Im Jahr 1961 unternahm ein Team des SFB (Sender Freies Berlin) eine Reise in die sogenannte „Zone“, um die Lebensumstände und die Stimmung der Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zu dokumentieren. Stralsund, eine Stadt von historischer Bedeutung, liegt malerisch gegenüber den Kreidefelsen Rügens an der Ostsee. Diese alte Hansestadt blickt auf eine stolze Vergangenheit zurück, in der sie ein Zentrum des Handels war und von den Reichtümern ihrer Kaufleute profitierte. Die beeindruckenden, reich verzierten Häuser, die noch immer am Marktplatz stehen, sind Zeugen dieser glanzvollen Zeit.
Das Rathaus, ein Meisterwerk der Backsteingotik, ist nicht nur ein architektonisches Highlight, sondern auch ein historisches Symbol. Hier, im Jahr 1370, musste sich der dänische König dem Bürgermeister von Stralsund unterwerfen, was den Mut und die Entschlossenheit der Stralsunder Bürger unterstreicht. Diese historischen Stätten, zusammen mit der St. Nikolaikirche, die ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert stammt, verleihen der Stadt einen besonderen Charme und erinnern an die einst blühende Freiheit, die die Bürger genossen.
Doch beim Besuch des SFB-Teams wurden auch die Schattenseiten der Gegenwart deutlich. Die Anzeichen der SED-Herrschaft sind überall sichtbar. Die einst lebhaften HO-Gaststätten, die Hotels und Geschäfte, die zuvor den Charakter der Stadt prägten, wurden verstaatlicht. Statt lebendiger Märkte und einladender Cafés sind nun triste, uniformierte Einrichtungen das Bild, das sich den Reportern bietet. Die einstige Gastfreundschaft und die kulturelle Vielfalt scheinen der Gleichmacherei des sozialistischen Systems zum Opfer gefallen zu sein.
Die Reporter beobachteten die Veränderungen, die mit dem politischen System einhergingen, und stellten fest, dass die Stadt nicht nur in ihrer wirtschaftlichen Struktur, sondern auch in ihrer Seele beeinträchtigt wurde. Die Menschen, die früher stolz auf ihre Hanseatische Identität waren, scheinen nun in einem System gefangen zu sein, das die individuellen Freiheiten stark einschränkt. Der Freiheitsgeist, der Stralsund einst prägte, wirkt in den Gesichtern der Bürger oft bedrückt und eingeschränkt. Der Charme der Hansestadt wird von den düsteren Farben des sozialistischen Alltags überschattet.
Ein weiterer Punkt, der den Reportern auffiel, war die neu errichtete Werft, die als strategische Baumaßnahme der Sowjetunion beschrieben wurde. In dieser Zeit, als die DDR zunehmend als ein Satellitenstaat der Sowjetunion angesehen wurde, war die Werft ein Symbol für die militärische und wirtschaftliche Abhängigkeit. Die Stadt, die einst als Tor zur Freiheit galt, wird nun als Teil eines Systems gesehen, das die Interessen der Sowjetunion bedient und die Selbstständigkeit der Deutschen einschränkt.
Zusammenfassend stellte das SFB-Team fest, dass Stralsund in der Diktatur seine einstige Freiheit und seinen unabhängigen Geist verliert. Die Überwältigung durch die SED-Herrschaft und die zunehmende Kontrolle über das Leben der Bürger stehen in starkem Kontrast zu dem, was Stralsund früher war. Die Stadt, die immer noch die Erinnerungen an ihre glorreiche Vergangenheit birgt, scheint in einem neuen, repressiven Regime gefangen zu sein. Die Hoffnungen auf Freiheit und Selbstbestimmung, die einst in den Straßen und Gebäuden lebendig waren, werden durch die erdrückende Realität des sozialistischen Systems erstickt. Der Besuch des SFB-Teams in Stralsund im Jahr 1961 wird so zu einem eindringlichen Bild des Wandels und der Entfremdung, das die komplexe und oft schmerzliche Geschichte dieser Stadt im Schatten der politischen Macht widerspiegelt.