Im Sommer 1987 wagten mutige DDR-Oppositionelle einen historischen Stunt: Mit einem Trabi und einer Handkamera fuhren sie in die verbotenen Regionen des Uranbergbaus, um ein bislang verborgenes Kapitel der DDR-Geschichte ans Licht zu bringen. Ein Film von Peter Wensierski dokumentiert seither eine Realität, die von wirtschaftlichen Interessen, staatlicher Geheimhaltung und ökologischer Zerstörung geprägt war.
Die DDR, ein Staat, der nicht nur für seine Mauer, sondern auch für seine strenge Geheimhaltung bekannt war, verbarg über Jahrzehnte die düstere Wahrheit um den Uranabbau. In den südlichen Regionen – rund um Gera, Ronneburg und Aue – florierte der Uranabbau unter der Leitung der deutsch-sowjetischen Aktiengesellschaft Wismut. Dieses Unternehmen förderte nicht nur das lebenswichtige Element für Atomwaffen und Kernkraftwerke, sondern auch ein Geflecht aus Umweltzerstörung und gravierenden Gesundheitsrisiken.
Ein riskanter Blick hinter die Kulissen
Der Film von Peter Wensierski bietet einen seltenen Einblick in die verborgenen Machenschaften des Uranbergbaus. Mit selbstgebauter Technik und großer Risikobereitschaft dokumentierten Oppositionelle die enormen Uranhalden und radioaktiv verseuchten Landschaften. Auf den kilometerlangen Schlackenhalden, die einst als Beweis für industriellen Fortschritt galten, offenbart sich heute das Erbe einer gefährlichen Ära. Arbeiter, die in den dunklen Schächten unter Tage tätig waren, setzten sich einer Strahlenbelastung aus, die innerhalb eines Jahres vergleichbar war mit den Risiken, die in drei Jahrzehnten in einem Atomkraftwerk auftreten würden.
Diese erschütternde Statistik zeigt eindrucksvoll, wie die Gesundheit der Bergleute systematisch aufs Spiel gesetzt wurde – ohne dass die Arbeiter umfassend über die langfristigen Folgen informiert wurden. Die unzureichende Belüftung, veraltete Anlagen und die ständige Präsenz von radioaktivem Material führten zu einer signifikant erhöhten Sterblichkeitsrate, die noch Jahrzehnte nachwirkt.
Die doppelte Krise: Mensch und Umwelt
Doch nicht nur die Bergleute waren die Leidtragenden dieses Systems. Die Umwelt, ein unschuldiger Zeuge des industriellen Fortschritts, zahlte einen hohen Preis. Die riesigen Abraumhalden, aus denen radioaktiver Staub und gefährliche Chemikalien in die umliegenden Böden und Gewässer gespült wurden, kennzeichnen heute eine Landschaft, die unter dem Erbe des Uranabbaus leidet. Regen und Wind trugen die Schadstoffe weit über die unmittelbaren Abbaugebiete hinaus, was zu einer großräumigen Verseuchung von Grundwasser und Vegetation führte.
Besonders alarmierend sind Berichte aus der Region um Aue. Hier zeigen sich nicht nur Anzeichen von Umweltbelastungen, sondern auch gesundheitliche Folgen: Von erhöhter Zahl an Missbildungen bis zu verfrühten Todesfällen – die Bevölkerung lebt in einem unsichtbaren Risiko, das sie täglich umgibt. Die Behörden, deren Aufgabe es eigentlich wäre, die Bevölkerung zu schützen, hielten Informationen über diese Gefahren jahrzehntelang unter Verschluss.
Wirtschaftliche Interessen versus menschliche Gesundheit
Die Entscheidungsträger der DDR standen vor einem Dilemma: Auf der einen Seite standen wirtschaftliche und politische Interessen, die eng mit der sowjetischen Atompolitik verknüpft waren, auf der anderen Seite die offensichtlichen Gefahren für Mensch und Natur. Der Uranabbau war ein wichtiger Wirtschaftszweig, der Tausende von Arbeitsplätzen schuf und den Staat mit dringend benötigter Währungseinheit versorgte. Doch der Preis, den die Arbeiter und die Umwelt dafür zahlten, war hoch.
So wurden nicht nur die Arbeitsbedingungen der Bergleute zum Kollateralschaden, sondern auch das Leben der gesamten Region nachhaltig beeinträchtigt. Neben der offensichtlichen radioaktiven Belastung waren die Anwohner auch mit einer erhöhten Exposition gegenüber Schwermetallen wie Blei, Cadmium, Quecksilber und Arsen konfrontiert – Stoffe, die in zahlreichen Industrieprozessen freigesetzt wurden.
Das Erbe eines Systems
Der Film „DDR 1987 Uranbergbau – Ein Film von Peter Wensierski“ ist weit mehr als nur ein Dokumentarfilm. Er ist ein eindringlicher Appell, sich der oft verdrängten Wahrheit zu stellen und aus der Geschichte zu lernen. Die Darstellung der gefährlichen Arbeitsbedingungen, der systematischen Geheimhaltung und der gravierenden Umweltkatastrophen wirft ein Schlaglicht auf eine Zeit, in der Profit und Macht über das Wohl von Mensch und Natur gestellt wurden.
Die Nachwirkungen dieser Politik sind bis heute spürbar: Rund 10.000 Menschen sind noch immer in der Region beschäftigt, und die Spuren des Uranbergbaus prägen das Landschaftsbild und die Gesundheitsstatistiken. Die dramatische Diskrepanz zwischen den offiziell kommunizierten Zahlen und den tatsächlichen gesundheitlichen Belastungen der Bevölkerung bleibt eine Mahnung, dass Aufklärung und Transparenz essenziell sind – nicht nur für die historische Aufarbeitung, sondern auch für den Schutz zukünftiger Generationen.
Die Geschichte des Uranbergbaus in der DDR zeigt auf erschütternde Weise, wie staatliche Geheimhaltung und wirtschaftliche Interessen in einem repressiven Regime zu einer ökologischen und humanitären Katastrophe führen können. Der mutige Einsatz oppositioneller Kräfte im Sommer 1987 hat es ermöglicht, ein Stück dieser verborgenen Vergangenheit zu dokumentieren und ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Auch Jahrzehnte später fordert uns diese Geschichte dazu auf, kritisch zu hinterfragen, welche Opfer im Namen des Fortschritts und der Macht erbracht wurden – und wie wichtig es ist, Verantwortung zu übernehmen, bevor sich solche Tragödien wiederholen.