Die Gemeinwesenarbeit (GWA) in Magdeburg hat sich seit ihrer Einführung 1997 als ein zentraler Bestandteil des städtischen Engagements etabliert. Mit dem Ziel, Bürgerinnen und Bürger zur aktiven Mitgestaltung ihrer Stadtteile zu motivieren, wird dieser Ansatz als Brücke zwischen Verwaltung und Bürgerschaft verstanden. Die GWA stärkt das Gemeinschaftsgefühl, fördert die Identifikation mit dem Stadtteil und ermöglicht, soziale und kulturelle Projekte gezielt umzusetzen.
Ursprung und Entwicklung der Gemeinwesenarbeit
Die Idee zur Gemeinwesenarbeit entstand aus Fragestellungen der Jugendhilfe, die in den 1990er Jahren eine stärkere Orientierung am Sozialraum forderten. Damals entwickelte Wolfgang Ortleb, der als einer der „Väter“ der GWA gilt, das konzeptionelle Fundament. „Stadtteilbezogene soziale und Kulturarbeit“ lautete das Schlüsselkonzept. Der Ansatz richtete sich auf drei Hauptziele: Bürgerbeteiligung, Förderung der Identifikation mit dem Stadtteil und Stärkung zukunftsfähiger Strukturen.
Bereits 1999 wurden erste konkrete Maßnahmen umgesetzt. Dazu gehörte die Einrichtung eines Initiativfonds, der bis heute Projekte finanziert. Ursprünglich mit 50.000 Euro ausgestattet, steht dieser Fonds mittlerweile 22 Arbeitsgruppen in den Magdeburger Stadtteilen zur Verfügung. „Der Fonds war von Anfang an ein zentraler Motivator“, so Ortleb. „Er gibt Bürgern die Möglichkeit, ihre Ideen nicht nur zu planen, sondern auch zu realisieren.“
Struktur und Arbeitsweise der GWA-Gruppen
Die Gemeinwesenarbeit wird in Magdeburg dezentral organisiert. In jedem Stadtteil gibt es Arbeitsgruppen, die ehrenamtlich Projekte umsetzen. Diese reichen von kleinen Nachbarschaftsinitiativen bis hin zu größeren Veranstaltungen. Jede Gruppe wird von einem Sprecherkreis koordiniert, der Versammlungen organisiert, Projektvorschläge bewertet und die Vergabe der Gelder aus dem Initiativfonds überwacht.
Ein Beispiel für eine solche Initiative ist die GWA in Rothensee. Dort wurde 2008 eine Festwoche zum 100. Jahrestag der Eingemeindung des Stadtteils durchgeführt. Im Zuge dieser Feierlichkeiten entstand ein Textband mit Geschichten und Bildern, das die lokale Geschichte lebendig hält. Auch der jährliche „Bukau-Block“, eine Aktion gegen Intoleranz und für Demokratie, zeigt, wie durch GWA-Arbeit neue Traditionen entstehen.
Bürgerengagement als Schlüssel zum Erfolg
Die GWA lebt vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger. Veranstaltungen wie „Bukau putzt sich“ oder der „World Cleanup Day“ zeigen, wie die Menschen in den Stadtteilen aktiv werden und Verantwortung übernehmen. In Rothensee wurde 2023 zum zehnjährigen Jubiläum des Hochwassers von 2013 eine Gedenkveranstaltung organisiert, die nicht nur an die Ereignisse erinnerte, sondern auch das Bewusstsein für künftige Risiken schärfte.
Besonders während der Corona-Pandemie entstanden kreative Projekte. So wurde in Ottersleben eine kleine Otter-Figur aufgestellt, die in der schwierigen Zeit als Symbol der Hoffnung diente. „Das war Bürgerengagement, wie man es sich nur wünschen kann“, erinnert sich Viktor Tschwenke, Sprecher der GWA Ottersleben.
Herausforderungen und Perspektiven
Trotz der Erfolge gibt es auch Herausforderungen. Die Gewinnung von Nachwuchs für die ehrenamtliche Arbeit bleibt eine zentrale Aufgabe. „Wir brauchen mehr aktive Mitarbeit von Bürgern, die ihre Ideen und Fähigkeiten einbringen“, betont Ulrike Schmidt, Sprecherin der GWA Bukau. Ein weiteres Ziel ist die stärkere Vernetzung zwischen den Stadtteilen, um voneinander zu lernen und Synergien zu nutzen.
Die Zukunft der GWA in Magdeburg hängt auch von der politischen Unterstützung ab. „Gemeinwesenarbeit ist ein Herzstück unseres Beteiligungskonzepts“, so Ingo Gottschalk, Beigeordneter für Soziales, Jugend und Gesundheit. „Die GWA wird nur dann weiterleben, wenn wir über sie reden und die Menschen dafür begeistern.“
Die Gemeinwesenarbeit in Magdeburg ist ein Modell, das zeigt, wie Bürgerbeteiligung auf lokaler Ebene funktionieren kann. Von kleinen Nachbarschaftsaktionen bis hin zu großen Stadtteilfesten – die Vielfalt der Projekte spiegelt die Kreativität und das Engagement der Magdeburgerinnen und Magdeburger wider. „Es macht einfach Spaß, sich einzubringen“, sagt ein Sprecher. „Man sieht, wie die eigenen Ideen Wirklichkeit werden und das Leben im Stadtteil bereichern.“
Mit der Weiterentwicklung der Gemeinwesenarbeit steht Magdeburg vor der Aufgabe, die Erfolge der letzten 25 Jahre auszubauen. Dabei wird es darauf ankommen, junge Menschen zu motivieren, ältere Erfahrungen zu bewahren und neue Ideen zu integrieren. Denn eines steht fest: Die GWA ist ein unverzichtbarer Bestandteil des sozialen Lebens in Magdeburg – und ein Vorbild für andere Städte.