Der neue Band „ReformStress. Jenaer Lehrkräfte und die Transformation des Schulwesens vor und nach 1989“ ist ein Beitrag zur Reihe „Bausteine zur Jenaer Stadtgeschichte“, herausgegeben von Emilia Henkel und Stadthistoriker Dr. Rüdiger Stutz. Auf 271 Seiten versammeln sich neun Autorinnen und Autoren, die die Umbruchszeit der Schulreform beleuchten, die zur heutigen vielfältigen Jenaer Schullandschaft führte. „Die Beiträge reflektieren sowohl die subjektiven Erfahrungen der Lehrerinnen und Lehrer als auch die weitreichenden Strukturveränderungen, die teilweise bis heute anhalten“, erklärt Emilia Henkel. Die Historikerin von der Friedrich-Schiller-Universität Jena betont die enormen Herausforderungen, mit denen das Schulsystem und seine Akteure konfrontiert waren.
„Chaotische Zeiten voller Unsicherheiten“
„Das Schulsystem zeigt in seiner Grundstruktur eine hohe Kontinuität“, so Henkel. Dies gilt für Unterrichtsmethoden, Klasseneinteilung und Fächerwahl. Doch die Umbruchszeit, die bereits vor 1989 begann, brachte eine Flut an Veränderungen mit sich. Der Übergang von der DDR-Bildungssystematik zu der der Bundesrepublik, orientiert an Hessen, brachte weitreichende Umstrukturierungen mit sich. Dies umfasste die Fortführung oder Umgestaltung von Schulen, die Überprüfung der fachlichen Eignung von Lehrkräften und den Umgang mit sinkenden Schülerzahlen. Junge Familien verließen die neuen Bundesländer, was die Lage zusätzlich verschärfte. „Viele Lehrerinnen und Lehrer erlebten diese Zeit als chaotisch und unsicher“, so Henkel. Diese Erfahrungen reichen über die direkte „Wendezeit“ hinaus und erstrecken sich über einen längeren Zeitraum, der bereits vor 1989 begann.
Beharrungskräfte trotz Reformdrucks
Jürgen Wolf untersucht in seinem Beitrag „Besondere Vorkommnisse“ das Zusammenspiel der Organe an Jenaer Schulen in den 1980er Jahren. Katharina Kempken beleuchtet Reforminitiativen von Jenaer Lehrkräften 1989/90, während Anna Dünkel den Werdegang von Stadtschulrätin Sieglinde Schubert skizziert. Rüdiger Stutz und Erik Fischer analysieren die Überprüfungen des Lehrpersonals in Sachsen und Thüringen, und Thomas Ahbe betrachtet die DDR-Schulbildung und Personalüberprüfungen nach 1990. Barbara Krug erforscht die Handlungsspielräume von Grundschullehrkräften, während Thomas Priese sich mit Staatsbürgerkundelehrern befasst. Emilia Henkel schließlich untersucht die Berufsbiografien der ersten nach 1990 ausgebildeten Gymnasiallehrerinnen und -lehrer in Jena. Der Sammelband zeigt ein Bildungssystem, das trotz enormen Reformdrucks und systemübergreifender Veränderungen beachtliche Beharrungskräfte aufweist.
Bibliographische Angaben:
Emilia Henkel, Rüdiger Stutz (Hg.), „ReformStress. Jenaer Lehrkräfte und die Transformation des Schulwesens vor und nach 1989, Verlag Städtische Museen Jena, Jena 2024, 271 Seiten, Preis 17,80 Euro, ISBN: 978-3-949860-10-2