Beim Stadtklimakonzept Jena trifft die Theorie auf die Praxis

Der neue Flächenentwicklungsplan der Stadt Jena und das Stadtklimakonzept haben eine zentrale Aufgabe: Die Stadt soll sich an den Klimawandel anpassen, dabei aber auch genügend Raum für bauliche Entwicklung, insbesondere für Wohnraum, bieten. Ein heikles Gleichgewicht, das leicht ins Wanken geraten kann, wenn Theorie und Praxis zu weit auseinanderliegen. Die Verwaltung gibt an, dass alle Entwicklungsflächen im neuen Plan stadtklimaverträglich bebaubar seien, doch wie gut lässt sich das in der Realität umsetzen?

Das nun vorgelegte Stadtklimakonzept bildet die Grundlage für die Planungen der kommenden Jahre und gibt an, welche Gebiete klimatisch besonders wichtig sind. Es zeigt auf, wo dringend für Durchlüftung und Kaltluftzufuhr gesorgt werden muss und wo sich dennoch Wohnungsbau und Infrastrukturprojekte realisieren lassen. Dieses Konzept soll am 13. November im Klimaschutzbeirat und am 21. November im Stadtentwicklungs- und Umweltausschuss der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Laut Christian Gerlitz, Dezernent für Stadtentwicklung und Umwelt der Stadt Jena, bietet das Konzept Entscheidungshilfen für zukünftige Bauprojekte und soll dabei helfen, die Luftzirkulation in der Stadt aufrechtzuerhalten, auch wenn mehr gebaut wird. Damit kommt der Plan nicht nur als Klimaanpassungsstrategie daher, sondern auch als Regulativ, um die bisherigen stadtklimatischen Funktionen von Jena trotz neuer Bauvorhaben zu bewahren.

Klimamodellrechnungen und Bestandssituation
Basis für diese Aussagen sind laut Verwaltung zahlreiche Klimamodellrechnungen, die für das gesamte Stadtgebiet durchgeführt wurden. So ließen sich wichtige Einblicke in die aktuelle klimaökologische Lage und die nahende Klimazukunft der Stadt gewinnen. Diese Modellrechnungen liefern eine detaillierte räumliche Auflösung und zeigen, wie sich die Bebauung und die Klimaveränderungen in Jena auswirken könnten. Hier geht es nicht nur um die Ist-Situation, sondern auch um die mögliche Entwicklung unter den prognostizierten Klimabedingungen.

Ein zentrales Element des Stadtklimakonzepts ist die „klimatische Planungshinweiskarte“. Diese Karte, das zentrale Ergebnis der Untersuchung, bietet Stadtplanern konkrete Hinweise, welche Flächen zur klimatischen Entlastung beitragen und wo sich potenzielle Hitzeinseln befinden. Gerade solche Hitzeinseln können zu einem großen Problem werden, wenn der Klimawandel weiter voranschreitet. Doch die Umsetzung bleibt eine Herausforderung, da viele dieser problematischen Gebiete dicht bebaut und teils in privater Hand sind. Die Praxis zeigt oft, dass solche Eigentümerstrukturen das Eingreifen der Stadt erschweren. Wie Gerlitz erklärt, werden nun mögliche städtische Regelungen geprüft, die Anwohner dazu verpflichten könnten, ihre Flächen klimaverträglicher zu gestalten – etwa durch Entsiegelung oder Fassadenbegrünung.

Anreize für klimafreundliche Maßnahmen
Die Stadtverwaltung möchte Bürgerinnen und Bürger motivieren, sich aktiv an der Verbesserung des Stadtklimas zu beteiligen. „Wir setzen Anreize für private Klimaanpassungsmaßnahmen“, erläutert Gerlitz. So sollen Eigentümer beispielsweise für Baumpflanzungen, die Entsiegelung von Böden sowie die Begrünung von Dächern und Fassaden auf ihren Grundstücken Förderungen erhalten. Dies fällt unter das kommunale Programm „Grüne Oasen in Jena“, das bereits seit mehreren Jahren läuft und nun weiter gestärkt werden soll.

Der Gedanke hinter diesem Förderprogramm ist klar: Die Stadt kann und will die Herausforderungen des Klimawandels nicht allein bewältigen. Es braucht die Unterstützung der Bürger, um ein wirklich klimafreundliches Umfeld zu schaffen. Doch auch hier zeigt die Praxis oft andere Realitäten. Förderprogramme sind nicht selten bürokratisch und schwer zugänglich, was die Teilnahmebereitschaft senken kann. Zudem bleibt abzuwarten, ob sich genügend Grundstückseigentümer finden, die bereit sind, ihre Flächen tatsächlich zu entsiegeln oder grüne Dächer zu schaffen, wenn dies mit Zeitaufwand und Kosten verbunden ist.

Von der Theorie zur Praxis: Jenas Klimaanpassungsstrategie JenKAS
Bereits 2009 erkannte die Stadt Jena die Bedeutung einer Klimaanpassungsstrategie und erarbeitete die „Jenaer Klimaanpassungsstrategie“ (JenKAS), die 2013 als Handlungsleitfaden verabschiedet wurde. Sie sollte den Weg bereiten für zukünftige Maßnahmen gegen die Auswirkungen des Klimawandels. JenKAS betont die langfristige Vorbereitung auf die klimatischen Herausforderungen und wurde damals als erste umfassende Strategie dieser Art in der Region gefeiert.

Doch trotz dieser vorbildlichen Planung zeigt sich in der Praxis, dass viele geplante Maßnahmen aufgrund fehlender Ressourcen oder bürokratischer Hürden nur langsam vorankommen. Zwischen ambitionierten Klimazielen und ihrer tatsächlichen Umsetzung klafft oft eine Lücke. So bleibt die Frage offen, wie viel von JenKAS tatsächlich umgesetzt wurde und wie viel immer noch auf dem Papier verharrt.

Die Rolle der Bürgerbeteiligung und die Grenzen der kommunalen Einflussnahme
Eine weitere Herausforderung für die Stadt ist die Tatsache, dass viele klimatisch relevante Gebiete in privatem Besitz sind. Zwar kann die Stadt durch Satzungen und Bauvorschriften versuchen, gewisse Maßnahmen durchzusetzen, doch letztendlich sind es die Bewohner und Grundstückseigentümer, die den Unterschied machen. Städte wie Jena könnten jedoch von anderen Kommunen lernen, die bereits lokale Bauvorschriften erlassen haben, um die Anpassung an das Stadtklima aktiv voranzutreiben.

Eine direkte Verordnung der Stadt könnte möglicherweise Anreize schaffen, um die Bürger zur Begrünung von Fassaden oder zur Entsiegelung von Flächen zu bewegen. Solche Maßnahmen wurden bereits in anderen deutschen Städten erfolgreich umgesetzt. Zudem zeigt sich in vielen Kommunen, dass die Bürgerbeteiligung essenziell für den Erfolg solcher Projekte ist. Das Stadtklimakonzept von Jena könnte daher ein Schritt in die richtige Richtung sein, wenn es durch eine umfassende Bürgerbeteiligung und entsprechende Förderprogramme ergänzt wird.

Ausblick: Stadtklimakonzept als Zukunftsstrategie
Das „Stadtklimakonzept für die Stadt Jena“ stellt ohne Frage einen wichtigen Fortschritt dar, um die Wärmebelastung und die Belüftung der Stadt in Zeiten des Klimawandels nachhaltig zu verbessern. Es wurde gemeinsam mit der Geo-Net Umweltconsulting GmbH aus Hannover entwickelt und über einen Zeitraum von mehreren Jahren erarbeitet. Doch ob dieses Konzept tatsächlich das Stadtklima verbessert und Jena für die kommenden klimatischen Herausforderungen wappnet, hängt von der praktischen Umsetzung ab.

Die Pläne und Absichten mögen auf dem Papier gut klingen, aber ihre Wirksamkeit wird sich erst dann zeigen, wenn konkrete Maßnahmen auf lokaler Ebene verwirklicht werden. Die Stadt Jena hat mit diesem Konzept einen Schritt in die richtige Richtung gemacht, doch es wird eine kollektive Anstrengung der Verwaltung, der Bürger und der Politik brauchen, um diese Ziele zu erreichen. Hier zeigt sich erneut, dass Theorie und Praxis oft weit auseinanderliegen und dass die tatsächliche Herausforderung darin besteht, Pläne zu konkretisieren und den Wandel gemeinsam zu gestalten.

Redakteur/Blogger/Journalist: Arne Petrich

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Weitere aktuelle Beiträge