In der siebten Ausgabe unserer Serie „Fragen zur Energiewende“ werfen wir einen detaillierten Blick auf eine der zentralen Herausforderungen der Energiewende: die Stromnetze. Ein Thema, das nicht nur für Fachleute von Bedeutung ist, sondern auch die breite Öffentlichkeit betrifft, da es um die Versorgungssicherheit und die technische Infrastruktur geht, die notwendig ist, um die gesteckten Ziele der Energiewende zu erreichen. Um diese Thematik besser zu verstehen, haben wir heute Christian Dornack, den Bereichsleiter Strategie bei den Stadtwerken Jena Netze, zu Gast. In einem aufschlussreichen Gespräch schildert er, wie die Stadtwerke Jena mit den Herausforderungen umgehen, die durch den Ausbau erneuerbarer Energien, die zunehmende Elektromobilität und den Wandel im Bereich der Wärmeversorgung entstehen.
Wie funktioniert das Stromnetz in Jena?
Die Stadtwerke Jena Netze versorgen über 100.000 Kunden in Jena und den umliegenden Gebieten wie Pößneck und Hermsdorf. Das Stromnetz in Jena ist eng mit den übergeordneten Netzstrukturen der 50-Hertz- und der Tenet Energienetze GmbH verbunden, über die der Strom ins Versorgungsgebiet gelangt. Christian Dornack erklärt, dass der Stromverbrauch der Stadt Jena im Jahr bei etwa 600 Gigawattstunden liegt, wobei der Leistungsbedarf zu Spitzenzeiten bei rund 80 bis 90 Megawatt liegt. Dies bedeutet, dass zu diesen Zeiten so viel Strom benötigt wird, um den Bedarf der Stadt zu decken.
„Der Strombedarf wird nicht nur durch Großkraftwerke gedeckt, sondern zunehmend auch durch dezentrale Erzeugungsanlagen wie Photovoltaikanlagen, Windkraftanlagen und Biogasanlagen“, erklärt Dornack. Dies zeigt die zunehmende Bedeutung der regenerativen Energiequellen im Versorgungsnetz.
Die Herausforderungen der Energiewende für das Stromnetz
Der Übergang zu erneuerbaren Energien und die damit verbundene dezentrale Erzeugung von Strom bringen eine Vielzahl an Herausforderungen für das bestehende Stromnetz mit sich. Die größte Herausforderung ist die Transformation der Energieversorgung von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien und dezentralen Energiequellen. Darüber hinaus wird der Bedarf an Strom steigen, nicht nur durch den wachsenden Anteil von Elektroautos, sondern auch durch die verstärkte Nutzung von Wärmepumpen und den Ausbau der Fernwärmeversorgung.
„Wenn wir an das Szenario der All Electric Society denken, wird der Strombedarf in den kommenden Jahren deutlich steigen“, erläutert Dornack. Dabei wird der Stromverbrauch nicht nur durch die Industrie und den Haushaltsbedarf ansteigen, sondern auch durch die verstärkte Nutzung von Elektromobilität und der Wärmeversorgung via Strom. „In unseren Planungen gehen wir davon aus, dass sich der Leistungsbedarf in der Region verdoppeln oder sogar verdreifachen könnte“, so Dornack weiter.
Sind die Stromnetze auf diese Veränderungen vorbereitet?
Die Frage, ob die bestehenden Stromnetze diesen Anforderungen gewachsen sind, wird von Dornack klar beantwortet: „Stand heute sind die Netze in Jena nicht in der Lage, den zukünftigen Leistungsbedarf vollständig zu decken.“ Das bedeutet, dass die vorhandene Infrastruktur nicht ausreichend dimensioniert ist, um die erwarteten Lastspitzen zu bewältigen, die durch den Anstieg des Stromverbrauchs entstehen werden. Dies betrifft vor allem die Spitzenlastzeiten, die in den nächsten Jahren noch stärker ansteigen könnten.
Die Stadtwerke Jena Netze haben bereits Maßnahmen ergriffen, um auf diese Veränderungen zu reagieren. „Wir haben einen Netzausbauplan erstellt, der alle zwei Jahre aktualisiert wird und uns hilft, die Entwicklung der Netzinfrastruktur frühzeitig zu planen“, erklärt Dornack. Dabei geht es nicht nur um den Ausbau der Leitungen, sondern auch um intelligente Lösungen zur Steuerung und Regelung des Stromnetzes, um es optimal zu betreiben. „Es geht nicht nur darum, dickere Kabel zu verlegen, sondern auch darum, die vorhandene Infrastruktur effizient und intelligent zu nutzen“, so Dornack.
Intelligente Lösungen für die Energiewende
Ein entscheidender Bestandteil der Planung für die zukünftige Netzinfrastruktur ist die Entwicklung intelligenter Lösungen, die es ermöglichen, das Netz effizient zu steuern. „Intelligente Steuerungssysteme können uns dabei helfen, den Strombedarf in Echtzeit zu regulieren und so Engpässe zu vermeiden“, erklärt Dornack. Diese Systeme können die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne sowie den Verbrauch von Strom durch Haushalte, Industrie und Elektromobilität steuern. Allerdings betont Dornack, dass diese Steuerung nur eine temporäre Lösung darstellt. „Die langfristige Antwort auf die steigende Nachfrage ist der Ausbau der Netzinfrastruktur“, fügt er hinzu.
In diesem Zusammenhang arbeiten die Stadtwerke Jena Netze eng mit verschiedenen Partnern zusammen, darunter andere Netzbetreiber, Institute und Hersteller von Rechensystemen. Diese Zusammenarbeit ermöglicht es, schon heute zu ermitteln, wo die größten Engpässe im Netz bestehen und wie diese mit intelligenten Steuerungen überwunden werden können.
Der finanzielle Aufwand für den Netzausbau
Der Netzausbau wird jedoch nicht billig sein. Dornack schätzt, dass der Investitionsbedarf für das gesamte Versorgungsgebiet der Stadtwerke Jena in den kommenden Jahrzehnten im mittleren dreistelligen Millionenbereich liegen wird. Dieser Aufwand wird sich in den Netzentgelten niederschlagen, die von den Verbrauchern getragen werden müssen. „Je mehr Strom durch das Netz transportiert wird, desto günstiger wird der Transport pro Einheit. Das heißt, eine höhere Netzbelastung führt zu höheren Netzentgelten, die jedoch je nach Transportmenge relativ günstiger werden können“, erklärt Dornack.
Fazit: Ein enger Zusammenhang zwischen Energie- und Wärmewende
Abschließend betont Dornack, dass die Energiewende untrennbar mit der Wärmewende und der Mobilitätswende verbunden ist. Der Umbau der Stromnetze ist ein zentraler Bestandteil des gesamten Prozesses. Die Stadtwerke Jena Netze haben bereits ein umfassendes Planungsinstrument in Form des Netzausbauplans entwickelt, um den zukünftigen Herausforderungen zu begegnen. Allerdings wird der Umbau der Infrastruktur viele Jahre in Anspruch nehmen und erfordert erhebliche Investitionen. Wie die Stadtwerke die verschiedenen Aspekte der Energiewende meistern wollen, wird Thema der nächsten Ausgabe sein, wenn der Geschäftsführer André Sack von den Stadtwerken Jena zu Gast sein wird.
Die Herausforderungen der Energiewende sind groß, aber sie bieten auch enorme Chancen, die Infrastruktur zukunftsfähig zu gestalten. Der Ausbau der Netzinfrastruktur, die Einführung intelligenter Steuerungssysteme und die enge Zusammenarbeit mit Partnern sind entscheidende Faktoren, um die Energiewende erfolgreich umzusetzen. Doch auch wenn die Technik in vielerlei Hinsicht bereits fortgeschritten ist, bleibt es eine langfristige Aufgabe, die nur mit einer klugen, vorausschauenden Planung und der Bereitschaft zu Investitionen gemeistert werden kann.