Jena: Haushaltsentwurf extrem auf Kante genäht

Der Haushaltsentwurf der Stadt Jena liegt auf dem Tisch – und es zeigt sich, wie brüchig das finanzielle Fundament der einst so soliden Kommunalpolitik geworden ist. Wer den Zahlen und Prognosen Glauben schenkt, wird schnell feststellen: Die Ära des Neuverschuldungsverbots, das Jena in den vergangenen Jahren als Prinzip hochgehalten hat, nähert sich dem Ende.

Bis 2029, so die Prognose, dürfte die Stadt ihre Reserven aufgebraucht haben. Spätestens dann – vielleicht schon in zwei bis drei Jahren – wird Jena nicht umhinkommen, neue Schulden aufzunehmen, um die Finanzen zu stabilisieren. Der aktuelle Haushaltsentwurf zeigt dabei bereits, dass diese Zeitenwende vorbereitet wird: Um den Haushalt formal genehmigungsfähig zu machen, steht nun auch eine Änderung der Haushaltssatzung auf der Agenda. Das Neuverschuldungsverbot soll gestrichen werden – ein Tabubruch, der politische und finanzielle Sprengkraft birgt.

Hinter dieser Entwicklung steht eine inoffizielle Allianz der Vernunft – oder eine Koalition des Pragmatismus, je nach Perspektive: FDP, CDU, Grüne und SPD scheinen sich darauf verständigt zu haben, die bisherigen finanziellen Strukturen so weit wie möglich unangetastet zu lassen. Ziel ist es offenbar, das bewährte Modell Jenas in der Hoffnung weiterzuführen, dass das Wirtschaftswachstum und die Einnahmen der Stadt langfristig ausreichen werden, um die wachsenden Ausgaben zu decken.

Doch genau hier liegt der Haken: Der Entwurf setzt stark auf Optimismus. Strukturelle Veränderungen, die mittelfristig dringend notwendig wären, bleiben weitgehend aus. Stattdessen versucht man, mit der Hoffnung auf weiteres Wirtschaftswachstum, erhöhte Gewerbesteuereinnahmen und gestiegene Zuweisungen von Bund und Land die nächsten Jahre zu überbrücken. Aber was, wenn dieses Wachstum ausbleibt?

Die gegenwärtigen Maßnahmen – und das ist kein Geheimnis – sind vor allem darauf ausgerichtet, den Status quo zu bewahren. Das bedeutet, Projekte und Investitionen, die die Stadt weiterentwickeln könnten, auf ein Minimum zu beschränken. Es wird mit spitzem Stift gerechnet, um das Erreichte zu sichern, anstatt die Weichen für die Zukunft zu stellen. Die Spielräume, die die Stadt über Jahre durch kluge Haushaltsführung und Wachstum erarbeitet hatte, schwinden zusehends.

Es ist durchaus berechtigt, Zweifel daran zu haben, dass dieser Ansatz tragfähig ist. Ohne tiefgreifende Reformen und eine kritische Überprüfung von Ausgaben und Investitionsprioritäten wird es schwer, die Herausforderungen der kommenden Jahre zu bewältigen. Denn Jena wächst weiter – sei es durch Zuzug, die Anforderungen an die Infrastruktur oder den Klimaschutz, der auch die Städte zwingt, aktiv zu werden. Diese Entwicklungen sind kostspielig und dulden keinen Aufschub.

Ein Umdenken ist unvermeidlich. Die Frage ist nicht mehr, ob man Wachstum und Konsolidierung neu denken muss, sondern wann. Je länger sich die Stadt vor tiefgreifenden strukturellen Anpassungen drückt, desto größer wird die Lücke, die am Ende nur durch neue Schulden gefüllt werden kann. Und mit jedem Jahr, das vergeht, verliert Jena an Flexibilität und Handlungsfähigkeit.

Die Haushaltsdiskussion zeigt deutlich: Die Grundsatzfrage, wie Jena künftig wirtschaften will, ist noch längst nicht beantwortet. Bleibt die Hoffnung, dass sich die Verantwortlichen nicht nur von kurzfristigem Kalkül leiten lassen, sondern endlich den Mut aufbringen, die Stadt auch auf lange Sicht zukunftsfähig zu machen – bevor die Rechnung endgültig nicht mehr aufgeht.

Redakteur/Blogger/Journalist: Arne Petrich

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