Die Anreise zur Ostsee in den 1970er Jahren war für viele DDR-Bürger ein abenteuerliches Unterfangen, das oft bereits mit der Planung und den Vorbereitungen begann. Der Traum von einem entspannten Urlaub am Meer war fest in der Kultur der DDR verankert, und die Ostseeküste zählte zu den beliebtesten Zielen. Die Anreise war dabei nicht nur eine physische, sondern auch eine emotionale Reise, die oft mit unvergesslichen Erlebnissen und Herausforderungen verbunden war.
Die Vorfreude und Planung
Die Vorfreude auf den Urlaub begann bereits Wochen im Voraus. Familien und Freunde tauschten sich über ihre Urlaubspläne aus, und es wurde viel Zeit damit verbracht, das geeignete Quartier zu suchen. Die „Urlaubskarten“ waren sehr begehrt und mussten oft Monate im Voraus beantragt werden. Die Menschen standen in langen Schlangen vor den Reisebüros oder gingen direkt zu den zuständigen Stellen, um einen Platz in einem der staatlich geförderten Ferienheime oder Wohnheime zu ergattern. Diejenigen, die das Glück hatten, ein eigenes Ferienhaus oder eine Ferienwohnung zu besitzen, waren besonders begehrt und stolz.
Die Anreise mit der Bahn
Die Reise selbst begann meist mit der Anreise zum Bahnhof, wo die Aufregung und die Vorfreude spürbar waren. Viele Genossen reisten mit der Bahn, die in der DDR ein beliebtes Verkehrsmittel war. Allerdings war diese Art der Anreise nicht immer bequem. Die Züge waren oft überfüllt, und die Waggons hatten keine Klimaanlage. Viele Menschen mussten Stunden stehen, um endlich ihr Ziel zu erreichen. Sechs Stunden Wartezeit am Bahnhof waren nicht ungewöhnlich, und die ersten Erleichterungen kamen erst mit dem Einsteigen in den Zug. Doch auch hier war das Gedränge groß, und viele Familien waren gezwungen, sich auf dem Boden zu drängeln.
Mit dem eigenen Auto an die Küste
Alternativ dazu reisten viele DDR-Bürger mit dem eigenen Auto, meist einem Trabant oder einem Wartburg. Die Autofahrt zur Ostsee bedeutete für viele eine lange Reise entlang der F96, die von Berlin bis nach Rügen führte. Hierbei war es nicht selten, dass man hinter einem Traktor mit Tempo 30 hinterherzuckelte. Das Fahren war für viele ein Geduldsspiel, da die Straßen oft stark befahren waren und auch hier die Staus nicht ausblieben. Die Anreise dauerte oft bis zu acht Stunden, was für die Reisenden eine echte Herausforderung war, besonders wenn man bedenkt, dass Pausen nur sporadisch eingelegt werden konnten. Manchmal kämpften die Fahrer darum, die Fahrzeit vom Vorjahr zu unterbieten, wobei häufig Pausen und die nötige Erholung auf der Strecke blieben.
Hindernisse auf dem Weg
Die Anreise wurde oft durch verschiedene Hindernisse erschwert. Eines der bekanntesten war der alte Rügendamm, wo die Brücke regelmäßig hochgezogen wurde, um Schiffe durchzulassen. Dies führte nicht nur zu langen Wartezeiten, sondern auch zu einer unverhofften Gelegenheit, die Mitreisenden und die Umgebung zu beobachten. Der Stau wurde zum Gesprächsthema unter den Reisenden, und man tauschte sich über die besten Reisetricks aus. In vielen Fällen stellte sich heraus, dass das Gespräch mit den anderen Reisenden eine willkommene Ablenkung von der langen Anreise bot.
„Trampen“ nach Norden
Eine alternative Möglichkeit, um schneller an die Ostsee zu gelangen, war das „Trampen“ – eine Art von „Hitchhiking“, bei dem vor allem Frauen auf der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit die besten Chancen hatten. In den 70er Jahren war es üblich, dass Männer oft Frauen mitnahmen, was für viele eine willkommene Abwechslung darstellte. Einige Frauen verkleideten sich sogar, um als männliche Fahrer durchzugehen und leichter eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Dies verdeutlicht, wie wichtig der Urlaub an der Ostsee für viele war und wie sie kreativ mit den Herausforderungen umgingen.
Der Urlaub selbst
Endlich angekommen, wurde der Stress der Anreise schnell vergessen. Die Ostsee mit ihren malerischen Stränden und der frischen Brise wurde zum Symbol für Freiheit und Erholung. Die Tage am Meer wurden mit Schwimmen, Sonnenbaden und geselligen Abenden mit anderen Urlaubern gefüllt. Viele DDR-Bürger schätzten die Gemeinschaft und die gemeinsame Zeit, die sie während ihrer Urlaube verbringen konnten. Es war ein Gefühl von Zugehörigkeit, das die Menschen zusammenschweißte und die Erinnerungen an diese Zeit zu etwas Besonderem machte.
Insgesamt war die Anreise zur Ostsee in den 70er Jahren der DDR ein Abenteuer, das oft mit Mühen und Herausforderungen verbunden war, aber letztlich auch mit Freude, Gemeinschaft und unvergesslichen Erinnerungen. Die Reise zum Wasser wurde zum Synonym für die Sehnsucht nach Urlaub und Erholung und bleibt bis heute ein bedeutendes Kapitel in der Geschichte der DDR.