis 2 Kilometer von der Verladestelle entfernt befand, erfolgte kolonnenweise, um die Konzentration von Kräften und Mitteln an der Rampe zeitlich zu begrenzen. Fahrzeuge wurden hier in die Transportlage gebracht – Panzertürme verzurrt, Teile demontiert, Ketten gespannt – um unnötige Stillstandszeiten an der Verladestelle zu vermeiden.

Millimeterarbeit bei der Verladung
Die eigentliche Verladung erforderte höchste Präzision. Von der eindeutigen Zeichengebung des Einweisers und der schnellen Reaktion des Fahrers hing es ab, dass die Technik mittig zur Ladeachse des Wagens fuhr. Ein Einweiser hielt dabei stets einen Sicherheitsabstand von mindestens einer Fahrzeuglänge ein.

Die sichere Befestigung der Fahrzeuge war von entscheidender Bedeutung, um Transportschäden zu verhindern. Dies erfolgte durch Standardverladekeile, die fest am Fahrzeug anliegen und deren Dornen in den Wagenboden gedrückt wurden. Zusätzlich wurden Handbremsen angezogen und niedrige Gänge eingelegt. Bei einachsigen Anhängefahrzeugen wurden die Räder mit zwei Standardkeilen oder drei Holzkeilen gesichert und die Fahrzeuge zusätzlich mit Draht verspannt. Falls keine Standardverladekeile vorhanden waren, improvisierte man mit Holzkeilen, Nägeln, Draht, Holzbalken und Bauklammern.

Nach der sorgfältigen Verladung und Befestigung aller Fahrzeuge, einschließlich der Verzerrung von Turm und Kanone sowie dem Abbau von Waffen wie dem Fliegerabwehr-MG, wurden die Stirn- und Seitenwände der Güterwagen hochgeklappt und verriegelt.

Abfahrtbereit: Das Ergebnis disziplinierter Arbeit
Erst wenn die Gefechtssicherstellung gewährleistet war und alle Mängel beseitigt waren, gab der Transportleiter die Zustimmung zum Rangieren. Eine Fernsprechverbindung zwischen Transportleiter, Diensten und Gefechtssicherstellung war etabliert, und Mannschaftswagen durften nur auf Befehl bezogen werden.

Die gute und rechtzeitige Organisation, ein hohes Niveau der Transportausbildung und diszipliniertes Handeln aller Armeeangehörigen waren die Voraussetzungen dafür, dass die Verladung des Truppentransportes zeitgerecht und ohne besondere Vorkommnisse erfolgen konnte und die geplante Abfahrtszeit eingehalten wurde. Diese „Geheimen NVA Truppentransporte der Reichsbahn“ waren ein faszinierendes Beispiel für militärische Logistik unter den besonderen Bedingungen des Kalten Krieges.

NVA-Truppenübung unter Extrembedingungen: Von Minusgraden zur Bestnote

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Die Nationale Volksarmee (NVA) stellte sich einer anspruchsvollen taktischen Übung mit Gefechtsschießen, bei der nicht nur militärisches Können, sondern auch eiserne Entschlossenheit unter widrigsten Wetterbedingungen auf die Probe gestellt wurde. Die Übung, die im Zeichen des sozialistischen Wettbewerbs stand, hatte zum Ziel, Höchstleistungen zu Ehren des Parteitages der SED zu erbringen.

Anspruchsvolle Mission bei jedem Wetter
Die teilnehmenden Kräfte wurden dazu aufgerufen, ihre Aufgaben „im Interesse des Guten mit besten Ergebnissen“ zu erfüllen und dabei die angestrebte Note 1 zu erreichen. Die Mission umfasste „taktische Übungen mit Gefechtsschießen“. Leutnant Schulze, dessen Aufgabe es war, seine Schützen zu führen und die Feuerzuweisung zu geben, betonte die Entschlossenheit: „Wir freuen uns, die Übung in allen Phasen der Handlung zum Erfolg zu führen, das heißt, dass wir alle Aufgaben mit besten Ergebnissen dafür also vorgenommen“. Auch die Aufrechterhaltung der Funkverbindung zwischen Vorgesetzten und Unterstellten war eine zentrale Anforderung, wie Unterfeldwebel Viebig und Gefreiter Straßburg bestätigten.

Kampf gegen Kälte und Technikmängel
Die Soldaten wurden von den Elementen hart geprüft. Über 50 Stunden verbrachten sie im Graben, während das Thermometer von plus 10 auf minus 7 Grad Celsius fiel. Dauerregen ging in der Nacht in Schneetreiben über. Trotzdem blieb die Forderung des Aufrufs „höchste Einsatzbereitschaft“ bestehen, und es hieß: „Vorwärts […] Kilometer um Kilometer am Tag und in der Nacht“.

Zusätzlich zu den Wetterextremen galt es, weitere Hürden zu meistern. Eine hohe Strömungsgeschwindigkeit und der Wasserstand bei Flussüberquerungen verlangten fachliches Können. Die Pflege der Technik war dabei entscheidend, damit die Aufgabe erfüllt werden konnte. Die größte Herausforderung war die ständige Erhaltung der Gefechtsbereitschaft unter den extremen Witterungsbedingungen. „Der Schnee hat uns doch unsere Bewaffnung ziemlich zugesetzt“, berichtete ein Teilnehmer, was dazu führte, dass die Instandhaltung der Waffen höchste Priorität hatte. Für den Kompaniefunker war es besonders wichtig, den Kontakt aufrechtzuerhalten, da die Kälte Kabelbrüche und Funkausfälle verursachte.

Persönlicher Einsatz und Erfolg
Am dritten Tag zeigten die Fahrer ihr Können und trugen maßgeblich zur Realisierung der gestellten Aufgabe bei. Die individuelle Einsatzbereitschaft und das Vorbild der Vorgesetzten waren dabei von großer Bedeutung. Leutnant Schulze und Unterfeldwebel Viebig sahen es als ihre Aufgabe an, als Vorbilder voranzugehen.

Trotz aller Widrigkeiten – darunter der Kampf gegen 120 Ziele im Angriff – konnten die Soldaten einen klaren Erfolg verbuchen. „Wir haben diese Übung den Aufruf zur Schlichtung dort bestätigt und haben die Gesamteinschätzung Note sehr gut erhalten“, bilanzierte ein Teilnehmer. Das Regiment erhielt die Note „gut“, und die Kompanie konnte ihre Aufgabe somit erfüllen. Diese Übung demonstrierte die hohe Einsatzbereitschaft und das fachliche Können der NVA-Soldaten unter extremen Bedingungen.

Gödelitz: Ein Erbe des Friedens – Wie Gorbatschows Geist in Sachsen weiterlebt

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In der idyllischen Landschaft Sachsens, nur 9 Kilometer von Döbeln entfernt, liegt Gut Gödelitz – ein Ort, der sich nicht nur als kulturelles Zentrum, sondern auch als geistig-politisches Forum für den Dialog zwischen Ost und West, für Frieden und Verständigung etabliert hat. Die Geschichte des Gutes und der Familie, die es wieder aufbaute, ist eng mit den Idealen und dem Vermächtnis des ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow verwoben, dem kürzlich eine Veranstaltung zu seinen Ehren gewidmet wurde.

Gorbatschows Prägung und sein Kampf für den Frieden
Michail Gorbatschows entschiedene Ablehnung des Krieges wurde tief durch persönliche Erfahrungen geprägt. Als Teenager erlebte er die deutsche Besatzung, Hunger und Demütigung in seinem Dorf. Die Fahrt durch das verwüstete Stalingrad nach dem Krieg, auf dem Weg zum Studium an der Lomonossow-Universität in Moskau, hinterließ bei ihm grauenhafte Bilder der Zerstörung, die sich in sein Gedächtnis einbrannten. Mitte der 1950er-Jahre, als er bereits der Führung des Komsomol in Stawropol angehörte, sah er eine geheime Dokumentation über die Folgen einer Atomexplosion, die ihn zutiefst verstörte. Der Gedanke, „So etwas darf niemals Realität werden“, wurde zu seiner Lebensmaxime. Er war überzeugt: „Wir, ich, wir alle, müssen für den Frieden kämpfen, ernsthaft und mit vollem Einsatz“.

Diese Überzeugung führte ihn später dazu, als Generalsekretär der KPdSU einen Kurs der Perestroika (Umgestaltung) und Glasnost (Offenheit) einzuschlagen. Sein Ziel war die Realisierung politischer Freiheit, Dezentralisierung und, am bedeutsamsten, die Entwicklung des „neuen Denkens“ mit dem Primat der allgemeinmenschlichen Werte. Er strebte die vollständige Vernichtung aller Atomwaffen bis zum Jahr 2000 an und befreite die Welt vor der akuten Atomkriegsgefahr. Für ihn ging es Russland immer um einen angemessenen Platz in einer neuen Sicherheitsarchitektur, nicht um die Wiederherstellung eines sowjetischen Imperiums, eine Behauptung, die er als „dummes Zeug“ abtat.

Herausforderungen im Umgang mit Gorbatschow
Gorbatschows Vision stieß jedoch nicht immer auf uneingeschränkte Unterstützung. So wurde Bundeskanzler Kohl für seine Äußerung in einem US-Magazin, Gorbatschow betreibe nur PR und sei mit Goebbels vergleichbar, kritisiert. Dies empfand Gorbatschow als Beleidigung für sich und sein Land. Die bilateralen Beziehungen auf höchster Ebene wurden daraufhin eingefroren. Hans-Dietrich Genscher spielte eine Schlüsselrolle dabei, die Beziehungen wieder aufzutauen, indem er dafür plädierte, Gorbatschows Perestroika ernst zu nehmen. Genscher wurde dafür mit Kritik überzogen; es entstand sogar der Begriff „Genscherismus“, der Wachsamkeitsverlust angesichts eines „tückischen Gegners“ bedeutete.

Auch Franz Josef Strauß, ursprünglich skeptisch gegenüber Gorbatschow, entwickelte sich nach mehreren Interviews zu einem „Gorbatschow-Fan“. Der Besuch Gorbatschows in Deutschland im Juni 1989 war ein Schlüsselerlebnis für ihn, da er tief beeindruckt von der Infrastruktur und der warmen Aufnahme durch die Bevölkerung war. Dies trug dazu bei, dass Gorbatschow Deutschland als wichtigsten Partner für seine Reformen ansah.

Das persönliche Vertrauen spielte eine große Rolle. So erinnerte sich Lothar de Maizière, der erste und letzte frei gewählte Ministerpräsident der DDR, an sein erstes Treffen mit Gorbatschow im Kreml. De Maizière überreichte ihm ein Stück Berliner Mauer als Dank für Gorbatschows Worte „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“. Gorbatschow nahm es und fragte: „Sind wir nicht alle zu spät gekommen?“. De Maizière widersprach Gorbatschow auch energisch, als dieser ihn „voll dröhnte“, mit dem Hinweis, die Zeit des „Befehlsempfangs“ sei vorbei, was Gorbatschow anscheinend beeindruckte.

Das Erbe Gorbatschows: Anerkennung und Enttäuschung
Trotz seiner enormen Leistungen, wie der friedlichen Beendigung des Kalten Krieges und der Freilassung ganzer Staaten, erfuhr Gorbatschow besonders in seinen letzten Lebensjahren wenig Anerkennung in Russland. Dort sah man ihn oft als jemanden, der dem Land mehr genommen als gegeben hatte. Auch die deutsche Regierung und Würdenträger zeigten laut einigen Zeitzeugen ein „Armutszeugnis“ im Umgang mit ihm, beispielsweise indem er zu einer Feier zur Deutschen Einheit zunächst eingeladen und dann wieder ausgeladen wurde. Die Chronologie der westlichen Politik, so die Einschätzung, habe maßgeblich den heutigen Putin geschaffen, da man die Jahrhundertgelegenheit einer konstruktiven Einbettung Russlands verpasste.

Gorbatschows persönliche Seite, seine innige Verbindung zu seiner Frau Raisa und seine Fähigkeit, Menschen ernst zu nehmen, selbst ein neunjähriges Mädchen wie Sonja Eichwede, machten ihn zu einer außergewöhnlichen Persönlichkeit. Er setzte sich kämpferisch für den deutsch-russischen Jugendaustausch ein, da er glaubte, dass sich junge Leute durch persönliches Kennenlernen gegen „dummes Geschwätz“ immunisieren können – ein essenzieller Bestandteil der Friedenspolitik.

Gut Gödelitz: Ein Ort des Dialogs und der Verantwortung
Die Familie Schmidt-Gödelitz, deren Vorfahren 1945 aus Gödelitz fliehen mussten, kehrte nach der Wende zurück und erwarb das Gut. Die Mutter krempelte die Ärmel hoch, während der Vater den Verlust des Gutes nie überwand. Der Wiederaufbau, in den die gesamte Familie ihr Erspartes steckte, war eine große Anstrengung.

Axel Schmidt-Gödelitz gründete 1999 das Ost-West-Forum. Zusammen mit seiner Frau Katrin, die nach der Wende ihren leiblichen algerischen Vater fand und später durch die Heirat nach Gödelitz kam, entwickelte er das „Gödelitzer Modell der Biografiegespräche“. Dieses Projekt bringt Menschen zusammen, um sich ihre Lebensgeschichten zu erzählen und Toleranz zu entwickeln. Es hat sich international etabliert, von Polen bis Korea. Katrin Schmidt-Gürditz, die als Dorfschullehrerin nach Sachsen zog, betont, wie wichtig es ist, dass „Menschen mit Menschen reden, um sich kennenzulernen, um sich zu akzeptieren, um sich zu tolerieren“.

Die Erfahrungen im Ost-West-Forum zeigen jedoch auch die tiefen Gräben, die noch bestehen. Bei einer Veranstaltung, bei der Ost- und Westfrauen über ihre Erfahrungen des Mauerfalls sprachen, gerieten sie so heftig aneinander, dass die Organisatorin bemerkte, die Wunden würden „im Augenblick wieder schlimmer werden“.

Das Gut Gödelitz versteht sich als eine Verantwortung vor jährlich rund 3000 Menschen, die es als geistig-politisches Zentrum besuchen. Die Arbeit ist eine „Selbstausbeutung, aber für einen guten Zweck“.

Gegenrede und das Vermächtnis Egon Bahrs
Ein zentrales Thema in Gödelitz ist die Wichtigkeit der Gegenrede und des Perspektivwechsels. Egon Bahr, politischer Ziehvater von Axel Schmidt-Gödelitz, prägte die Überzeugung, dass Friedensfähigkeit die Fähigkeit voraussetzt, sich in die Schuhe des anderen zu versetzen, dessen Interessen zu erkennen und die Vorgeschichte von Konflikten zu verstehen.

Gabi Krone-Schmalz, eine der Autorinnen des Gorbatschow-Buches und ehemalige ARD-Korrespondentin in Moskau, wurde in Gödelitz empfangen, obwohl sie heute in den Medien als „Putin-Versteherin“ weitgehend ignoriert oder angegriffen wird. Sie kritisiert die Verengung der Diskussion und das Fehlen von Gegenrede in den Medien. Ihre Auftritte in Gödelitz waren sehr erfolgreich, und ihr Plädoyer für eine sachliche, faktenbasierte Analyse statt Ideologisierung oder Moralisierung findet großen Anklang. Die Schwester von Axel Schmidt-Gödelitz, die sich inhaltlich nicht mit Krone-Schmalz versteht, beschreibt den Austausch als zivilisiert und „nahezu liebevoll“, da man Argumente austauscht, ohne persönlich zu werden.

In Zeiten zunehmender Polarisierung bleibt Gut Gödelitz ein Leuchtturm des Dialogs, der das Erbe Gorbatschows und Bahrs weiterträgt: den unermüdlichen Kampf für Frieden, Verständigung und die Fähigkeit, die Perspektive des anderen einzunehmen.

Die „Modschützen“ der NVA: Pioniere im modernen Gefecht

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Die motorisierten Schützen, kurz „Modschützen“, der Nationalen Volksarmee (NVA) stellten eine Speerspitze der Landstreitkräfte dar. Ausgestattet mit modernsten Gefechtsfahrzeugen sowjetischer Konstruktion, verkörperten sie die Infanterie der sozialistischen Armeen und waren entscheidend für die Beweglichkeit und Feuerkraft im modernen Gefecht.

Die Bezeichnung „Modschützen“ mag heute ungewöhnlich klingen, doch sie stand für eine hochmoderne Truppengattung, die über Fahrzeuge verfügte, die Transport- und Kampfmittel zugleich waren. Die NVA setzte dabei auf bewährte sowjetische Technik wie den Schützenpanzerwagen (SPW) 60 PB, den SPW 70 sowie den Schützenpanzer (BMP). Diese Fahrzeuge, das „Endglied einer langen Entwicklungskette“, waren darauf ausgelegt, die Anforderungen des modernen Gefechts umfassend zu erfüllen.

Technische Überlegenheit und Feuerkraft
Die „Modschützen“ der NVA profitierten von der überlegenen technischen Ausstattung ihrer Gefechtsfahrzeuge. Der SPW 70, ein achtradgetriebener Schützenpanzerwagen, und der auf Gleisketten rollende BMP (die Abkürzung steht für „Boyevaya Mashina Pekhoty“, zu Deutsch „Gefechtsfahrzeug der Infanterie“) vereinten die Vorzüge eines mittleren Panzers und eines SPW in sich. Beide Fahrzeugtypen konnten im Gelände Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 40 km/h erreichen und so dem Angriffstempo mittlerer Panzer jederzeit folgen.

Besonders beeindruckend war die Bewaffnung. Während der SPW 70 und der SPW 60 PB über ein mittleres und ein schweres MG verfügten, war der BMP deutlich vielseitiger ausgestattet. Er besaß ein MG, konnte Panzerabwehrlenkraketen verschießen und verfügte über eine 73-mm-Kanone für panzerbrechende Geschosse. Diese automatisch geladene Kanone bot eine größere Reichweite als herkömmliche Modelle. Für spezielle Aufgaben wurde sogar eine Variante, der BMP-2, entwickelt, der äußerlich an einer vollstabilisierten 30-mm-Schnellfeuerkanone zu erkennen war. Diese war nicht nur weitreichender und treffsicherer als die des BMP-1, sondern auch effektiv gegen Luftziele.

Ein taktischer Vorteil gegenüber vergleichbaren NATO-Fahrzeugen wie dem deutschen Schützenpanzer Marder war die geringere Bauhöhe. Mit 2,7 Metern (BMP) bzw. 2,32 Metern (SPW) waren die Fahrzeuge der NVA fast einen Meter niedriger, ohne dabei an Leistung einzubüßen.

Mensch und Maschine – Das Herz der Kampfkraft
Trotz aller technischer Raffinesse war klar: Die modernste Gefechtstechnik entfaltet ihren vollen Kampfwert erst in den Händen des Menschen. Jedes Fahrzeug wurde von einer Dreimann-Besatzung – Kommandant, Fahrer und Richtschütze (bzw. Richtlenkschütze beim BMP) – beherrscht. Die Kommandanten und die Fahrer des BMP waren Unteroffiziere, da die „Kampfmaschine“, wie die sowjetischen Genossen den BMP nannten, nicht von heute auf morgen zu beherrschen war.

Besonders die Handhabung der Panzerabwehrlenkraketen erforderte höchste Präzision und intensives Training. Tausende von Trainingsstarts am Simulator waren notwendig, um die Perfektion für das Führen der Rakete zu erwerben und zu erhalten.

Die Modschützen saßen im SPW 70 und im BMP gefechtsgünstig. Über beheizbare Winkelspiegel konnten sie das Gelände beobachten und aus Kampfluken heraus Feuer auf den Gegner führen. Die Waffen wurden dabei in Kugelblenden geführt und die Pulvergase abgesaugt. Der Panzerbüchsenschütze konnte seine Ziele bekämpfen, ohne abzusitzen, besonders Geübte sogar während der Fahrt. Bei Sturmangriffen oder anderen Situationen, die Handlungen zu Fuß erforderten, bot der BMP beim Absitzen weitreichenden Schutz vor gegnerischem Feuer.

Unaufhaltsam im Gelände und im Wasser
Die Vielseitigkeit der SPW und BMP zeigte sich auch in ihrer Fähigkeit, unterschiedlichstes Gelände zu meistern. Ob beim Vordringen in die gegnerische Verteidigung oder bei überraschenden Schlägen – sie bewältigten Steigungen von 30 bis 32 Grad. Ein entscheidender Vorteil war auch die Schwimmfähigkeit aller SPW und SPZ der Streitkräfte des Warschauer Vertrages. Der BMP erreichte dabei bis zu 7 km/h, angetrieben durch seine Gleisketten. Der SPW 70, angetrieben von zwei kräftigen Wasserstrahlturbinen, schaffte sogar 10 km/h und bewährte sich besonders bei Seeanlandungen. Bei widrigem Gelände konnte zudem der Reifendruck gesenkt werden, um die greifende Reifenoberfläche zu vergrößern – eine weitere Überlegenheit gegenüber analoger NATO-Technik.

Zusätzlich konnte sich der BMP mit einer Nebelanlage gegnerischer Sicht entziehen, was seine Überlebensfähigkeit im Gefecht weiter erhöhte.

Die SPW 60 PB und 70 sowie die BMP waren Gefechtsfahrzeuge, die den Modschützen der NVA ihre volle Beweglichkeit unter allen Gefechtsbedingungen garantierten. Sie schützten die Soldaten weitgehend vor gegnerischen Einwirkungen und ermöglichten ihnen die umfassende Erfüllung ihrer Gefechtsaufgaben zusammen mit anderen Waffengattungen. Mit diesen Fahrzeugen waren die Modschützen wahrhaftig „motorisierte Schützen“, die den Anforderungen eines modernen Konflikts voll entsprachen.

Einmalige Fluchtgeschichte: Roland Schreier und die Rückkehr durch den Todesstreifen

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Harpke/Marienborn, 1. Juni 1988 – Es ist der 1. Juni 1988. Ein Mann kriecht in einen Tunnel, doch sein Ziel ist anders als das tausender anderer DDR-Flüchtlinge. Er will nicht von Ost nach West, sondern von West nach Ost. Unter dem Todesstreifen hindurch, um seine Familie nachzuholen. Dieser Mann ist Roland Schreier, und seine Geschichte ist eine einmalige Flucht durch die wohl am besten bewachte Grenze der Welt.

Kindheit im Sperrgebiet – Ein Leben voller Einschränkungen
Roland Schreier wurde 1956 geboren und wuchs in Harpke auf, einem kleinen Ort im Sperrgebiet an der deutsch-deutschen Grenze zwischen Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Schon früh lernte er die strengen Einschränkungen kennen: Es gab ein Verbot, sich der Grenze zu nähern, und Freunde von außerhalb durften ihn nicht besuchen. Selbst für Geburtstagsfeiern mussten vier Wochen im Voraus Anträge bei der Polizei gestellt werden, die oft abgelehnt wurden. Trotz dieser repressiven Umgebung fand Roland in Monika seine große Liebe, doch das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, wuchs von Jahr zu Jahr.

Obwohl er seinen Grundwehrdienst als Aufklärer in einer Pioniereinheit ableisten konnte und nicht direkt an der Grenze diente, hörte Roland aus erster Hand von den Gräueln des Todesstreifens. Seine Mutter arbeitete im Ambulatorium und berichtete von Menschen, die bei Fluchtversuchen verletzt wurden, etwa durch Minen oder Selbstschussanlagen. Später arbeitete Roland als Elektriker am Grenzübergang Marienborn, dem größten und am besten kontrollierten Übergang Europas, wo er das Grenzsystem noch besser kennenlernte und die Unüberwindlichkeit des Grenzstreifens verstand.

Die Sehnsucht nach Freiheit und der riskante Plan
Die Geburt seiner Tochter Frauke machte das Glück scheinbar perfekt, doch die Familie sehnte sich nach Freiheit und der Möglichkeit zu reisen. Nach einem Umzug aus dem Sperrgebiet nach Zielitz bei Magdeburg beschlossen Roland und Monika 1981, die DDR zu verlassen. Die Ostpolitik Honeckers im September 1987 brachte Reiseerleichterungen, die den Schreiers die Möglichkeit gaben, einen Plan zu schmieden: Einer sollte im Westen bleiben, einen Ausreiseantrag für Familienzusammenführung stellen, während die anderen in der DDR zurückblieben.

Im Februar 1988 durfte Roland Schreier seine Verwandten im Westen besuchen. Der Abschied von Monika und Frauke war äußerst emotional; er wusste nicht, ob er sie jemals wiedersehen würde. Im Westen angekommen, informierte er seine Familie über seinen Entschluss, nicht zurückzukehren, und schrieb Monika einen Brief mit der Bitte, einen Ausreiseantrag zu stellen.

Druck der Stasi und eine Tochter im Kreuzfeuer
Monika sah sich daraufhin dem Druck der Stasi ausgesetzt. Sie wurde wöchentlich verhört und sollte ihren Mann zur Rückkehr bewegen oder sich scheiden lassen. Doch sie weigerte sich vehement: „Ich denke überhaupt nicht an Scheidung. Warum? Wir wollen als Familie zusammenkommen“. Auch Tochter Frauke litt unter der Situation. In der Schule wurde sie gemobbt, ihre Adidas-Aufkleber wurden abgerissen, und sie musste jeden Morgen die Frage „Frauke, wo ist dein Vater, warum kommt der nicht zurück?“ beantworten. Die Familie war durch Stacheldraht und Soldaten getrennt, und eine Wiedervereinigung schien aussichtslos.

Ein Bach als Weg zur Freiheit – Der Plan durch die Wirbke
Roland suchte verzweifelt nach einem Weg. Fluchthelfer waren zu teuer und über das Ausland war die Kommunikation zu schwierig. Dann erinnerte er sich an die Wirbke, einen Bach, der vom Osten in den Westen floss und den er aus Kindertagen kannte. Er vermutete, dass der Bach unter dem Todesstreifen hindurch durch eine Röhre führte. Diese Röhre sollte der Weg zur Freiheit für seine Familie werden.

Im April 1988 begann Roland, das Grenzgebiet von Niedersachsen aus zu erkunden. Ein Westverwandter überbrachte Monika den Plan: Roland würde die Familie durch den Tunnel holen. Monika, die unter Platzangst litt, war besorgt. Das Codewort für den entscheidenden Anruf war „Wanda“.

Der Probelauf – Ein Kampf ums Überleben unter der Grenze
Am 26. Mai 1988 wagte Roland einen Probelauf, um vom Westen in den Osten und wieder zurück zu gelangen. Er kroch in die Röhre und stieß auf Gitter, die er mit einer Eisensäge durchsägen musste. Nur anderthalb Meter über ihm fuhren Grenzer auf Motorrädern vorbei, ohne ihn in der Dunkelheit zu bemerken. Er sägte 15 Minuten lang, tauchte unter den Gitterstäben hindurch und musste eine kurze Strecke über der Erde zurücklegen, bevor er die nächste Röhre erreichte. Hier entdeckte er eine Selbstschussanlage, der er in letzter Sekunde ausweichen konnte.

In einer vierten Röhre kam es zum Ernstfall: Roland blieb beim Durchtauchen unter einem Gitter mit den Schultern hängen und bekam keine Luft. „Ich dachte schon, ich ersticke“, erinnert er sich. Mit eisernem Willen konnte er sich befreien. Nach fast 700 Metern und dem Überwinden mehrerer Hindernisse erreichte er die DDR-Seite, wo er das letzte Gitter unangetastet ließ, um keine Spuren zu hinterlassen. Auf dem Rückweg verwischte er sorgfältig alle Spuren.

Der Tag der Flucht – „Heute Abend hauen wir ab“
Die Übermittlung des genauen Fluchtdatums und der Uhrzeit an seine unter Beobachtung stehende Familie war kritisch. Beim siebten Versuch gelang es Roland schließlich, Monika telefonisch zu erreichen. Mit dem Codewort „Wanda wollte so gegen ein Uhr, ich wollte ihr dann mal das Grundstück zeigen“ wusste Monika: „Heute Nacht passiert die Sache“.

Am 1. Juni 1988, als Frauke gerade ihre Badesachen packte, teilte Monika ihrer Tochter mit: „Nee, stopp, Frauke, ich muss dir was ganz Wichtiges sagen. Du kannst jetzt nicht ins Freibad heute schwimmen, das geht nicht. Wir hauen heute Abend ab“. Frauke war begeistert: „Boah geil, endlich mal was los, scheiß aufs Freibad, heute Abend hauen wir ab“. Auch Rolands Vater wollte mit in den Westen.

Roland war derweil in Niedersachsen in die Röhre geklettert, Neoprenanzüge für seine Familie im Seesack. Die größte Angst war, dass die von ihm durchgesägten Gitter erneuert worden sein könnten. Doch er hatte Glück: Die Schnittstellen waren noch da, und niemand erwartete ihn. Nach nur einer Dreiviertelstunde erreichte er den Ausgang auf DDR-Seite und sägte das letzte Gitter durch.

Wiedersehen im Todesstreifen und die Flucht durch das Dunkel
Auf der DDR-Seite musste Roland warten. Monika hatte die Zeit falsch eingeschätzt und kam erst kurz vor zwei Uhr an der Röhre an, während Roland bereits um ein Uhr hineingegangen war. Dann sah er Schatten, machte leise Geräusche und wurde schließlich von seiner Tochter Frauke erkannt, die rief: „Papa, Papa, Papa!“. Nach sechs Monaten des Wartens war die Familie wieder vereint.

Sie hatten keine Zeit mehr, die Neoprenanzüge anzuziehen. So lautlos wie möglich kletterten alle in die dunkle Röhre, der Vater voraus. Monika hatte große Angst und krampfte sich vor Platzangst an Rolands Schuhen fest. Roland tauchte immer als Erster durch die Gitter und zog dann seine Tochter und seine Frau nach.

Ankunft in der Freiheit und das „Victory“-Zeichen
Nachdem der Grenzzaun hinter ihnen lag, mussten sie noch etwa 80 Meter auf DDR-Gebiet zurücklegen. Erschöpft und emotional blickten sie noch einmal in die DDR zurück. Kurz darauf trafen sie auf einen Westpolizisten, Ulf Schrader, der sich an die „absolute Ausnahmesituation“ erinnerte. „Wir haben uns alle gedrückt und haben uns beglückwünscht, dass wir das geschafft haben“, so Schrader. Die Familie, total verschlammt, erhielt Jogginganzüge und erlebte eine unglaubliche Freude und Erleichterung.

Die Flucht wurde zur Titelgeschichte in den Medien. Als Reporter Fotos an der Grenze machten, fotografierte die Stasi von der anderen Seite. Roland Schreier hob triumphierend den Arm – „Victory, ihr könnt mich mal“.

Anderthalb Jahre später, am 9. November 1989, fiel die Mauer. Die Schreiers besuchten ihre alte Heimat. Am Grenzübergang Marienborn sagte ein uniformierter Beamter zu Roland Schreier: „Herr Schreier, wir wünschen Ihnen alles Gute und Sie brauchen nicht wieder zurück durch die Röhre“. Eine Erleichterung, die das Ende einer Ära markierte.

Die Schreiers blieben auch nach der Wende im Westen. Fast 900 Menschen kamen beim Versuch, aus der DDR zu fliehen, ums Leben. Mit dem Fall der Mauer wurde diese tödliche Grenze endgültig Geschichte.